Verzaubert vom Fest der Liebe

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Weihnachten? Kein Fest für Unternehmer Dawson Burke! Doch der attraktive Witwer hat nicht mit der hinreißenden Eve gerechnet. Eigentlich soll sie nur die Geschenke für seine Familie besorgen. Aber dann bringt sie überraschend das Eis um sein Herz zum Schmelzen.


  • Erscheinungstag 27.11.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733715038
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Dawson Burke war es gewohnt, dass die Menschen seinen Anweisungen folgten.

Allein schon aus diesem Grund ärgerte ihn die Nachricht, die er gerade von seiner Mailbox abgerufen hatte. Er klappte das Handy zu und tippte sich damit ans Kinn, während er aus dem Fenster der Limousine auf die Autoschlange schaute, die sich nach Denver hinein arbeitete. Was meinte Eve Hawley damit, sie würde später an diesem Tag auf einen Sprung bei ihm im Büro vorbeikommen, um seine Geschenkwünsche mit ihm zu besprechen? Was gab es da zu besprechen?

Seine alte persönliche Einkäuferin hatte Dawson in den vergangenen Jahren nur ein paar Mal getroffen. Ansonsten hatte er mit Carole Deming alles telefonisch, per Fax, E-Mail oder über seine Sekretärin abgewickelt. Dawson stellte eine Namensliste und das nötige Geld zur Verfügung. Dafür kaufte Carole die Geschenke, packte sie ein und sorgte dafür, dass sie ausgehändigt wurden. Auftrag ausgeführt. Alle zufrieden.

Tja, im Moment war er nicht zufrieden.

Eve sagte, sie habe einige Fragen zu den Empfängern auf seiner Liste. Eve sagte, ihr sei es lieber, sich zumindest ein Mal mit ihren Kunden zu treffen, bevor sie anfange, für sie einzukaufen. Eve sagte, das gebe ihr ein Gefühl dafür, was sie mochten und was nicht, und helfe ihr, den Geschenken eine persönliche Note zu verleihen. Eve sagte …

Seufzend rieb sich Dawson die Augen. Es war die dritte Nachricht, die er von dieser Frau erhalten hatte. Ebenso wenig wie mit dieser herrischen Vertretung wollte er sich mit Weihnachten befassen. Carole, die sich von einer Knieoperation erholte, hatte Eve Hawley als ihren Ersatz vorgeschlagen. Was hatte Carole sich eigentlich dabei gedacht?

Vielleicht sollte er sie anrufen und fragen, ob sie ihm jemand anders empfehlen konnte. Jemand, der keine überflüssigen Fragen stellte und ihm auf die Nerven ging, sondern einfach tat, was von ihm verlangt wurde.

Die Limousine hielt vor dem Gebäude, in dem die Büros von „Burke Financial Services“ untergebracht waren. Dawsons Großvater, Clive Burke Senior, hatte das Unternehmen gegründet, das Portfolios und Betriebsrenten verwaltete. Clive Senior war seit fast zwölf Jahren tot, und Dawsons Vater, Clive Junior, hatte sich im vorletzten Frühjahr zur Ruhe gesetzt. Jetzt war Dawson der Chef, und er hielt viel von straffer Unternehmensführung.

Sobald sich im elften Stock die Fahrstuhltüren öffneten, stand seine Sekretärin auf und kam um ihren Schreibtisch herum. Rachel Stern war eine ältere Frau mit stahlgrauem Haar. Ihre Schultern waren so breit wie die eines Footballspielers, und der Ausdruck ihres Gesichts würde einen hartgesottenen Verbrecher veranlassen, lieber auf die andere Straßenseite zu wechseln, als an ihr vorbeizugehen.

In den zwölf Jahren, in denen sie schon für ihn arbeitete, hatte Dawson sie noch nie lächeln sehen. Aber sie war tüchtig und zuverlässig.

Sie ging neben ihm her und bereitete ihn auf den Tagesablauf vor, noch ehe Dawson die Lederhandschuhe abgestreift und seinen Wollmantel ausgezogen hatte.

„Die Leute von ‚Darien Cooper‘ haben angerufen. Sie stecken im Stau und kommen ungefähr fünfzehn Minuten zu spät. Die Informationspakete habe ich in den Konferenzraum gelegt, und die Bildschirmpräsentation ist startbereit.“

„Und meine Rede für den ‚Denver Economic Club‘ heute Abend?“

„Liegt getippt und ausgedruckt auf Ihrem Schreibtisch. Ich habe alle Fakten nachgeprüft. Die Fernsehsender bitten um einige Angaben, weil die Reporter erst für die Spätnachrichten wieder zurück im Sender sein werden. Ich habe mir erlaubt, ein paar Sätze hervorzuheben, die sich gut als Zitate eignen.“

„Ausgezeichnet.“

„Oh, und Ihre Mutter hat angerufen.“

Dawson biss die Zähne zusammen. Er ermahnte sich, dass sie ihn nur deshalb so oft anrief, weil sie ihn liebte und sich Sorgen um ihn machte. Was gegen seine Schuldgefühle aber natürlich nicht half. „Soll ich zurückrufen?“

„Nein. Sie hat mich lediglich darum gebeten, Sie daran zu erinnern, für den Ball am Wochenende Ihren Smoking reinigen zu lassen. Ihre Mutter hat einen Platz am Kopf der Tafel für Sie reserviert und wird ein Nein nicht akzeptieren.“

Der jährliche „Tallulah Malone Burke Charity Ball and Auction“ war das Event für Denvers Oberschicht zum Sehen und Gesehenwerden. Er hatte gehofft, einen großzügigen Scheck zusammen mit seiner Absage schicken zu können. Aber der Wohltätigkeitsball mit Versteigerung feierte sein fünfundzwanzigjähriges Bestehen. Dawson traute es seiner Mutter durchaus zu, dass sie persönlich bei ihm zu Hause aufkreuzte, um ihn persönlich zu der Party zu schleppen.

Es war für eine gute Sache. Mit dem Erlös des Balls wurden verschiedene wohltätige Organisationen im Raum von Denver unterstützt. Früher hatte Dawson gern das Seine dazu beigetragen, indem er sich wie ein Pinguin kleidete, Hände schüttelte und Small Talk mit den Mächtigen und Reichen der Stadt machte. In den letzten Jahren hatte er jedoch nicht an der Veranstaltung teilgenommen, die immer am zweiten Samstag nach dem Thanksgiving Day stattfand.

Für Dawson war es die schlimmste Zeit des Jahres. Seine Mutter, die ansonsten immer großen Wert darauf legte, den Schein zu wahren, hatte ihm in den letzten Jahren erlaubt, sich vor seinen Verpflichtungen als Mitglied der Familie Burke zu drücken. Doch anscheinend fand die ihm gewährte Begnadigung jetzt ein Ende.

Dawson sah auf die Uhr. „Meine Haushälterin müsste inzwischen da sein. Rufen Sie sie an. Ingrid wird den Smoking reinigen lassen. Falls Sie einen Moment Zeit haben …“

„Eine Tasse Kaffee, einen Bagel mit Frischkäse und dazu frisches Obst.“

„Bitte.“

Seine tüchtige Sekretärin konnte fast seine Gedanken lesen, während Eve Hawley offenbar nicht einmal mit einer einfachen Namensliste etwas anzufangen wusste, obwohl diese sogar nähere Angaben enthielt: Welches Geschlecht die Personen hatten, wie alt sie waren und in welcher Beziehung sie zu Dawson standen.

„Noch etwas?“, fragte Rachel.

„Ja.“ Er fischte das Handy aus der Innentasche seines Jacketts und reichte es ihr. „Rufen Sie für mich Eve Hawley zurück. Die dritte Nummer von unten ist ihre. Sie ist die persönliche Einkäuferin, die Carole empfohlen hat. Sagen Sie ihr, ich hätte zu viel zu tun, um sie heute zu empfangen. Und versuchen Sie vielleicht, ob Sie die Fragen beantworten können, die sie zu der Namenliste zu haben behauptet. Sie haben sie ihr letzte Woche in meinem Auftrag gemailt.“

„In Ordnung.“

„Danke.“ Er massierte sich den Nacken und verzog das Gesicht, als der Schmerz bis in den Rücken ausstrahlte. Seit dem Autounfall vor drei Jahren, bei dem seine Frau und seine Tochter ums Leben gekommen waren, trat der Schmerz häufig auf. Nervöse Anspannung verschlimmerte ihn, aber fast unerträglich wurde er in der Zeit vor Weihnachten, wenn die Erinnerungen und die Trauer in dichter Folge auf ihn einstürmten.

„Macht Ihnen der Rücken wieder Probleme?“, fragte Rachel.

In ihrer Stimme lag nichts von der süßlichen Besorgnis, die Dawson so verabscheute. Keinesfalls wollte er Gegenstand des Mitleids sein. Doch er wusste, dass er genau das in den Augen vieler Leute geworden war.

Der arme Dawson Burke.

„Ein bisschen.“

„Ich werde Wanda anrufen. Vielleicht kann sie zwischen Ihren Nachmittagsbesprechungen vorbeikommen“, sagte Rachel.

Wanda war die Masseurin, die er auf Honorarbasis beschäftigte, seit er nach dem Unfall aus dem Krankenhaus entlassen worden war.

Das klang himmlisch, aber Dawson schüttelte den Kopf. „Keine Zeit. Gestern Abend habe ich auf dem Weg nach draußen Nick Freely getroffen. Ich habe ihm versprochen, einige Aktienoptionen mit ihm durchzugehen.“

„Ich rufe ihn an und verschiebe den Termin“, schlug Rachel vor.

„Nein. Bitten Sie Wanda, heute Abend zu mir nach Hause zu kommen. Dann bin ich für meine Rede schön aufgelockert.“

Nachdem die Sekretärin hinausgegangen war, merkte sich Dawson vor, ihr Urlaubsgeld zu erhöhen. Rachel hatte es verdient.

Eve Hawley hat auch etwas verdient, dachte Dawson später an diesem Abend. Eine Sondervergütung allerdings nicht.

Nur mit einem Handtuch um die Hüften lag er auf der tragbaren Liege, die seine Masseurin in seinem Arbeitszimmer aufgestellt hatte, als seine Haushälterin Ingrid anklopfte.

„Entschuldigen Sie, Mr. Burke“, sagte sie von der Tür her. „Sie haben Besuch.“

Er erwartete niemanden, und in einer Stunde musste er weg, um seine Rede zu halten. Während Wanda seine Muskeln mit Händen durchknetete, die einem Holzfäller alle Ehre gemacht hätten, fragte Dawson mit zusammengebissenen Zähnen: „Wer ist es?“

„Miss Hawley.“

Ungläubig hob er das Gesicht aus der ringförmigen Kopfstütze und starrte die Haushälterin an. „Sie ist hier?“

„Ja.“

Die Frau war unerbittlich und offensichtlich unfähig, ihren Job zu machen, wenn sie ihn nach einem Gespräch mit Rachel noch immer verfolgte.

„Ich kann jetzt nicht.“

„Das habe ich ihr gesagt, Mr. Burke. Aber sie besteht darauf, Sie zu sehen.“

„Tja, wenn sie darauf besteht …“ Er wusste schon, wie er sie todsicher loswurde. „Schicken Sie Miss Hawley herein.“

„Sofort?“

„Ja.“ Wenn Eve Hawley ihn unbedingt sehen wollte, würde sie etwas zu sehen bekommen.

Ingrids Blick huschte über seinen nackten Rücken und das Handtuch, das nur das Allernötigste bedeckte. Sie war alt genug, um seine Mutter zu sein. Tatsächlich hatte Dawson sie auf Empfehlung von seiner Mutter eingestellt. Ingrids zusammengepresste Lippen verrieten, wie unpassend sie seinen Vorschlag fand. Aber wie alle seine Angestellten – oder zumindest die meisten – kümmerte sie sich um ihre eigenen Dinge und tat, worum er sie bat.

„Na gut“, meinte sie und zog sich zurück.

„Machen Sie weiter“, forderte er Wanda auf, bevor er das Gesicht wieder in die Kopfstütze sinken ließ. Wie eine Karatekämpferin drosch die Masseurin auf seinen Rücken ein. Einen Moment später hörte Dawson die Tür aufgehen, und die Person, die hereinkam, holte vor Überraschung tief Luft. Gemein von ihm, aber Dawson grinste in sich hinein.

„Oh. Sie sind …“

„Beschäftigt“, kam seine gedämpfte Antwort.

Eve Hawley lachte. „Eigentlich wollte ich ‚nackt‘ sagen.“

„Nicht ganz.“ Unzufrieden runzelte er die Stirn. Anscheinend war die Frau bei Weitem nicht so beunruhigt, wie er gehofft hatte.

„Ich bin Eve Hawley.“

„Ja, ich weiß. Selbst wenn meine Haushälterin Sie nicht angemeldet hätte, würde ich Ihre Stimme wiedererkennen nach den vielen Nachrichten, die Sie auf meinem Telefon hinterlassen haben.“

„Nachrichten, die unerwidert geblieben sind“, hatte sie die Frechheit zu erklären.

„Meine Sekretärin hat zurückgerufen.“

„Ah, ja. Mrs. Stern. Wenn ich mit Ihrer Sekretärin hätte sprechen wollen, hätte ich gleich ihre Nummer gewählt, Mr. Burke. Ich muss mit Ihnen sprechen.“

Trotz Wandas kompetenter Fürsorge spürte Dawson erneut Verspannungen in seinem Rücken. „Hören Sie, Miss Hawley, sicherlich hat Carole Deming Sie doch darüber informiert, was ich erwarte. Hier geht es um Geschenkkäufe und nicht um Raketenwissenschaft. Wenn Sie den Job nicht machen können …“

„Oh, ich kann. Ich halte nur viel davon, ihn gut zu machen“, entgegnete sie hochmütig.

Unter anderen Umständen hätte Dawson dies vielleicht bewundert. Doch im Moment fehlte ihm die Geduld dafür.

„Ich werde nicht viel von Ihrer Zeit in Anspruch nehmen“, versprach sie.

Seufzend gab Dawson nach, hob aber nicht den Kopf aus dem gepolsterten Loch in der Liege. Er war unhöflich, unerträglich unhöflich. Nur war ihm das deutlich bewusst, und er tat es mit Bedacht. Die Frau hatte ihn schon genug genervt.

„In Ordnung. Schießen Sie los.“

„Sie wollen das jetzt gleich besprechen?“, fragte sie ungläubig.

„Jetzt gleich ist die einzige Zeit, die ich habe. Ich habe einen vollen Terminkalender, auch in den nächsten Tagen.“

„Ich verstehe.“

Dawson hatte erreichen wollen, dass Eve Hawley protestierte und ging. Stattdessen hörte er ihre Absätze über den Parkettboden in seine Richtung klappern. Knapp außerhalb seines eingeschränkten Blickfelds blieb sie stehen.

„Ich habe ein paar Anliegen“, begann sie in professionellem Ton.

Anscheinend machte es ihr überhaupt nichts aus, mit einem fast nackten Mann über geschäftliche Dinge zu reden.

Vielleicht war sie ja auch alt genug, um seine Mutter zu sein?

„Was für Anliegen?“

„Neben Geschäftspartnern und Bekannten stehen auf Ihrer Geschenkliste Freunde und mehrere Familienmitglieder.“

„Meine Eltern, meine Schwester und ihr Mann sowie deren Kinder“, erwiderte Dawson. „Ich weiß, wer auf der Liste steht, Miss Hawley. Schließlich habe ich sie aufgestellt.“ Na gut, das hatte seine Sekretärin getan, aber er hatte die endgültige Fassung genehmigt.

„Bei Familienmitgliedern gehe ich die Sache aber gern ein bisschen anders an.“

Ihre Absätze klapperten wieder über den Boden. Was Eve Hawleys Alter betraf, musste Dawson nun umdenken, als lebensgefährlich aussehende Pumps in sein Sichtfeld traten. Sie waren rot und aus Krokolederimitat. Nicht, dass er allein wegen der Schuhe ein paar Jahrzehnte abzog. Aber Frauen der Generation seiner Mutter ließen sich normalerweise nicht kleine Schmetterlinge an den Fußknöcheln tätowieren.

Schließlich gewann die Neugier doch die Oberhand über ihn. Er stützte sich auf die Ellbogen und stemmte sich ein Stück von der Liege hoch, sodass er Eve Hawley in voller Gänze betrachten konnte. Doch im gleichen Augenblick wünschte er sehr, er hätte es nicht getan. Der Rest von ihr, von den Rundungen, die ihr schwarz-weißes Strickkleid ausfüllten, bis zu dem langen schwarzen Haar, war ganz genauso sexy wie ihre Beine und diese Schuhe.

Dass er fast nackt war, verschaffte ihm plötzlich nicht mehr den Vorteil, auf den er ursprünglich aus gewesen war. Nein, der Vorteil lag jetzt eindeutig bei der schwarzhaarigen Schönheit, die mit verschränkten Armen selbstsicher dastand und Dawson belustigt musterte.

Er warf einen Blick über die Schulter. „Das genügt fürs Erste, Wanda.“

„Also, ich weiß nicht, Mr. Burke. Sie fühlen sich noch immer schrecklich verspannt an“, wandte seine Masseurin ein.

Aus den Augenwinkeln meinte er Eves sinnliche Lippen zucken zu sehen.

„Mir geht es prima.“ Zu Eve sagte er: „Geben Sie mir fünfzehn Minuten, dann besprechen wir Ihre Anliegen.“

„Klar.“

Diesmal war Dawson überzeugt, dass sie ein Lächeln unterdrückte, bevor sie aus dem Zimmer schlenderte.

Eve wartete in einem gemütlichen Zimmer, das neben der Küche lag. Zuvorkommend hatte ihr die Haushälterin eine Tasse Tee gebracht, den Eve gerade trank. Dabei blickte sie in das flackernde Kaminfeuer und dachte über ihren Kunden nach. Er war eine Überraschung, und nicht nur, weil er bei ihrer ersten Begegnung lediglich mit einem Handtuch bekleidet gewesen war.

Größtenteils bekam sie ihre Aufträge von dickbäuchigen Workaholics mittleren Alters. Sie war diesen Männern zu Dank verpflichtet, denn sie halfen ihr seit fast zehn Jahren, ihre Rechnungen zu bezahlen. Aber deswegen hatte sie nicht damit gerechnet, dass Dawson Burke so jung, gut aussehend und durchtrainiert war.

Dass ihr, einer neunundzwanzigjährigen Frau ohne Beziehung, solche Details entgingen, war schlicht unmöglich.

Eve wohnte noch nicht lange in der Hauptstadt von Colorado. Und das Schöne an ihrem Beruf war, dass sie ihn überall ausüben konnte. Nach einer besonders unangenehmen Trennung im Frühjahr hatte sie einen Neuanfang machen wollen. Sie hatte im Internet geforscht und sich wegen des schönen Panoramablicks für Denver entschieden, die Mile High City am Ostfuß der Rocky Mountains.

Also hatte sie sich hier niedergelassen, sich einen Kundenstamm aufgebaut und Wurzeln geschlagen. Vor zwei Monaten hatte sie das Glück gehabt, Carole Deming kennenzulernen, während sie in einer Boutique einkaufte. Dass Carole fünfzehn Jahre älter war und sie eigentlich Konkurrentinnen waren, hatte ihrer Freundschaft nicht im Weg gestanden. Carole war sogar so nett gewesen, Eve einige ihrer Kunden zu überlassen, solange sie sich von ihrer Knieoperation erholte.

Was hatte Carole noch gleich über Dawson Burke gesagt?

„Ich glaube, du wirst feststellen, dass er eine Herausforderung ist.“

Zu jenem Zeitpunkt hatte sie angenommen, dass Carole von seinen Geschenkwünschen sprach. Doch jetzt glaubte Eve zu verstehen, warum ihre Freundin dabei gelacht hatte. Eine Herausforderung? Allein schon der Versuch, an dem Pitbull von einer Sekretärin vorbeizukommen, war harte Arbeit gewesen. Weshalb Eve beschlossen hatte, unangemeldet bei Dawson Burke zu Hause aufzukreuzen.

Schwierige Kunden störten Eve nicht. Davon hatte sie in der Vergangenheit viele gehabt. Nörgeltypen, die ihr erst freie Hand ließen und später an jedem Geschenk für andere oder Kleidungsstück für sie selbst, das Eve ausgewählt hatte, etwas auszusetzen hatten. Aber das hier war etwas anderes. Sie konnte einfach nicht tun, was Dawson wollte, ohne mehr Informationen einzuholen. Es war nicht richtig.

Familienmitglieder hatten mehr Nachdenken verdient, wenn es um Geschenke ging. Dass sie unpersönlich waren, duldete Eve nicht.

Erinnerungen ließen sie frösteln. Sie stellte die Tasse hin, stand auf und trat näher ans Feuer heran. Ihre Mutter war gestorben, als Eve acht Jahre alt gewesen war. Selbstmord, oder zumindest hatte man das gemunkelt. Die Alternative, eine versehentliche Überdosis, war mit fast ebenso viel Stigma behaftet gewesen, besonders da die Familie ihrer Mutter Eves Vater die Schuld gegeben hatte.

Nach dem Tod ihrer Mutter war Eve von einem Verwandten zum nächsten geschoben worden. Ihr Dad war fortgegangen, angeblich, um seinen Wunschtraum zu verwirklichen, seine Musik zum Beruf zu machen. Richtiger jedoch war, dass ihr Vater vor einer Realität davongelaufen war, mit der er sich nicht abfinden konnte.

Zurzeit hatte er ein Engagement in einer Kneipe in Myrtle Beach, South Carolina. Mit fast sechzig wartete Buck Hawley nicht länger auf seinen großen Durchbruch. Aber ihr Vater lief noch immer davon.

Er hatte mehr als zwanzig Jahre von Eves Leben verpasst, doch er schickte ihr weiter zu jedem Geburtstag und alljährlich zu Weihnachten ein Geschenk. Sie hasste diese Geschenke. Stets waren es unpersönliche Dinge, und schon beim Auspacken wusste sie, dass er sie nicht selbst ausgesucht hatte. Meistens unterschrieb er nicht einmal die Karten selbst.

Während sie noch klein gewesen war, hatte das sehr wehgetan. Und so viele Jahre später tat es noch immer weh. Als Kind hatte sie sich nach seiner Aufmerksamkeit gesehnt, zumindest hätte sie sich gewünscht, dass er an sie dachte, wenn er ein Geschenk für sie kaufte.

Und deshalb genügte es ihr nicht, dass auf Dawsons Liste lediglich Name und Alter angegeben waren. Wenn Kunden sie baten, für nächste Angehörige einzukaufen, verlangte Eve mehr.

„Möchten Sie noch Tee?“

Sie drehte sich zur Tür um. Frisch rasiert, das dunkle Haar aus der Stirn gekämmt, kam Dawson herein. Er trug einen maßgeschneiderten dunkelgrauen Anzug, ein weißes Hemd und eine dezent gemusterte Krawatte. Eves Herz machte denselben kleinen Sprung wie vorhin, als sie viel mehr nackte Haut von ihm gesehen hatte.

„Nein, danke.“

„Tja, ich möchte Sie nicht drängen, aber ich habe wirklich noch einen Termin. Ich glaube, Sie sagten, Sie würden nicht viel von meiner Zeit in Anspruch nehmen.“

„Stimmt.“ Sie holte ihren Aktenkoffer, den sie neben dem Sessel abgestellt hatte. „Ich arbeite ein wenig anders als Carole.“

„Das habe ich mir schon gedacht“, entgegnete Dawson trocken.

„Wenn ich für nahe Verwandte, wie jene auf Ihrer Liste, Geschenke kaufen soll, muss ich etwas über sie wissen.“

Er öffnete den Mund, kam jedoch nicht zu Wort.

„Mehr als Geschlecht, Alter und Ihre Preisvorstellung. Was für Hobbys haben sie? Haben sie eine Lieblingsfarbe? Sammeln sie irgendetwas? Stehen die Kinder auf Computerspiele? Sport? Wer ist ihr Lieblingssänger? Und nur um das einmal festzuhalten, ich halte nicht viel von Geschenkgutscheinen, Obstkörben, Blumengestecken und dergleichen. Diese Dinge kann jeder kaufen und zuschicken lassen. Sie erfordern weder Mühe noch Nachdenken. Solche Geschenke werde ich schlicht nicht besorgen.“

„Möglicherweise habe ich die falsche Person für den Auftrag.“

Ein Anflug von Sorge überfiel Eve. Von den Kunden, die Carole ihr beschafft hatte, war Dawson Burke mit Abstand der wichtigste. Das Honorar würde ihr Bankkonto auffüllen, das die Umzugskosten leer gefegt hatten. Energisch schüttelte Eve die Sorgen ab und erwiderte: „Ja, haben Sie vielleicht. Aber für mich ist das eine Prinzipienfrage.“

Einen Moment lang sah Dawson sie forschend an, dann seufzte er. „Was brauchen Sie?“

„Da es so schwierig gewesen ist, an Sie heranzukommen, gebe ich Ihnen einen Fragebogen, anstatt ein Vorgespräch mit Ihnen zu führen.“ Eve öffnete den Aktenkoffer und zog einen Schnellhefter heraus, den sie Dawson reichte. „Füllen Sie den Fragebogen bei Gelegenheit aus. Es wäre toll, wenn ich ihn bis spätestens nächsten Montag zurückhaben könnte.“

„Sonst noch etwas?“

Ihr entging sein sarkastischer Ton nicht, sie beschloss jedoch, ihn zu ignorieren. „Ja. Was Geschäftspartner und Klienten anbelangt, stört es mich nicht, wenn sie etwas anonymer bleiben. Trotzdem würde ich Auskünfte oder Anekdoten über die Leute begrüßen, Mr. Burke. Sie können gern alles, was Ihnen einfällt, auf die gestrichelte Linie neben den Namen schreiben.“

„Vielleicht sollte ich mitgehen, wenn Sie Ihre Einkäufe machen.“

Wieder ignorierte Eve seinen Sarkasmus. „Das ist nett von Ihnen“, erwiderte sie mit einem liebenswürdigen Lächeln, „aber das wird nicht nötig sein. Es sei denn, Sie möchten es wirklich. Ich kann immer jemanden gebrauchen, der die Tüten zum Auto trägt.“

Sie wusste nicht so recht, warum sie ihn gerade provoziert hatte. Außer dass ihr seine Arroganz gegen den Strich ging.

„Entschuldigen Sie, Mr. Burke“, sagte die Haushälterin von der Tür her. „Der Chauffeur ist vorgefahren.“

„Gut.“ Dawson wandte sich wieder Eve zu. „Ich glaube, wir sind fertig.“

„Fürs Erste.“ Es war ihr eine Genugtuung zu sehen, dass er ein finsteres Gesicht machte.

Autor

Jackie Braun
Nach ihrem Studium an der Central Michigan Universität arbeitete Jackie Braun knapp 17 Jahre lang als Journalistin. Regelmäßig wurden dabei ihre Artikel mit Preisen ausgezeichnet. 1999 verkaufte sie schließlich ihr erstes Buch ‚Lügen haben hübsche Beine‘ an den amerikanischen Verlag Silhouette, der es im darauf folgenden Jahr veröffentlichte. Der Roman...
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