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Vanessa steckt in der Klemme. Ausgerechnet ihr Ex-Mann Marcus will in ihre kleine, aber feine Bäckerei investieren. Zwar braucht sie das Geld, sie fürchtet jedoch eine allzu enge Zusammenarbeit. Außer ihren Rezepten hütet sie nämlich noch ein anderes süßes Geheimnis vor ihm …


  • Erscheinungstag 16.11.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751528108
  • Seitenanzahl 140
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Vanessa Keller, die schon sehr bald wieder einfach nur Miss Vanessa Mason heißen würde, saß auf der Kante ihres Hotelbetts und blickte fassungslos auf den Plastikstab in ihrer rechten Hand. Das Blut rauschte ihr in den Ohren, während sie darüber nachdachte, womit sich ihre Situation wohl am ehesten vergleichen ließe.

Vielleicht mit einem Flugzeugabsturz auf der Hochzeitsreise. Oder mit einem tödlichen Autounfall, kurz, nachdem man eine Million Dollar im Lotto gewonnen hatte.

Zweifellos handelte es sich hier um einen typischen Fall von Ironie des Schicksals.

Sie lachte verzweifelt auf, was einen Hustenanfall zur Folge hatte. Erst jetzt merkte sie, dass sie den Atem angehalten hatte.

Vanessa war gerade frisch geschieden von einem Mann, den sie einmal für die Erfüllung all ihrer Träume gehalten hatte. Was sie nun mit ihrem Leben anfangen sollte, wusste sie nicht, sie befand sich in einer Art Niemandsland in einem anonymen Hotelzimmer in Pittsburgh. Nun hatte sie das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sie wusste nicht, warum ihre Ehe so fürchterlich schiefgelaufen war. Und darüber hinaus war sie schwanger.

Ich bin schwanger, dachte sie, und ihr wurde ganz flau im Magen. Sie erwartete ein Kind von ihrem Exmann. Dabei hatten sie während ihrer dreijährigen Ehe erfolglos versucht, ein Kind zu zeugen.

Was sollte sie jetzt nur tun?

Sie stand auf und ging benommen zu dem Schreibtisch am anderen Ende des Raums, ließ sich auf den Stuhl davor fallen. Ihre Hände zitterten, während sie das Teststäbchen auf die Tischplatte legte und das Telefon näher heranzog.

Ihr Atem ging stoßweise. Sie versuchte, sich zu beruhigen. Sie würde das schon schaffen. Es war das einzig Richtige, ihren Exmann über ihre Schwangerschaft zu informieren. Und gleichgültig, wie er auch reagieren mochte, sie würde damit zurechtkommen.

Natürlich würde er die Neuigkeiten nicht zum Anlass nehmen, ihrer Beziehung eine zweite Chance zu geben. Vanessa wusste auch gar nicht, ob sie das wirklich wollte. Nicht einmal mit der Aussicht auf ein Baby. Aber er musste erfahren, dass er Vater wurde. Dabei spielte ihr augenblickliches Verhältnis keine Rolle.

Mit eiskalten Fingern wählte sie die vertraute Nummer. Wie üblich würde sein Assistent den Anruf entgegennehmen. Sie hatte Trevor Storch nie gut leiden können. Er war ein arroganter, kalter und ehrgeiziger Typ, der sie wie ein ständiges Ärgernis anstatt wie die Frau seines Vorgesetzten, dem Inhaber eines millionenschweren Unternehmens, behandelt hatte.

Nach einmaligem Läuten drang Trevors nasale Stimme an ihr Ohr. „Keller Corporation, Marcus Kellers Büro. Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Hier ist Vanessa“, sagte sie nur. Er wusste natürlich genau, wer sie war. Vermutlich wusste er auch über jedes Detail ihrer Ehe und der kürzlich vollzogenen Scheidung Bescheid. Das stand ihm nicht zu, und Vanessa ärgerte sich darüber. Leider konnte sie es nicht ändern. „Ich muss mit Marc sprechen.“

„Es tut mir leid, Miss Mason. Mr. Keller ist nicht verfügbar.“

Dass er ihren Mädchennamen gebrauchte und sie außerdem mit ‚Miss‘ titulierte, traf Vanessa wie ein Stich. Das hatte er ohne Zweifel auch beabsichtigt. Aber wie bereits in der Vergangenheit würde sie auch jetzt eine Auseinandersetzung mit ihm vermeiden. „Es ist sehr wichtig. Bitte stellen Sie mich durch“, bat sie kühl.

„Es tut mir leid“, wiederholte er, und tiefe Befriedigung schwang in seiner Stimme mit. „Mr. Keller hat mich angewiesen, Ihnen mitzuteilen, dass er unter keinen Umständen hören will, was Sie ihm gegebenenfalls zu sagen haben. Guten Tag.“

Vanessa blickte ungläubig auf den Hörer. Trevor Storch hatte einfach aufgelegt. Es war schon schlimm genug, mit „Miss Mason“ angesprochen zu werden. Aber dass sich ihr Exmann nun offenbar weigerte, auch nur mit ihr zu reden, war kaum zu ertragen.

Ihr war klar, wie wütend Marc auf sie sein musste. Sie hatten sich nicht gerade einvernehmlich getrennt. Doch sie hatte nicht erwartet, dass er sie so ohne Weiteres aus seinem Leben verbannen würde.

Denn er hatte sie einmal geliebt. Genau so, wie sie ihn geliebt hatte. Jetzt schien es, als wären sie nur noch Fremde, die nicht mal mehr ein höfliches Gespräch miteinander führen konnten.

Immerhin war ihre Frage nach dem weiteren Verlauf der Dinge jetzt geklärt. Sie würde als alleinerziehende Mutter leben. Ihr war nicht klar, ob sie Marcus’ Hilfe überhaupt angenommen hätte. Ohne seine Unterstützung musste sie einen Weg finden, wie sie für sich und ihr Baby sorgen konnte. Und zwar möglichst schnell.

1. KAPITEL

Ein Jahr später

Marcus Keller verstärkte den Griff um das lederbezogene Lenkrad seines eleganten Mercedes. Der Wagen glitt geschmeidig die kurvige Straße nach Summerville entlang, obwohl Marcus schneller fuhr, als es die Straßenverhältnisse erlaubten.

Die kleine Stadt in Pennsylvania lag nur drei Fahrtstunden von seiner Heimatstadt Pittsburgh entfernt. Dennoch kam es Marcus so vor, als befände er sich in einem anderen Universum. Pittsburgh war eine Großstadt, deren nächtliche Lichter den Himmel erhellten. Überall, wohin das Auge blickte, mehrspurige Verkehrsadern und hohe Gebäude.

Summerville hingegen war von dichten Wäldern, Feldern und Weiden umgeben. Hübsche Einfamilienhäuser mit Gärten säumten die schmale Hauptverkehrsstraße. Marcus hatte den Eindruck, nicht nur in eine andere Welt, sondern auch in eine andere Zeit versetzt worden zu sein.

Er verlangsamte die Geschwindigkeit, um die vorbeigleitenden Häuser- und Ladenfronten näher in Augenschein zu nehmen: ein Drogeriemarkt, eine Postfiliale, ein Restaurant, ein Geschenkladen und schließlich eine Bäckerei.

Marcus nahm den Fuß vom Gas und musterte die sonnengelb gestrichene Fassade und das Schild, auf dem in kühn geschwungenem Schriftzug „The Sugar Shack“ zu lesen war. Ein rotes Neonschild im Schaufenster verkündete grell blinkend, dass das Geschäft geöffnet war. Drinnen ließen sich zufrieden wirkende Kunden Kaffee und Kuchen schmecken.

Die Bäckerei sah ausgesprochen einladend aus, ein in der Gastronomie nicht unwesentlicher Punkt. Marcus widerstand der Versuchung, das Autofenster herunterzulassen, um den Duft nach frisch gebackenem Brot und Kuchen einzusaugen.

Zu einem erfolgreich geführten Geschäft gehörte allerdings mehr als eine ansprechende Vorderfront und ein eingängiger Name. Bevor er Geld in die Bäckerei investierte, würde er das kleine Unternehmen auf Herz und Nieren prüfen.

An der Ecke bog er links ab und folgte seiner Wegbeschreibung. Eine schmale Seitenstraße führte zum Büro von Blake und Fetzer, Finanzberater. Er hatte schon früher mit Brian Blake zusammengearbeitet, allerdings noch nie bei einem so weit von Pittsburgh entfernten Objekt. Und er war auch noch nie in Brians Geschäftsräumen gewesen. Doch Brian hatte ihn immer hervorragend beraten, daher war Marcus bereit gewesen, den weiten Weg auf sich zu nehmen.

Plötzlich bemerkte er eine Frau, die auf hohen Absätzen eilig den Bürgersteig entlangschritt. Ihr Gang war anmutig und sicher.

Marcus spürte einen leichten Druck im Magen. Diese Frau erinnerte ihn an seine Exfrau. Die Figur war ein wenig voller und kurviger, und sie trug das kupferrote Haar kurz geschnitten. Das Haar seiner Exfrau war ihr in dichten Wellen über den halben Rücken gefallen. Dennoch war die Ähnlichkeit frappierend, besonders der geschmeidige Gang und das Outfit. Die Frau trug eine weiße Bluse und einen engen schwarzen Rock. Der lange Gehschlitz gab den Blick auf ein Paar sehr langer und sehr schöner Beine frei.

Marcus richtete den Blick wieder auf die Straße und unterdrückte die Gefühle, die beim Anblick der Frau in ihm aufstiegen. Er war sich nicht einmal sicher, um welche Art von Gefühlen es sich eigentlich handelte. Schuld? Bedauern? Oder einfach nur Sentimentalität? Nun, er hatte nicht vor, das genauer zu ergründen.

Seine Scheidung lag jetzt über ein Jahr zurück. Es war besser, all das hinter sich zu lassen und weiterzumachen. So, wie es Vanessa bestimmt auch getan hatte.

Marcus entdeckte das Büro von Blake und Fetzer, fuhr auf den kleinen Kundenparkplatz vor dem Gebäude und stieg aus. Es war ein warmer Frühlingstag. Wenn er Glück hatte, würden das Treffen und die Besichtigung der Bäckerei nicht länger als zwei Stunden dauern. Dann konnte er sich wieder auf den Heimweg machen. Das Leben in einer Kleinstadt hatte ohne Zweifel seine Vorzüge, aber Marcus fühlte sich im Großstadtgetriebe einfach wohler.

Vanessa hielt vor Brian Blakes Büro kurz inne, strich sich Rock und Bluse glatt und fuhr mit beiden Händen durch ihr kurzes Haar. Sie presste noch einmal die Lippen aufeinander, um den Lippenstift besser zu verteilen. Es war eine Weile her, dass sie sich so schick gemacht hatte. Sie war etwas aus der Übung.

Das geeignete Outfit zu finden, war nicht gerade leicht gewesen. Die meisten ihrer Sachen, die sie sich während der Ehe mit Marcus zugelegt hatte, waren ihr mittlerweile eindeutig eine Nummer zu klein. Was bedeutete, dass die elegante weiße Bluse über der Brust ein wenig spannte. Und der Bund des engen schwarzen Rocks erschwerte ihr das Atmen.

Glücklicherweise musste sie sich in dieser friedlichen Kleinstadt nicht besonders oft in Schale werfen. Das war nicht einmal dann nötig, wenn sie sonntags Dienst in der Bäckerei hatte. Die Leute hier gingen die Dinge für gewöhnlich gelassen und ruhig an. Niemand legte großen Wert auf Selbstdarstellung. Das war auch gut so, denn sonst hätte sie ein hübsches Sümmchen in eine neue Garderobe investieren müssen. Da ihre Mittel durch den Geschäftsaufbau ziemlich knapp waren, hätte sie sich das gar nicht leisten können.

Nach einem Blick auf ihr Spiegelbild in der Glastür beschloss Vanessa, dass ihre äußere Erscheinung für diesen Termin angemessen war. Sie holte so tief Luft, wie der Bund des Rocks es erlaubte, drückte die Tür auf und betrat den Empfangsbereich von Brian Blakes Niederlassung. Die Sekretärin am Tresen begrüßte sie freundlich lächelnd und teilte ihr mit, dass Brian und der potenzielle Investor sie bereits im Büro erwarteten.

Vanessa straffte die Schultern und sandte ein stummes Stoßgebet himmelwärts. Hoffentlich befand der wohlhabende Investor, den Brian aufgetan hatte, ihr kleines Unternehmen für würdig, eine gehörige Summe hineinzustecken. Dann öffnete sie die Tür und betrat das Büro.

Ihr Blick fiel zuerst auf Brian, der sich lächelnd mit seinem Besucher unterhielt. Dieser saß mit dem Rücken zu ihr auf einem Gästesessel vor dem Schreibtisch. Der Mann hatte dichtes, dunkles Haar, trug einen grauen Anzug und klopfte mit seinen schlanken Fingern ungeduldig auf die Lehne des Sessels, als könnte er es gar nicht erwarten, endlich zum Geschäft zu kommen.

Als Brian sie bemerkte, vertiefte sich sein Lächeln. Er stand auf und winkte ihr zu. „Vanessa, Sie kommen genau rechtzeitig. Erlauben Sie mir, Ihnen den Mann vorzustellen, der in Ihre wundervolle Bäckerei investieren wird. Wenn es nach mir geht, jedenfalls. Vanessa, das ist Marcus Keller. Mr. Keller, das ist …“

„Wir kennen uns bereits“, unterbrach ihn Marcus.

Seine Stimme zu hören, ließ Vanessa zusammenzucken. In diesem Moment fuhr Markus hoch und drehte sich zu ihr um. Bei seinem Anblick begann ihr Herz wild zu hämmern.

Da stand er nun vor ihr. Die gleißenden Sonnenstrahlen, die durch die großen Fenster fielen, verliehen seinem schwarzen Haar einen bläulichen Schimmer. Ein seltsames Funkeln stand in seinen grünen Augen, und um seinen Mund spielte ein ironisches Lächeln. Wie immer war er bis hin zu der geschmackvollen Krawatte tadellos gekleidet.

„Hallo, Vanessa“, sagte er leise.

Er schob die Hände in die Taschen seiner grauen Anzughose und wippte kaum merklich auf den Fußballen vor und zurück. Seine offensichtliche Gelassenheit ärgerte Vanessa. Er schien ganz Herr der Situation. Sie dagegen fühlte sich, als würde sich der Boden unter ihren Füßen auftun.

Wie hatte das nur passieren können? Wieso hatte sie sich nicht vorher erkundigt, wer dieser geheimnisvolle Investor eigentlich war? Und wie kam es, dass Brian nicht wusste, dass Marcus ihr Exmann war?

Sie hätte sich selbst ohrfeigen können, weil sie Brian nicht die richtigen Fragen gestellt hatte, nur daran interessiert gewesen war, ob der Investor auch über genügend Mittel verfügte. Alles Weitere hatte sie nicht gekümmert. Und nun hatte sie die Bescherung.

Vanessa hatte sich eingeredet, sie bräuchte ganz verzweifelt eine kräftige Finanzspritze, um The Sugar Shack am Laufen zu halten. Aber so verzweifelt, um Hilfe von ihrem Exmann anzunehmen, konnte sie gar nicht sein. Dieser Mistkerl hatte ihr das Herz gebrochen und sie im Stich gelassen, als sie ihn am nötigsten gebraucht hatte.

Ohne Marcus eines Blickes zu würdigen oder ihn gar zu begrüßen, wandte sie sich an Brian: „Es tut mir leid. Das hier wird nicht funktionieren.“

Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und verließ mit eiligen Schritten das Büro.

Sie war schon an der nächsten Ecke, als sie Marcus hinter sich rufen hörte:

„Vanessa! So warte doch!“

Die hochhackigen Pumps, die sie angezogen hatte, um einen guten Eindruck zu machen, waren nicht für einen Dauerlauf geeignet. Dennoch rannte sie fast in Richtung Bäckerei. Vanessa unterdrückte ein schmerzerfülltes Stöhnen. Ihre Füße taten höllisch weh. Sie wollte nur noch eins: weg von Marcus. Weg von seinen ironisch funkelnden grünen Augen und seinem arroganten Gesichtsausdruck. Sie ignorierte sein Rufen, versuchte, nicht daran zu denken, dass er sie vermutlich mühelos einholen würde.

„Vanessa!“

Sie bog um die Ecke, und in Sichtweite der Bäckerei verlangsamte sie ihre Schritte. Ihr Herz hämmerte nach wie vor, und sie war völlig außer Atem.

Oh nein. Sie war so wütend und schockiert gewesen, dass sie an nichts anderes hatte denken können, als weg von Marcus und in die vertraute Geborgenheit ihrer Bäckerei zu kommen. Dabei hatte sie völlig vergessen, dass Danny dort war. Und wenn es jemanden gab, den sie noch mehr beschützen wollte als sich selbst, dann war es ihr Sohn.

Plötzlich war sie nicht mehr in der Lage, nur noch einen Schritt vorwärts zu tun. Kurz vor der Eingangstür blieb sie abrupt stehen. Einen Moment später kam Marcus um die Ecke und stoppte ebenfalls schlagartig. Vanessa war sich bewusst, dass ihr Verhalten äußerst seltsam wirken musste. Doch die plötzliche Panik, die sie erfasst hatte, machte es ihr unmöglich, sich von der Stelle zu rühren.

Marcus war ebenfalls ziemlich außer Atem. Das verschaffte Vanessa immerhin ein kurzes Gefühl der Befriedigung. Es war eine hübsche Abwechslung zu seiner üblichen demonstrativen Gelassenheit. In Anbetracht dessen, was er ihr angetan hatte, hatte er das mehr als verdient.

„Endlich“, stieß er keuchend hervor. „Warum bist du weggelaufen? Wir sind zwar geschieden, aber wir können doch trotzdem wie zivilisierte Menschen miteinander reden, oder?“

„Ich habe dir nichts zu sagen“, fauchte sie. Und er will ja sowieso unter keinen Umständen hören, was ich ihm gegebenenfalls zu sagen habe. Trevor Storchs vernichtende Bemerkung kreiste unablässig in ihren Gedanken und bestärkte Vanessa in ihrem Entschluss, Marcus auf jeden Fall von ihrem Kind fernzuhalten.

„Willst du mir nicht etwas über dein Geschäft erzählen?“ Marcus fuhr sich mit den Fingern durch sein dichtes schwarzes Haar. Dann strich er seine Krawatte glatt und knöpfte sich die Jacke zu.

So, nun ist er wieder ganz der unerschütterliche und ordentliche Geschäftsmann, dachte Vanessa ironisch.

„Hört sich an, als könntest du etwas Kapital gebrauchen“, fuhr er fort. „Und ich bin immer auf der Suche nach lohnenden Anlageobjekten.“

„Ich will dein Geld nicht“, erwiderte sie kühl.

Er neigte den Kopf zur Seite und betrachtete sie aufmerksam. „Aber die Frage ist doch, ob du es brauchst.“

Das klang weder gönnerhaft noch überheblich. Vanessa hatte fast den Eindruck, als ob er ihr wirklich helfen wollte, falls nötig.

Oh, und es war nötig. Sie brauchte wirklich dringend Hilfe. Aber nicht von ihrem kalten, gefühlsarmen Exmann.

Vanessa straffte die Schultern und widerstand dem plötzlichen Impuls, Marc trotz allem um Unterstützung zu bitten. Sie rief sich in Erinnerung, dass sie es bis jetzt auch ganz gut allein geschafft hatte. Sie brauchte keinen Mann, der sie rettete.

„Die Bäckerei läuft sehr gut“, sagte sie kühl. „Aber selbst wenn das nicht so wäre, würde ich von dir nichts annehmen.“

Marc setzte gerade zu einer Erwiderung an, als Brian Blake um die Ecke bog. Als er die beiden entdeckte, sah er sie bestürzt an. Er blieb stehen, schweigend und schwer atmend, während sein Blick unsicher zwischen Vanessa und Marc hin- und herwanderte. Hilflos schüttelte er den Kopf.

„Mr. Keller … Vanessa …“ Brian hielt inne, um noch einmal Atem zu holen. Er schluckte nervös, wobei sein Adamsapfel sichtbar auf und ab hüpfte. „So hatte ich dieses Treffen nicht geplant. Bitte kommen Sie doch wieder in mein Büro. Vielleicht können wir eine Lösung finden, wenn wir in Ruhe darüber reden.“

Verlegen senkte Vanessa den Blick. Brian war ein freundlicher und hilfsbereiter Mann. Er hatte es nicht verdient, so zwischen die Fronten zu geraten. Und das aus dem einzigen Grund, weil sie nichts mehr mit ihrem Exmann zu tun haben wollte.

„Es tut mir leid, Brian“, meinte sie entschuldigend. „Ich bin Ihnen sehr dankbar für alles, was Sie für mich getan haben. Aber diese Geschäftsverbindung ist wirklich ein Ding der Unmöglichkeit.“

Brian machte ein Gesicht, als wollte er widersprechen, stieß dann jedoch resigniert den Atem aus und nickte. „Ich verstehe.“

„Ich kann da nicht zustimmen“, wandte Marc ruhig ein. „Denn ich bin eigentlich noch immer daran interessiert, möglichst viel über die Bäckerei zu erfahren.“

„Nein, Marc. Auf keinen Fall“, erwiderte Vanessa mit fester Stimme.

„Aber es scheint mir durchaus lohnenswert, in dein Geschäft zu investieren“, entgegnete er. „Ich bin drei Stunden lang unterwegs gewesen, um mir die Bäckerei anzuschauen. Und ich würde mich ungern mit leeren Händen auf den Heimweg machen müssen. Du könntest mich wenigstens kurz herumführen.“

Oh nein, dachte Vanessa. Das kam überhaupt nicht infrage. Sie würde ihn keinesfalls in die Bäckerei lassen. Das war einfach zu riskant.

Sie verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust und setzte zu einer Erwiderung an, alsBrian ihr kurz die Hand auf die Schulter legte. Mit einem Kopfnicken bedeutete er ihr, ihm zu folgen. Er trat ein paar Schritte beiseite.

„Sehen Sie, Vanessa“, begann er, als sie aus Marcs Hörweite waren. „Sie sollten sich etwas Zeit geben, um darüber nachzudenken. Bitte. Ich weiß inzwischen, dass Mr. Keller Ihr geschiedener Mann ist. Allerdings hatte ich keine Ahnung davon, als ich das Treffen vereinbarte. Hätte ich es gewusst, wäre es nicht dazu gekommen. Er ist noch immer daran interessiert, in Ihr Geschäft zu investieren. Und als Ihr Finanzberater bin ich verpflichtet, Ihnen zu empfehlen, sein Angebot noch einmal ernsthaft zu überdenken. Im Augenblick läuft alles zufriedenstellend. Ihre Bäckerei trägt sich selbst. Aber ohne fremdes Kapital sind Sie nicht in der Lage, Ihre Erweiterungspläne in die Tat umzusetzen. Im schlimmsten Fall kann eine schlechte Saison außerdem dazu führen, dass Sie das Geschäft aufgeben müssen.“

Weder wollte Vanessa das hören noch war sie bereit, Brian zu glauben. Aber tief in ihrem Inneren wusste sie, dass er recht hatte. Ihr besonderes Talent war es, eine Bäckerei zu führen. Brians spezielle Fähigkeiten lagen darin, kluge und weitsichtige Finanzpläne auszuarbeiten. Sie hätte sich nicht für ihn als Berater entschieden, wenn sie nicht sicher wäre, dass er wusste, was er tat.

Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte sie sich, dass Marc ihrer Unterhaltung nicht folgen konnte. Dann beugte sie sich vertraulich vor. „Es steht mehr auf dem Spiel als die Bäckerei, Brian“, sagte sie leise. „Sehr viel mehr. Trotzdem werde ich ihm die Geschäftsräume zeigen. Aber welchen Vorschlag Sie und Marc mir danach auch unterbreiten, ich kann nicht versprechen, ihn zu akzeptieren. Es tut mir leid.“

Brian sah nicht besonders glücklich aus, nickte aber zustimmend. Offenbar sah er ein, dass sie im Moment nicht bereit war, sich festzulegen.

Nachdem sie sich wieder zu Marc gesellt hatten, informierte Brian ihn über Vanessas Entscheidung. Gemeinsam gingen sie auf die Eingangstür zu. Je näher sie kamen, desto intensiver wurde der Duft nach frisch gebackenem Kuchen und Brot. Wie immer bei diesem Geruch begann Vanessas Magen zu knurren. Auf einmal hatte sie einen unglaublichen Appetit auf eine Zimtschnecke oder einen Schokoladenkeks. Das erklärte vermutlich, warum sie ihre Babypfunde immer noch nicht ganz losgeworden war.

Die Hand schon auf der Türklinke hielt sie plötzlich inne und drehte sich zu Marc um. „Warte bitte einen Moment. Ich muss Tante Helen vorwarnen, dass du da bist. Ich will ihr auch in Ruhe den Grund dafür erklären. Sie hat dich nie besonders gut leiden können. Also wundere dich nicht, wenn sie sich nicht blicken lässt. Bitte entschuldigen Sie mich für einen Moment, Brian.“

Während Brian mit ausdrucksloser Miene nickte, bedachte Marc sie mit einem ironischen Lächeln.

„Ich werde meinen Teufelshuf vor ihr verbergen, falls ich ihr über den Weg laufe“, sagte er spöttisch.

Vanessa machte sich nicht die Mühe, etwas darauf zu erwidern. Rasch öffnete sie die Tür und ging hinein.

Mit einem freundlichen Lächeln begrüßte sie ihre Gäste, die an den kleinen Tischen saßen, Tee, Kaffee oder Kakao schlürften und sich frisch gebackenen Kuchen und Kekse schmecken ließen. Dann betrat sie eilig die Backstube.

Helen war wie gewöhnlich fleißig bei der Arbeit. Obwohl bereits in den Siebzigern, hatte sie die Energie einer jungen Frau. Sie stand jeden Morgen sehr früh auf und machte sich dann unverzüglich daran, Teig zu kneten, Kuchenformen zu füllen, Kekse auszustechen und die Backöfen zu befüllen. Dabei stellte sie immer mindestens vier verschiedene Backwaren gleichzeitig her, und es war ihr noch nie etwas angebrannt. Trotz verschiedener Garzeiten und Temperaturen hatte sie immer alles fest im Griff.

Vanessa war selbst eine ausgezeichnete Bäckerin, aber mit ihrer Tante konnte sie es nicht aufnehmen. Neben ihrer Arbeit in der Backstube bediente Helen auch Gäste und hütete obendrein den kleinen Danny. Vanessa wusste nicht, wie sie ohne ihre Tante hätte zurechtkommen sollen.

Beim Quietschen der Schwingtüren blickte Helen kurz von einem Backblech auf.

Autor

Heidi Betts
Die Liebesaffäre der preisgekrönten Autorin Heidi Betts mit dem Romance-Genre begann schon in der Grundschule, als sie sich in Liebesromane anstatt in ihre Hausaufgaben vertiefte. Es dauerte nicht lange, bis sie den Entschluss fasste, eigene Romane zu schreiben. Ihr erstes Buch wurde vom Dorchester Verlag im Jahr 2000 veröffentlicht, gefolgt...
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