Verlockung unter griechischer Sonne

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"Ich soll mit Ihnen nach Griechenland reisen?" Überraschend muss die Kindergärtnerin Lexi ein Wochenende auf der Luxusjacht des Milliardärs Leo Alexandrov verbringen. Natürlich bloß, weil er eine Nanny für seinen Sohn benötigt! Aber dann beginnt Leo sie zu verführen …


  • Erscheinungstag 24.08.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733749972
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ob man wirklich vor Langeweile sterben konnte?

Leonid Alexandrov starrte auf seinen Teller und versuchte, die blonde Schauspielerin ihm gegenüber auszublenden, die ohne Punkt und Komma auf ihn einredete.

Fairerweise musste gesagt werden, dass sie wahrscheinlich aus reiner Nervosität so viel redete, weil Leonid äußerst angespannt war.

Wie hätte er entspannt sein können? Die Tragödie war für die Presse ein gefundenes Fressen. Wieder einmal fragten alle nach seiner Herkunft und schnüffelten in seiner Vergangenheit herum.

Aber vor siebzehn Jahren hatte sich Leo eine neue Identität zugelegt.

Doch davon ahnte niemand etwas.

Was zum Teufel hatte ihn bloß geritten, am ersten Tag nach seiner Rückkehr dieses neueste It-Girl auszuführen? Und dann auch noch in dieses versnobte Restaurant! Ausgerechnet an ihrem Geburtstag.

Na ja, es ging ihm um Sex. Um einen Moment der Entspannung.

Eine schnelle Nummer und dann wieder zurück an seine Arbeit, das hatte Leo gewollt.

„Leo, ich könnte schwören, du hast kein einziges Wort mitbekommen.“

Leo schob seinen nur zur Hälfte gegessenen Lunch beiseite. „Tiffany, ich unterhalte mich wahnsinnig gern mit dir, aber leider muss ich jetzt gehen.“

„Und da behaupten die Leute, du wärst so dynamisch. So faszinierend und aufregend.“

Leo kniff die Augen zusammen. „Das hier ist kaum der richtige Ort, um dir zu zeigen, wie aufregend ich bin, dorogaja. Und jetzt hab ich absolut keine Zeit mehr.“

„Sie behaupten auch, du wärst herzlos.“ All seine Instinkte waren bei dem warmen Schnurren in ihrer Stimme alarmiert.

Das war es also. Er war eine Herausforderung für sie. Schlauere Frauen als sie hatten versucht, ihn an die Angel zu bekommen. Er galt als äußerst bindungsscheu, und diesen Ruf pflegte er sorgfältig.

Er knöpfte sein Jackett zu. „Die Leute haben recht. Ich habe kein Herz. Das solltest du bedenken, wenn du das nächste Mal wieder Spielchen spielen willst.“

Damit ging er. Er hatte nur für kurze Zeit vergessen wollen, dass auf einer seiner Baustellen fünf Arbeiter bei einem Unfall lebend begraben worden waren. Und dass er mit den Rettungstrupps eine Woche lang Berge von Zement und Stahl fortgeräumt hatte, um zu ihnen vorzudringen.

Zwei erreichten sie noch rechtzeitig. Für die anderen drei war es zu spät. So wie es vor siebzehn Jahren für seinem Onkel zu spät gewesen war.

Er hätte wirklich nicht so grob zu Tiffany Tait sein sollen. Schließlich war es nicht ihr Fehler, dass sie ihn langweilte. Er suchte sich solche Frauen aus einem ganz bestimmten Grund aus – einmal wegen ihrer körperlichen Vorzüge und dann wegen der fehlenden Gefühlsbindung.

Dreißig Minuten später ging er durch sein Vorzimmer und sagte seiner neuen Sekretärin, sie solle Danny auftreiben. Und zwar sofort.

„Er wartet bereits auf Sie, Mr Alexandrov.“

„Leo“, korrigierte er sie, stieß die Tür zu seinem Büro auf und trat ein.

„Wenn ich das nächste Mal Sex haben will, und du schickst mich in so ein aufgemotztes Restaurant, schmeiß ich dich raus.“

„Aber sie hat doch Geburtstag“, erwiderte Danny ruhig.

Leo ließ sich in seinen Sessel fallen und warf einen Blick auf den Aktenberg, der sich in seiner Abwesenheit auf dem Schreibtisch angesammelt hatte.

„Schick ihr irgendein Geschenk, sei so gut, ja?“ Er griff nach dem Börsenbericht.

„Du warst also grob zu ihr?“

Leo sah nicht auf. „Schon möglich.“

Er hörte Danny seufzen. „Ich wollte dich schon anrufen. Im Augenblick hast du größere Probleme am Hals als sie.“

Leo wartete, dass Danny fortfuhr. Aber der reichte ihm wortlos einen Bogen rosafarbenes Briefpapier.

Leo las die kurze Nachricht, und seine ohnehin schlechte Stimmung erreichte den Nullpunkt.

„Das darf doch nicht wahr sein!“

„Ich konnte sie telefonisch nicht erreichen.“

„Hast du die Sicherheitsleute nach ihr suchen lassen?“

„Sie sind an ihr dran, aber bis jetzt ohne viel Glück. Sie schreibt, sie will nach Spanien.“

„Ich kann lesen.“ Leo überflog noch einmal die Nachricht. Dann lehnte er sich zurück und rieb sich den verkrampften Nacken. „Wie viele Stunden bleiben uns noch?“

„Zwei. Der Kindergarten schließt um fünf.“

Leo fluchte leise und sprang auf.

„Es betrifft nur das verlängerte Wochenende. Am Montag ist sie wieder da“, betonte Danny. Das war das einzig Positive an der Nachricht.

Vor vier Jahren, als alle Flüge am Brüsseler Flughafen wegen schlechten Wetters gestrichen worden waren, lernte er ein junges Model kennen. Leo hatte nicht lange gezögert. Eine schöne Frau, eine lange Nacht – alles war so, wie er es sich wünschte.

Dass sie allerdings von einem reichen Fremden schwanger werden wollte, hatte er sich nicht gewünscht. Sie hatte ganz bewusst das Kondom entsprechend präpariert. Drei Monate später war sie dann bei ihm aufgetaucht und hatte ihm die „gute“ Nachricht überbracht.

Leo war nicht aus dem Stoff, aus dem man Väter macht. Er hatte Blut in seinen Adern, das er nicht vererben wollte. Dass dieses Model – Amanda Weston hieß die Dame – ihn derart an der Nase herumgeführt hatte, machte ihn fast verrückt. Nachdem er wieder klar denken konnte, tat er, was der Anstand von ihm verlangte. Er bestritt all ihre Unkosten und nahm ihr das Versprechen ab, den Jungen von ihm fernzuhalten. So fern wie irgend möglich.

Bilder seiner eigenen Kindheit blitzten in seiner Erinnerung auf. Zuerst war es der Tod seiner Arbeiter gewesen, der ihn an die fürchterlichen Umstände erinnerte, unter denen sein geliebter Onkel gestorben war. Und jetzt weckte die Aussicht, sich um seinen drei Jahre alten Sohn kümmern zu müssen, noch schlimmere Erinnerungen. An seine Mutter. Seinen Vater. Seinen Bruder.

Kalt entschlossen schob Leo die Erinnerungen beiseite und konzentrierte sich auf das Einzige, dem er vertrauen konnte – seine Arbeit.

„Also, was ist jetzt? Fährst du nun dieses Wochenende mit Simon nach Paris oder nicht?“

Lexi unterbrach ihren Versuch, das Rad eines zerbrochenen Spielzeugautos wieder zu montieren, und sah zu Aimee Madigan, ihrer besten Freundin und Geschäftspartnerin, hinüber.

Aimee wickelte sorgfältig Wolle auf, wobei sie mit einem Auge auch noch über eine fröhlich spielende Kinderschar wachte. Die Kleinen spielten hier im „Kindergarten der kleinen Engel“, den sie beide vor zwei Jahren gegründet hatten. „Und bitte erzähl mir nicht, du hättest zu arbeiten“, fügte ihre Freundin mit resignierender Gewissheit hinzu.

Lexi verzog das Gesicht. Sie wollte mit einem Typen, mit dem sie sich seit zwei Monaten ab und zu traf, über das lange Wochenende nach Paris fahren. Zweifellos erwartete Simon, dass ihre Beziehung dabei die nächste Entwicklungsstufe erreichte, nämlich Sex. Aber Lexi hielt das für keine gute Idee. „Du weißt, die Planung der zweiten Kita ist gerade in einer kritischen Phase. Wenn ich den Kredit nicht bewilligt bekomme, wird nichts aus der Sache.“

„Hat heute Morgen wohl nicht so recht geklappt mit Darth Vader?“

Lexi grinste, als Aimee den Lieblingsspitznamen benutzte, den sie ihrem kompromisslosen Bankdirektor gegeben hatten. „Er hat immer noch Bedenken wegen der Renovierungskosten.“

„Ich wünschte, ich könnte dir helfen.“

Lexi schüttelte den Kopf. „Ich krieg das schon irgendwie hin.“

„Lex, du benutzt immer noch die Arbeit als Entschuldigung dafür, kein Verhältnis zu haben“, schimpfte Aimee.

„Vielleicht habe ich die Liebe meines Lebens einfach noch nicht gefunden.“

„Das wirst du auch nicht, wenn du so viele Stunden hier verbringst.“

„Ich bin glücklich.“

„Nicht jeder Mann ist ein kindisches Stinktier wie Brandon, Lex.“

Lexi zog eine Grimasse. Aber Brandons Verrat erinnerte sie zu sehr an den ihres Vaters. Lexi wusste nicht, ob sie so bald ihr Herz noch einmal riskieren sollte.

„Ich weiß“, meinte sie seufzend. Um ehrlich zu sein – ihr war das so peinlich, dass sie es noch nicht einmal Aimee gestehen konnte – sie war nicht besonders gut, was Sex betraf. Und das war auch der Hauptgrund, warum sie nicht nach Paris fahren wollte. Das und die Tatsache, dass sie wirklich keinen Sex mit Simon haben wollte. Bei alldem hatte sie das Gefühl, dass mit ihr etwas nicht stimmte.

Und hatte Brandon nicht auch so etwas angedeutet?

Sie ging zu dem Dreijährigen hinüber, der das Auto kaputt gemacht hatte, und gab ihm das Spielzeug zurück. Es ging auf den Abend zu, und die meisten Kinder waren bereits abgeholt worden. Ihr Blick fiel auf Ty Weston, der still für sich allein an dem kleinen Holztisch spielte.

Schon von Berufs wegen hätte Lexi nie zugegeben, dass sie ein Kind den anderen vorzog. Aber mit Ty hatte sie sich auf Anhieb gut verstanden.

„Du weißt“, begann Aimee vorsichtig, „die Idee von der zweiten Kita können wir immer noch sausen lassen.“

„Was?“ Lexi war ehrlich erschrocken. Es ging hier um ihren Traum, und die Gegend von London, in der sie ihre neue Kita eröffnen wollten, brauchte dringend einen anständigen Kindergarten. „Ich habe nicht die Absicht, alles sausen zu lassen, nur weil mein Liebesleben momentan etwas flau ist und wir ein paar Rückschläge erlitten haben.“

„Lex, du hast überhaupt kein Liebesleben. Und wir zahlen Miete für ein Gebäude, das noch lange nicht fertig ist!“

Zum Glück für Aimee bekam Lexi keine Gelegenheit mehr, ihr zu antworten, denn eine ihrer Mitarbeiterinnen unterbrach sie.

„Entschuldige, Lexi.“

Lexi drehte sich um. „Was ist, Tina?“

Tina grinste. „Da ist ein ganz heißer Typ, der will Ty Weston abholen. Aber ich kenne ihn nicht.“

Ein heißer Typ?

„Seine Mutter wollte ihn heute Abend abholen“, erwiderte sie. Doch es hätte sie nicht gewundert, wenn die unzuverlässige Amanda Weston es wieder einmal vergessen hätte. Die Frau schien sich kaum um ihren Sohn zu kümmern. Und nach dem Tod von Tys Großmutter vor zwei Wochen, war alles noch schlimmer geworden. „Wie heißt er?“

„Hat er nicht gesagt. Aber er könnte ein Filmstar sein.“

Lexi musste lachen. „Passt ihr mal bitte auf Ty auf?“

Sie ging in das gedämpft beleuchtete Spielzimmer. Von dort aus konnte sie durch das Fenster ihres Büros die Umrisse eines großen, breitschultrigen Mannes erkennen.

Sie öffnete die Tür zu ihrem Büro und blieb jäh stehen, als der vielleicht göttlichste Mann, den sie je gesehen hatte, ihr das Gesicht zuwandte.

Heißer Typ?

Dieser Mann war heißer als ein Vulkan. Groß, schlank, mit Muskeln an den richtigen Stellen, trug er einen perfekt sitzenden grauen Anzug und ein offenes schwarzes Hemd. Sein Kinn mit dem Anflug dunkler Bartstoppeln war wie gemeißelt, die verwirrend blauen Augen umrahmt von samtschwarzen Wimpern, und die dunkelblonden Haare waren dicht gelockt. Abgesehen davon schien er sich seiner erotischen Ausstrahlung äußerst bewusst zu sein.

Lexi schossen Namen von Filmstars durch den Kopf, doch kein Star, an den sie sich erinnerte, besaß diese Aura von Gefahr.

Ihr Blick glitt wieder über seinen hinreißenden Körper. Und als ihre Blicke sich trafen, war es, als würde ein Raubtier sie anschauen, das im Begriff war, seine Beute zu reißen. Wer immer dieser Mann war, er war kein gewöhnlicher Filmstar.

Lexi verzog ihre plötzlich sehr trockenen Lippen zu einem professionellen Lächeln und ignorierte entschlossen das flaue Gefühl in ihrem Magen. „Guten Tag. Mein Name ist Lexi Somers. Wie kann ich Ihnen helfen?“

Die gefährlichen blauen Augen musterten sie von Kopf bis Fuß, und das komische Gefühl in ihrem Magen rutschte in eine etwas tiefere Region.

„Ich möchte Ty Weston abholen.“ Seine Stimme war dunkel und hatte einen Akzent. Einen russischen? Was auch die hohen Wangenknochen und das kräftige Kinn erklärte. Gegen besseres Wissen sah sie wieder in diese blauen Augen und war verblüfft.

Sie hatte sie schon einmal gesehen.

Rasch schüttelte sie den Kopf und kaschierte die unbewusste Bewegung, indem sie sich an ihm vorbei hinter ihren Schreibtisch flüchtete. Hier fühlte sie sich relativ sicher.

Lexi dachte daran, sich zu setzen, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Ihr Instinkt riet ihr, diesem Mann gegenüber auch nicht auf einen Zoll Größe zu verzichten. Den ganzen Tag über hatte sie ihre Schuhe verwünscht. Wegen ihres Termins in der Bank hatte sie sich heute Morgen sehr förmlich angezogen. Und hatte dann beim Umziehen im Kindergarten gemerkt, dass ihre bequemen flachen Slipper zu Hause standen. Jetzt war sie allerdings froh, dass sie dank der hochhackigen Schuhe über zusätzliche Größe verfügte.

„Und Sie sind?“ Sie bemühte sich um einen höflichen Ton.

„Hier, um Ty Weston abzuholen.“ Er sah sie von oben herab über seine leicht schiefe Nase an. Lexi verspürte die ersten Anzeichen von Ärger in sich aufsteigen.

„Ja. Das sagten Sie bereits. Aber bevor ich ihn Ihrer Obhut überlasse, brauche ich ein klein wenig mehr Informationen.“ Das Wort Obhut schien angesichts seines knallharten Auftretens die falsche Bezeichnung.

Er verschränkte die Arme vor der Brust, und ihr Büro schien zu schrumpfen. „Was für Informationen?“

„Ihren Namen zum Beispiel.“

Wider bessere Einsicht ließ Lexi sich jetzt doch in ihren bequemen Sessel fallen. Ihre Füße brachten sie fast um. „Bitte, nehmen Sie Platz“, meinte sie mit gespieltem Gleichmut.

Er antwortete nicht und folgte auch nicht ihrer Aufforderung. Lexis unbehagliches Gefühl verwandelte sich in echte Angst. Vielleicht sollte sie die Polizei rufen?

„Ich muss gestehen, Sie machen mich langsam nervös.“

Wieder sah er ihr in die Augen, und diesmal war es etwas ganz anderes als Angst, was sie durchzuckte. „Ich bin Leo Alexandrov.“ Sein Ton verriet, dass sie eigentlich wissen müsste, wer er war.

„Ich weiß, das sollte mir jetzt etwas sagen, aber tut mir leid – keine Ahnung.“

Er zuckte mit den Schultern. Eine erste menschliche Regung. „Das macht nichts. Also bitte …“ Er neigte den Kopf, was wohl höflich sein sollte, bei Lexi aber als unglaublich arrogante Geste ankam. „… ich habe wenig Zeit.“

Sie runzelte die Stirn. „Und in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis stehen Sie zu Ty Weston?“

„Das geht Sie nichts an“, erwiderte er.

„Tatsächlich geht es mich sehr wohl etwas an.“ Lexi konnte kaum noch ihren wachsenden Ärger verbergen. „Falls Sie ihn wirklich mitnehmen wollen.“

„Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass ich wenig Zeit habe?“

Was glaubte dieser Typ eigentlich, wer er war? „Und habe ich Ihnen nicht gesagt, dass ich mehr Informationen von Ihnen benötige? Es gibt Vorschriften, die eingehalten, und Formulare, die unterschrieben werden müssen.“

Wie es schien, hatte er daran noch gar nicht gedacht. Er ließ wieder den Blick über sie gleiten, und Lexi wünschte sich, sie hätte noch ihr formelles Kostüm an. „Ich will die Leiterin des Kindergartens sprechen.“

Sie lächelte. Nie hatte ihr eine Antwort mehr Spaß gemacht. „Ich bin die Leiterin.“

Er starrte sie an, und Lexi konnte sich dem Zauber seiner blauen Augen nicht entziehen.

„Ich bitte um Entschuldigung“, sagte er schließlich. Der kleine spöttische Ton in seiner Stimme ließ allerdings etwas anderes vermuten. „Wie es scheint, stehen wir auf Kriegsfuß miteinander. Ms Somers …“

„Miss.“

Warum hatte sie das denn gesagt? Sie zog doch Ms vor!

Miss Somers“, betonte er. „Mir gefällt Ihre Sorge um Ty Westons Wohlergehen. Ich habe aber von der Mutter des Jungen die Erlaubnis, ihn abzuholen, denn wie es scheint, hat sie die Stadt verlassen.“

„Ich bedaure, aber es sieht nicht so aus, als hätte sie uns darüber informiert. Haben Sie vielleicht irgendeine schrift­liche Vollmacht?“

Er schwieg und zog die Mundwinkel leicht nach unten. „Die habe ich leider in meinem Büro vergessen.“

Lexi nickte. Das alles überzeugte sie ganz und gar nicht.

„Leider, Mr …“ Verdammt, wie war noch mal sein Nachname? „… Sie müssen einfach noch einmal mit der Vollmacht vorbeikommen.“ Sie stand auf. „Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden.“

„Heißt das etwa, ich soll gehen?“

Normalerweise hätte sie über die wütende Verblüffung in seinem herrischen Gesicht lachen müssen. Jetzt aber tanzten Schmetterlinge in ihrem Bauch. „Ich denke, ja.“

Er stützte die Hände auf den Aktenstapel auf ihrem Schreibtisch und beugte sich zu ihr vor. „Hören Sie, Miss Somers. Langsam habe ich genug von Ihrer Sturheit.“

Meiner Sturheit?“ Lexi lehnte sich in ihrem Sessel zurück und starrte ihn wütend an. „Das sagt gerade der Richtige.“

Vielleicht sollte sie jetzt doch die Polizei rufen.

Er musste ihre Nervosität bemerkt haben. „Glauben Sie mir, alles ist völlig korrekt.“

„Dann haben Sie sicher nichts dagegen, wenn ich Amanda anrufe.“

Er richtete sich auf und zupfte an seinen Manschetten. „Tun Sie das. Und wenn Sie Amanda erreicht haben, geben Sie sie mir.“

Immer noch wütend, holte Lexi Tys Akte aus dem Eckschrank. Ohne den Mann eines Blickes zu würdigen, ging sie zu ihrem Schreibtisch zurück und wählte Amanda Westons Handynummer.

Nach einem kurzen Moment meldete sich die Mailbox. Lexi hinterließ eine kurze Nachricht, in der sie Amanda bat, sie zurückzurufen.

„Sie ist nicht zu erreichen“, sagte sie unnötigerweise.

Der Mann, Leo Alex-was-weiß-ich, schien nicht überrascht zu sein.

In diesem Moment klingelte es draußen. Lexi sprang auf. „Wenn Sie mich entschuldigen würden. Ich werde auch nachschauen, ob Amanda uns in dieser Angelegenheit eine Nachricht hinterlassen hat.“

Als sie zur Tür gehen wollte, merkte sie, dass er sich kaum merklich bewegte. Wollte er ihr folgen?

„Ich würde das nicht tun“, meinte sie kühl, obwohl ihr Puls raste. „Wir haben hier überall Alarmknöpfe.“

Er sah sie lange an. Dann lächelte er.

Bei diesem Lächeln stockte Lexi der Atem. Es hatte eine umwerfende Wirkung. Als er ihre Reaktion bemerkte, bekam sein Lächeln etwas Träges. „Sie bluffen, Miss Somers.“

Da hatte er recht. Es gab keinen einzigen Alarmknopf.

„Folgen Sie mir und finden Sie es heraus“, meinte sie nur und wunderte sich selbst über den unverblümt herausfordernden Ton in ihrer Stimme. Dieser Mann besaß eine angeborene Autorität. Weil er entweder extrem reich oder extrem berühmt war. Und die Wirkung, die diese Autorität auf sie hatte, gefiel Lexi gar nicht.

Er betrachtete sie mit schief gelegtem Kopf, als wäre sie ein Leckerbissen, an dem er gern knabbern würde. Eine Hitzewelle schnürte ihr die Kehle zu. Und als sein Blick auf ihre Brüste fiel, wurden ihre Brustwarzen hart. Für Lexi war es eine völlig unerwartete und schockierende Reaktion.

Ihre Blicke trafen sich, und seiner war jetzt gar nicht mehr eisig. Eine nie gekannte Lust explodierte tief in ihrem Innern, als sie das Interesse in seinen Augen sah. Er hatte noch nicht einmal den Anstand, es zu kaschieren. „Bleiben Sie nicht zu lange fort.“

Lexi marschierte empört aus dem Büro.

So ein unverschämter, charismatischer Kerl war ihr in ihrem ganzen Leben noch nicht begegnet!

2. KAPITEL

Leo sah zu, wie die kleine Brünette aus ihrem Büro fegte, als wären alle Höllenhunde hinter ihr her. Ihr Pferdeschwanz wippte wie ein überdrehtes Pendel.

Lauf, mein Engel, lauf.

Er lächelte in sich hinein, während er den Blick nicht von ihrer schlanken Figur lösen konnte.

Er sollte sie wirklich nicht so reizen. Aber wenn diese exotisch goldenen Augen ihn so herrlich wütend anfunkelten und ihre cremeweiße Haut errötete, konnte er einfach nicht widerstehen.

Schon vom ersten Moment an, als sie durch die Tür marschiert war wie ein Feldmarschall, hatte sie diese eigenartige Wirkung auf ihn gehabt.

Vielleicht war es auch nur eine rein sexuelle Wirkung. Dabei war sie gar nicht sein Typ. Viel zu zickig, obwohl sie wie Schneewittchen aussah. Und zu klein. Ihre Taille schien so schmal zu sein, dass er sie mühelos mit zwei Händen umfassen konnte. Er mochte seine Frauen etwas größer, etwas kultivierter und sehr viel anschmiegsamer.

Leo verschränkte die Hände hinter dem Kopf und fragte sich, wie Lexi Somers wohl roch, und ob die niedliche Figur hielt, was die Silhouette in der züchtigen Bluse und dem roten Rock versprach.

Die festen Brustwarzen, die er unter ihrem BH erahnen konnte, hatten in seinem Kopf bereits ein äußerst erfreuliches Bild entstehen lassen. Und er überlegte lustvoll, welche Farbe sie wohl besaßen. Und wie sie schmeckten. Es war ihm nicht entgangen, wie Lex auf seinen prüfenden Blick reagiert hatte. Auch wenn sie sich noch so große Mühe gab, kühl und ruhig zu erscheinen – er wusste genau, dass ihr Nervenkostüm in Flammen stand.

Wie sie wohl im Bett war? Kühl und effizient oder heiß und hingebungsvoll? Als sie in Schuhen, die eher zu einem Partygirl passten als zu einer Kindergärtnerin, über das Linoleum ging, hatten beim Klang ihrer energischen Schritte all seine Sinne Habachtstellung angenommen. Und was sagten diese Schuhe über sie aus? Natürlich, dass sie eine Frau war, die ihre Sexualität einzusetzen wusste.

Er entschied, dass sie im Bett heiß und hingebungsvoll sein musste, und atmete unwillkürlich tief ein, als sie jetzt wieder an ihm vorbeihuschte. Nur ein Hauch von Vanille und … Moschus? Was immer es war, es roch verführerisch.

„Es tut mir leid, dass Sie Ihre Zeit vergeudet haben, Mr …“

„Alexandrov.“ Er sagte seinen Nachnamen jetzt langsamer. Gegen seinen Willen freute es ihn, dass sie wirklich nicht zu wissen schien, wer er war.

„Alexandrov.“ Sie lächelte und legte die gefalteten Hände sittsam auf ihren Schreibtisch, als wäre damit alles erledigt.

Leo verzog den Mund zu einem Lächeln. „Und warum, Miss Somers?“, fragte er lässig. Wie es schien, glaubte sie, die Situation jetzt unter Kontrolle zu haben.

„Ich habe mit meinen Kolleginnen gesprochen. Wir wurden nicht benachrichtigt, dass jemand anderer den Jungen abholen wird. Deswegen kann ich Ty Weston nicht Ihrer Obhut überlassen.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte, sie so lange anzustarren, bis sie wegschaute. Zu seinem Erstaunen hielt sie seinem Blick länger stand, als er angenommen hatte. „Ich denke, es ist Zeit, dass Sie gehen.“

„Und was machen Sie, wenn keiner kommt, um Ty abzuholen?“

Sie stieß einen Seufzer aus. „Hören Sie, ich hatte einen ziemlich anstrengenden Tag. Ich habe keine Ahnung, wer Sie … Oh! Sie sind …“

„Tys Vater.“

„Die Augen. Sie haben seine Augen.“

Das hatte Leo nicht gewusst. Er schaute sich nie die Fotos seines Sohnes an, die seine Security-Leute ihm regelmäßig vorlegten.

Bei dem Gedanken, den Jungen zu sehen, trat ihm der Schweiß auf die Stirn. Schon jetzt wuchsen Emotionen und Schuldgefühle, die er seit Jahren mühelos in Schach gehalten hatte, wie ein Hochwasser führender Fluss in ihm an.

Leo stand auf.

Vielleicht hätte er ihr von Anfang an über seine Beziehung zu Amanda klaren Wein einschenken sollen. Aber wenn bekannt wurde, dass er einen Sohn hatte, würde er Ty für den Rest seiner Kindheit mit einem ganzen Sicherheitskommando ausstatten müssen. Und das wollte er mit allen Mitteln verhindern. „Gut. Dann können Sie ihn jetzt holen. Ich werde hier solange warten.“

Sie schüttelte den Kopf. „Tut mir leid. Das kann ich nicht.“

Leo fühlte den alten Ärger wieder in sich aufsteigen. „Und warum nicht?“

„Sie stehen nicht auf der Liste der Leute, die ihn abholen dürfen.“

Tschort wosmi! „Was für ein Quatsch“, fauchte er.

Lexi stand auf, stützte die Hände auf ihren Schreibtisch und sah ihn an. „Das ist überhaupt kein Quatsch. Die Bestimmungen hier sind für die Sicherheit der Kinder …“

„Wenn Sie wüssten, wer ich bin, würden Sie nicht mit mir streiten.“

„Warum? Weil Sie über dem Gesetz stehen?“ Die herrische Frage erwartete keine Antwort, aber er hätte ihr gern eine gegeben. Und zwar eine, wie sie ihr seine Vorfahren, die Kosaken, gegeben hätten: Sie gegen die Wand gepresst und genommen, was ihm ihre weit auseinander liegenden goldenen Augen versprachen, seitdem sie das erste Mal den Raum betreten hatte. Danach würde er mit seinem Sohn wie der Teufel von hier verschwinden.

Schade, dass so etwas seit ein paar Jahrhunderten nicht mehr möglich war.

„Ich bin sein Vater“, erklärte er, und die Worte klangen ihm seltsam in den Ohren.

„Ein Vater, dessen Name in keinem unserer Formulare auftaucht“, erwiderte sie. „Warum ist das so?“

Leo kämpfte gegen seine aufsteigenden Schuldgefühle. Er wusste, dass sie logisch gesehen nicht ganz unrecht hatte.

„Schauen Sie, Miss Somers, Amanda hinterließ eine Nachricht in meinem Büro. Sie teilte mir mit, dass niemand sonst sich um Ty kümmern könne. Anderenfalls wäre ich nicht hier.“

„Haben Sie Probleme mit dem Sorgerecht?“

Leos Blick wurde hart. „Ich habe nicht die Absicht, persönliche Angelegenheiten mit Ihnen zu besprechen.“

„Und ich bin nicht bereit, ein Kind in die Obhut eines Mannes zu geben, den ich noch nie gesehen habe und der nicht auf der Liste der vertrauenswürdigen Betreuer steht.“

Autor

Michelle Conder
<p>Schon als Kind waren Bücher Michelle Conders ständige Begleiter, und bereits in ihrer Grundschulzeit begann sie, selbst zu schreiben. Zuerst beschränkte sie sich auf Tagebücher, kleinen Geschichten aus dem Schulalltag, schrieb Anfänge von Büchern und kleine Theaterstücke. Trotzdem hätte sie nie gedacht, dass das Schreiben einmal ihre wahre Berufung werden...
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