Verlob dich nie mit einem Playboy!

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Nur aus einem Grund gibt sich Lehrerin Samantha als Leo Morgan-Whites Verlobte aus: Weil sie das Geld des attraktiven Playboymillionärs dringend für ihre kranke Mutter braucht. Aber warum ist sie dann so leidenschaftlich erregt, als er sie probehalber küsst?


  • Erscheinungstag 25.06.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514880
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Bitte sehr.“ Leo Morgan-White reichte seinem Vater ein Glas Rotwein und nahm ihm gegenüber Platz.

Harold war vor einer halben Stunde unangemeldet bei Leo in London aufgetaucht. Ein Überraschungsbesuch, der Leos aufgewühltem Vater zufolge unaufschiebbar gewesen war. Leo hatte keine Ahnung, worum es sich handelte, ging jedoch davon aus, dass es auch bis zum nächsten Wochenende hätte warten können. Dann wäre er selbst nach Devon gekommen.

Doch da sein Vater so emotional wie impulsiv war, konnte man schlecht einschätzen, wie dringlich seine Neuigkeiten wirklich waren. Immerhin war Harold extra nach London gefahren – in eine Stadt, die er zutiefst verabscheute.

„Zu laut“, beschwerte er sich ständig. „Zu voll. Zu schmutzig. Zu viele teure Läden mit überflüssigem Zeug. Man kann hier keinen klaren Gedanken fassen! Du kennst meine Meinung, Leo. Wenn man das Gras nicht wachsen hören kann, ist man am falschen Ort!“

Leo lehnte sich zurück und streckte die langen Beine aus. „Was ist los?“, fragte er. Behutsam stellte er sein Glas auf dem Tisch neben sich ab und verschränkte die Finger über dem Bauch.

Harolds Kinn zitterte. Anscheinend war er mal wieder kurz davor, in Tränen auszubrechen. Leo wusste aus Erfahrung, dass es ratsam war, solche Anzeichen zu ignorieren und sich auf die Sachlage zu konzentrieren. Sein Vater gehörte nicht zu den Menschen, die man erst dazu auffordern musste, ihre Gefühle zu zeigen.

Gott sei Dank hatte Leo diese Eigenschaft nicht von ihm geerbt. Kaum jemand würde sie für blutsverwandt halten, da sie sowohl äußerlich als auch vom Temperament her völlig verschieden waren.

Leo war groß gewachsen, schlank, dunkelhäutig und attraktiv – ein Vermächtnis seiner spanischen Mutter –, während sein Vater durchschnittlich groß und rundlich war. Und während Leo für seine kühle, rationale Art und seine Selbstbeherrschung bekannt war, war sein Vater hochemotional und hatte einen ausgeprägten Hang zum Dramatischen.

Leos Mutter war vor etwas über zehn Jahren gestorben, als Leo zweiundzwanzig gewesen war. Sie war eine große, schon fast lächerlich gut aussehende Frau gewesen, die schon mit neunzehn erfolgreich die Leitung des Familienunternehmens übernommen hatte. Sie und Leos Vater hatten eigentlich keine Gemeinsamkeiten gehabt, und trotzdem hatte ihre Ehe perfekt funktioniert. Man hätte fast glauben können, sie seien füreinander bestimmt gewesen.

In einer Zeit, als die Männer noch gearbeitet und die Frauen den Haushalt geführt hatten, war es in Leos Familie genau andersherum gewesen. Seine Mutter hatte die Firma geleitet, während sein Vater, ein erfolgreicher Autor, zu Hause geblieben war und geschrieben hatte. Auf eine seltsame und wundervolle Art hatten sie sich in ihrer Gegensätzlichkeit ergänzt.

Leo beobachtete aufmerksam, wie Harold ein Blatt Papier aus seiner Tasche zog und es auf den Couchtisch legte. Aufgewühlt fuchtelte er mit einer Hand in der Luft herum. „Das hat mir diese Frau gemailt …“, sagte er mit zittriger Stimme.

Leo beäugte das Blatt Papier, ohne danach zu greifen. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass du dich nicht so aufregen sollst, Dad. Meine Anwälte kümmern sich darum. Alles wird gut. Du brauchst nur etwas Geduld. Diese Frau hat keine Chance, ganz egal, wie sehr sie sich zur Wehr setzt.“

„Lies, was sie geschrieben hat, Leo. Ich … ich bringe es nicht fertig, es laut vorzulesen.“

Leo seufzte ungeduldig. „Wie geht es mit deinem Buch voran?“

„Versuch nicht, mich abzulenken“, erwiderte sein Vater gekränkt. „Ich bin momentan nicht in der Lage, auch nur ein Wort zu schreiben. Dazu macht mir diese Angelegenheit viel zu sehr zu schaffen. Ehrlich gesagt ist es mir völlig egal, wie mein Romanheld Detective Inspector Tracey den Fall lösen wird! Wenn das so weitergeht, werde ich sowieso nie wieder ein Wort schreiben. Ihr Geschäftsleute lasst so was vermutlich einfach an euch abprallen. Ihr addiert einfach eure Zahlen, sitzt in Konferenzräumen herum …“

Leo unterdrückte ein Lächeln. Er verdiente Milliarden und tat viel mehr, als nur mit Zahlen zu jonglieren und in Meetings zu sitzen.

„Sie hat uns gedroht“, fuhr Harold fort und atmete zittrig ein. „Lies die Mail, Leo. Sie sagt, sie wird mit allen Mitteln um das Sorgerecht kämpfen. Sean hat zwar in seinem Testament bestimmt, dass Adele zu dir kommt, falls ihm etwas zustößt, aber Louise war nie damit einverstanden, und jetzt sind beide tot. Adele kann unmöglich bei dieser Frau bleiben.“

„Das haben wir doch schon oft genug besprochen.“ Leo trank seinen Rotwein aus und stand auf. Sich den Nacken massierend, schlenderte er zur Fensterfront, die ihn vom Trubel und Lärm Londons abschirmte.

Sein Apartment im nobelsten Viertel der Stadt nahm zwei Geschosse eines eindrucksvollen georgianischen Gebäudes ein. Der renommierteste Innenarchitekt der Stadt hatte daraus eine elegante Mischung aus Alt und Neu gemacht. Er hatte die Empore, die Kamine und den Stuck erhalten, so gut wie alles andere jedoch modernisiert. Das Resultat war ein luftiges Loft mit vier Schlafzimmern, das bewies, was alles machbar war, wenn Geld keine Rolle spielte.

An den Wänden hingen teure moderne Gemälde, und die Einrichtung war in dezenten Grau- und Cremetönen gehalten. Jeder, der durch die Tür kam, blieb mit offenem Mund stehen, doch Leo hatte kaum einen Blick für seine Umgebung. Sie war unaufdringlich – das war alles, worauf es ihm ankam.

„Diesmal ist es anders, Leo.“

„Dad“, sagte Leo mit Nachdruck. „Nichts hat sich verändert. Gail Jamieson kämpft nur deshalb mit allen Mitteln um ihre Enkelin, weil sie darauf spekuliert, noch mehr Geld aus uns herauszupressen, obwohl sie nicht fähig ist, eine Fünfjährige großzuziehen. Ich werde diesen Fall gewinnen, glaub mir. Für den richtigen Preis macht sie sowieso einen Rückzieher, weil sie genauso geldgierig ist wie ihre Tochter. Du weißt doch noch, warum Sean nach Australien gezogen ist?“

Harold schnaubte nur verächtlich, doch Leo reichte das als Bestätigung. Sie wussten beide, dass Sean Louise rettungslos verfallen gewesen war.

Sieben Jahre jünger als Leo war er mit sechzehn zusammen mit seiner Mutter Georgia Ryder in Leos Leben getreten. Harold hatte sich kaum ein Jahr nach dem Tod seiner Frau Hals über Kopf in sie verliebt und sie vom Fleck weg geheiratet.

Sean war damals ein sehr hübscher Junge mit langem blonden Haar und blauen Augen gewesen, aber faul und verwöhnt. Kaum hatte seine Mutter einen Ring am Finger und freien Zugang zu den Morgan-White-Millionen gehabt, hatte er schnell immer höhere Ansprüche gestellt. Er hatte die Schule vernachlässigt und sich mit einer Gruppe ähnlich gesinnter Teenager herumgetrieben, die ihn umschwärmt hatten wie Bienen einen Honigtopf. Es hatte nicht lange gedauert, bis Drogen ins Spiel gekommen waren.

Leos Vater war eines Tages zur Besinnung gekommen und hatte erkannt, dass er mit Georgia einen gewaltigen Fehler gemacht hatte. Was wollte er auch mit einer zwanzig Jahre jüngeren blonden Sexbombe, die nur so tat, als liebe sie ihn, während sie es in Wirklichkeit auf sein Geld abgesehen hatte? Nein, er hatte lieber um seine verstorbene Frau trauern und in seinem Elend nicht gestört werden wollen.

Leo hatte Sean damals zur Seite genommen und ihm die Standpauke seines Lebens gehalten, doch leider ohne Erfolg. Im Gegenteil: Irgendwann war Sean von der Schule geflogen und hatte sich mit Louise Jamieson zusammengetan, die genauso eine Versagerin gewesen war wie er. Während Harolds und Georgias erbittertem Unterhaltsstreit war Sean mit seiner hochschwangeren Frau nach Australien gezogen.

Damals hatte Leos Vater seinen Lebensmut verloren. Er hatte mit dem Schreiben aufgehört und nicht auf die Mails und Anrufe seines Verlegers reagiert. Er hatte sich komplett von der Welt zurückgezogen, sodass Leo die Scherben allein hatte aufsammeln müssen.

Bei der Gelegenheit hatte er festgestellt, dass Georgia während ihrer Ehe das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinausgeworfen hatte, auch für ihren nichtsnutzigen Sohn. Harolds Vermögen war stark geschrumpft, und dass er schon lange kein Wort mehr geschrieben hatte, machte die Sache nicht besser.

Dann war Georgia in einer Haarnadelkurve in Italien tödlich verunglückt. Leo hätte Sean ohne Gewissensbisse seinem Schicksal überlassen, doch sein weichherziger Vater hatte seinen Stiefsohn weiterhin finanziell unterstützt, vor allem nach der Geburt von Seans Tochter Adele. Harold war überglücklich über die Fotos gewesen, die Sean ihm gemailt hatte. Am liebsten hätte er die Kleine besucht, doch Sean hatte ihn immer wieder abgewimmelt. Und nun war er tot, und sie stritten sich mit Adeles Großmutter um das Sorgerecht.

Mit anderen Worten: Die Situation war katastrophal. Aber anders als sein sentimentaler Vater würde Leo sich bei diesem absurden Streit nicht von seinen Emotionen beherrschen lassen. Er würde gewinnen, so wie er immer gewann. Seine einzige Begegnung mit Louises Mutter in Australien hatte seinen Verdacht bestätigt, dass ihr das Wohlergehen ihrer Enkelin im Grunde egal war. Ihr ging es nur um das Geld, aber Leo würde nicht zulassen, dass sie Profit aus dieser Situation schlug.

„Sie schreibt, dass du so viele Anwälte engagieren kannst, wie du willst, sie wird trotzdem recht bekommen, weil du keine geeignete Vaterfigur für Adele bist.“

Leo erstarrte. Widerstrebend griff er nach dem Blatt Papier und las sich die Mail von Gail Jamieson genau durch.

„Siehst du jetzt, was ich meine?“, fragte sein Vater mit zitternder Stimme. „Die Frau hat nicht ganz unrecht, das musst du zugeben.“

„Ich gebe gar nichts zu.“

„Dein Lebensstil ist nicht gerade solide. Du verbringst die Hälfte deiner Zeit im Ausland …“

„Wie soll ich meine Firmen sonst leiten?“, fragte Leo gereizt. Eine Unverschämtheit von einer Frau mit der Moral einer Straßenkatze, ihn zu kritisieren! „Von einem Lehnstuhl zu Hause aus?“

„Das ist nicht der Punkt. Es ist nun mal eine Tatsache, dass du einen Großteil des Jahres außer Landes bist. In einem solchen Leben hat eine Fünfjährige keinen Platz. Außerdem hat Gail Jamieson nicht unrecht, wenn sie sagt, dass dein Frauenverschleiß …“ Harold verstummte, halb missbilligend, halb resigniert.

Leo presste die Lippen zusammen. Ihm war bewusst, dass sein Vater nichts von seinen zahlreichen Affären hielt. Harold wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sein Sohn endlich ein sympathisches und bodenständiges Mädchen heiratete und eine Familie gründete. Doch da konnte er lange warten.

Harold selbst war schließlich das beste Beispiel dafür, was passieren konnte, wenn man sich von seinen Emotionen leiten ließ. Nach dem Tod seiner Frau war er ein gebrochener Mann gewesen. Nur Idioten glaubten, dass es besser war, geliebt und verloren als nie geliebt zu haben. Leo sah das anders.

„Die Klatschmagazine sind voll von deinen Affären“, fügte Harold vorwurfsvoll hinzu. „Irgendein … Dummchen hängt dir immer am Arm und klimpert mit den Wimpern.“

„Ich dachte, wir hätten dieses Thema abgeschlossen“, erwiderte Leo irritiert.

„Für mich wird es nie abgeschlossen sein“, protestierte Harold. „Hier geht es nicht mehr nur um dich. Diese Frau behauptet, dass dein Lebenswandel schädlich für eine leicht zu beeinflussende Fünfjährige ist.“

Leo fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Ich regle das schon“, sagte er schroff.

„Das Ganze ist eine Katastrophe!“ Kopfschüttelnd presste Leos Vater die Finger gegen die Augen.

„Es ist völlig unnötig, sich so aufzuregen, Dad!“

„Kannst du mich denn wirklich nicht verstehen? Adele bedeutet mir viel. Ich will sie nicht verlieren.“

„Wenn das Gericht eine Entscheidung zu Jamiesons Gunsten trifft, kann ich nichts dagegen machen. Ich kann die Kleine ja schlecht entführen und sie irgendwo verstecken, bis sie achtzehn ist.“

„Nein, aber es gäbe eine andere Option …“

„Ich wüsste nicht, welche.“

„Du könntest dich verloben. Damit würdest du einem Richter signalisieren, dass du solide bist und damit eine geeignete Vaterfigur für Adele.“

Leo starrte seinen Vater so entgeistert an, als habe er den Verstand verloren. „Wie bitte? Ich soll mich verloben?“ Er schüttelte den Kopf. „Und woher bitte schön soll ich eine Verlobte nehmen? Soll ich mir eine im Internet suchen?“

„Sei nicht albern! Du brauchst eine bodenständige und zuverlässige Frau an deiner Seite.“

„Bodenständig und zuverlässig?“, stieß Leo verächtlich hervor. Wie langweilig! Er bevorzugte frivol und oberflächlich.

„Wie wär’s mit Samantha?“, fragte sein Vater im Tonfall eines Magiers, der ein Kaninchen aus dem Hut zaubert.

„Samantha?“, wiederholte Leo verwirrt.

„Ja, die kleine Sammy Wilson. Du weißt schon. Sie wäre perfekt für die Rolle!“

„Du willst, dass ich Samantha Wilson bitte, beim Sorgerechtsstreit um Adele die Rolle meiner Verlobten zu spielen?“

„Das wäre die einfachste Lösung.“

„In wessen Welt wäre das eine Lösung?“

Harold wurde wütend. „Ich versuche doch nur, dir zu helfen!“

„Weiß sie schon davon? Habt ihr diesen Plan etwa gemeinsam hinter meinem Rücken ausgeheckt?“ Leo konnte es nicht fassen. Sein Vater schien endgültig den Verstand verloren zu haben.

„Ich habe kein Sterbenswörtchen zu ihr gesagt. Na ja, du weißt ja, dass sie nur am Wochenende nach Salcombe kommt …“

„Nein, das weiß ich nicht. Woher auch?“

„Sprich doch mal mit ihr. Ich habe dich noch nie um einen Gefallen gebeten, aber diesmal bestehe ich darauf. Ich will, dass Adele ein gutes Zuhause bekommt, und wir wissen beide, dass Gail eine miserable Großmutter ist. Ich möchte meine letzten Tage nicht in ständiger Sorge um das Wohlergehen des Mädchens verbringen.“

Samantha verzog genervt das Gesicht, als es an ihrer Tür klingelte.

Sie war erst vor einer halben Stunde nach Hause gekommen und hatte zu viel zu tun, um Zeit mit ihrer Nachbarin zu verschwenden, die oft unangemeldet bei ihr reinschneite – meist um über ihren neuesten Liebeskummer zu sprechen. Sammy musste noch Klassenarbeiten korrigieren und Unterricht vorbereiten. Und die Bank ihrer Mutter mahnte schon seit drei Monaten die fälligen Hypotheken an. Doch wer auch immer vor ihrer Tür stand, würde offensichtlich nicht so schnell verschwinden, so hartnäckig, wie dieser Jemand klingelte.

Seufzend legte Sammy den Stapel Klassenarbeiten auf den Couchtisch und schlüpfte in ihre bequemen Hausschuhe. Sie würde sich irgendeine Ausrede einfallen lassen müssen, um den Abend ungestört verbringen zu können.

Als sie die Tür öffnete, klappte ihr die Kinnlade herunter. Buchstäblich. Sie fühlte sich wie ein gestrandeter Fisch, der vergeblich nach Luft schnappte. Denn vor ihrer Tür stand der einzige Mensch, mit dem sie nie gerechnet hätte.

Leo Morgan-White.

Lässig lehnte er am Türrahmen, die Hände in den Taschen seines schwarzen Kaschmirmantels vergraben.

Es war schon ein paar Wochen her, seit Sammy ihn zuletzt gesehen hatte. Er hatte ihr von der anderen Seite des Wohnzimmers seines Vaters zugenickt. Etwa vierzig Leute waren da gewesen, lauter Freunde aus dem Dorf, in dem Harold und ihre Mutter lebten. Harold war ein beliebtes Mitglied der Gemeinde, und seine jährliche Weihnachtsparty galt als wichtiges gesellschaftliches Ereignis.

An jenem Abend hatte sie jedoch kein Wort mit Leo gesprochen. Er war mit einer langbeinigen Brünetten da gewesen, die trotz der kalten Jahreszeit etwas sehr Knappes getragen und damit die Aufmerksamkeit sämtlicher Männer auf sich gezogen hatte.

„Komme ich ungelegen?“

Leos Vater, der gerissene Fuchs, hatte es tatsächlich geschafft, Leo zu einem Gespräch mit Samantha zu bewegen, und zwar mit emotionaler Erpressung. Harold hatte offen damit gedroht, wieder in der Depression zu versinken, aus der er gerade erst aufgetaucht war. Nachdem er dann noch hatte fallen lassen, dass ein Leben ohne Adele für ihn keinen Sinn hatte, hatte Leo sich endgültig geschlagen gegeben.

Also stand er jetzt – zwei Tage später – in der Tür des künftigen Objekts seiner Begierde, das, wie er feststellen musste, ein nichtssagendes graues Outfit und lächerlich bunte Hausschuhe trug.

„Leo?“ Sammy blinzelte schockiert. Sie traute ihren Augen kaum. Rief Stress etwa Halluzinationen hervor? „Was soll das? Woher weißt du, wo ich wohne? Was zum Teufel machst du hier?“

„Eine Menge Fragen“, sagte er gedehnt. „Ich werde sie dir gern beantworten, wenn du mich reinlässt.“

Sammy bekam einen Schreck. „Ist etwas passiert? Geht es deinem Vater nicht gut?“

Es fiel ihr schwer, klar zu denken. Leider hatte dieser dämliche Typ immer eine verheerende Wirkung auf sie. Das musste an seinem guten Aussehen liegen. Er war einfach so … so überlebensgroß. Hoch gewachsen und dabei verwegen und dunkel wie ein Pirat. In seiner Gegenwart wirkten alle anderen Männer unscheinbar. Und wenn man bedachte, wie viele Frauen sich bei ihm die Klinke in die Hand gaben, war sie offensichtlich nicht die Einzige, die das so wahrnahm.

Doch anders als jene Frauen ließ sie sich von seinem maskulinen Sexappeal nicht zu Dummheiten hinreißen.

Sie wand sich immer noch innerlich vor Scham, wenn sie an jenen schrecklichen Zwischenfall aus ihrer Teenagerzeit zurückdachte. Sie war damals auf einer Party im großen Haus gewesen, wie alle im Dorf das Morgan-White-Herrenhaus hoch oben auf dem Hügel nannten.

Es hatte vor Gästen nur so gewimmelt. Die halbe Welt schien zu Leos Geburtstagsparty eingeladen worden zu sein. Weiß der Himmel, warum auch Sammy auf der Gästeliste gestanden hatte. Vermutlich aus Mitleid.

Sie hatte ewig gebraucht, sich für ein Kleid zu entscheiden. Irgendwann zu später Stunde war Leo – Wunder über Wunder – im Garten neben ihr aufgetaucht und hatte eine gefühlte Ewigkeit mit ihr geplaudert. Sammy hatte im siebten Himmel geschwebt … bis sich eine sehr große und sehr blonde Frau aus seiner illustren Gruppe gelöst und sie vor dem Festzelt gestellt hatte.

„Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass du Chancen bei Leo hast, so fett und hässlich, wie du bist?“, hatte sie gehässig gezischt. „Du machst dich total lächerlich.“

Samanthas Schwärmerei war schlagartig erloschen. Im Laufe der nächsten Jahre war ihr dann aufgefallen, wie abstoßend Leos Umgang mit Frauen war. Sobald er von einer bekommen hatte, was er wollte, ließ er sie fallen und wandte sich der nächsten zu. Als echte Romantikerin fragte Sammy sich, wie sie Leo auch nur hatte ansehen können. Andererseits war sie damals sehr jung gewesen … und er sah nun mal verdammt gut aus.

Und eben dieser attraktive Mann sagte jetzt: „Es ist alles in Ordnung, meinem Vater geht es besser. Darf ich reinkommen, oder wollen wir dieses Gespräch im Flur fortsetzen?“

Sammy seufzte genervt. „Na schön. Wenn es unbedingt sein muss.“

2. KAPITEL

„So.“ Sammy verschränkte die Arme vor der Brust, nachdem sie die Tür hinter Leo geschlossen hatte. „Was führt dich hierher?“ Sie konnte ihn nicht ansehen, ohne zu erröten, was sie maßlos ärgerte.

Leo hatte nicht nur ein attraktives Gesicht mit dunklen Augen, langen, vollen Wimpern, einer edel gebogenen Nase und sinnlichen Lippen, sondern auch den durchtrainierten Körper eines Athleten und die lässige Anmut einer Raubkatze. Von seiner faszinierenden Ausstrahlung mal ganz zu schweigen.

Na, das fängt ja gut an, dachte Leo ironisch. „Bist du immer so gastfreundlich?“ Sammys Feindseligkeit ignorierend, streifte er seinen Mantel ab und hängte ihn an die Garderobe neben der Tür.

„Ich bin gerade sehr beschäftigt“, erwiderte Sam kurz angebunden. Sie ging ins Wohnzimmer voran und zeigte auf den Stapel Hefte, die sie hatte korrigieren wollen.

Leo merkte, dass Sammy sich in seiner Gegenwart äußerst unbehaglich fühlte, aber das war nichts Neues. Wenn er sich früher mit ihr unterhalten hatte, hatte sie immer den Eindruck vermittelt, am liebsten ganz woanders sein zu wollen.

Er musterte sie verstohlen. Bisher hatte er nie auf ihren Kleidungsstil geachtet – vermutlich, weil sie sich so unscheinbar kleidete. Aber jetzt, da er sie als zukünftige Frau an seiner Seite betrachtete, fiel ihm auf, dass sie sich wirklich keine Mühe mit ihrem Äußeren gab. Das Haar hatte sie sich zum Beispiel nachlässig mit einem hässlichen neongelben Band hochgebunden.

Er war an Frauen gewöhnt, die unendlich viel Zeit und Energie in ihr Aussehen steckten. Es wunderte ihn, dass Sammy das völlig egal zu sein schien. Doch trotz ihres schlechten Geschmacks hatte sie ein hübsches herzförmiges Gesicht. Und tolle Augen. Große kornblumenblaue Augen mit langen Wimpern.

„Ich habe nicht den Eindruck, dass du Wert auf den Austausch von Höflichkeiten legst. Daher frage ich dich gar nicht erst, wie es dir geht und was du in letzter Zeit so gemacht hast.“

„Als würde dich das interessieren!“

„Vielleicht solltest du dich setzen, Sammy. Ich muss dich nämlich um einen sehr speziellen Gefallen bitten, und es wird eine Weile dauern, dir alles zu erklären.“

„Einen Gefallen? Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst. Wie kann ich dir schon helfen?“

„Setz dich einfach. Nein, besser noch … hast du ein Glas Wein? Oder eine Tasse Kaffee?“

Sammy unterdrückte eine unhöfliche Bemerkung. Sie war eigentlich sehr umgänglich und freundlich, doch es ging ihr gewaltig gegen den Strich, mit welcher Selbstverständlichkeit Leo es sich bei ihr bequem machte. Was für ein arroganter, eingebildeter Idiot!

Am liebsten würde sie ihn rauswerfen.

Autor

Cathy Williams
<p>Cathy Willams glaubt fest daran, dass man praktisch alles erreichen kann, wenn man nur lang und hart genug dafür arbeitet. Sie selbst ist das beste Beispiel: Bevor sie vor elf Jahren ihre erste Romance schrieb, wusste sie nur wenig über deren Inhalte und fast nichts über die verschiedenen Schreibtechniken. Aber...
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