Verliebt in den Mafioso - Sexy, unwiderstehlich und verboten (4-teilige Serie)

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EINGESCHNEIT MIT DEM MILLIONÄR

"Ich bekomme immer, was ich will." Bei Braden O’Sheas Worten läuft Zara ein erregender Schauer über den Rücken. Sicher, er ist ihr Boss, und das heißt eigentlich: Finger weg! Die gefährlichen Blicke aus seinen dunklen Augen verraten ihr jedoch zu genau, was er will: sie …

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  • Erscheinungstag 16.04.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716653
  • Seitenanzahl 576
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Jules Bennett

Verliebt in den Mafioso - Sexy, unwiderstehlich und verboten (4-teilige Serie)

IMPRESSUM

Eingeschneit mit dem Millionär erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2016 by Jules Bennett
Originaltitel: „Trapped with the Tycoon“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARA
Band 376 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Nicola Kind

Umschlagsmotive: Depositphotos_prometeus

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733716615

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

Zara Perkins zuckte zusammen, als ihr Ex ihren Arm ergriff. „Ich tanze nicht. Ich arbeite.“

Warum musste ausgerechnet Shane Chapman hier auftauchen? Diese Party von einer der namhaftesten Familien der Stadt war die größte Veranstaltung, die Zara je ausgerichtet hatte. Sie hatte viel Arbeit in die Planungen gesteckt, und Shane konnte ihr alles ruinieren.

„Jetzt spiel nicht die Unnahbare“, erwiderte er süffisant. Sein Atem roch nach Whiskey. „Ich habe doch gesehen, wie du zu mir herübergeschaut hast.“

Das hatte sie tatsächlich. Aber voller Widerwillen. Sie würde lieber barfuß über Glasscherben laufen, als ihn noch einmal an sich heranzulassen. Zara hoffte inständig, dass Shane verschwinden würde. Dies war ihr erstes bedeutendes Event für die Familie O’Shea; und das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war ein aufdringlicher Typ, mit dem sie unglücklicherweise ein paarmal ausgegangen war.

„Tanzen Sie mit mir“, forderte eine tiefe Stimme.

Ohne sich umzudrehen, wusste Zara, wer hinter ihr stand. Ihr neuer Kunde, der berühmt-berüchtigte Tycoon Braden O’Shea. Ein geheimnisvoller, faszinierender Mann, der ihr Herz schneller schlagen ließ. Er strahlte so viel Autorität, Macht und Sexappeal aus, dass es ihr bei den Vorbereitungstreffen zu diesem Abend oft schwergefallen war, sich auf das Gespräch zu konzentrieren.

Es war ihr schrecklich peinlich, dass er Zeuge dieser unangenehmen Szene geworden war. Sie war beruflich hier, und sich mit einem lästigen Ex herumzuschlagen schadete ihrem Ruf.

Shane warf Braden einen Blick zu, der deutlich zeigte, was er von der Unterbrechung hielt. Doch bevor Zara auch nur ein Wort sagen konnte, nahm Braden sie an die Hand und führte sie auf die Tanzfläche des historischen Ballsaals seiner prächtigen viktorianischen Villa.

Im nächsten Augenblick fand sie sich in den Armen dieses fantastisch aussehenden Mannes wieder. Hochgewachsen, athletisch und sexy. Wie üblich trug er einen dunklen Maßanzug, ein schwarzes Hemd und keine Krawatte. Der herbe Duft seines zweifellos teuren Parfüms war sinnlich und betörend.

Aber dieser Mann war ihr neuer Kunde. Sie durfte sich keinerlei Nachlässigkeit erlauben. Und keine erotischen Fantasien.

Na gut, vielleicht später, wenn sie wieder allein wäre.

„Ich muss wirklich arbeiten“, protestierte sie.

Immerhin war sie für den reibungslosen Ablauf der Party verantwortlich. Mit dem Gastgeber zu tanzen war eigentlich ein absolutes Tabu. Auch wenn sie schon vor diesem Abend eine gewisse Anziehungskraft zwischen ihnen bemerkt hatte, über die sie lieber nicht weiter nachdenken wollte.

Er sah sie durchdringend an. „Mit einem solchen Kleid sollten Sie aber tanzen.“

Ihr knielanges, schwarzes Kleid war sehr figurbetont und hatte vorn und hinten einen tiefen V-Ausschnitt. Es war schlicht und doch sexy. Es war das einzige elegante Kleid gewesen, das sie gefunden hatte, weil sie seit ihrem Umzug noch nicht dazu gekommen war, alle Kisten auszupacken.

„Sie bezahlen mich nicht fürs Tanzen“, erklärte sie. Dennoch machte sie keinerlei Anstalten, sich aus seinen kraftvollen Armen zu befreien. Ihr Verstand sagte ihr, dass sie sich nicht sehr professionell benahm, doch ihr eigensinniger Körper ignorierte die Botschaft.

„Sie haben gerade Pause.“

Braden hatte eine Hand um ihre Taille gelegt. Die funkelnden Kristallleuchter, die von der Decke hingen, tauchten den Saal in goldenes Licht. Andere Paare wirbelten um sie herum, doch Zara hatte nur Augen für diesen aufregenden Mann, der sich in vollkommenem Einklang mit ihr bewegte. Dabei war es höchste Zeit, dass sie sich von ihm losriss. Schließlich war sie nicht hier, um sich zu amüsieren. Man bezahlte sie dafür, dass sie diese Party zu einem Erfolg machte. Da konnte sie keine Ablenkung gebrauchen.

Und auch keine verrückten Exfreunde.

„Ich wäre mit Shane schon klargekommen“, versicherte sie Braden. „Er war nur …“

„Ich rede nicht über andere Männer, während ich eine schöne Frau im Arm halte.“

Der sinnliche Unterton seiner Bemerkung war ihr nicht entgangen. Okay, damit hatte er die professionelle Grenze endgültig überschritten. Und die geheimnisvolle Aura, die ihn umgab, machte ihn nur noch interessanter und faszinierender.

Trotzdem sollte sie sich lieber auf die Arbeit konzentrieren. Ihr Ziel war es, ihre noch junge Firma bekannt zu machen, und der Auftrag der O’Sheas war ein großer Schritt in die richtige Richtung. Natürlich wusste sie, dass es Gerüchte über nicht ganz legale Geschäfte hinter der Fassade ihres renommierten Auktionshauses gab. Doch die O’Sheas verfügten über Beziehungen, von denen andere nur träumen konnten. Und sie erhoffte sich von diesem Event viele neue Kunden.

„Wenn Sie weiter so die Stirn runzeln, muss ich annehmen, dass Sie Shanes Gesellschaft meiner vorziehen“, bemerkte Braden. „Oder habe ich vielleicht einen Streit unter Liebenden unterbrochen?“

Zara zuckte förmlich zusammen. „Nein. Ganz sicher nicht.“

Sie war ein paarmal mit Shane ausgegangen, doch er war für ihren Geschmack viel zu kontrollsüchtig geworden. Daher hatte sie die Beziehung mit ihm schon vor Wochen beendet. Trotzdem versuchte der Kerl immer wieder, sich in ihr Leben zu drängen. Nur gut, dass sie nie mit ihm geschlafen hatte.

Braden ließ seine Hand höher wandern, und seine Fingerspitzen streiften ihre Haut am Rande des tiefen Rückenausschnitts. Die winzige Berührung jagte ein heißes Kribbeln durch ihren ganzen Körper.

„Mr. O’Shea …“

„Braden.“

Zara schluckte. „Braden.“ Sie zwang sich, ihm in die Augen zu blicken. „Ich sollte jetzt wirklich nach dem Büfett sehen und …“

„Nicht nötig.“

„Und die Getränke …“

„Auch davon ist noch reichlich da.“

Sie tanzten an einer der raumhohen Glastüren vorbei, die auf die Veranda hinausführten. Draußen wirbelten dicke Schneeflocken vor den Fenstern. Der Wetterbericht hatte für den späteren Abend einen schweren Schneesturm gemeldet. Der Februar in Boston konnte ziemlich tückisch sein.

„Mit der Party heute Abend haben Sie sich wirklich selbst übertroffen“, sagte er. „Ich bin sehr beeindruckt.“

Sie lächelte. „Ich freue mich, das zu hören. Ich möchte, dass meine Kunden zufrieden sind. Dennoch gehört es nicht zu meinen Gewohnheiten zu tanzen, wenn ich eigentlich arbeiten sollte.“

Er strich mit dem Daumen sanft über die nackte Haut an ihrem Rücken. „Ich habe gehört, was er zu Ihnen gesagt hat.“

Zara erstarrte und überlegte sich ihre nächsten Worte sehr genau. „Ich versichere Ihnen, dass ich niemals zulassen würde, dass irgendetwas oder irgendjemand meine Arbeit beeinträchtigt. Shane ist nur …“

„Er wird Sie nie wieder belästigen“, versicherte Braden ihr mit fester Stimme. Er ließ seinen Blick langsam über ihren Körper wandern, und Zara stellte sich vor, wie er …

Nein, nein, nein. Ganz egal, wie verführerisch Braden O’Shea war, in ihrem Leben war kein Platz für erotische Gedankenspiele. Außerdem war er so was wie ihr Boss, du liebe Güte.

„Der Sturm wird stärker.“ Braden deutete mit dem Kopf in Richtung Fenster. „Wohnen Sie weit von hier weg?“

„Etwa zwanzig Minuten.“

„Wenn Sie lieber aufbrechen möchten …“

„Nein.“ Zara schüttelte energisch den Kopf. „Ich habe mein ganzes Leben in Boston verbracht. Schnee macht mir nichts aus. Außerdem würde ich niemals eine meiner Veranstaltungen vorzeitig verlassen.“

„Freut mich zu hören, aber ich möchte nicht, dass Sie bei diesem Wetter allein unterwegs sind. Mein Fahrer wird dafür sorgen, dass Sie sicher nach Hause kommen.“

„Das ist nicht nötig.“

Braden beugte sich so weit nach vorn, dass sie seinen Atem auf ihrer Wange spüren konnte. „Wir sollten keine Zeit mit Streiten verschwenden, während wir tanzen.“

Er legte seinen Arm enger um ihre Taille und zog sie an sich. Anscheinend war ihre Pause noch nicht vorbei.

Braden wusste schon länger, dass Zara Perkins sexy war. Schon seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Aber in diesem tief ausgeschnittenen, schwarzen Cocktailkleid sah sie absolut atemraubend aus. Und sie in seinen Armen zu halten und ihre aufregenden Kurven unter seinen Händen zu spüren, raubte ihm fast den Verstand.

Dabei geriet der eigentliche Grund für diese Party fast in Vergessenheit. Und den durfte er nicht aus den Augen verlieren. Egal wie sehr ihn diese verflixten Kurven aus der Bahn warfen. Nichts konnte ihn davon abhalten, das Versprechen zu halten, das er seinem Vater an dessen Sterbebett gegeben hatte.

Braden hatte Zara keineswegs zufällig engagiert. Er hatte sie mit Absicht ausgewählt, um näher an sie heranzukommen, nah genug, um sich Zutritt zu ihrem Privatleben und in ihr Haus zu verschaffen. Das Erbe seiner Familie könnte in diesem Haus verborgen sein, und Zara würde es nicht einmal bemerken, wenn sie darüber stolpern würde.

Braden hatte absolut nichts dagegen, ein wenig Verführungskunst mit einfließen zu lassen, um zu bekommen, was er wollte. Ihm war nicht entgangen, wie ihr Atem gestockt hatte, als er ihre nackte Haut berührte. Und er musste zugeben, dass die harmlose Berührung auch in ihm etwas ausgelöst hatte. Trotzdem durfte er bei aller Faszination auf keinen Fall die Kontrolle verlieren.

Er musste sich in Erinnerung rufen, dass er jetzt das Oberhaupt der Familie war und dass er eine Pflicht zu erfüllen hatte. Ein reizvoller Flirt am Rande war okay, solange er sein Ziel im Blick behielt.

Heute Abend feierten sie das achtzigjährige Bestehen des berühmten Bostoner Auktionshauses O’Shea, dessen Führung Braden seit dem Tod seines Vaters vor ein paar Monaten übernommen hatte. Und nun, da die Verantwortung in seinen Händen lag, würde es ein paar wichtige Veränderungen geben. Die Familie musste endlich raus aus allen illegalen Geschäften. Der Druck, unter dem sein Vater sein ganzes Leben lang gestanden hatte, war nicht das, was Braden für seine eigene Zukunft wollte.

Er hatte einen Fünfjahresplan. In dieser Zeit musste es ihm gelingen, nach und nach alle Verbindungen zur Unterwelt zu lösen. Sein Vater war ein erfolgreicher und hoch angesehener Geschäftsmann gewesen, doch mit manchen seiner Entscheidungen hatte Braden sich nie anfreunden können. Er hatte beschlossen, dass jegliche Gewalt aufhören musste. Das war seine oberste Priorität.

Zara ließ ihren Blick durch den Saal wandern. „Ihr Bruder kommt auf uns zu.“

Braden drehte sich nicht um, sondern tanzte einfach weiter.

„Wir müssen reden“, sagte Mac.

Braden blieb stehen, doch er ließ Zara nicht los, als er seinen Bruder über seine Schulter hinweg ansah. „Wir treffen uns in fünf Minuten im Arbeitszimmer.“

„Jetzt.“

„In fünf Minuten“, wiederholte Braden unbeeindruckt, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder ganz auf Zara richtete.

„Sie können ruhig mit ihm gehen.“ Zara lächelte. „Ich muss jetzt ohnehin weiterarbeiten.“

Ein letztes Mal ließ er seine Fingerspitzen über ihre Haut gleiten, dann ließ er sie los. „Ich komme gleich wieder. Geben Sie mir sofort Bescheid, wenn Shane noch einmal Probleme macht.“

„Gehen Sie, und reden Sie mit Ihrem Bruder. Ich komme schon zurecht“, versicherte sie. „Und danke für den Tanz.“

Braden trat einen Schritt auf sie zu und küsste ihre Hand. „Ich sollte Ihnen danken.“

Er bemerkte, wie sie nach Luft schnappte, als seine Lippen ihre Haut streiften. Ja, sie zu verführen würde nicht schwierig werden. Er musste nur den richtigen Zeitpunkt abwarten.

Doch eins nach dem anderen. Zunächst musste er in Erfahrung bringen, was sein jüngerer Bruder von ihm wollte. Braden entschuldigte sich und machte sich auf den Weg zum Arbeitszimmer.

Mac lehnte am Mahagonischreibtisch und schwenkte eine goldene Flüssigkeit in einem Kristallglas. Die O’Sheas waren einfache Männer mit einfachen Vorlieben – Macht, guter Whiskey und schöne Frauen. Die Reihenfolge richtete sich nach den Umständen.

„Du musst dich beruhigen“, erklärte Mac bestimmt. „Dieser bedrohliche Blick in deinen Augen verängstigt die Gäste.“

„Ich bin vollkommen ruhig“, versicherte Braden.

Mac seufzte. „Hör zu. Ich weiß, wie sehr du Shane Chapman verabscheust. Er ist ein schmieriger Bastard und nur deshalb eingeladen, weil sein Vater eine der bedeutendsten Kunstgalerien der Stadt besitzt. Aber was auch immer er …“

„Er belästigt Zara.“ Braden verschränkte die Arme vor der Brust. „Behalt ihn im Auge. Er darf unsere Pläne nicht durchkreuzen.“

Mac nickte. „Ich werde Ryker Bescheid geben.“

Ryker war die rechte Hand der O’Sheas und ihr Mann fürs Grobe. Obwohl er kein Verwandter war, gehörte er seit vielen Jahren zur Familie. Patrick O’Shea hatte ihn inoffiziell adoptiert, als Ryker noch ein rebellischer Teenager gewesen war. Er hatte ihn wie einen Sohn aufgenommen, und seither war Rykers Loyalität zu den O’Sheas grenzenlos.

Verdammt. Braden wollte kein Blut an seinen Händen. Er wollte sich ganz auf die Wiederbeschaffung verloren gegangener Erbstücke konzentrieren. Das Auktionshaus O’Shea war dafür bekannt, überall auf der Welt wertvolle Kunstschätze aufspüren zu können. Manche der Stücke wurden zwar auf etwas fragwürdige Weise „wiedergefunden“, doch es war leicht, diese Stücke zusammen mit Lieferungen legaler Ware für Auktionen zurück ins Land zu schmuggeln. Und die gut betuchte Kundschaft der O’Sheas ließ sich die notwendige Diskretion einiges kosten. Das Geschäft florierte.

Mac nippte an seinem Whiskey. „Ich finde, dass du die Sache mit Zara ziemlich überstürzt angehst.“

Braden kniff die Augen zusammen. „Eine ziemlich kühne Bemerkung von einem Mann, der in jeder Stadt eine andere Frau hat.“

Mac blickte ihn über sein Glas hinweg an. „Wir sprechen nicht über mich. Es sei denn, du möchtest, dass ich die Verführung der hübschen Eventplanerin übernehme.“

„Du hältst dich von ihr fern, verstanden?“

Warum war er auf einmal so besitzergreifend? Er hatte schließlich keinerlei Ansprüche auf Zara.

Doch er hatte sie in seinen Armen gehalten, ihren Körper an seinem gespürt. Und er hatte die Spur von Verletzlichkeit in ihrem Blick gesehen, als sie von Shane bedrängt worden war. Er würde niemals dulden, dass in seiner Gegenwart eine Frau belästigt oder schlecht behandelt wurde.

Seine kleine Schwester Laney war zurzeit mit einem Idioten zusammen, der furchtbar herablassend sein konnte. Noch eine Angelegenheit, um die er sich kümmern musste, jetzt, da er die Verantwortung übernommen hatte.

„Überlass Zara mir und kümmere dich um deine eigenen Aufgaben“, sagte er.

Mac hatte vor Kurzem die Leitung einer neu eröffneten Filiale in Florida übernommen, ein Job, der ihm sehr entgegenkam. Einerseits, weil er so den kalten Wintern in Boston entkommen konnte, andererseits weil seine beste Freundin Jenna im vergangenen Jahr ebenfalls nach Miami gezogen war.

„War das alles?“, fragte Braden.

„Fürs Erste.“ Mac leerte sein Glas und stellte es beiseite. „Ich werde Shane im Auge behalten. Ryker wäre nur das allerletzte Mittel. Ich weiß, du möchtest die Dinge zukünftig gern anders handhaben als Dad. Aber Shane darf uns nicht dazwischenfunken. Wir sind viel zu nahe dran, die Schriftrollen zu finden.“

Braden nickte. Diese Schriftrollen waren von unschätzbarem Wert. Jahrhundertelang waren sie der kostbarste Besitz seiner Familie gewesen, bis sie zur Zeit der großen Wirtschaftskrise in den 1930er Jahren verloren gingen. Als seine Vorfahren ihr Haus verkaufen mussten, waren die Rollen versehentlich dort zurückgeblieben. Ausgerechnet in dem Haus, in dem Zara nun lebte.

Und die O’Sheas wollten ihr Familienerbe unbedingt zurück.

Als Braden in den Ballsaal zurückkehrte, sah er am anderen Ende des Raumes Shane schon wieder bei Zara stehen. Sie schüttelte den Kopf und wollte sich abwenden, als Shane die Hand ausstreckte, sie unsanft am Oberarm packte und sie an seine Brust zerrte.

Schnell drängte sich Braden durch die Menschenmenge, dicht gefolgt von Mac.

„Hey, Chapman, lass sie los.“ Braden machte sich nicht einmal die Mühe, seine Wut zu verbergen. „Nimm die Hände weg, oder ich werfe dich persönlich raus.“

Mac wies einen der Mitarbeiter an, den Sicherheitsdienst zu alarmieren, doch Braden sah in diesem Moment nur noch rot.

Shane sah ihn ungerührt an. „Das hier geht dich nichts an, O’Shea. Zara und ich haben nur einen kleinen Disput unter Liebenden.“

Der Ausdruck in ihrem Gesicht verriet, dass dies keineswegs der Fall war, genau wie sie es ihm zuvor schon versichert hatte. Obwohl sie das Kinn stolz erhoben hatte, sah Braden eine Spur von Angst in ihren großen, dunklen Augen. Er würde Shanes Benehmen keine weitere Sekunde mehr dulden.

Er packte ihn am Handgelenk und drückte fest zu. „Nimm deine verdammten Hände von ihr. Sofort.“

Shane ließ Zara los und stieß sie von sich fort. „Du kannst mir nicht ewig aus dem Weg gehen“, zischte er ihr zu und rieb sich das schmerzende Handgelenk.

Er wollte gehen, doch Braden versperrte ihm den Weg. „Wenn du ihr noch einmal zu nahe kommst und ich davon höre, wirst du dir wünschen, tot zu sein, verstanden?“

Shane zögerte einen Moment. Dann grinste er. „Patrick O’Sheas Sohn durch und durch. Und ich dachte, du wärst dir zu gut, um dir die Hände schmutzig zu machen.“

Braden ließ sich nicht provozieren. Tief im Inneren wusste er, dass er anders war als sein Vater. Im Gegensatz zu ihm lehnte Braden den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung seiner Ziele ab. Im Augenblick war er allerdings tatsächlich versucht, seine Einstellung noch einmal zu überdenken.

„Für alles gibt es ein erstes Mal“, drohte er.

In diesem Moment tauchten zwei Sicherheitsleute neben ihnen auf. Um unnötiges Aufsehen zu vermeiden, fassten sie Shane nicht an, doch sie flankierten ihn auf beiden Seiten und geleiteten ihn zum nächstgelegenen Ausgang. Die wenigen Gäste, die den Zwischenfall mitbekommen hatten, setzten ihre Gespräche ungestört fort. Jeder hier wusste, dass es besser war, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern, wenn man weiterhin dem engeren Kreis der O’Sheas angehören wollte.

Sobald Shane fort war, wandte sich Braden an Zara. „Kommen Sie.“

Er brachte sie in einen kleinen, an den Ballsaal angrenzenden Salon und schloss die Tür hinter ihnen. Behutsam führte er sie zu einem der ledernen Clubsessel. „Lassen Sie mich Ihren Arm sehen.“

„Mir geht es gut. Es tut mir so leid, dass ich eine solche Szene verursacht habe.“

„Bitte zeigen Sie mir Ihren Arm.“

Zara zögerte einen Moment. Dann zog sie ihr Kleid an der Schulter ein wenig hinunter und entblößte cremeweiße Haut und einen schwarzen BH-Träger.

Als Braden die blau unterlaufenen Male auf ihrem Oberarm sah, spürte er rasende Wut in sich aufsteigen. „Ich hätte ihm doch eine verpassen sollen.“

Sanft zog er den Stoff wieder über ihre Schulter.

„Mir geht es gut“, versicherte sie noch einmal. „Und ich muss wirklich wieder an die Arbeit. Trotzdem weiß ich zu schätzen, was Sie für mich getan haben.“

Er hatte gar nicht bemerkt, wie nahe sie sich waren, bis er ihren sanften Atem auf seiner Wange spürte. Sein Blick fiel auf ihre Lippen.

„Meine Motive sind nicht immer ganz selbstlos.“

Sie lächelte. „Was auch immer Ihre Motive sein mögen, sie waren auf jeden Fall effektiv.“

Er beugte sich vor, bis sie nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren. „Ich bin immer effektiv.“

2. KAPITEL

Effektiv. Gründlich. Eindrucksvoll. Es gab viele passende Adjektive, um Braden O’Shea zu beschreiben. Auf jeden Fall war er herbeigeeilt, ohne zu zögern, um sie vor Shane Chapmans Aufdringlichkeiten zu retten.

Zara zog den Mantel enger um sich und ließ sich tief in den Beifahrersitz des Geländewagens sinken. Ihr Kleid, das für die elegante Party durchaus die passende Wahl gewesen war, wirkte bei dem Unwetter draußen reichlich deplatziert. Und mit den dicken Schneestiefeln, die sie nun statt der hochhackigen Pumps trug, sah es auch nicht mehr annähernd sexy aus.

„Als Sie sagten, dass Ihr Fahrer mich nach Hause bringen würde, wusste ich nicht, dass sie selbst dieser Fahrer sein würden.“ Sie warf einen Blick zur Seite und betrachtete Bradens Profil im schwachen Licht der Armaturenbeleuchtung.

„Nach dem Zwischenfall mit Shane wollte ich lieber selbst für Ihre Sicherheit sorgen.“ Er packte das Lenkrad fester. „Und bei diesem Sturm sollten Sie nicht allein unterwegs sein. Im Wetterbericht hieß es, man rechne mit über einem halben Meter Neuschnee.“

Zara hielt den Atem an, als der Wagen in einer Kurve ins Schlingern geriet. Doch Braden brachte das Fahrzeug schnell wieder unter Kontrolle. Seit sie sein Anwesen in Beacon Hill verlassen hatten, waren ihnen erst zwei andere Autos auf der Straße begegnet.

„Es tut mir so leid“, sagte sie. „Ich hätte aufbrechen sollen, als Sie mich vorhin vor dem Schneesturm gewarnt haben. Dann müssten Sie jetzt nicht hier draußen sein.“

„Machen Sie sich keine Gedanken darüber. Der Blizzard kam schneller als erwartet, und ich hatte heute Abend ohnehin nichts anderes mehr vor.“

„Hoffentlich sind Ihre Gäste alle gut nach Hause gekommen“, bemerkte sie besorgt. „Die meisten sind schon vor über einer Stunde losgefahren. Das heißt, sie müssten es geschafft haben, bevor es richtig losging.“

Sie selbst war geblieben, bis alle Aufräumarbeiten beendet waren, so wie sie es bei jeder ihrer Veranstaltungen machte.

„Leben Sie allein?“

„Ja. Ich bin erst vor drei Monaten ins Haus meiner Großmutter gezogen. Sie ist vor Kurzem gestorben, und ich war ihre einzige Verwandte.“

„Das tut mir sehr leid“, sagte Braden mitfühlend. „Mein Vater ist vor sechs Monaten gestorben“, erklärte er mit leiser Stimme. „Wir hatten alle keine Ahnung, dass es um sein Herz so schlecht bestellt war. Manchmal kommt es mir vor, als sei es erst gestern gewesen, und manchmal habe ich das Gefühl, ich müsste nur aus einem Albtraum erwachen, und alles wäre wieder gut.“

Zara schluckte. Dieses Gefühl kannte sie selbst nur zu gut. „Ja, es ist hart.“ Zum ersten Mal seit dem Tod ihrer Großmutter sprach sie offen über ihre Trauer. „Es fühlt sich seltsam an, in ihrem Haus zu wohnen. Als Kind war ich zwar oft bei ihr zu Besuch, aber ohne sie ist das Haus so furchtbar groß und leer.“

Zara war eigentlich nicht ängstlich, aber in dem riesigen alten Haus war ihr manchmal doch ein wenig unheimlich zumute. Und die alten Spukgeschichten machten es auch nicht gerade leichter. Vielleicht würde es sich mehr wie ihr Zuhause anfühlen, wenn sie ein paar der alten Möbel verkaufte und endlich ihre eigenen Sachen auspackte. Aber so weit war sie noch nicht. Die vertraute Einrichtung ihrer Großmutter fortzuräumen schien ihr einfach nicht richtig. Und auspacken, ankommen, sich niederlassen … das war etwas, womit sich Zara ohnehin schwertat. Die Gründe dafür herauszufinden, wäre zweifellos ein gefundenes Fressen für jeden Psychoanalytiker.

Plötzlich sahen sie Blaulicht hinter sich aufflackern. Braden warf einen Blick in den Rückspiegel, fuhr rechts an den Straßenrand und brachte den Geländewagen zum Stehen.

Zara fragte sich, was los war. Braden war ganz sicher nicht zu schnell gefahren. Die Gerüchte über die zwielichtigen Geschäfte der O’Sheas kamen ihr in den Sinn. Sie wusste nicht, ob an diesen Geschichten etwas Wahres dran war, und sie wollte sich auch kein Urteil darüber erlauben, trotzdem machte sie sich Gedanken. Alles, was sie wusste, war, dass die Familie sehr mächtig war und gut bezahlte. Und dass Braden der faszinierendste Mann war, der ihr je begegnet war.

Er warf ihr einen kurzen Blick zu. „Überlassen Sie mir das Reden.“

Zara nickte verwundert. Was sollte sie schon sagen?

Braden ließ das Fenster herunter, als sich ein Polizist dem Wagen näherte. „Guten Abend, Officer.“

Der Beamte beugte sich vor und schaute ins Fahrzeug. „Die Straßen sind ziemlich übel, und wir erwarten innerhalb der nächsten halben Stunde eine Katastrophenwarnung. Sind Sie wegen eines Notfalls unterwegs?“

„Nein. Ich bringe nur meine Mitarbeiterin nach Hause, weil ich nicht wollte, dass sie bei diesem Wetter allein fährt.“

Der Polizist schaute zu Zara hinüber. „Wie weit ist es noch bis zu Ihrem Haus?“

„Es ist gleich hier am Ende der Straße“, erklärte Braden und deutete in Richtung der Adresse, die Zara ihm genannt hatte. Sie waren tatsächlich fast da.

„Ich schlage vor, dass Sie beide bis auf Weiteres dort bleiben. Jeder Fahrer, den wir anhalten, nachdem die Straßen für den öffentlichen Verkehr gesperrt sind, kassiert einen Strafzettel“, erklärte der Beamte. „Ich werde Ihnen folgen, um sicherzugehen, dass Sie unbeschadet ankommen.“

Zara erstarrte, als ihr bewusst wurde, was der Polizist gerade gesagt hatte. Braden sollte bei ihr bleiben? In ihrem Haus? Über Nacht? Ihr Magen zog sich zusammen. Der Mann, für den sie arbeitete und den sie atemraubend sexy und nahezu unwiderstehlich fand. Na klar, das war überhaupt kein Problem.

„Vielen Dank, Officer“, erwiderte Braden. „Das ist sehr aufmerksam von Ihnen.“

Während der Polizist zum Streifenwagen zurückkehrte, schloss Braden das Fenster wieder. Die Stille im Wageninnern lastete zentnerschwer auf Zara. Sie riskierte einen kurzen Blick auf Braden, doch ihn schien das alles gar nicht weiter zu stören. Er fuhr langsam die Straße entlang und bog schließlich in ihre Auffahrt. Der Polizist hupte kurz und fuhr dann weiter. Braden stellte den Motor aus.

Zara konnte die Anspannung keine Sekunde länger ertragen. „Es tut mir entsetzlich leid“, sagte sie. „Wenn ich gewusst hätte, dass Sie hier festsitzen würden, hätte ich niemals zugelassen, dass Sie mich nach Hause bringen.“

Braden grinste. „Sie müssen sich nicht entschuldigen. Es macht mir nicht das Geringste aus, die Nacht mit einer schönen Frau zu verbringen.“

Braden war sich seiner Macht wohl bewusst. Jeder, der die O’Sheas kannte, wusste, über wie viel Einfluss die Familie verfügte. Auf ihrer Gehaltsliste standen sogar Polizisten und Verwaltungsbeamte. Eine Tatsache, die ihnen schon mehr als einmal aus der Klemme geholfen hatte.

Doch selbst Braden hätte den Zeitpunkt für diesen Schneesturm nicht passender planen können. Unter anderen Umständen hätte er es wahrscheinlich riskiert, trotz der Warnung der Polizei nach Hause zu fahren. Wäre schließlich nicht das erste Mal, dass er gegen das Gesetz verstoßen hätte. Aber warum sollte er fahren wollen? Ein erzwungener Aufenthalt in Zaras Haus war genau die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte.

Gerade als sie aus dem Auto steigen wollten, erloschen die Straßenlaternen. Die gesamte Straße lag mit einem Schlag im Dunkeln. „Sieht so aus, als hätten wir einen Stromausfall.“

„Na großartig“, murmelte Zara. „Ich habe keinen Generator. Aber es gibt zwei gasbetriebene Kamine. Bisher habe ich nur den in meinem Schlafzimmer benutzt. Den im Wohnzimmer habe ich noch nicht ausprobiert.“

Braden wusste nicht, was aufregender war. Die Tatsache, dass er das Haus durchsuchen und den letzten Willen seines Vaters erfüllen konnte, oder die Tatsache, dass er die Nacht mit seiner hübschen Eventplanerin verbringen würde.

„Warten Sie. Ich helfe Ihnen beim Austeigen.“

Ohne ihre Antwort abzuwarten, sprang er aus dem Auto und umrundete das Fahrzeug, wobei er sein Handy als Taschenlampe benutzte. Er trug immer noch den Anzug und die Schuhe, die er auf der Party getragen hatte.

Er öffnete die Beifahrertür und reichte Zara die Hand. Sie stieg aus und blickte zu ihm hoch. Schneeflocken verfingen sich in ihren langen, dunklen Wimpern oder schmolzen auf ihren vollen, ungeschminkten Lippen, die so weich aussahen, dass er den unbändigen Wunsch verspürte, sie zu küssen.

Verdammt. Wenn er nicht aufpasste, würde ihn dieses unkontrollierbare Verlangen noch in Schwierigkeiten bringen. Er hatte ein Ziel, und diese Nacht mit Zara war nur eine Etappe auf dem Weg dorthin. So schwer es auch fiel, er musste seine Konzentration auf das richten, was sein Vater ihm aufgetragen hatte – das Erbe der Familie O’Shea zurückzuholen.

Er legte ihr einen Arm um die Taille und führte sie über den verschneiten Gartenweg zur Seitentür. Der Schnee war jetzt schon knöchelhoch, und es schneite unablässig weiter.

„Ich kann wirklich selber laufen“, versicherte sie lachend. „Ich habe extra die Schuhe gewechselt.“

„Vielleicht halte ich mich ja auch an Ihnen fest, damit ich nicht falle“, erwiderte er. „Ich werde Ihnen mit dem Handy leuchten, damit Sie Ihren Schlüssel finden können.“

Zara holte ihren Hausschlüssel aus der Tasche und schloss auf.

Drinnen leuchtete Braden in den dunklen Flur. Etwas mehr Licht wäre nicht schlecht gewesen. Was für eine Ironie des Schicksals. Jetzt war er endlich im Haus und konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Aber er würde sich auch von einem Stromausfall nicht davon abhalten lassen, seine Chance zu nutzen.

„Haben Sie eine Taschenlampe und Kerzen?“, fragte er.

„Ich weiß, wo Kerzen sind, aber bei der Taschenlampe bin ich mir nicht sicher. Ich bin erst seit ein paar Monaten hier und habe bis jetzt noch nicht alles ausgepackt.“ Zara hängte ihren Mantel an die Garderobe. Als sie sich wieder umdrehte, stieß sie in der Dunkelheit gegen seine Wange. „Oh, Entschuldigung. Das war keine Absicht.“

Braden war eigentlich ganz froh über die kleine Ohrfeige. Sie hatte nicht wehgetan und war genau die Mahnung, die er brauchte, um sich zu konzentrieren. „Schon gut. Es ist so dunkel, dass wir wahrscheinlich noch öfter ineinanderrennen werden.“

Nicht dass er etwas dagegen einzuwenden hätte, Zara gelegentlich zu berühren. Im Gegenteil. Ihm gefiel diese Vorstellung sehr, solange er nur sein eigentliches Ziel nicht aus den Augen verlor.

Sie traten in die Küche, von der aus ein breiter Durchgang ins Wohnzimmer führte.

„Auf dem Tisch stehen ein paar Kerzen, und die Streichhölzer müssten in der Schublade unter der Spüle sein. Als Erstes sollten wir versuchen, den Kamin im Wohnzimmer in Gang zu bringen.“

Sie öffnete eine Schublade und holte eine Schachtel Streichhölzer hervor, bevor sie an ihm vorbei Richtung Wohnzimmer ging. „Bleiben Sie in meiner Nähe, und seien Sie vorsichtig, dass Sie sich nicht stoßen. Hier stehen noch jede Menge Kisten und Umzugskartons herum.“

In der Nähe bleiben? Kein Problem. Braden legte erneut seinen Arm um ihre Taille und zog sie an sich heran. „Etwa so?“, flüsterte er in ihr Ohr

Ihr Körper erbebte unter seiner Berührung. Genau die Reaktion, die er erhofft hatte … außer dass auch sein Herz auf einmal schneller schlug. Sie duftete einfach viel zu gut, und ihr seidiges Haar kitzelte an seinen Lippen. Verdammt, wer verführte hier eigentlich wen?

„Na ja, vielleicht nicht ganz so nah“, murmelte sie und wich ein wenig zurück.

Er bedrängte sie nicht weiter, schließlich wollte er ihr keine Angst einjagen. Sie sollte sich erst einmal an ihn gewöhnen. Denn er hatte vor, ihr noch viel näher zu kommen.

„Ihnen ist schon klar, dass das hier keine gute Idee ist, oder?“, fragte sie.

„Den Kamin anzuzünden ist eine hervorragende Idee. Sonst wird es hier drinnen bald verdammt kalt werden.“

„Sie wissen genau, was ich meine. Ich arbeite für Sie.“

„Ja, das ist mir bekannt.“ Er leuchtete mit dem Handy ins Zimmer. „Aber ich weiß auch, dass wir etwas Wärme brauchen. Und wenn wir den Kamin nicht in Gang kriegen, werden wir wohl auf andere Methoden zurückgreifen müssen.“

Zara ging langsam voran. „Unter den gegebenen Umständen ist es wohl keine gute Idee, sich auf irgendwelche Dummheiten einzulassen.“

Er folgte ihr. „Warum zünden wir nicht zuerst das Feuer an und machen uns dann auf die Suche nach etwas mehr Licht? Danach können wir uns immer noch über die gegebenen Umstände unterhalten, und darüber, was da zwischen uns läuft.“

Zara warf ihm über ihre Schulter hinweg einen Blick zu. „Das können wir auch sofort klären. Ich brauche diesen Job, und selbst wenn ich mich zu Ihnen hingezogen fühlen würde …“

„Tun Sie das denn nicht?“

„Selbst wenn es so wäre“, betonte sie noch einmal, „würde ich nicht riskieren, deswegen unsere Geschäftsbeziehungen zu gefährden.“

Er konnte im Dunkeln kaum ihr Gesicht erkennen, doch die Art, wie sie sich in seine Richtung lehnte, verriet ihm, dass ihre kleine Ansprache nicht viel zu bedeuten hatte.

Natürlich ging es ihm zuallererst darum, ihr Haus durchsuchen zu können, aber es gab keinen Grund, nicht auch ein wenig Vergnügen einzubauen. Er wollte das Erbe seiner Familie zurückgewinnen. Aber dabei Zara zu erobern wäre wie das sprichwörtliche Sahnehäubchen.

Danach würde er sich wieder auf den Weg nach Hause machen, und Zara würde nie erfahren, aus welchem Grund er eigentlich da gewesen war.

„Wie Sie meinen“, sagte er. „Ich werde nicht mehr davon sprechen.“ Was natürlich nicht bedeutete, dass er sie auch nicht mehr berühren würde.

Soweit er wusste, gab es neun Schriftrollen, die im Besitz seiner Familie gewesen waren. Ihre Geschichte reichte weit zurück. Einer seiner Vorfahren, ein irischer Mönch, hatte Werke von Shakespeare persönlich abgeschrieben. Dabei handelte es sich vermutlich um bisher unbekannte Theaterstücke und Gedichte. Und der letzte bekannte Ort, an dem sich dieser Familienschatz befunden hatte, war dieses Haus gewesen. Jahrzehnte waren seither vergangen. Patrick O’Shea hatte mehrmals versucht, das Haus zurückzukaufen, doch Zaras Großmutter hatte einfach nichts davon wissen wollen.

Nachdem alle Kaufangebote gescheitert waren, hatte Bradens Vater schließlich entschieden, illegale Wege zu beschreiten. Ryker war ein paarmal unbemerkt ins Haus eingebrochen, doch er hatte nichts finden können, und sie standen immer noch mit leeren Händen da. Und dann war Patrick O’Shea unerwartet gestorben.

Also musste Braden die Sache in die Hand nehmen. Aufgeben kam nicht infrage.

Zara kniete sich vor den Kamin. „Könnten Sie bitte hierher leuchten.“

Er tat es und beobachtete, wie sie mit der Zündvorrichtung hantierte.

„Brauchen Sie Hilfe?“, fragte er.

„Ach, verflixt.“ Sie schüttelte den Kopf. „Dieser Kamin funktioniert nicht. Meine Großmutter hatte oft Ärger damit, doch ich hatte angenommen, er sei inzwischen repariert worden. Aber ich weiß, dass der Kamin in meinem Schlafzimmer funktioniert, weil ich den schon benutzt habe.“

„Dann sollten wir wohl nach oben gehen.“ Eigentlich sollte Braden sich nicht darüber freuen, dass ihr Schlafzimmer der einzig beheizbare Raum im ganzen Haus war, aber er war auch nur ein Mann.

Zara warf ihm über ihre Schulter hinweg einen Blick zu. Dann richtete sie sich wieder auf und drehte sich zu ihm um. „Hören Sie auf, so zu grinsen. Ich weiß genau, was Sie im Schilde führen.“

Nein, das wusste sie nicht.

„Wie kommen Sie darauf, dass ich grinse?“, fragte er. „Es ist dunkel. Sie können doch gar nichts sehen.“

„Oh, ich kann genug sehen, und die Situation könnte nicht unangenehmer werden, als sie schon ist.“

„Unangenehm?“ Er lächelte. „Warum das denn?“

„Das wissen Sie genau. Und selbst wenn diese … diese Sache zwischen uns mich nicht so nervös machen würde …“ Sie beendete den Satz nicht. „Abgesehen davon sind Sie mein erster Übernachtungsgast in diesem Haus.“

Braden sah sie überrascht an. „Sie meinen, Shane hat nie …“ Er verstummte. „Entschuldigung, das geht mich nichts an.“

Zara verschränkte die Arme vor der Brust. „Nachdem Sie mich heute Abend vor ihm gerettet haben, würde ich schon sagen, dass es Sie etwas angeht. Nein, Shane ist nie über Nacht geblieben. Wir sind ein paarmal ausgegangen, nachdem meine Großmutter gestorben war. Aber er war in dieser Zeit keine große Unterstützung. Deshalb habe ich unsere Beziehung noch einmal überdacht.“

Zu schade, dass er dem aufgeblasenen Wichtigtuer nicht die Abreibung hatte verpassen können, die er verdient hatte. Doch die Party heute Abend war sein erster öffentlicher Auftritt als Oberhaupt der Familie gewesen. Er konnte sich keine Szene erlauben. Daher musste er seine Gefühle unter Kontrolle halten.

Shane hatte vermutlich gar keine Ahnung, wie man eine Frau glücklich machte. Braden hingegen wusste sehr genau, was er tun wollte, wenn er Zara ins Bett bekam.

Verführung hatte in seinem ursprünglichen Plan eigentlich keine Hauptrolle gespielt, aber warum sollte er sich diese besondere Chance entgehen lassen?

„Ich will nicht mehr über Shane reden.“ Zara schob sich an ihm vorbei. „Ich fürchte, Sie werden in meinem Zimmer schlafen müssen, aber das ist keine Einladung zu irgendwelchen anderen Aktivitäten.“

„Ich werde der perfekte Gentleman sein. Sie haben nichts zu befürchten.“ Außer natürlich, dass er, sobald sie eingeschlafen war, in ihrem Haus herumschnüffeln und sich zurückholen würde, was rechtmäßig ihm gehörte.

Braden leuchtete ihr den Weg und beobachtete, wie sie die Stufen der Treppe hinaufstieg. Wie ein Raubtier seiner Beute folgte er jeder Bewegung ihrer Hüften, die in dem aufregenden engen Kleid so wundervoll zur Geltung kamen. Wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, musste er eingestehen, dass Zara hier die Oberhand hatte. Obwohl sie keine Ahnung hatte, warum er sie engagiert hatte und warum er so darauf brannte, in ihr Haus zu kommen, hatte sie ihn mit ihrer Professionalität, ihrem Ehrgeiz und diesem Hauch von Verletzlichkeit völlig verblüfft und zutiefst beeindruckt.

Braden seufzte leise. Er durfte nicht zulassen, dass persönliche Gefühle seinen Plan durchkreuzten. Ein Flirt war alles, was erlaubt war.

Er war schließlich auf einer Mission.

3. KAPITEL

Als Zara ins Schlafzimmer trat, war sie sich der knisternden Intimität bewusster denn je. Bradens Blick, die Art, wie er sie angesehen hatte, als er mit ihr getanzt hatte …

Sie war nicht naiv, und sie kannte die Gerüchte über ihn. Es hieß, er sei ein „böser Junge“. Doch das machte ihr keine Angst. Im Gegenteil, es war irgendwie … aufregend.

Trotz allem vergaß sie jedoch nicht, dass Braden O’Shea ihr Auftraggeber war, und alles, was über eine berufliche Beziehung hinausging, ein Fehler wäre. Sie musste professionell bleiben. Zara unterdrückte ein nervöses Lachen. Ja, wirklich sehr professionell. Sie stand mit ihm in ihrem Schlafzimmer, und auf der Kommode stapelten sich Dessous, die sie noch nicht in die Wäscheschublade geräumt und die er hoffentlich noch nicht bemerkt hatte.

„Mein Zimmer ist das einzige mit einem großen Bett. Das überlasse ich Ihnen. Ich schlafe dann dort auf dem Sofa.“ Hitze stieg ihr in die Wangen. Warum musste sie jetzt ausgerechnet das Bett erwähnen? Als wäre die Situation nicht schon heikel genug. „Ich meinte, Sie sind so groß, und für Sie wäre es viel bequemer in meinem Bett … äh … in einem größeren Bett.“ Na großartig, Zara. Plapper ruhig weiter. Immer hinein ins nächste Fettnäpfchen.

Braden lehnte sich entspannt gegen den Türrahmen. „Ich mache Sie nervös.“

Offensichtlich. „Nein … na ja, vielleicht ein bisschen.“

Er lächelte. „Warum konzentrieren wir uns nicht einfach darauf, warm zu bleiben. Es ist schon spät, und wir brauchen beide unseren Schlaf.“

Wirklich? Er würde es dabei belassen? Zara war fast ein wenig enttäuscht, dabei sollte sie eigentlich froh darüber sein. Denn wenn Braden weiterhin irgendwelche Anspielungen machte, wusste sie nicht, wie lange sie ihre Selbstbeherrschung noch aufrechterhalten konnte.

Hoffentlich würden die Straßen morgen wieder freigegeben, damit Braden nach Hause fahren konnte. Dann wäre all das hier nur noch eine Erinnerung, und sie könnten ihre berufliche Beziehung wie bisher fortsetzen. Statt zu flirten, sollte sie ihr Augenmerk lieber auf ihre Karriere richten.

„Lassen Sie uns schnell das Feuer anzünden“, schlug er vor. „Damit es hier drinnen endlich warm wird.“

Als der gasbetriebene Kamin brannte und sich eine wohlige Wärme im Zimmer ausbreitete, zündete sie ein paar Kerzen an und stellte sie auf den Nachttisch und die Fensterbank. Zara überprüfte ihr Handy. Sie hoffte, dass der Akku reichen würde, bis der Strom wieder eingeschaltet wurde. Im Notfall konnte sie das Telefon immer noch in Bradens Auto aufladen.

Sie blickte aus dem Fenster. Der Schnee fiel unvermindert heftig, und bei den schlechten Straßenverhältnissen bezweifelte Zara, dass die städtischen Elektriker das Problem schnell beheben konnten.

Das Schicksal hatte es heute Nacht wirklich auf sie abgesehen. Erst die gesperrten Straßen, dann der Stromausfall. Die Dunkelheit machte es wirklich nicht gerade leichter, mit der erotischen Spannung im Raum umzugehen, und das flackernde Kerzenlicht verbreitete eine romantische Atmosphäre, die hier eigentlich überhaupt nichts zu suchen hatte.

Ihr wurde bewusst, dass sie immer noch ihr Cocktailkleid trug. „Ich … äh … ich muss mich noch umziehen.“ Sie ärgerte sich darüber, wie verlegen ihre Stimme klang. Das hier war schließlich ihr Haus, verdammt noch mal. „Ich habe leider nichts Bequemes zum Anziehen, das ich Ihnen anbieten könnte. Alle meine T-Shirts oder Jogginghosen dürften Ihnen viel zu klein sein.“

„Keine Sorge, ich komme schon zurecht.“

„Könnten Sie für eine Minute draußen im Flur warten?“, bat sie.

Braden trat aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

Hastig streifte Zara das enge Kleid ab, zog ihre Strümpfe aus und stopfte sie in die Kommode. Anschließend schlüpfte sie in eine bequeme Leggings und ein weites Sweatshirt, zog sich ein Paar dicke Wollsocken an und band das lange, lockige Haar zum Pferdeschwanz hoch.

Zara wünschte, sie hätte Braden unter anderen Umständen kennengelernt. Vielleicht hätten sie dann herausfinden können, wie weit die Anziehungskraft zwischen ihnen beiden ging. Aber er war nun einmal ihr Auftraggeber, und sie konnte sich keine Intimitäten mit ihm erlauben. Sie brauchte diesen Job. Ihre Firma war gerade erst ein Jahr alt, und die Verbindung zu den O’Sheas würde ihr den Zugang zu einem ganz neuen Kundenkreis verschaffen.

Nachdem sie fertig war, öffnete sie die Tür zum Flur. Braden, der gerade dabei war, eine SMS auf seinem Handy zu schreiben, blickte hoch und schob dann das Telefon zurück in seine Tasche.

„Ich musste meinem Sicherheitsteam nur kurz durchgeben, wo ich bin, damit sie sich keine Sorgen machen.“

„Oh, Sie müssen mir nichts erklären.“

Braden kam zurück ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich, damit die Wärme im Raum blieb. „Sie sehen so … anders aus.“

Zara zuckte die Schultern und blickte an sich hinunter. „So sehe ich in meiner Freizeit aus. Ich mag es gern bequem.“

Warum kam ihr der Raum in seiner Gegenwart auf einmal so viel kleiner vor? Und was zum Teufel verlangte das Protokoll, wenn man mit seinem Kunden die Nacht verbringen musste? Bot man ihm Milch und Kekse an? Oder doch lieber Whiskey und Zigarren?

Zaras Handy klingelte. Sie nahm das Telefon vom Nachttisch und antwortete, ohne aufs Display zu schauen.

„Hallo?“

„Hallo. Ich wollte nur hören, ob du gut nach Hause gekommen bist.“

„Shane?“

Zara warf Braden einen kurzen Blick zu. Selbst im dämmrigen Licht konnte sie sehen, wie sein Gesicht sich anspannte.

„Ich weiß, ich habe mich wie ein Idiot benommen, aber ich wollte, dass du mir eine zweite Chance gibst. Und natürlich war ich besorgt wegen des Wetters.“

Lallte er? „Shane, es ist fast ein Uhr nachts. Bist du betrunken?“

Er zögerte kurz, bevor er weitersprach. „Ich vermisse dich, Zara.“

Sie drehte Braden den Rücken zu. „Ich bin gut nach Hause gekommen, danke der Nachfrage. Aber das mit uns ist endgültig vorbei, Shane. Gute Nacht.“

„Leg nicht auf.“ Seine Stimme wurde lauter. „Du bist wirklich herzlos, Zara, weißt du das? Ich versuche, mit dir zu reden, und du wimmelst mich einfach ab. Wir haben doch so gut zusammengepasst.“

„Nein, haben wir nicht. Und ich habe jetzt genug von …“

In diesem Moment wurde ihr das Telefon aus der Hand genommen. Zara fuhr erschrocken herum, als Braden auf den Knopf drückte und das Gespräch beendete.

„Sie schulden ihm keinerlei Erklärung.“

Sie seufzte. Natürlich hatte er recht. „Bisher war er nicht so aufdringlich. Ich weiß auch nicht, warum er auf einmal so unbedingt zu mir zurückwill. Aber ich versichere Ihnen, dass diese leidige Angelegenheit meine Arbeit für Sie keinesfalls beeinträchtigen wird.“

Braden trat näher. „Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich weiß, wie professionell Sie sind. Aber ich werde nicht zulassen, dass Sie sich gegenüber diesem Mistkerl rechtfertigen.“

„Wow … danke.“ Bradens zorniger Ton hatte sie beeindruckt. Unsicher, was sie jetzt tun sollte, blickte sie im Zimmer umher. „Ich denke, ich werde mir jetzt mal ein Kissen und eine Bettdecke aus dem Schrank holen und mich hinlegen. Ich bin ziemlich erledigt.“

Die Anstrengungen dieses Tages hatten ihr ganz schön zugesetzt. Nachdem sie sich auf dem Sofa zusammengerollt und unter die Decke gekuschelt hatte, blickte sie zu Braden hinüber, der reglos auf der Bettkante saß und sie ansah.

„Was ist?“

„Werden Sie da bequem schlafen können? Ich hatte wirklich nicht vor, Sie aus Ihrem Bett zu vertreiben.“

„Ich habe es sehr bequem. Sie sind derjenige, der immer noch in seinem Anzug steckt.“

Er lachte leise und schüttelte den Kopf. Dann streifte er sein Jackett ab und begann, sein Hemd aufzuknöpfen.

„Hey, Moment mal. Sie haben doch nicht etwa vor, sich auszuziehen, oder?“

„Entspannen Sie sich, Zara. Ich ziehe nur mein Hemd aus.“

Zara schluckte. Sich entspannen? Machte er Witze?

Er streifte das schwarze Hemd ab und entblößte einen beeindruckend muskulösen Oberkörper mit ein wenig dunklem Brusthaar und … War das ein Tattoo auf seiner Schulter?

„Sie starren mich an“, bemerkte er, ohne aufzublicken. „Wenn Sie nicht damit aufhören, werde ich noch ganz rot.“

„Das glaube ich keine Sekunde“, erwiderte Zara lachend. Er hatte sie ertappt, aber warum sollte sie es leugnen? Dieser Mann lohnte einen langen, gründlichen Blick. „Gute Nacht, Braden.“

Zaras süßer Duft erfüllte den Raum. Braden hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und starrte im flackernden Schein der Kerzen zur Zimmerdecke hoch. Er würde heute Nacht kein Auge zutun. Wie zur Hölle sollte er zur Ruhe kommen, wenn das Objekt seiner Begierde nur wenige Meter von ihm entfernt lag?

Er hatte nicht erwartet, dass er sie mit einer solchen Leidenschaft begehren würde. Natürlich hatte er gewusst, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte, doch über dieses Stadium war er mittlerweile weit hinaus. Jetzt fühlte er ein so tiefes, drängendes Verlangen, dass er das Gefühl hatte, den Verstand zu verlieren, wenn er sie nicht bekam.

Aber er hatte eine Mission, einen Plan, den er nicht aus den Augen verlieren durfte. Der Schneesturm hatte ihm eine einmalige Gelegenheit verschafft, sich in Zaras Haus umzusehen. Anstatt über Sex nachzudenken, sollte er sich lieber überlegen, wo genau er mit seiner Suche beginnen sollte.

Braden unterdrückte ein Seufzen und rollte sich zur Seite. Er musste diese Sache unbedingt erledigen, bevor die Straßen freigegeben wurden und er keinen Grund mehr hatte, sich hier weiter aufzuhalten.

Die Schriftrollen mussten sich irgendwo in diesem Haus befinden. Er weigerte sich, irgendeine andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Andererseits musste er auch realistisch sein. Seine Familie hatte das Haus während der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren verloren. Woher sollte er wissen, ob in den Jahrzehnten, die seither vergangen waren, nicht irgendjemand die Schriften gefunden, sie an einen anderen Ort gebracht und das Geheimnis für sich behalten hatte?

Sein Magen zog sich zusammen. Was, wenn jemand sie gefunden und sie für wertlos gehalten hatte?

Nein, es hieß, die Rollen befänden sich in Hülsen aus Metall. Neun Hülsen für neun Manuskripte. Sie mussten hier irgendwo sein, und Braden würde dieses Haus nicht verlassen, bevor er nicht jeden Quadratzentimeter abgesucht hatte.

Er blickte zu Zara hinüber und bemerkte, dass sie ihn ansah. Das hier war albern. Sie waren zwei Erwachsene, die sich benahmen wie schüchterne Teenager, die versuchten, die Gedanken des anderen zu erraten.

„Ich kann nicht schlafen“, sagte sie leise.

Er kannte ein sehr gutes Mittel gegen Schlaflosigkeit. „Möchten Sie doch lieber Ihr Bett wiederhaben?“

Sie schüttelte den Kopf. „Es ist zu leise. Normalerweise lasse ich nachts einen Ventilator laufen, weil ich die Stille nicht ertrage.“

Braden stützte sich auf den Ellbogen. „Haben Sie Angst allein im Haus?“

„Eigentlich nicht. Es ist nur … Meine alte Wohnung war so viel kleiner, und dieses Haus … Es macht so viele seltsame Geräusche. Überall quietscht und knarrt es. Außerdem gibt es Gerüchte, dass es hier spuken soll.“ Sie seufzte. „Ich fürchte, wenn ich alleine bin, geht meine Fantasie mit mir durch.“

„Die Leute erzählen sich oft Gespenstergeschichten über alte Häuser. Ein kleiner Gruselfaktor kann manchmal sogar den Marktwert einer Immobilie erhöhen.“

„Also eigentlich glaube ich nicht wirklich an Gespenster.“

Braden mochte ihre sanfte Stimme. Er hörte ihr gern zu und wollte, dass sie weitersprach. „Da wir beide ohnehin nicht schlafen können, warum erzählen Sie mir nicht einfach diese Spukgeschichte?“

Er sah, wie Zara mit der Zunge über ihre Lippen fuhr und die Decke enger an ihre Brust zog. Seine Erregung wuchs augenblicklich. An Schlaf war nicht mehr zu denken.

„Ach, das ist eine alte Geschichte. Anscheinend lebte hier einmal ein sehr verliebtes Paar, doch der junge Mann musste zur Armee und kehrte nie zurück. Die Leute sagen, er sei im Krieg gefallen. Vielleicht hat er sich aber auch in eine andere Frau verliebt. Wer weiß? Sie soll schließlich wieder geheiratet haben, aber es heißt, man könne sie in manchen Nächten immer noch weinen hören.“

Braden kannte diese Geschichte nur zu gut. Schließlich hatte das Haus früher seiner Familie gehört. Und die Frau, von der Zara gesprochen hatte, soll seine Ururgroßmutter gewesen sein. Ihm hatte man immer erzählt, ihr Ehemann sei in den Krieg gezogen und dort umgekommen. Sie hatte wieder geheiratet und sogar Kinder bekommen, doch den Verlust ihrer ersten großen Liebe hatte sie nie ganz überwinden können. Eine tragische Geschichte, die sentimentale Gemüter zu Tränen rühren konnte. Und seine irische Familie war sehr sentimental.

„Mit einem echten, lebenden Einbrecher würde ich schon klarkommen. Aber wenn ich jemals eine Frau in diesem Haus weinen hören sollte, werde ich auf der Stelle schreiend davonrennen.“ Zara lachte leise.

Je länger sie sprach, desto weniger gefiel Braden der Gedanke, dass sie ganz allein in diesem großen Haus lebte.

Was, wenn Shane vor ihrer Tür auftauchen würde? Der Kerl war anscheinend betrunken gewesen, als er angerufen hatte. Was hätte ihn in einer normalen Nacht ohne Schneesturm und gesperrte Straßen davon abgehalten, hierherzukommen und sich Zugang zu ihrem Haus zu verschaffen?

„Ob eine Frau wirklich um einen Mann weinen würde, während sie mit einem anderen verheiratet ist?“, überlegte Zara. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, jemanden so zu lieben. Vielleicht hat sie den zweiten Kerl aber auch nur geheiratet, um nicht einsam zu sein.“

Braden dachte an seine Eltern. Sie waren sehr verliebt gewesen. Eine so besondere Verbindung, wie die beiden sie hatten, wünschte Braden sich eines Tages auch für sich. Seine Mutter war bei einem Autounfall gestorben, als er noch ein Kind gewesen war. Ihr Tod war ein schwerer Schlag für die ganze Familie gewesen, doch zu erkennen, wie kurz und zerbrechlich das Leben sein konnte, hatte sie noch enger zusammengeschweißt.

Er wünschte sich auch eine Familie. Nicht jetzt, aber später einmal. Zuerst musste er jedoch diese Schriftrollen wieder in den Besitz der Familie bringen und die Firma aus der Illegalität herausholen. Denn er würde keine Kinder in diese Welt setzen, solange er noch Feinde hatte, die ihnen gefährlich werden könnten.

„Haben Sie nie Menschen gekannt, die einander geliebt haben?“, fragte er und lehnte sich gegen das Kopfende des Bettes.

„Nein, nicht wirklich.“ Zara drehte sich auf den Rücken und strich mit der Hand die Decke glatt. „Meine Großmutter hat mich geliebt und ich sie. Aber was die Liebe zwischen Mann und Frau angeht … Ich bin nicht sicher, ob wahre Liebe wirklich existiert. Waren Sie je verliebt?“

Obwohl er nur noch seine Hose trug, wurde es Braden langsam ziemlich heiß. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich das Feuer ein wenig herunterdrehe?“, fragte er.

„Netter Versuch, meiner Frage auszuweichen.“ Sie erhob sich vom Sofa. „Ich werde das Gas ein wenig niedriger drehen. Es wird wirklich ein bisschen zu warm hier drinnen.“

Braden beobachtete, wie sie sich durch den Raum bewegte. In dem schwarzen Kleid hatte sie umwerfend sexy ausgesehen, aber in Sweatshirt und Leggings, die Haare zum Pferdeschwanz gebunden, wirkte sie so … so unschuldig und verletzlich.

Verdammt, er wollte nicht, dass ihm persönliche Gefühle bei seinen Plänen dazwischenkamen. Hier ging es nur um die Schriftrollen. Und vielleicht ein wenig Sex.

Auf dem Weg zurück zum Sofa deutete sie in seine Richtung. „Wenn Ihnen heiß ist, können Sie … äh … Sie können ja Ihre Hose ausziehen. Ich werde nicht hinsehen. Ich will, dass wir es beide bequem haben … äh, ich meine …. Entschuldigung, ich plappere zu viel. Los, machen Sie schon. Ziehen Sie Ihre Hose aus. Ich werde mich umdrehen.“

Sie brachte ihn langsam, aber sicher um den Verstand. Aber wenn die Lady sagte, er solle die Hose ausziehen, dann würde er es tun.

4. KAPITEL

Gerade als Braden den Reißverschluss öffnen und die Hose ausziehen wollte, schrie Zara auf einmal vor Schmerz laut auf.

Braden trat zu ihr. „Was ist passiert?“

„Ich habe mir den Knöchel gestoßen“, antwortete sie mit zusammengebissenen Zähnen. „An einem dieser dämlichen geschnitzten Sofabeine.“

Ohne weiter darüber nachzudenken, ging Braden vor ihr auf die Knie und umfasste ihren Fuß. Er sah zu ihr hoch. „Tut es sehr weh?“

„Nur ein bisschen.“

Er massierte sanft ihre schlanke Fessel. „Und das? Tut das weh?“

„Nein.“

Braden wägte kurz seinen nächsten Schritt ab, dann ließ er seine Hand über ihre Wade höher gleiten. Zara sog scharf die Luft ein, und Braden wusste, dass es diesmal sicher nicht vor Schmerz war. Ohne den Blick von ihr zu lösen, strich er über ihre Kniekehle und legte die Hand um ihren Schenkel. Die andere Hand schob er unter den Saum ihres Sweatshirts und berührte ihren Bauch.

„Braden“, murmelte sie.

„Entspann dich.“

„Wir sollten das nicht tun“, flüsterte sie.

Wenn ihre Stimme nur ein klein wenig überzeugender geklungen hätte …

Er richtete sich wieder auf und zog sie an sich. Zara sah zu ihm hoch, und das Verlangen in ihrem Blick war unverkennbar. Er umfasste ihre Taille, und als er ihre warme, samtweiche Haut spürte, konnte er sich nur mit Mühe zurückhalten, ihr nicht sofort den Pulli vom Leib zu reißen. Aber er wollte langsam und behutsam vorgehen. Er wollte Zaras Wünsche ganz in den Mittelpunkt stellen. Er wollte ihre Lust spüren und erleben, wie sie in seinen Armen verging.

Er spürte den Seidenstoff ihres BHs und griff um sie herum, um den Verschluss am Rücken zu öffnen. Dann umfasste er ihre nackten Brüste mit beiden Händen und beobachtete, wie sie die Augen schloss und den Kopf nach hinten legte.

Doch als er eine Hand unter den Bund ihrer Leggings schob, riss Zara erschrocken die Augen auf und schob ihn von sich fort. Hastig richtete sie ihre Kleidung. Verdammt, jetzt war er zu weit gegangen, nur weil er seine Hormone nicht unter Kontrolle halten konnte.

„Das … das geht nicht“, stammelte sie. „Wir … ich …“

„Sag nicht, dass es dir leidtut“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Wir sind erwachsen. Und es ist offensichtlich, dass wir uns zueinander hingezogen fühlen. Ich wollte dich schon seit dem Tag, an dem du das erste Mal mein Büro betreten hast.“

Zara schlug die Hände vors Gesicht. „Ich kann nicht glauben, dass ich das getan habe. Ich habe zugelassen, dass du …“

„Dass ich was?“, fragte er herausfordernd.

„Behandelst du all deine neuen Geschäftspartnerinnen so?“

Braden griff nach ihrem Arm und zog sie fest an seine Brust. „Ich habe noch nie mit einer Geschäftspartnerin geschlafen.“

„Wir haben nicht miteinander geschlafen“, stellte sie klar.

„Noch nicht.“

Sie schnappte empört nach Luft. „Du bist dir deiner wohl sehr sicher, nicht wahr? Aber ich bin nicht leicht zu haben, Braden. Ich hätte das hier nie so weit kommen lassen dürfen.“

„Wenn ich glauben würde, du seist leicht zu haben, würde ich meine Zeit nicht mit dir verschwenden. Ich liebe die Herausforderung, die Jagd, das Risiko.“

Sie schüttelte den Kopf. „Du sprichst tatsächlich davon, mit mir zu schlafen, dabei hast du mich noch nicht einmal geküsst. Wie kommst du darauf, dass …“

Er hatte sie noch nicht geküsst? Wollte sie sich etwa beschweren? Braden presste seine Lippen auf ihre.

Für einen Moment fürchtete er, sie würde ihn von sich stoßen, doch nach kurzem Zögern legte sie ihm die Handflächen flach auf die Brust, öffnete ihre Lippen und nahm bereitwillig, was er ihr gab.

Zara zu küssen war ein Ganzkörpererlebnis, das Braden so nicht erwartet hatte. Es war wie ein geheimes Versprechen all jener Leidenschaft, die sie nach außen so sehr zu verbergen versuchte.

Wenn er nicht aufpasste, würde ihn diese Frau noch um den Verstand bringen, und dann …

Oh nein. Er würde nicht zulassen, dass das passierte. Niemand durfte ihm so nahekommen, bis er dazu bereit war.

Braden zwang sich dazu, etwas Abstand zwischen ihre erhitzten Körper zu bringen.

„So, nun habe ich dich geküsst.“ Er sah sie herausfordernd an. „Wenn ich sonst noch irgendetwas für dich tun kann, brauchst du es nur zu sagen.“

Sie schluckte. „Ich … äh … nein, du hast genug getan.“

Braden lächelte. „Ich denke, wir beide brauchen jetzt ein wenig Schlaf.“ Er setzte sich aufs Bett. „Geht es deinem Knöchel besser?“

„Meinem Knöchel?“ Irritiert blickte sie hinunter auf ihren Fuß. „Ach so. Es geht schon. Gute Nacht.“

Er beobachtete, wie sie sich auf ihrem behelfsmäßigen Bett niederließ, und er wusste genau, dass sie in Gedanken noch einmal durchleben würde, was gerade geschehen war. Ihm ging es nicht anders, doch er musste diese Gedanken beiseiteschieben und sein Augenmerk wieder auf das richten, weswegen er eigentlich hier war.

„Denk nicht so viel nach, Zara“, sagte er leise. „Schlaf lieber ein.“

Denn je schneller sie einschlief, desto eher konnte er anfangen, das Haus zu durchsuchen.

Wie konnte dieser Kerl einfach so einschlafen? Er benahm sich, als wäre gar nichts weiter passiert.

Währenddessen lag Zara da und fragte sich, wie sie so schnell die Kontrolle über die Situation hatte verlieren können. Braden hatte sie mit diesen durchdringenden Augen angesehen, er hatte sie berührt, und sie war ihm hilflos ausgeliefert gewesen. Nur gut, dass sie wieder zu Verstand gekommen war, bevor sie den Punkt überschritten hatten, an dem es kein Zurück mehr gab.

Was erwartete sie morgen früh? Würde er so tun, als wäre nichts geschehen? Würde er nach Hause fahren können, oder würde er noch eine weitere Nacht hierbleiben müssen?

Wie sehr sie sich wünschte, er wäre jemand anders. Wie sehr sie sich wünschte, dieser aufregende, heiße Typ wäre unter anderen Umständen in ihrem Haus. Doch er war nun mal ihr Kunde. Der Mann, der dafür sorgte, dass sie ihre Rechnungen bezahlen konnte.

Sie machte sich keine Gedanken über den zweifelhaften Ruf der O’Sheas, und trotz aller Gerüchte, die seinen Vater umgeben hatten, hatte Zara über Braden selbst bisher nur Gutes gehört. Er mochte ein knallharter Geschäftsmann sein, der nicht davor zurückschreckte, seine Macht zu demonstrieren, wenn es nötig war. Doch das machte ihn noch lange nicht zu einem schlechten Menschen.

Trotzdem war er als Mann für sie tabu. Von nun an keine Berührungen, keine Küsse mehr.

Zara seufzte. Auch wenn sie wusste, dass sie vernünftig sein musste, hatte sie irgendwie das Gefühl, um etwas betrogen zu werden. Diese breiten Schultern, diese schlanken Hüften … ein Mann mit einem solchen Körper verstand sicher auch, ihn effektiv einzusetzen.

Zara zog die Decke bis unters Kinn und versuchte, nicht mehr an Braden O’Shea zu denken. Der hinter ihr lag. In ihrem Bett. Ohne Hemd. Sie versuchte, nicht daran zu denken, wie er sie angesehen hatte, als er vor ihr auf dem Boden gekniet und ihr Bein berührt hatte. Oder an die unbeschreibliche Erregung, die sein Kuss in ihr entfacht hatte.

Sie konnte nur hoffen, bald einzuschlafen … und besser nicht von ihm zu träumen.

Braden schlich sich leise aus dem Schlafzimmer. Es hatte über eine Stunde gedauert, bis Zara endlich eingeschlafen war. Sie hatte sich hin und her gewälzt, immer mal wieder leise geseufzt, und Braden zweifelte keine Sekunde daran, dass sie sich ebenso sexuell frustriert fühlte wie er.

Zara war die sinnlichste Frau, der er je begegnet war. Zu wissen, dass sie nur wenige Meter entfernt lag, hätte ihn fast dazu gebracht, sein Vorhaben, heute Nacht das Haus zu durchsuchen, zu vergessen und sie stattdessen zu sich ins Bett zu ziehen, um zu beenden, was er angefangen hatte und wonach sie sich beide sehnten.

Aber wenn er ihren ruhigen Atem richtig deutete, war sie schließlich doch eingeschlummert. Er warf einen letzten Blick auf sie, bevor er sanft die Tür hinter sich schloss. Draußen auf dem Flur empfing ihn eine eisige Kälte. Er würde sich zunächst auf die leeren Schlafräume auf dieser Etage konzentrieren. Jeder Quadratzentimeter in diesem Haus konnte ein Versteck sein, und irgendwo musste er ja anfangen zu suchen.

Braden öffnete eine Tür am anderen Ende des Ganges, leuchtete mit der Taschenlampe, die er in der Küche gefunden hatte, ins Zimmer und versuchte, sich zu orientieren. Er kannte den Grundriss des Hauses in- und auswendig. Er war wie eingebrannt in seinem Kopf. Der Originalplan lag zu Hause im Tresor seines Arbeitszimmers, doch die Räume jetzt selbst zu sehen war etwas völlig anderes.

Wie im Wohnzimmer gab es auch hier eingebaute Bücherregale. Ein hübsches Detail, das dem alten Haus Charme verlieh, aber eine verdammte Plage für jemanden, der wie er auf Schatzsuche war.

Braden klemmte sich die Taschenlampe unter den Arm, damit er mit beiden Händen die Bücher hin und her räumen konnte, die in den Regalen standen. Doch er fand keine versteckte Tür, kein Geheimfach hinter einer Vertäfelung, nichts. Aber er ließ sich nicht entmutigen. Die größte Hürde war es gewesen, überhaupt in dieses Haus hineinzugelangen. Jetzt musste er nur noch finden, was er suchte. Das Aufspüren verloren gegangener Erbgüter war schließlich das Spezialgebiet der Familie O’Shea.

Es war stockdunkel, der Wind heulte ums Haus, und die alten Dielen knarrten gespenstisch. Aber Braden war nicht ängstlich. Das Einzige, was er fürchtete, war, die Schriftrollen nicht zu finden. Er wollte den Besitz der Familie zurückholen, das war seine Aufgabe. Das und die behutsame Befreiung von allen Verbindungen zur Unterwelt, mit der er nichts mehr zu tun haben wollte.

Natürlich wollte er den Kunsthandel fortführen, und er fand auch nichts falsch daran, geraubte Gegenstände im Auftrag der rechtmäßigen Eigentümer wiederzubeschaffen, selbst wenn man dafür gelegentlich das Gesetz verletzen musste. Für Braden war wichtig, dass dabei keinerlei Gewalt angewendet wurde.

Sein Vater war in der Wahl seiner Methoden weniger zimperlich gewesen, und es gab Gerüchte, dass Patrick O’Shea vor Jahren sogar einmal die Ermordung eines Konkurrenten in Auftrag gegeben hatte. Diese Gerüchte verliehen der Familie ein gefährliches Image, das in manchen Kreisen durchaus hilfreich sein konnte und das viel zur Macht der O’Sheas beigetragen hatte.

Daher war Ryker auch nicht gerade begeistert von Bradens neuer Ausrichtung des Unternehmens. Aber Braden war fest entschlossen, und er bat niemanden um Erlaubnis. Er hatte jetzt das Sagen, und Ryker würde lernen müssen, dass jede Art von Blutvergießen aufhören musste.

Das alles würde Zeit brauchen. Doch Braden hatte gelernt, geduldig zu sein. Effektiv und zielgerichtet, aber geduldig. Der Übergang war nicht einfach, aber es musste sein. Er musste die Zukunft der Familie sichern, die er hoffentlich einmal haben würde. Doch zuerst musste er den letzten Wunsch seines Vaters erfüllen.

Nachdem er seine Suche beendet hatte, war Braden genauso weit wie am Anfang. Trotzdem musste er jetzt schlafen gehen, denn seine Augen brannten, und schon bald würde der Morgen anbrechen.

Er machte sich auf den Weg zurück zum Schlafzimmer, wo ihn eine angenehme Wärme umfing. Zara lag auf der Seite, eine Hand unter ihre Wange geschoben, ihr Pferdeschwanz war verrutscht und ein paar Strähnen fielen ihr ins Gesicht.

Braden setzte sich auf die Bettkante, unfähig, den Blick von der schlafenden Zara zu wenden. Er hatte sich bemüht, die Hände von ihr zu lassen. Okay, er hätte sich etwas mehr bemühen können, aber … verdammt noch mal, irgendetwas an ihr zog ihn einfach unwillkürlich an.

Zara war eine selbstbewusste Geschäftsfrau, karriereorientiert und unabhängig. Eine Tatsache, die er ungemein sexy fand. Doch als er mit ihr getanzt hatte, hatte er auch eine zarte Verletzlichkeit in ihren Augen gesehen. Das hatte seinen Beschützerinstinkt geweckt. Sich einfach aus ihrem Leben herauszuhalten schien ihm seitdem unmöglich.

Braden schlüpfte unter die Bettdecke und kämpfte gegen die Erregung an, die ihn wach hielt. Er musste schlafen, denn er war fest entschlossen, seine Suche fortzusetzen, sobald der Morgen anbrach. Und auch seine Verführungsversuche würde er keinesfalls aufgeben.

Multitasking war noch nie so verlockend gewesen.

5. KAPITEL

Bibbernd vor Kälte stand Zara in der Küche und fragte sich, wann es endlich wieder Strom geben würde. Der Schnee fiel immer noch in dicken Flocken vom Himmel, und draußen auf der Straße fuhr kein einziges Auto vorbei. Sie starrte in ihren Küchenschrank und seufzte. War es angebracht, seinem Geschäftspartner Pop-Tarts zu servieren? Denn Alternativen zu den klebrig-süßen Frühstückskuchen gab es nicht. Sie selbst liebte Pop-Tarts heiß und innig und hatte daher immer eine große Auswahl in verschiedenen Geschmacksrichtungen vorrätig.

Zara schnappte sich drei verschiedene Sorten und lief schnell wieder die Treppe hinauf. Vorsichtig öffnete sie die Tür und schlüpfte ins mollig warme Schlafzimmer zurück. Braden schlief noch. Die Bettdecke war verrutscht und entblößte seinen muskulösen Oberkörper, der bei Tageslicht sogar noch spektakulärer aussah als gestern Nacht im Schein des flackernden Kaminfeuers.

Sie schloss leise die Tür, doch Braden wurde sofort wach. Langsam setzte er sich auf, und die Decke fiel hinunter bis zu seiner Taille. Fasziniert betrachtete Zara seine gebräunte Haut, das schwarze Haar auf seiner Brust und die dunklen Linien des Tattoos, die sich über seine linke Schulter zogen. Sie ertappte sich dabei, wie sie sich vorstellte, diese Linien zu berühren.

„Frühstück“, sagte sie betont fröhlich. „Ich hoffe, du magst Pop-Tarts.“

Er runzelte die Stirn. „Ich muss zugeben, dass ich noch nie welche probiert habe.“

Natürlich nicht. Sein Körper war geformt wie der einer antiken Statue. Jemand, der so aussah, stopfte sich nicht mit Junkfood voll.

„Dann wirst du staunen. Denn ich bin eine große Kennerin von Delikatessen, die unsagbar ungesund und ausgesprochen köstlich sind.“ Sie durchquerte das Zimmer und stellte die Schachteln auf der Truhe ab, die am Fußende des Bettes stand. „Ich habe Zuckerstreusel, Kirsch und Schokolade. Du hast die freie Wahl. Nimm dir so viel du willst, es sind noch reichlich da.“

Er betrachtete die Schachteln mit skeptischem Blick. „Ich liebe Schokolade. Kirsch ist nicht ganz mein Fall. Sollte ich auch den Zuckerstreuseln eine Chance geben?“

Zara grinste. „Meiner Meinung nach sind das die besten.“

Sie reichte ihm ein in Folie eingeschweißtes Küchlein und nahm sich selbst auch eins. Dann ging sie zum Kamin hinüber. Sie brauchte ein wenig Abstand von ihm, denn sein nackter Oberkörper machte sie nervös, und sein maskuliner Duft brachte sie fast um den Verstand.

„Du kannst alles haben, was du willst“, rutschte es ihr heraus. „Ich … äh … ich habe vergessen, die Milch mitzubringen. Der Kühlschrank hält die Sachen bestimmt noch kalt, aber ich muss nachsehen, ob …“

„Atme, Zara.“ Braden trat näher und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Ich mache dich schon wieder nervös.“

„Ich bin nicht nervös“, widersprach sie. „Warum sollte ich nervös sein? Ich meine, nur weil du und ich … letzte Nacht … und jetzt hast du immer noch kein Hemd an, und ich weiß nicht, was ich sagen oder wie ich mich benehmen soll. Ich hatte noch nie einen Mann hier in meinem Schlafzimmer, geschweige denn meinen Auftraggeber. Daher ist dieses ganze Morgen-danach-Ding irgendwie seltsam. Nicht dass wir irgendetwas getan hätten, das …“ Zara schloss die Augen und schüttelte seufzend den Kopf. „Ich plappere zu viel. Das hier ist ein wenig unangenehm für mich. Ich wollte mich auf keinen Fall zum Narren machen, aber genau das tue ich gerade.“

Braden nahm ihr die Packung aus der Hand und riss die Folie für sie auf. Dann nahm er das Gebäck heraus und hielt es ihr hin.

„Warum isst du nicht einfach etwas?“, schlug er vor. „Ich mache mir keine Gedanken um das, was letzte Nacht geschehen ist, aber wenn du das gern noch einmal besprechen willst, bin ich einverstanden. Vielleicht sollten wir uns darüber unterhalten, wie viel weiter ich gern gegangen wäre.“

„Nein, das sollten wir nicht“, erwiderte Zara. „Stattdessen sollten wir lieber in Erfahrung bringen, ob die Straßen wieder freigegeben sind.“

Braden lachte. „Wie du willst. Ich bin dir ohnehin hilflos ausgeliefert.“

Musste eigentlich jedes Wort, das aus seinem Mund kam, so viel Sexappeal verströmen?

Sie aßen ihr „Gourmetfrühstück“, und Braden murmelte etwas darüber, wie köstlich Pop-Tarts seien, bevor er sich noch eine andere Geschmacksrichtung aussuchte. Diesmal Schokolade. Während er seinen zweiten Frühstückskuchen verspeiste, zog Zara ihre dicken Winterstiefel an.

Sie ging zur Tür. „Ich bin gleich wieder da.“

Braden schluckte den letzten Bissen hinunter und zerknüllte die Folie in seiner Hand. „Wohin gehst du?“

„Ich gehe runter und bringe die Lebensmittel raus in den Schnee. Da bleiben sie kalt. Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll, um meine Vorräte zu retten.“

Braden nahm sein Hemd von der Stuhllehne und streifte es über. „Warte, ich helfe dir.“

„Das musst du nicht. Ich schaffe das schon allein.“

Er achtete nicht auf ihren Widerspruch und knöpfte sein Hemd zu. „Ich habe doch nichts anderes zu tun.“

Zara wusste, dass sie diese Diskussion nicht gewinnen konnte, also drehte sie sich einfach um und verließ das Zimmer. Die kalte Luft im Flur half ein wenig, ihr erhitztes Gemüt abzukühlen.

In der Küche drehte Zara sich nach Braden um, doch er war nicht da. Stattdessen entdeckte sie ihn im Wohnzimmer, wo er die eingebauten Bücherregale betrachtete.

„Dieses Haus hat viel alten Bostoner Charme“, bemerkte er, ohne sich zu ihr umzudrehen. „Die Holzvertäfelungen, die Schnitzereien an diesem Regal, die feinen Details. So etwas findet man heutzutage kaum noch. Ich mag Häuser mit Charakter.“

„Du hast in deinem Beruf sicher schon viele Häuser sehr verschiedener Stilrichtungen zu sehen bekommen.“

Er nickte. „Ich habe unfassbar teure Villen gesehen, die komplett durchgestylt waren, alles darin exklusiv und brandneu. Aber mich faszinieren alte Häuser viel mehr. Mein Bruder Mac ist derjenige, der ein Faible für modernes Design hat.“

Braden betrachtete einen Bilderrahmen mit einem Kinderfoto von Zara, das im Regal stand.

„Ich habe dieses Foto immer gehasst“, sagte Zara. „Meine Großmutter hat es gemacht, bei meinem allerersten Ausflug an den Strand. Ich war elf und gerade am Anfang dieses seltsamen Stadiums, das alle Mädchen durchlaufen und in dem man sich furchtbar hässlich fühlt.“

Braden drehte sich zu ihr um. „Welche Stadien du auch immer durchlaufen hast, du hast sie sehr erfolgreich überwunden“, bemerkte er grinsend.

Zara senkte verlegen den Blick. Anscheinend mochte er kurvige Frauen.

„Du bist erst mit elf zum ersten Mal am Strand gewesen?“, fragte er dann.

Oh nein, sie hatte keine Lust, über ihre Kindheit zu sprechen. Zugegeben, sie war nicht wirklich schrecklich gewesen, aber gemeinsame Urlaube oder fröhliche Strandausflüge hatten nie zu ihrem Familienleben gehört. Ihre Eltern waren reich gewesen. Mehr als reich. Aber Warmherzigkeit kann man nicht kaufen. Stattdessen hatten sie ihre Tochter mit Spielzeug und Geschenken überhäuft, denn das war ihre Art gewesen, ihre Liebe zu zeigen.

Als ihre Eltern starben, war Zara zehn. Sie hatte nicht einmal gewusst, was sie fühlen, wie sie reagieren sollte. Wie reagierte ein Kind auf den Verlust der Menschen, die es eigentlich mehr lieben sollten als alles auf der Welt, die das jedoch niemals laut ausgesprochen hatten?

Und das große Vermögen, das sie immer für selbstverständlich gehalten hatte, war plötzlich fort. Ihre Eltern hatten jahrelang weit über ihre Verhältnisse gelebt und schuldeten einigen Leuten sehr viel Geld. Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende Dollar. Zaras Großmutter hatte ihr eigenes Geld zusammengekratzt und sogar eine Hypothek auf dieses Haus aufgenommen. Und nachdem die Schulden ihrer Eltern bis auf den letzten Cent zurückgezahlt waren, war auch ihr Vermögen komplett aufgebraucht.

Ein weiterer Grund, warum Zara beruflicher Erfolg so wichtig war. Sie wollte ihre Großmutter stolz machen, auch wenn sie nicht mehr da war. Außerdem wollte sie das Haus nicht verkaufen müssen, das ihre Großmutter so geliebt hatte und das das letzte Stück Erinnerung an ihre Familie war.

„Zara?“, fragte Braden leise. „An was denkst du gerade?“

Zara schüttelte den Kopf. „Nicht so wichtig. Lass uns die Lebensmittel nach draußen bringen und schnell wieder nach oben gehen. Mir ist eiskalt.“

Sie wollte sich gerade abwenden, als Braden sie am Arm packte. Zara schaute zu ihm hoch und glaubte für einen Moment, noch etwas anderes in seinen Augen zu erkennen als das Verlangen, das sie zuvor gesehen hatte. Sein Blick verriet Besorgnis, aber Zara wollte nicht, dass er sich um sie sorgte. Mitgefühl war nur noch eine weitere Stufe von Intimität, die sie bei diesem Mann nicht zulassen durfte. Es wäre viel zu verlockend, sich an jemanden zu lehnen, aber sie war nicht dazu erzogen worden, sich von anderen abhängig zu machen.

Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Jetzt komm schon.“

Er sah aus, als wollte er noch etwas sagen, doch schließlich nickte er nur und ließ sie los.

Zara atmete erleichtert aus. Wenn sie sich darauf konzentrierten, nicht zu erfrieren, und dabei allzu persönliche Gespräche vermieden, würde es ihnen vielleicht gelingen, diesen Schneesturm ohne weitere Berührungen oder sonstige sinnliche Zwischenfälle zu überstehen.

„So, das war alles.“ Milch, Eier, Pizza, Fleisch und andere Lebensmittel steckten tief im Schnee, um sie vor dem Verderben zu bewahren. „Lass uns wieder ins Haus zurückgehen, bevor mir noch die Zehen abfallen.“

Trotz der dicken Stiefel waren ihre Füße taub vor Kälte.

Braden hob eine Hand. „Warte“, flüsterte er. „Hast du das gehört?“

Zara blieb stehen. Alles, was sie hörte, war Stille. Kein einziges Auto war unterwegs. Es war, als hätte der Rest der Welt aufgehört zu existieren. Als wären sie und Braden die beiden letzten Menschen auf diesem Planeten.

„Ich höre nichts“, sagte sie. „Jetzt komm schon rein. Du musst doch halb erfroren sein.“

Mit den Augen suchte er aufmerksam den Boden ab. „Geh ruhig schon mal hinein, aber ich höre eine Katze.“

Eine Katze? Sie hatte keine Katze. Sie hatte noch nie ein Haustier besessen. Sie hätte gar keine Ahnung, wie man sich um ein lebendiges Wesen kümmert.

Sie sah, wie er einen langsamen Schritt nach vorn machte und dann in die Hocke ging. Zara schnappte nach Luft, als er ein winziges Kätzchen aus dem Schnee zog und unter seine Jacke schob. Sie erkannte sofort, was er vorhatte.

„Willst du sie etwa mit hineinnehmen?“

Er betrachtete das kleine graue Fellbündel genauer. „Ihn. Es ist ein Kater. Und er ist völlig durchnässt. Hier draußen würde er erfrieren.“

Zara blickte sich hektisch um. „Wo ist denn seine Mutter? Sind Tiere nicht dafür gemacht, draußen zu leben? Sie haben schließlich ein Fell.“

Er sah sie streng an. „Du hast auch einen Mantel an. Möchtest du gern hier draußen bleiben und herausfinden, ob du damit überleben würdest?“

Sie schüttelte verlegen den Kopf. „Aber was … was sollen wir mit ihm machen?“

Braden neigte den Kopf zur Seite. „Du hattest noch nie ein Haustier, nicht wahr?“

„Nein, noch nie.“

Er lächelte. „Lass uns drinnen weiterreden. Das kleine Kerlchen braucht Wärme. Genau wie wir.“

Sie gingen durch die Hintertür zurück ins Haus, und Braden durchsuchte die Küchenschränke, bis er eine Schachtel mit ungesalzenen Crackern fand.

„Bring etwas Wasser mit und lass uns nach oben ins Warme gehen.“ Ohne auf sie zu warten, nahm er die Schachtel und das Kätzchen und ging voran.

Zara seufzte. Erst brachte er einfach so ein streunendes Tier mit hinein, und dann kommandierte er sie auch noch in ihrem eigenen Haus herum. Kopfschüttelnd holte sie ein Schälchen aus dem Schrank, füllte es mit Wasser und folgte ihm.

Als sie ins Schlafzimmer kam, saß Braden auf der Bettkante, das Kätzchen neben ihm, und zog seine Socken aus.

„Die sind patschnass“, sagte er. „Der Schnee ist einfach durch meine Schuhe hindurchgegangen.“

„Gib sie mir.“ Zara stellte das Wasserschälchen auf den Boden und nahm ihm die nassen, eiskalten Socken ab.

„Meine Hose ist auch nass“, bemerkte er grinsend.

Sie sah ihm in die Augen und schüttelte den Kopf. „Oh nein. Denk nicht mal daran. Du kannst die Hosenbeine hochrollen und dich hier vors Feuer setzen.“

Mit seinen großen Händen streichelte er das Kätzchen, das sich tiefer in die Bettdecke kuschelte. „Du bist eine Spielverderberin.“

„Ich bin überhaupt keine Spielverderberin. Ich organisiere Partys. Man bezahlt mich dafür, dass ich Menschen Spaß bereite.“

Nachdem sie seine Socken vor den Kamin gelegt hatte, drehte sie sich um und sah, wie Braden den kleinen Kater mit Crackern fütterte. Der Anblick war entzückend. Für einen kurzen Moment stand sie einfach nur da und starrte ihn an. Sie hatte noch nie einen Mann kennengelernt, der auf der einen Seite so stark und mächtig und auf der anderen so sanft und warmherzig war.

Es fiel ihr ohnehin schon schwer genug, seinem sexy Charme zu widerstehen. Wenn er jetzt auch noch wundervoll und rührend war …

„Wenn du mich weiter so ansiehst, werde ich doch noch meine Hose ausziehen“, drohte er.

„Ich versuche nur, schlau aus dir zu werden.“

Er begegnete ihrem Blick. „So interessant bin ich nicht.“

Zara setzte sich aufs Sofa und rollte sich unter der Decke zusammen. „Oh, ich glaube, es würde mich schon interessieren, wie es kommt, dass ein so knallharter Kerl wie du bei einem kleinen Kätzchen ganz weich wird.“

„Ich hätte kein Tier bei diesem Wetter draußen lassen können. Du etwa?“

Er wollte das Gesprächsthema schnell wieder von sich weg lenken. Es würde nichts Gutes dabei herauskommen, wenn sie zu tief in seinem Privatleben herumstöberte. Außerdem wollte er viel lieber mehr über ihres erfahren. Das schien ihm auf einmal viel wichtiger, als die Schriftrollen zu finden … auch wenn das natürlich immer noch sein Hauptanliegen war.

„Ganz ehrlich? Wenn ich allein gewesen wäre, hätte ich nicht gewusst, was ich hätte tun sollen. Vielleicht hätte ich ihn mit hineingenommen, aber ich habe wirklich geglaubt, dass Tiere dafür gemacht sind, draußen zu leben.“

Braden holte noch einen Cracker aus der Schachtel und brach ihn in zwei Hälften. „Warum hattest du keine Haustiere, als du noch klein warst?“

Er beobachtete aus dem Augenwinkel, wie sie am Saum ihres Sweatshirts herumspielte, bevor sie antwortete. Entweder war sie nervös, oder sie überlegte, wie viel sie ihm erzählen wollte – wahrscheinlich beides. Das war okay für ihn. Er konnte warten.

„Meine Eltern waren nicht gerade besonders … herzlich“, begann sie zögernd, als ob es ihr schwerfiele, die richtigen Worte zu finden, um ihre Mutter und ihren Vater zu beschreiben. „Um ehrlich zu sein, habe ich sie nie um ein Haustier gebeten. Ich dachte wohl, sie würden ohnehin Nein sagen, daher habe ich es nicht einmal versucht.“

Als der kleine Kater sich genüsslich streckte und dann unter die Bettdecke kroch, stellte Braden die Cracker auf den Nachttisch und drehte sich zu ihr um.

„Waren sie auch dir gegenüber nicht herzlich?“, fragte er, obwohl er nicht sicher war, ob er damit eine Grenze überschritt. Sie zu verführen war eine Sache, aber sich Geschichten aus ihrer Kindheit erzählen zu lassen war eine ganz andere. Damit begab er sich auf gefährliches Terrain.

„Das ist doch nicht wichtig.“

Doch auf einmal schien es ihm sogar sehr wichtig. Braden erhob sich vom Bett, durchquerte das Zimmer und setzte sich neben sie auf das schmale Sofa.

„Bist du als Kind misshandelt worden?“, fragte er, obwohl er Angst vor der Antwort hatte. „Ist das der Grund, warum du eine so enge Verbindung zu deiner Großmutter hattest?“

„Oh nein.“ Zara schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht misshandelt worden. Es gibt viele Kinder auf der Welt, denen es weitaus schlechter geht, als es mir damals ging. Ich schätze, ich habe mir einfach nur leidgetan, weil ich geglaubt habe, etwas zu vermissen. Aber ich habe in einem schönen Haus gewohnt, ich hatte viele Spielsachen, und im Sommer durfte ich immer ins Feriencamp.“

„Keine Familienurlaube?“, fragte er

„Äh … nein. Während ich im Camp war, sind meine Eltern allein verreist. Auf Kreuzfahrten oder so. Und wenn sie während der Schulzeit auf Reisen waren, blieb ich bei meiner Großmutter.“ Sie lächelte. „Um ehrlich zu sein, waren das die besten Zeiten meiner Kindheit. Ich war gerne hier. Meine Großmutter machte Schnitzeljagden mit mir, und ich habe Stunden damit verbracht, in den alten Zimmern und Geheimverstecken herumzustöbern.“

„Geheimverstecke?“, fragte er interessiert. Verdammt, er kam sich wie ein Schuft vor, weil er das, was sie ihm anvertraute, zu seinem Vorteil auszunutzen versuchte. „Gibt es hier so etwas? Wirklich?“

Zara nickte. „Ja. Im Arbeitszimmer gibt es eine Geheimtür. Von dort aus führt ein unterirdischer Gang bis in die Küche. Und im Keller gibt es auch noch ein paar Geheimräume, aber die sind sehr klein, eher wie Schränke.“

Bradens Herz schlug schneller. Diese geheimen Räume, von denen sie gesprochen hatte, waren nicht auf den Hausplänen verzeichnet gewesen, die er gesehen hatte, und sein Vater hatte sie auch nie erwähnt. Daher musste er annehmen, dass dort bisher noch niemand gesucht hatte.

„Meine Großmutter hat mir immer gesagt, wie sehr sie mich liebt“, fuhr Zara leise fort. „Sie hat immer gesagt, ich sei ihr allergrößter Schatz auf der Welt. Das habe ich früher gar nicht richtig verstanden. Erst vor Kurzem, als mir klar geworden ist, wie viel die vielen Antiquitäten und Kunstgegenstände in diesem Haus wert sein müssen. Zu wissen, dass ich für sie noch viel kostbarer war …“

Braden sah, wie sie mit ihren Emotionen kämpfte, wie sie versuchte, sich zusammenzureißen. Er bewunderte ihre Stärke und ihren Stolz.

Langsam, ganz langsam begann Braden, in ihre Welt einzutauchen – eine Welt, in die er niemals hatte eintauchen wollen.

„Entschuldige.“ Zara seufzte. „Ich wollte eigentlich nicht sentimental werden.“

Braden legte eine Hand auf ihr Knie. „Du musst dich nicht dafür entschuldigen, offen mit mir zu reden. Wir sind doch mittlerweile viel mehr als nur Auftraggeber und Eventplanerin, oder nicht?“

Zaras Blick blieb für einige Sekunden an seinen Lippen hängen. Sosehr sie auch versuchte, ihre Emotionen vor ihm zu verbergen, der Blick ihrer wundervollen Augen verriet sie.

Sie holte tief Luft. „Was gestern Nacht geschehen ist …“

„War nicht annähernd genug“, beendete er den Satz für sie. „Ich überlasse es dir, das Tempo zu bestimmen, aber das Ergebnis ist unausweichlich.“

Zara zog ihr Knie weg. „Ich brauche diesen Job.“

Er lächelte. „Dein Job hat absolut nichts mit dem zu tun, was zwischen uns läuft.“

„Zwischen uns läuft gar nichts“, erwiderte sie energisch. „Nicht solange ich für dich arbeite.“

Braden zuckte die Schultern. „Okay. Du bist gefeuert.“

Zara sah ihn entgeistert an. „Das ist doch lächerlich.“

„Ich bekomme immer, was ich will, Zara.“

„Und du brauchst so verzweifelt jemanden fürs Bett?“

Er beugte sich vor und strich sanft mit den Fingerspitzen über ihre Wange. „Nein, nur dich.“

„Warum?“, flüsterte sie.

„Warum nicht?“, erwiderte er.

Er berührte ihren Hals und spürte, wie ihr Puls raste. Ihr warmer Atem kitzelte auf seiner Haut. Er legte die Hand um ihre Wange und strich mit dem Daumen über ihre volle Unterlippe. Sie war so unglaublich sexy. Und die Tatsache, dass sie sich dessen nicht einmal bewusst war, machte sie nur noch viel begehrenswerter.

Er fuhr fort, ihre Lippen zu streicheln, während er die andere Hand um ihren Hinterkopf legte und die Finger in ihr seidenweiches Haar tauchte. Sie seufzte leise, und sein Körper reagierte augenblicklich.

„Du willst mir doch nicht weismachen, dass du jetzt an deinen Job denkst, oder?“, flüsterte er. „Du denkst nur an meine Berührungen und daran, dass du mehr willst.“

„Was tust du mir da an?“, fragte sie atemlos und schloss die Augen.

„Ich versuche nur zu beweisen, dass ich recht habe.“

Als sie mit der Zunge über ihre Lippen fuhr und dabei für einen kurzen Moment seinen Daumen berührte, war es um seine Selbstbeherrschung geschehen.

Ohne jede Zurückhaltung eroberte er ihren Mund. Leidenschaftlich, wild, fordernd. Zara klammerte sich mit beiden Händen an den Stoff seines Hemdes. Ihr lustvolles Stöhnen war Musik in seinen Ohren.

Braden beschloss, das Tempo ein wenig zu beschleunigen. Ohne den Kuss zu unterbrechen, packte er sie um die Taille und hob sie auf seinen Schoß. Sie saß rittlings auf seinen Schenkeln und ließ ihre Hände über seine Schultern gleiten, während sie seinen Kuss bereitwillig erwiderte. Braden hatte schon seit langer Zeit keine Frau mehr so sehr begehrt … vielleicht noch nie. Zara war sexy, ja, aber er wollte mehr von ihr als das. Er wollte alles, was sie ihm geben würde.

Er schob die Hände unter den Saum ihres Sweatshirts und spürte ihre warme, glatte Haut, die ihn fast um den Verstand brachte. Doch als er mit den Daumen über den Seidenstoff ihres BHs strich, wich Zara zurück und stemmte ihre Hände gegen seine Schultern.

„Warte“, keuchte sie. „Wir …“

Hastig kletterte sie von seinem Schoß. Sie legte ihre Finger auf die Lippen und schloss die Augen. Braden sah, wie sie mit sich kämpfte.

Schließlich ließ sie die Arme sinken und sah ihn an. „Wir dürfen das nicht tun, Braden. Verstehst du das denn nicht?“

Braden ließ ihr den Raum, den sie offensichtlich brauchte. Ein kluger Geschäftsmann wusste, wann man sich zurücknehmen musste, um zu bekommen, was man wollte.

„Warum leugnest du deine Gefühle?“, fragte er. „Wenn der Job nicht wäre, welche andere Ausrede würdest du dann finden?“

Anscheinend hatte er einen wunden Punkt getroffen. Trotzig hob sie ihr Kinn. „Ich suche keine Ausreden. Ohne den Schneesturm wäre zwischen uns überhaupt nichts passiert. Wir hätten uns verabschiedet und erst bei dem Kundenevent in zwei Monaten wiedergesehen.“

Braden schüttelte lachend den Kopf.

„Lachst du mich etwa aus?“, fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.

Braden erhob sich langsam vom Sofa und ging zu ihr. „Ich lache nur darüber, dass du glaubst, wir hätten uns vorher nicht mehr gesehen.“ Er strich ihr eine Locke hinters Ohr und ließ seine Fingerspitzen langsam über ihren Hals nach unten gleiten. „Glaub mir, ich hätte Gründe gefunden, dich zu treffen, Zara. Das Wetter hat mir einfach nur eine Gelegenheit geboten, dir jetzt schon näherzukommen.“

Zara schwieg einen Moment, dann stöhnte sie frustriert auf, drehte sich fort und blieb vor dem Kaminfeuer stehen. „Willst du mich etwa manipulieren? Hast du etwa vergessen, dass ich gerade erst eine Beziehung zu einem Mann beendet habe, der glaubte, die Kontrolle über mich übernehmen zu dürfen?“

Braden ging nicht darauf ein. Er wusste, dass er und Shane nichts miteinander gemeinsam hatten. Und sie wusste es auch.

„Ich sagte nicht, dass ich eine Beziehung will“, korrigierte er sie. „Und ich habe dir gut genug zugehört, um zu erkennen, dass du vermutlich auch keine willst.“

Zara wirbelte herum. „Du glaubst, dass du mich kennst? Nur weil ich dir ein paar Geschichten aus meinem Leben erzählt habe?“

„Dann willst du also doch eine Beziehung?“

„Hör auf, mir die Worte im Mund umzudrehen.“

Auch wenn ihm diese verbalen Gefechte mit ihr Spaß machten, wollte Braden sie nicht zu sehr provozieren. Er musste ihr unbedingt das Gefühl geben, die Situation unter Kontrolle zu haben, damit sie ihn nicht als Bedrohung empfand. Er wusste, dass sie ihn wollte, und sie wusste es auch, aber fürs Erste würde er sie nicht weiter bedrängen. Außerdem hatte er ja immer noch ein anderes Ziel, das er nicht aus den Augen verlieren durfte.

„Warum zeigst du mir nicht diese Geheimverstecke?“, fragte er.

„Wie bitte?“

„Diese geheimen Zimmer im Keller. Das klingt irgendwie spannend. Ich würde sie wirklich gern sehen.“

Ihr Blick wanderte zum Kater, der auf der Bettdecke schlief. „Und was ist mit ihm?“

Braden ging hinüber, hob das Tierchen auf seinen Arm und deutete zur Tür. „Alles im Griff.“

„Im Rest des Hauses ist es eiskalt.“

„Möchtest du lieber hier mit mir im Schlafzimmer bleiben?“, fragte er herausfordernd.

Sie lief so schnell zur Tür, dass Braden beinahe lachen musste. Endlich kam er voran. Er hatte Zara zwar noch nicht ins Bett bekommen, doch wenigstens konnte er einen Blick in die sagenumwobenen Geheimräume werfen. Vielleicht würde er dort etwas finden, das einen Hinweis auf den Verbleib der Schriftrollen gab.

Und er war zuversichtlich, dass sich, noch bevor dieser verrückte Schneesturm vorüber war, all seine Wünsche erfüllt haben würden.

6. KAPITEL

Gemeinsam gingen sie die breite Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Über dem Haus lag eine unheimliche Stille. Zara konnte Bradens Atem hören, jeden seiner Schritte, das Rascheln seiner Kleidung. Das alles machte ihr seine Gegenwart nur noch bewusster.

Was zum Teufel hatte sie sich bloß dabei gedacht, ihn so zu küssen? Sie hatte sich rittlings auf ihn gesetzt und war praktisch über ihn hergefallen. Jetzt war es ihr furchtbar peinlich, dass sie sich so benommen hatte. Andererseits war Braden schließlich derjenige gewesen, der damit angefangen hatte. Er war derjenige, der mit seinen Bemerkungen und Berührungen ständig die erotische Atmosphäre zwischen ihnen anheizte.

Aber damit war jetzt Schluss. Wenn er sie noch einmal berührte, würde sie das Weite suchen. Auch wenn das bedeutete, dass sie in einem der anderen, eiskalten Schlafzimmer campieren musste, durfte sie nicht zulassen, dass er sie noch einmal küsste.

Denn sie fürchtete, dass der nächste Kuss unweigerlich dazu führen würde, dass sie sich die Kleider vom Leib rissen und im Bett landeten.

Sie führte Braden durch einen langen Flur und öffnete eine Tür. „Meine Großmutter hat dieses Arbeitszimmer nur selten benutzt. Sie hat hier nur ihre Bücher aufbewahrt. Ich glaube, ich war die Einzige, die je herkam, und das auch nur, um in den Geheimgang zu kommen. Als Kind fand ich das wahnsinnig cool.“

„Hast du auch manchmal Freunde mit hierher gebracht?“, fragte er. „Dieses Haus ist wirklich ein toller Ort zum Versteckspielen.“

„Eigentlich habe ich meine Freunde immer nur hierher mitgenommen“, erinnerte sie sich. „Meine Eltern hätten nie erlaubt, dass ich meine Freunde nach Hause mitbringe. Sie waren immer gerade auf dem Weg zu irgendeiner Party, gaben selbst eine oder planten ihre nächste Reise.“

Autor

Jules Bennett
<p>Jules Bennett, die ihren Jugendfreund geheiratet hat, ist Mutter von zwei Mädchen – und, natürlich, Autorin. Voller Tatkraft managt sie ihr Leben. Wenn sie sich erst einmal ein Ziel gesetzt hat, hält nichts sie davon ab, es zu erreichen. Davon kann ihr Mann ein Lied singen. Jules Bennet lebt im...
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