Verraten und verführt

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Die sexy Millionenerbin Abby ist dem Gentleman-Dieb Danny Burnett ein Rätsel. Soll er ihr nur helfen, ein gestohlenes Gemälde wiederzufinden? Zu spät erkennt er, dass Abby ihm mit den erotischen Waffen einer Frau nun heimzahlt, dass er sie einst verführt und verraten hat …


  • Erscheinungstag 03.10.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728021
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Wenn du den Finger anfeuchten willst, um den Ring besser hinunterzubekommen, kann ich dir bestimmt behilflich sein.“

Daniel Burnett, der gerade vergeblich versuchte, seinen Ring vom Finger zu lösen, hielt inne. Was machte das wohl für einen Eindruck? Er musste wie ein Loser aussehen, wie er dort an der Bar eines Casinos in New Orleans saß und an seinem Ringfinger zerrte. Als wäre er ein Ehemann auf der Suche nach einem One-Night-Stand, der seinen Hochzeitsring verstecken musste. Welche Frau würde ihn da ansprechen wollen?

Doch als er aufblickte und sah, wer ihm diese zweideutige Hilfe angeboten hatte, fiel er fast vom Barhocker.

Alles an ihr war anders. Ihr Haar, früher nur dunkelbraun, war jetzt von kupferfarbenen Strähnen durchzogen. Dunkle Augen, damals eher unauffällig und hinter einer Brille verborgen, strahlten ihn an, umrahmt von einem dichten Kranz langer Wimpern. Lippen, damals nur dezent geschminkt, wenn überhaupt, glänzten nun rot und verlockend.

„Abby?“

Sie hob eine Braue. „Wow, und ich dachte, du würdest mich nach all den Jahren nicht erkennen.“

„Dich würde ich immer und überall erkennen“, platzte es aus ihm heraus. Wegen ihr hatte er in Chicago – sogar im gesamten Mittleren Westen – keinen Auftrag mehr angenommen. Er hatte Abigail einmal überlebt, geradeso. Eine Frau wie sie war Gift für ihn.

Sie war gefährlich.

Sie war wunderschön.

Er stand auf, nahm seine Jacke von der Rückenlehne des Barhockers, schlüpfte hinein und blickte zur Tür. Sein Flugzeug ging erst in sechs Stunden, aber vielleicht schaffte er es ja schlau genug zu sein, jetzt schon zum Flughafen zu fahren.

Abigail beugte sich vor. Er spürte ihren Atem. „Komm schon, Daniel. Nach all den Jahren wirst du mir doch wenigstens sagen, wie gut ich aussehe?“

Das war das Positive daran, wenn man einer Frau begegnete, die bereits über einen Bescheid wusste. Man konnte sie in aller Ruhe mit Blicken verschlingen. Sie könnte nicht schlechter von ihm denken, als sie es ohnehin tat.

Abigail machte einen Schritt von ihm weg und stemmte eine Hand in ihre schmale Taille.

Sie ließ ihm keine Chance. Er hatte es wohl nicht anders verdient. Sein Blick glitt an ihren langen, gebräunten Beinen aufwärts. Er sah die perfekt geformten Hüften, die schmale Taille, den flachen Bauch. Fast hätte er die Augen schließen müssen, bevor er bei ihren atemberaubenden, vollen Brüsten ankam. Doch so sehr er versuchte, wegzuschauen, er konnte es nicht.

Die Erinnerung war noch zu lebendig – an den Duft ihrer Haut, an ihre ekstatischen Seufzer, an das Gefühl ihrer Lippen auf den intimsten Stellen seines Körpers.

Was für eine Ironie des Schicksals, dass Abigail Albertini ausgerechnet in dem Moment wieder in seinem Leben auftauchte, als er gerade die erste gute Tat seines Lebens vollbracht hatte. Er blickte auf den albernen Ring an seiner Hand. Den hatte ihm sein Bruder Michael vor weniger als einer Stunde auf den Finger geschoben, zum Dank dafür, dass Daniel ihm geholfen hatte, seine Freundin vor einem Serienvergewaltiger zu retten. Michael hatte dabei irgendeinen Blödsinn gemurmelt. Dieses zweihundert Jahre alte Familienerbstück würde sein Leben verändern. Daniel hatte natürlich kein Wort davon geglaubt.

Jetzt aber war er sich nicht mehr so sicher.

„Gefällt dir, was du siehst?“, fragte Abigail herausfordernd.

„Die Ehe scheint dir zu bekommen“, brummte er.

Ihr rechter Mundwinkel zuckte leicht. „Danke.“

Widerwillig blickte Daniel sich um. Er war Marshall Chamberlain noch nie begegnet, er hielt also einfach Ausschau nach einem Mann, dessen Adern an der Schläfe geschwollen waren. Genau das wäre jedenfalls bei ihm der Fall, wenn man ihn mit dem Mann konfrontieren würde, der seine Verlobte dazu gebracht hatte, ihn zu betrügen. Doch keiner der Männer, die an der Bar saßen oder durch den Raum schlenderten, schienen das geringste Interesse an ihm oder Abigail zu haben.

Daniel schnalzte mit der Zunge. Marshall musste wirklich eine trübe Tasse sein. Hätte er selbst eine so schöne, temperamentvolle Frau wie Abigail … er würde sie niemals aus den Augen lassen.

Er hatte jedoch keine solche Frau – selbst schuld.

„Und?“, fragte er, denn er wollte die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen. „Wo ist denn der Glückliche? Ich habe euch ja nie persönlich beglückwünscht.“

„Das ist wohl auch das Beste so, findest du nicht?“

„Ich bin nicht gerade bekannt dafür, das zu tun, was am besten ist.“

„Und ob“, erwiderte sie. Sie setzte sich auf den Barhocker neben ihm und winkte den Barkeeper heran. „Solange es das Beste für dich ist. Glaub mir, wenn ihr euch begegnen würdet, das wäre für niemanden gut.“

Sie orderte eine Flasche Champagner. Daniel leerte seinen Scotch und fragte sich, wieso sein Leben sich seit ein paar Tagen so sehr veränderte hatte, und zwar zum Schlechteren. Er hatte Kalifornien in Richtung Louisiana verlassen in der Hoffnung, seinen Bruder Michael zu finden. Und seinen Plan in die Tat umzusetzen: Er hatte nämlich den Ring ihres Vaters stehlen und den Verkaufserlös nutzen wollen, um ein neues Leben zu beginnen, irgendwo auf der Welt … wo man ihn nicht suchte.

Vielleicht in den Niederlanden? Oder in Botswana?

Doch in New Orleans hatte sein Bruder seine Hilfe gebraucht, um die Frau, die er liebte, zu retten. Und dann hatte Michael ihm auch noch diesen Ring freiwillig gegeben. Wo blieb denn da der Spaß?

Wie um sich zu rächen, ließ ihm das verdammte Erbstück an seinem Finger keine Ruhe. Fast drückte er ihm das Blut ab. Und jetzt musste auch noch die eine Frau, die ihm das Herz gebrochen hatte, quer durchs Land reisen, um noch einmal den Finger in die Wunde zu stecken, und sich als glücklich verheiratete Frau präsentieren.

Das alles konnte kein Zufall sein.

„Und was tust du hier, so weit entfernt von dem Mann, der dich mir weggenommen hat?“

Sie lachte, doch ihre goldbraunen Augen blieben ernst.

„Soweit ich mich erinnere, hat nur einer gestohlen, und das warst du.“

Fünf Jahre Zeit, fünf Jahre Abstand. Und dann noch dieser Ring an seinem Finger. Das verlieh ihm wohl den Mut, Abigail einfach um die Taille zu fassen und an sich zu ziehen.

Fünf Jahre Ehe. Die gaben ihr wohl die Selbstsicherheit, einfach cool zu bleiben und abzuwarten, was er als Nächstes tun würde.

Sie duftete so gut, ihre seidig weiche Haut strömte so viel Wärme aus. Und weckte ein animalisches Verlangen.

„Du hast mein Herz gestohlen“, raunte er.

Sie löste sich von ihm, aber bei dem Geräuschpegel hatte sie wahrscheinlich gar nicht gehört, was er sagte. „Du hast schon lange kein Recht mehr, mich anzufassen.“

Er lehnte sich zurück. Wenn er wie üblich auf nonchalant machte, würde ihr vielleicht nicht auffallen, dass sein Herz wie verrückt raste.

Sie bemühte sich cool zu bleiben. Ihrem Gesichtsausdruck nach schien sie sich jedoch über sich selbst zu ärgern. Eines bewies ihre Reaktion jedenfalls ziemlich eindeutig: Sie war nicht über ihn hinweg. Vielleicht hasste sie ihn immer noch. Vielleicht verfluchte sie ihn täglich aufs Neue. Aber sie hatte ihn zumindest nicht vergessen. Das war doch etwas.

„Du hast recht.“ Er bestellte noch einen Scotch. „Aber du weißt genau, wer ich bin, Abby. Wenn du mich mit der Nase darauf stoßen wolltest, wie gut es dir geht und wie sexy du auch nach fünf Jahren Ehe noch aussiehst, dann ist dir das gelungen. Wenn du mich ohrfeigen oder mich verhaften lassen willst, dann tu es.“ Er beugte sich vor. Der Smaragd an seinem Ring leuchtete auf. „Aber stolzier nicht so verführerisch vor mir auf und ab und erwarte, dass ich die Hände bei mir behalte. Jeder Mann hat seine Grenzen. Sogar ich.“

„Dann möchte ich, dass du über deine Grenzen hinauswächst“, entgegnete sie steif und ließ, wenn auch nur kurz, etwas von der verwöhnten Prinzessin durchblicken, der er vor fünf Jahren begegnet war.

„Was soll das heißen?“

„Ich habe dich gesucht.“

„Und das hat dein Ehemann erlaubt? Ist der blöd?“

„Rede nicht so über Marshall! Er war ein guter Mann und hatte nicht verdient, was wir ihm angetan haben.“

War?

Daniel stand auf. „Nein, er hat nichts von dem verdient, was wir ihm angetan hatten“, sagte er.

Abigail presste die Lippen zusammen. Am liebsten hätte er sie geküsst. Abigail war eine klassische mediterrane Schönheit mit vollem dunklem Haar, olivbrauner Haut und ausdrucksvollen dunklen Augen. Aber wenn sie wütend war – wenn sie ein wenig die Kontrolle verlor –, dann war sie einfach atemberaubend.

„Allerdings“, sagte sie, „aber ich erwarte kein Mitgefühl von Daniel Burnett, oder heißt du jetzt wieder David Brandon?“

„David Brandon bin ich schon lange nicht …“ Er brach ab. Gerade erst am Tag zuvor hatte er diesen Namen benutzt. Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, ihn immer wieder auszuprobieren, um zu sehen, ob der Schmerz über den Verlust Abigails nachgelassen hatte.

Hatte er nicht.

„Warum hast du mich gesucht?“ Seine Stimme klang angespannt.

Sie lächelte, zum ersten Mal richtig. Sie hatte wohl etwas bemerkt und empfand Genugtuung. Er konnte es ihr nicht verübeln.

Sie machte wieder einen Schritt auf ihn zu und ließ ihre Fingerspitzen über seine Brust tanzen, bis hinauf zu seinem Kragen. „Ich habe einen Job für dich.“

Als sie die Unterseite seines Kinns berührte, fühlte Daniel sich wie elektrisiert. Er wollte sie küssen, wollte ihren Mund in Besitz nehmen und sich darin verlieren. Sie quälte ihn. Sie ließ ihn dafür bezahlen, dass er damals fast ihre Zukunft zerstört hätte.

Er verübelte es ihr nicht. Nein. Er wollte mehr.

Sein Verstand hatte kapiert, warum er sich von Abigail Albertini Chamberlain fernhalten sollte, sein bestes Stück hatte diese Nachricht anscheinend nicht erhalten. Das Blut wich Daniel so schnell aus dem Kopf, dass er sich am Tresen festhalten musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

„Kommt nicht infrage.“

„Du stehst in meiner Schuld“, sagte sie.

„So? Du spielst mit dem Feuer, Abby. Ich kann nicht garantieren, dass du dich nicht wieder daran verbrennst. Und dieses Mal wird Marshall dir nicht mehr vergeben. Ich würde es jedenfalls nicht.“

„Das hättest du schon beim ersten Mal nicht.“

Aufreizend langsam strich sie mit den Fingern an seinem Hals und an seiner Wange aufwärts. Als ihre Blicke sich trafen, wurde ihm endgültig klar, dass sie nicht mehr das naive, unsichere Mädchen war, als das er sie kennengelernt hatte.

Sie war jetzt ganz Frau – und sie führte etwas im Schilde.

„Nein“, gab er zu, „ich würde dir so etwas nie verzeihen.“

„Gut“, sagte sie, machte einen Schritt von ihm weg und griff nach ihrem Champagnerglas. „Du hast dich also nicht verändert. Ich zähle darauf, dass du immer noch derselbe miese, gewissenlose Kriminelle bist, der du schon immer warst.“

Er zwang sich zu einem Lachen. „Wieso das?“

Sie hob ihr Glas und trank. Nachdem sie es zur Hälfte geleert und sich genießerisch die Lippen geleckt hatte, stellte sie es zurück auf den Tresen, ging auf die Zehenspitzen und flüsterte Daniel etwas ins Ohr.

Dabei streifte sie ihn mit ihren Brüsten. Jede einzelne Nervenzelle in seinem Körper schien zu brennen.

„Weil ich herausbekommen habe, wo mein Gemälde ist, und jetzt musst du dein Versprechen halten und es mir zurückstehlen.“

2. KAPITEL

Abby machte auf ihren Stilettos kehrt, nahm die Champagnerflasche aus dem Kühler und stolzierte mit schwingenden Hüften zum Ausgang. Dabei maß sie ihre Schritte sorgfältig, denn Daniel sollte ihr folgen. Sie brauchte ihn. Er sollte ihr beweisen, dass er kein gewissenloser Schuft war und das ihr gegebene Versprechen erfüllte.

Vielleicht hätte sie ihm Geld anbieten sollen. Davon hatte sie ja genug, auch wenn es ihr bis jetzt nicht geholfen hatte, den drohenden Skandal von ihrer Familie abzuwenden. Die Zeit, der räumliche Abstand und vier Jahre Ehe mit einem Mann, der sie liebte, all das hatte ihr nicht geholfen, über das hinwegzukommen, was Daniel ihr angetan hatte. Sie war immer noch wütend auf ihn, weil er ihr Leben fast zerstört hatte. Aber sie hatte genug davon, sich selbst leidzutun.

Wahrscheinlich war er auf eine Bezahlung nicht angewiesen – und wenn er nur einen Funken Anstand hatte und Wert auf Vergebung legte, dann hätte er sein Versprechen gehalten und das Gemälde schon vor Jahren zurückgeholt. Also würde sie ihm jetzt etwas anbieten, von dem sie hoffte, dass er immer noch danach fieberte: die Chance, sie zurückzugewinnen.

Natürlich nur zum Schein. Sie hatte sich zwar supersexy angezogen und war quer durch die Staaten geflogen, um Daniel zurück nach Chicago zu locken, aber sie würde nicht mit ihm schlafen. Auf gar keinen Fall.

Dann wiederum war er immer noch verdammt sexy.

Sie wusste nur zu gut, dass jede Frau, die in David Brandons, alias Daniel Burnetts, Nähe kam, von heißem Verlangen, um nicht zu sagen animalischer Gier überwältigt wurde. Sie selbst hatte zwar damit gerechnet, immer noch eine gewisse Anziehung zu verspüren, aber nicht damit, dass das Gefühl so stark war.

Sie hatte ihn von Weitem an der Bar gesehen und es kam ihr vor, als wäre es gestern gewesen, dass er sie im Halbdunkel der Museumsgalerie angesprochen hatte. Die Erinnerungen hatten sie übermannt. Daniel hatte damals ihre Welt auf den Kopf gestellt, indem er ihre geheimsten Wünsche erriet und erfüllte, Wünsche, von denen niemand, nicht einmal ihr Verlobter, etwas wusste.

Aber jetzt war sie älter. Und stärker. Sie hatte versucht, ihr Gemälde auf andere Weise zurückzubekommen, um zu verhindern, dass ihre Familie – vor allem ihr Vater – der Lächerlichkeit preisgegeben wurde.

Geheime Wünsche hin oder her, sie konnte sich ihren Plan jetzt nicht von irgendwelchen Ängsten zunichtemachen lassen. Es war kein sehr kluger Plan. Und alles andere als moralisch. Aber was spielte das schon für eine Rolle? Sollte sie wieder das brave Mädchen sein? Genauso könnte sie versuchen, wieder Jungfrau zu werden. Das Einzige, was ihr aus der Zeit, bevor Daniel sie mit seinem Charme eingesponnen hatte, geblieben war, war ihr guter Ruf. Und wenn sie jetzt nicht schnell handelte, würde sie den vielleicht auch noch verlieren.

„Abby, nun warte doch.“

Sie ging kein bisschen langsamer. Die Schiebetüren zur Straße glitten auseinander. Es war ein kühler Abend, obwohl es tagsüber, wie so oft in Louisiana, schwülwarm gewesen war. Daniels Aufenthaltsort ausfindig zu machen, war keineswegs leicht gewesen. Hätte er nicht den Fehler begangen, sich in Kalifornien verhaften zu lassen, Abigail hätte ihn vielleicht nie gefunden.

Als seine Finger ihr Handgelenk umschlossen, überlief sie ein heißer Schauer und ihr Herz klopfte wie verrückt. Bestimmt merkte er das auch. Sie versuchte sich loszureißen, doch er hielt sie fest.

„Lass mich los.“

„Wir müssen reden.“

Daniel drückte jetzt den Daumen auf ihre Schlagader am Handgelenk, eine intime Geste. Das Blut rauschte in ihren Ohren und ihr wurde immer heißer. Sie spürte eine Schweißperle zwischen ihren Brüsten. Erinnerungen wurden wach. Sie und er, nackt vor ihrem Kamin. Eiswürfel. Seine heiße Zunge.

Sie wehrte sich. „Fass mich nicht an.“

Er sah sie verwirrt an, ließ sie aber sofort los.

„Was soll das, Abby? Du hast mich angemacht, nicht umgekehrt. Und jetzt darf ich dich nicht einmal berühren, nur weil ich nicht will, dass du wegrennst?“

„Ich renne nicht weg“, sagte sie atemlos. „Und ja, genauso ist es.“

„Und wenn ich damit nicht einverstanden bin?“

Sie holte noch einmal tief Luft. „Wenn du mir nicht helfen willst, dann suche ich mir jemand anderen.“

Wie er sie jetzt anschaute, so skeptisch, sie musste sich zusammenreißen. An ihr eigentliches Ziel denken. Sich an ihren Plan halten. Denk an den Plan! Sie baute darauf, dass Daniel immer noch etwas für sie empfand. Sie hoffte, auch wenn das vielleicht dumm war, dass er zumindest ein paar Gewissensbisse hatte und ihr deswegen helfen würde.

„Warum brauchst du dieses Gemälde unbedingt jetzt?“

„Der Mann, in dessen Besitz es sich gerade befindet, will es ausstellen und versteigern lassen. Ich habe nicht einmal eine Woche Zeit, um es mir zurückzuholen. Sonst erfährt die ganze Welt von meiner Großmutter und ihrer Affäre mit dem Maler des Bildes.“

„Das verstehe ich nicht.“ Daniel zögerte. „Du bist doch die ursprüngliche Eigentümerin. Wie kann ein Bild ausgestellt werden, von dem die ganze Welt weiß, dass es gestohlen wurde.“

„Ich habe es nie als gestohlen gemeldet. Mein Vater hasst dieses Aktbild. Für ihn ist es wie Salz in seine Wunden. Seine Mutter hatte seinen Vater betrogen und er musste als Kind dafür büßen. Er hat Jahre gebraucht, um das zu verarbeiten, und jetzt soll das alles wieder ans Licht gezerrt werden, weil ich mir das Bild von dir habe stehlen lassen. Meine Großmutter hat mir das Bild gegeben, damit ich darauf aufpasse, damit ich dafür sorge, dass unsere Familiengeheimnisse unentdeckt bleiben.“

„Warum hat sie es nicht zerstört?“

Abby wurde es heiß. „Ich weiß nicht“, log sie. „Vielleicht weil sie es künstlerisch wertvoll fand. Vielleicht weil sie es als finanzielle Absicherung aufbewahren wollte. Ich weiß nur, dass ich dafür sorgen sollte, dass es niemals an die Öffentlichkeit gelangt. Wenn es erst einmal öffentlich ausgestellt wird, wird das die Kunsthistoriker auf den Plan rufen. Man wird alles tun, um herauszufinden, wer die Porträtierte ist. Als Frau eines in Chicago sehr bekannten Geschäftsmanns war meine Großmutter alle zwei Tage in irgendeiner Zeitung abgebildet. Es würde nicht lange dauern, bis unsere Familiengeheimnisse in aller Welt bekannt wären – auch meins.“

Daniel schnaubte verächtlich. „Süße, was bedeuten heute noch Familienskandale. Mit der Publicity kann dein Vater wahrscheinlich die Quadratmeterpreise für seine Grundstücke verdoppeln.“

„Weißt du, wie schwer man es auch heutzutage noch hat, wenn man in einer Stadt wie Chicago Albertini heißt? Ein italienischer Nachname. Gerüchte über Verbindungen zur Mafia. Es hört niemals auf, ganz gleich wie viele wohltätige Stiftungen man gründet, wie legal die Geschäfte sind, und ob man alle Steuern zahlt. Und was denkst du, wie mein Vater sich fühlen wird, wenn ein Nacktporträt seiner Mutter in allen Zeitungen erscheint?“

„Soweit ich mich erinnere, war sie eine schöne Frau.“

Abby stöhnte auf. „Darum geht es nicht. Das Bild beweist, dass meine Großmutter eine Affäre mit dem Künstler hatte – eine Affäre, die geheim blieb. Aber die Leute haben sich die Mäuler über sie zerrissen und meine Großmutter hat zutiefst bedauert, wie sehr mein Vater, der ja noch ein Kind war, unter diesem Gerede gelitten hat. Ich kann nicht zulassen, dass alte Wunden wieder aufgerissen werden, nur weil ich einen Fehler gemacht habe. Außerdem, wenn die Kunstexperten erst einmal anfangen, über das Bild und seine Entstehung zu recherchieren, dann werden sie vermutlich auch auf uns aufmerksam werden. Hast du dir schon einmal überlegt, was diese Art von Publicity für dein Geschäft bedeutet?“

Daniels Augenbrauen schossen in die Höhe, doch nur für eine Sekunde. „Du hattest ein Verhältnis mit irgendeinem Idioten namens David Brandon. Niemand wird eine Verbindung zwischen ihm und mir herstellen.“

„Ach nein? Ich hab’s getan.“

„Dir habe ich auch gesagt, wer ich bin.“

„David Brandon, unter diesem Namen wurdest du doch auch wegen Mordversuch in Kalifornien verhaftet. Ein guter Journalist braucht nicht lange, um die Verbindung herzustellen. Ich schätze, es wird schwierig für dich, in Häuser und Museen einzubrechen, wenn dein Konterfei erst einmal in allen Zeitungen war. Für dich steht also genauso viel auf dem Spiel wie für mich.“

Abby drehte sich um und blickte zur Straße. Vielleicht war es ja doch ein Fehler. Fünf Jahre. Es kam ihr vor wie fünf Sekunden, jetzt da Daniel so nah bei ihr stand. Sie fühlte sich hin- und hergerissen zwischen Verlangen und Zorn.

Je mehr sie versuchte, sich aus diesem Chaos zu befreien, desto schlimmer wurde alles. Bis jetzt war es ihr gelungen, die Details ihrer Affäre mit Daniel geheim zu halten, sogar vor ihren Eltern. Die wussten zwar, dass sie einem Betrüger aufgesessen war, aber sie hatte ihnen nie erzählt, dass sie mit ihm geschlafen hatte. Auch nicht, dass sie ihm praktisch die Kombination des Safes verraten hatte, nachdem er ihr die Geschichte von der rebellischen Affäre ihrer Großmutter mit dem Maler Pierre-Louis Bastien entlockt hatte.

Die einzige Person, die alles gewusst hatte, war Marshall gewesen. Ihm hatte sie alles gestanden – bis auf die erotischen Details natürlich. Doch sie war schonungslos offen gewesen, was ihre persönliche Unzulänglichkeit betraf.

Und doch hatte er ihr verziehen. Sie hatte nie recht verstanden, warum, aber sie waren zusammen glücklich gewesen. Wenn ihre alten Sünden ans Licht kämen, würde das auch die Erinnerung an ihre Zeit mit Marshall trüben. Das durfte nicht geschehen.

Abby fluchte. Sie sah den Wagen, der sie hergebracht hatte, nicht vor dem Restaurant. Die kleine Verzögerung gab Daniel die Chance, sich ihr in den Weg zu stellen. Er hatte lässig die Hände in die Hosentaschen geschoben, doch sein Gesicht war ernst, sein Blick drückte Entschlossenheit aus.

„Ich bin der Letzte, den du um Hilfe bitten solltest.“

„Nein, du bist der Einzige, den ich darum bitten kann. Du kennst die Geschichte des Bildes und du schuldest mir einen Gefallen. Es war schwierig, dich zu finden, aber bestimmt nicht schwieriger, als dich um Hilfe zu bitten.“

„Glaubst du, es ist mir leicht gefallen, mich von dir fernzuhalten? Fünf Jahre lang habe ich so getan, als gäbe es dich nicht. Ich habe dich deine perfekte Ehe mit deinem perfekten Ehemann führen lassen. Jetzt tauchst du hier auf, führst dich auf wie eine Sexgöttin auf Beutezug, machst mir ein Angebot, das ich nicht ablehnen kann, und ergreifst die Flucht nach einer einzigen unschuldigen Berührung? Ich bin ein Dieb, Abby. Kein Monster. Ich habe dir einmal wehgetan. Ich werde es nie wieder tun.“

Sie schluckte, dann straffte sie die Schultern. Er klang so aufrichtig, doch sie würde nicht auf ihn hereinfallen. Daniel Burnett konnte man nicht trauen. Sie war nicht einmal sicher, ob sie sich selbst trauen konnte.

„Ich habe keinen Grund, dir zu glauben“, sagte sie, „aber wenn du einwilligst, mir zu helfen, muss ich es tun. Ich habe gar keine andere Wahl.“

„Dann stehen wir also beide mit dem Rücken zur Wand.“

Daniel streckte die rechte Hand aus, verharrte jedoch einen Millimeter vor Abbys Wange. Dann glitt sein Blick von ihrem Gesicht zu dem Ring an seinem Finger.

Abby nutzte die Chance sofort, um das Thema zu wechseln.

„Was ist das?“

„Familienschmuck. Habe ich vor Kurzem geerbt.“

Er drehte die Hand, sodass Abby den Stein betrachten konnte. Als Schmuckstück war der Ring nicht besonders beeindruckend. Die schwarzen Opale auf beiden Seiten schimmerten zwar in allen Schattierungen von Blau und Grün, doch über den Stein in der Mitte verlief ein riesiger Kratzer im Zickzack.

„Vielleicht kannst du den ja gegen das Bild eintauschen“, schlug sie vor. Ring und Gemälde hatten zwar keinesfalls denselben Wert, aber es waren beides Familienerbstücke. Was für eine Ironie.

„Wenn ich das verdammte Ding nur vom Finger bekäme. Er soll ja den Männern in meiner Familie Glück bringen. Das könnte ich auch gut gebrauchen, wenn ich schon gegen meine Prinzipien handeln und ein und dasselbe Teil zweimal stehlen muss.“

Abbys Herz schlug schneller. „Du willst mir also helfen?“

„Ja, und nicht etwa, weil du mir gedroht hast. Ob du es glaubst oder nicht, ich helfe dir, weil es richtig ist.“

Er schien selbst kaum fassen zu können, dass er eingewilligt hatte, doch bevor Abby seine Glaubwürdigkeit infrage stellen konnte, verbeugte er sich galant, zeigte auf die Autos vor dem Eingang und bedeutete ihr, vorauszugehen.

Sie rührte sich nicht. „Ohne Hintergedanken?“

Daniel blickte zum nächtlichen Himmel, als ob er um göttliche Intervention flehte. „Abby, jetzt nutz doch einfach die Chance, die sich dir bietet.“

Sie wollte etwas erwidern, überlegte es sich dann aber anders. Das Schwierigste an diesem Plan war offenbar nicht, Daniel als Komplizen zu gewinnen – sondern ihn davon abzuhalten, dass er die Situation an sich riss.

Sie durfte sich nicht die Kontrolle entgleiten lassen. Immer schön das Ziel im Blick und die Hände bei sich behalten.

Auch wenn es schwerfiel.

Endlich entdeckte sie ihren Wagen. Sie nickte dem Chauffeur zu und stieg ein, Daniel ebenfalls. Obwohl die Limousine sehr geräumig war, rutschte er ganz nah an sie heran.

Der Fahrer warf die Tür zu.

„Es gibt hier acht Sitzplätze“, bemerkte Abby. „Mach es dir ruhig bequem.“

Daniel schnalzte mit der Zunge. „Danke, aber ich sitze gut so.“

Abigail hatte sich keine Illusionen darüber gemacht, dass er es ihr leicht machen würde. Sie war dieser Herausforderung gewachsen. Sie musste ihr gewachsen sein.

Sie gab dem Fahrer Anweisung, sie direkt zum Flughafen zu bringen, und protestierte nicht, als Daniel die gläserne Trennscheibe hochfahren ließ.

Autor

Julie Leto
Auch als Julie Elizabeth Leto bekannt.
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