Vier Hochzeiten und ein Baby - 4-teilige Miniserie

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Miniserie von DANI COLLINS

CINDERELLA UND DER SEXY TYCOON

Eine heiße Liebesnacht hat Amelia vor elf Monaten in Hunters Armen erlebt. Mit süßen Folgen – von denen der sexy Tycoon nichts weiß. Heute will er eine reiche Erbin heiraten. Alles scheint verloren! Doch in letzter Sekunde bekommt Amelia Hilfe von unerwarteter Seite …

HOCHZEITSNACHT MIT DEM FALSCHEN MILLIARDÄR

„Gib Gas!” Erschöpft lehnt sich Eden, noch im Brautkleid, zurück. Aber nicht ihr Ehemann sitzt hinterm Lenkrad. Sondern sein Trauzeuge Remy Sylvain! Ihre Hochzeit ist geplatzt, und Eden braust mit dem Mann, mit dem sie vor Jahren eine einzige, verbotene Nacht verbracht hat, ins Ungewisse …

HEIRATSANTRAG WIDER WILLEN

Der attraktive Milliardär Micah Gould macht die schöne Quinn atemlos vor Lust. Aber große Liebe? Viel zu gefährlich! Bis ein Skandal sie beide ins quirlige Berlin verschlägt, wo Micah sie spontan mit einem Heiratsantrag überrascht – den Quinn sofort ablehnt …

RETTE MICH, HALTE MICH - LIEBE MICH

Tief in den kanadischen Wäldern will Vienna sich von einem Skandal erholen. Doch ihr luxuriöses Versteck ist bereits bewohnt. Von dem attraktiven Milliardär Jasper Lindor, einem Freund ihres Bruders! Er ist umwerfend sexy – aber er verschweigt ihr, warum er hier Unterschlupf suchen musste …


  • Erscheinungstag 08.08.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535311
  • Seitenanzahl 410
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de
Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Christina Seeger
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2022 by Dani Collins
Originaltitel: „Cinderella’s Secret Baby“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA , Band 2601 06/2023
Übersetzung: Petra Pfänder

Abbildungen: Harlequin Books S. A., Rudzhan Nagiev / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783751518598

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Amelia Lindor wusste nicht, was in ihren Vater gefahren war. Nachdem er von seinem morgendlichen Spaziergang aufgebracht zurückgekommen war, hatte Tobias darauf bestanden, dass sie ihn von Goderich nach Niagara-on-the-Lake fuhr. Auf der Stelle.

Die dreistündige Fahrt hatte ihrer Tochter Peyton alles andere als gefallen. Mit ihren zwei Monaten hielt sie jede Autofahrt von mehr als zwanzig Minuten für eine unerträgliche Folter und sorgte dafür, dass dies auch jeder wusste. Nachdem sie zwei Stunden lang mal mehr, mal weniger laut geschrien hatte, machte sie jetzt endlich ein Nickerchen.

Die Stille war eine Erleichterung, aber um diese Uhrzeit sollte Peyton eigentlich gestillt werden. Als Amelia parkte und sich zum Rücksitz ihrer treuen alten Limousine beugte, fühlten sich ihre Brüste bereits schwer an und spannten. Sollte sie die Kleine zum Stillen wecken?

„Wie lange werden wir hier sein?“, fragte sie ihren Vater, aber als Antwort bekam sie nur eine zugeschlagene Autotür. Sie stieg ebenfalls aus. „Dad?“

„Ich habe dir doch gesagt, ich muss jemanden treffen“, grummelte er über seine Schulter, während er schon über den vollen Parkplatz auf die Tür des Weinguts zueilte.

„Wen?“, fragte sie verärgert.

Er antwortete nicht. Sekunden später hatte er die breite Tür zu dem Raum, in dem die Weinproben stattfanden, aufgestoßen und war verschwunden.

Amelia verstand nicht, was los war. Wenn ihr Vater sich mit jemandem traf, waren es meistens seine ehemaligen Kollegen aus dem Salzbergwerk. An sechs Tagen in der Woche stand er morgens in aller Frühe auf, um seine Medikamente einzunehmen, seine Temperatur in ein Buch einzutragen und die Frühnachrichten zu hören.

Sobald es hell wurde, gesellte er sich dann zu seinen Freunden in dem Café zwei Straßen weiter, wo sie sich mit Kaffee und Schimpftiraden gegen Politiker und die Schlaglöcher auf den Straßen die Zeit vertrieben.

An diesem Morgen hatte einer seiner Kumpane offenbar etwas gesagt, das Tobias dazu veranlasst hatte, aufgeregt nach Hause zu eilen.

„Lass uns gehen. Das kann nicht warten.“

Da Amelia heute außer dem Kurs für Kleinkind-Yoga keine anderen Pläne gehabt hatte, hatte sie sich rasch angezogen, und hier waren sie.

Während der Fahrt hatte Tobias sich geweigert, alles zu erklären, also hatte sie das Autoradio eingeschaltet und versucht, Peyton zu beruhigen.

Jetzt stieß sie einen verärgerten Seufzer aus, nahm die schlafende Peyton vorsichtig auf den Arm und eilte ihrem Vater hinterher.

Als sie sich näherte, kam ein Paar aus der Tür. Beide hatten sich in Schale geschmissen. Der Mann trug einen eleganten Anzug, die Frau ein trägerloses amethystfarbenes Kleid. Eine Brautjungfer.

Wer sonst zog sich morgens um elf so an? War das der Grund für die lila und perlmuttfarbenen Luftballons auf dem Willkommensschild?

Bevor sie mit Amelia zusammenstieß, blieb die Frau abrupt stehen. Sie wirkte verärgert, und ihr angestrengtes Lächeln zeigte, dass es sie äußerste Mühe kostete, höflich zu sein.

„Hallo, ich bin Vienna. Schwester des Bräutigams.“ Sie deutete zuerst auf sich, dann zum Verkostungsraum. „Gehen Sie durch nach draußen, zu der Pergola zum Ufer. Alle sitzen schon. Wir fangen gleich an.“

„Ich bin nicht wegen einer Hochzeit hier.“ Als Amelia klar wurde, dass sie eine Trauung störten, verzog sie entschuldigend das Gesicht. „Mein Vater …“ Macht aus irgendeinem Grund Randale. „Er sucht jemanden.“

„Ach?“ Vienna legte den Kopf schief. „Wen? Wir haben heute alles für die Hochzeit reserviert. Vielleicht kann ich helfen.“

„Ich weiß es nicht, aber wir werden Sie nicht lange stören. Das verspreche ich.“ Amelia richtete ihr freundliches Lächeln auf den Mann, der immer noch die Tür aufhielt. Kühle, klimatisierte Luft lockte von innen. „Vielen Dank.“

„Mit Vergnügen“, sagte er in dem widerlichen Tonfall, den einige Männer benutzten, wenn sie glaubten, sie wären charmant, indem sie eine Frau sexuell belästigten.

Sein Blick glitt nach unten, und er beäugte den Ausschnitt ihres T-Shirts. Die rosafarbene Baumwolle spannte über ihrem Still-BH, aber an einer Brust lag ihr neugeborenes Baby. Meine Güte, dachte Amelia verärgert, wie ekelhaft.

Hinter ihr sagte Vienna ungeduldig: „Okay, Neal. Was ist so wichtig, dass du mich nach draußen schleppen musstest, wenn es gleich losgeht?“

Amelia ging hinein, und die Tür schloss sich hinter ihr. Sie blinzelte, als die Geräusche und Gerüche des schattigen Verkostungsraums eine Erinnerung auslösten.

Im letzten Sommer hatte sie einen Job in einer kleinen Brauerei nicht weit von hier angenommen. An ihren freien Tagen waren sie und ihre Arbeitskollegen mit den Fahrrädern von Weinprobe zu Weinprobe durch die örtlichen Weinkellereien gefahren.

Dies war ein größeres Weingut, darum hatte der Verkostungsraum zwei Bars, eine auf jeder Seite. Dahinter standen in Regalen Reihen und Reihen von Flaschen und Weingläsern.

Automatisch schob Amelia die Erinnerungen an den vergangenen Juli beiseite. Erinnerungen an einen nachdenklichen Mann, der sie im Mondlicht geküsst und davor gewarnt hatte, in sein Zimmer zu kommen.

Zurzeit ist mein Leben ein Chaos. Mehr als heute Nacht wird es nicht.

Sie verlagerte das Ergebnis dieser Begegnung auf ihre andere Schulter und sah sich nach Tobias um. Er war nicht unter den Gästen an der Bar, die sich vor der Zeremonie ein Glas Wein holten. War er hinausgegangen? Kannte er einen der Hochzeitsgäste?

„Oma. Dort ist noch ein Gast. Möchten Sie sich ins Gästebuch eintragen?“ Ein entzückendes Mädchen von acht oder neun Jahren öffnete das Buch für Amelia. Die Kleine stand hinter einem umgedrehten Fass in der Nähe der Tür und trug eine zurückhaltende Version des Brautjungfernkleides. Ihre schwarzen Locken waren zusammengebunden, und ganz offensichtlich nahm sie ihre wichtige Aufgabe sehr ernst.

Eine ältere Frau in einem eleganten königsblauen Kleid warf dem Mädchen einen nachsichtigen Blick zu, bevor sie zu Amelia sagte: „Willkommen. Gehören Sie zur Braut oder zum Bräutigam?“

„Ich bin nicht wegen der Hochzeit hier.“ Das sollte man an ihrer sehr lässigen Kleidung erkennen. Langsam wurde ihr immer unbehaglicher. Was wollte ihr Vater hier? Ihr Eindringen war mehr als unpassend.

„Haben Sie einen älteren Mann gesehen? Er trägt ein gelbes Hemd und eine braune Hose. Er hat einen buschigen grauen Bart.“

„Ich glaube ja.“ Das kleine Mädchen nickte und sah zu ihrer Großmutter auf. „Er hat auch nicht unterschrieben.“

„Er sagte, er hätte eine wichtige Nachricht für den Bräutigam.“ Die ältere Frau zwinkerte. „Würden Sie uns jetzt entschuldigen? Hannah und ich müssen unsere Plätze einnehmen.“

„Natürlich. Vielen Dank.“ Amelia drehte sich um, und ihr Blick blieb an der Schiefertafel hinter der Bar hängen.

Der schwarze Stein war mit einer Bordüre aus Seidenorchideen in Lila und Weiß geschmückt. Kunstvolle Buchstaben schrieben:

Herzlichen Glückwunsch Hunter und Eden.

Amelias Herz blieb einen Moment stehen und pochte dann panisch weiter.

Nein, Dad. Nein. Nein.

„Ich werde auf dem Weingut meiner Tante heiraten“, hatte Hunter Waverlys Verlobte ihm mitgeteilt. „Hochzeiten sind ihre Spezialität. Sie wird eine wunderschöne Feier für mich ausrichten.“

Hunter hatte zugestimmt. Wenn eine Braut ihr Herz an eine Hochzeit unter freiem Himmel auf einem Weingut an einem See gehängt hatte, widersprach ein Bräutigam nicht. Außerdem hatte das eine Entscheidung weniger bedeutet. Einfach, wenn auch nicht optimal.

Von außen betrachtet war alles an dieser Hochzeit perfekt. Die helle Junisonne strahlte am wolkenlosen Himmel. Vom See wehte eine sanfte Brise herüber, gerade genug, um Hunter davon abzuhalten, in seinem Anzug unter der schattigen Pergola zu schwitzen. Falls sich hinter den Kulissen eine der typischen Katastrophen ereignet hatte, waren Lösungen gefunden worden, bevor Hunter etwas davon gehört hatte.

Die Gäste nahmen ihre Plätze ein, die Braut sollte bereit sein, und der Standesbeamte bedeutete dem Streichertrio, mit dem Stück zum Ende zu kommen.

Alles funktionierte einwandfrei, aber Hunter war so angespannt, dass er sich kaum bewegen konnte.

Posttraumatische Belastungsstörung, dachte er mürrisch. Fast sein ganzes Leben lang hatte sich jeder besondere Anlass in eine peinliche Katastrophe verwandelt. Er hatte darüber nachgedacht, auf einer kleinen Zeremonie zu bestehen, aber das wäre feige gewesen.

Der Standesbeamte wandte sich an Hunters Trauzeugen. Remy nickte und lächelte angespannt. Irgendetwas nagte seit Monaten an ihm. Hunter hatte es schon auf der Verlobungsfeier bemerkt, aber Remy wollte nicht darüber sprechen.

Durch den Verstärker, der es den Gästen ermöglichen würde, ihre Ehegelübde zu hören, erklang Edens Stimme: „Funktioniert es?“ Ihr Ton war einen Bruchteil höher als normal.

Hochzeitsfieber. Eine Braut hatte ein Recht darauf, aber Hunter weigerte sich, es auch zu fühlen. Diese Ehe war für beide vorteilhaft.

Eden hatte im vergangenen Jahr die Mehrheitsbeteiligung an Bellamy Haus und Garten geerbt. Hunters Aktienwert war in den letzten Jahren zwar gesunken, aber sein Name war in Kanada bekannt und vertrauenswürdig.

Eden würde seine Firma schon in Ordnung bringen, sobald ihr das Waverly-Geld zur Verfügung stand. Dass ihr Ehevertrag den Plan beinhaltete, die nächste Generation der drahtlosen Wave-Com-Technologie auch an abgelegene Orte zu bringen, würde nicht schaden.

Und Hunter konnte durch diese Ehe und die Verbindung mit Bellamy Haus und Garten den leicht angeschlagenen Ruf des Namens Waverly wiederherstellen.

Wave-Com hatte in den Jahren nach dem Tod seines Vaters durch hässliche Rechtsstreitigkeiten gelitten. Hunters Stiefmutter hatte versucht, den Kindern ihres Mannes das Unternehmen wegzunehmen, und bei jeder Gelegenheit ihren Ruf in den Dreck gezogen.

Aber heute würden die ewigen Skandale ein Ende haben. Ein neues Kapitel brach an.

Mit dieser eleganten Hochzeit voller lokaler Berühmtheiten und Prominenten aus dem Ausland zeigte Hunter Seriosität und Stabilität. Und Klasse.

Denn Eden war intelligent, kultiviert und gebildet, zudem bekannt für ihre Menschenliebe und Wohltätigkeitsarbeit. Ihre in Kanada hergestellte Mode wurde nicht nur in ihrem Heimatland bewundert. Ihr Großvater war eine beliebte Stimme in den nationalen Radiosendern gewesen, und ihre Mutter gab immer noch wöchentliche Gartentipps im Fernsehen.

Auch in anderer Hinsicht war Eden geeignet. Vienna hatte sie miteinander bekannt gemacht. Eden wollte sofort Babys, genau wie Vienna. Ihre Kinder würden zusammen aufwachsen.

Das Beste von allem war in Hunters Augen, dass er Eden attraktiv fand, aber nicht zu attraktiv. Ihre Ehe würde auf Freundschaft und Respekt aufbauen, nicht auf unzuverlässiger Liebe oder trügerischer Lust. Er würde nicht wie sein Vater Opfer seiner Triebe sein, nur um sich dafür auch noch demütigen zu lassen.

Diese Ehe war für alle Beteiligten genau das Richtige.

Doch sein Bauch sagte etwas anderes, und er konnte das Gefühl drohenden Unheils nicht abschütteln.

Es lag an diesem Ort. Als Hunter den Duft von frisch gemähtem Gras einatmete und die Enten auf dem See und das Summen der Bienen hörte, stiegen immer mehr Erinnerungen in ihm auf. An ein melodisches Lachen und eine weiche Schulter unter seinen Lippen. Feines Haar, das nach Sonnenschein duftete.

Diese eine Nacht war eine Flucht gewesen, das sagte er sich oft, wenn ihn die Erinnerung überfiel. In gewisser Weise war er gerade noch davongekommen, denn das Feuer in seinem Blut hätte ihn beinahe dazu gebracht, überstürzte, peinliche Dinge zu sagen. Geh nicht zur Arbeit. Ich bleibe noch eine Nacht.

Er musste das stoppen. Sofort. Was für ein Bräutigam dachte an einen One-Night-Stand, während er auf die Braut wartete?

Vielleicht war das nur natürlich am Hochzeitstag. Er verabschiedete sich von Freiheit und Affären und widmete den Rest seines Lebens – jedenfalls seines Sexuallebens – einer einzigen Person. Dieses Gefühl in seinem Bauch war nicht besorgniserregend. Er verspürte kein Bedauern. Nein, das tat er nicht.

Die Musik verklang in erwartungsvoller Stille. Die murmelnde Menge verstummte.

Der Standesbeamte bedeckte sein Ansteckmikrofon mit der Hand und fragte: „Bereit?“

Hunter zog sein Mikrofon aus der Jackentasche und schaltete es ein, dann nickte er, strich die Jacke wieder glatt und ließ den Blick über die Gäste schweifen. Auf beiden Seiten des mit Teppichboden ausgelegten Ganges saßen ungefähr zweihundert Menschen. Alle lächelten erwartungsvoll.

Die ersten Töne einer Harfe erklangen. Er blickte zum oberen Ende der Treppe, wo die dreijährige Tochter seines Cousins in einem Volantkleid auftauchte. Eine Brautjungfer, eine von Edens Cousinen, nahm die Kleine an die Hand und kam langsam die Treppe herunter.

„Sie!“

Der heisere Schrei eines Mannes durchschnitt den erhabenen Moment und schuf eine Stille, die die engelsgleichen Töne und die raschelnden Blätter der nahen Weinreben zum Schweigen brachte. Sogar das Wasser am Ufer schien den Atem anzuhalten.

Dann ertönte eine weibliche, gequälte Stimme. „Daddy, nein. Bitte!“

2. KAPITEL

Es war die Art von Hochzeit, von der Amelia mit ihren Arbeiterwurzeln nur träumen konnte.

Töpfe mit Gardenien und Begonien standen an den Enden der weißen Stuhlreihen. Pfosten und Lattendach einer Pergola waren mit Glyzinien behangen.

Den Hintergrund bildete ein atemberaubender Blick auf den See und die Skyline von Toronto wie eine winzige schwimmende Insel am Horizont.

Rechts von der Pergola befand sich eine gewölbte Fußgängerbrücke über einem plätschernden Bach, perfekt für Fotos von Braut und Bräutigam, bevor sie sich auf den Weg zum Pavillon machten, wo Tische mit Leinen und Porzellan und funkelnden Kristallen gedeckt waren.

Alles war märchenhaft perfekt – und ihr Vater ruinierte es.

Amelia versuchte, Tobias abzufangen, als er auf die Pergola zustürmte. Sie hielt Peyton auf dem Arm und versuchte, nicht über das Gras zu stolpern. Alle starrten sie an, wodurch sie sich besonders ungeschickt fühlte.

Oh Gott, sieh ihn dir an!

Hunter Waverly war so atemberaubend attraktiv in seinem Smoking, glatt rasiert und groß mit seinen breiten Schultern und dem strengen, schmalen Gesicht, dass ihre Augen brannten.

Er wirkte sogar noch größer, als er Tobias anschaute und dann seinen Blick auf Amelia richtete, die hinter ihrem Vater auf ihn zulief. Ihr war, als würde er zusammenzucken, als er sie erkannte.

Plötzlich fühlte sie sich nackt. Und jämmerlich. Noch jämmerlicher als letztes Jahr, als sie sein Gästezimmer verlassen hatte. Ihr Gesicht brannte bei dem Gedanken an die alte Demütigung und diese neue. Es kam ihr vor, als würde ihr Herz brechen. Hier. Vor Hunderten von Augen, wo ihre sehr unterschiedlichen Positionen im Leben noch deutlicher waren als damals.

„Sie“, sagte ihr Vater noch einmal mit vor Verachtung triefender Stimme. Er wich Amelias Versuch aus, seinen Arm zu fassen. „Sie ignorieren Ihr eigenes Fleisch und Blut, überlassen die Mutter Ihres Kindes sich selbst, während Sie …“ Er brach ab und machte eine alles umfassende Handbewegung.

„Daddy, bitte. Ich flehe dich an.“ Amelia schaffte es, seinen Ärmel zu fassen, und zog daran. „Komm schon. Wir gehen. Es tut mir so leid.“

Die freundliche ältere Dame starrte Amelia an, als wäre sie ein Stinktier, das in die Küche gewatschelt war. Amelia konnte sich nicht dazu bringen, irgendjemanden anzusehen, schon gar nicht Hunter.

„Sie ist besser dran ohne Sie.“ Ihr Vater schüttelte ihren Griff ab. „Aber Ihre Freunde und Familie sollten wissen, was für ein Mann Sie sind. Ihre Frau sollte wissen, wen sie heiratet. Und ich will verdammt sein, wenn ich Sie damit davonkommen lasse, nicht einmal Essen und Kleidung für das Kind zu zahlen, das Sie gezeugt haben.“ Ihr Vater drohte Hunter mit dem Finger. „Offensichtlich können Sie es sich leisten.“

„Daddy.“ Jetzt weinte Amelia. „Er wusste es nicht. Ich habe es ihm nie gesagt.“ Und wäre da nicht das hilflose Bündel in ihrem Arm gewesen, hätte sie sich jetzt sofort den Tod gewünscht.

Jemand in der Menge stieß einen Fluch aus.

Ihr Vater warf ihr einen schnellen Blick zu. „Ein Mann hat ein Recht darauf, Amelia.“

„Ich habe das Recht, selbst zu entscheiden, was mein Baby betrifft“, gab sie wütend zurück.

„Und mir ist mein Baby wichtig“, entgegnete Tobias aufgebracht.

Das wusste sie. Er war ein liebevoller Vater, aber manchmal auch ein richtiger Dinosaurier. Altmodisch und, nachdem er Jasper verloren hatte, ein bisschen überbehütend. Aber woher kannte er überhaupt Hunters Namen? Woher hatte er von Hunters Hochzeit gewusst?

„Ist das wahr?“ Hunters Stimme war tief und fest und hörte sich an, als käme sie durch zusammengebissene Zähne, obwohl sie aus einem Lautsprecher zu seiner Linken dröhnte.

Oh Gott.

Entsetzt riss er den Draht von seinem Kragen, zog etwas aus seiner Tasche und reichte es dem Mann neben sich.

„Ist es meins?“, wollte er von ihr wissen.

„Natürlich nicht“, log sie. „Das ist alles ein schreckliches Missverständnis. Es tut mir sehr leid für die Unterbrechung“, teilte sie der Menge mit. Ihr Gesicht brannte vor Verlegenheit. Ihr Kopf war benommen, und alles drehte sich.

„Du hast gerade gesagt, du hättest es mir nicht gesagt“, stieß Hunter gedämpft aus.

„Hunter.“ Der Mann neben ihm stieß ihn an.

Hunter hob den Blick über Amelias Kopf hinweg.

Amelia schaute auf.

Die Braut war auf die Terrasse herausgekommen. Sie sah atemberaubend schön aus, mit nachtschwarzem Haar und schimmernden goldenen Schultern, die durch das strahlende Weiß des trägerlosen Satinkleides betont wurden. Ihr Schleier fing das Sonnenlicht ein und fiel weich um ihr Gesicht.

Konnte dieser Moment noch schlimmer werden?

Verdammt, ja, versicherte Peyton ihr. Sie fing an zu wimmern, rieb ihr Gesicht an Amelias Hals und suchte hungrig nach der Brust.

Amelias volle Brüste waren bereit. So bereit.

Nein. Bitte nein.

Tränen der Erniedrigung stiegen ihr in die Augen, als feuchte Wärme begann, in die Polster ihres BHs einzudringen, an den Rändern herauslief und ihr Shirt durchtränkte.

Beschämt wandte Amelia sich um und ging zurück zum Haus. Hinter sich hörte sie etwas zu Boden fallen.

Sie warf einen Blick zurück und sah, dass der Brautstrauß aus elfenbeinfarbenen Rosenknospen mit Schleierkraut und Frühlingsfarnen im Gras gelandet war.

Hunter wünschte, öffentliche Skandale wären etwas Neues für ihn. Leider waren sie ihm nur allzu vertraut, genau wie seiner Schwester. Mit einem knappen Nicken von der Terrasse bedeutete Vienna ihm, dass sie bei Eden bleiben würde, dann folgte sie seiner Braut zurück in die Hochzeitssuite.

Durch die Lautsprecher ertönte Edens Stimme: „Ist das wahr?“

Remy drückte seinen Arm. Dann machte er eine scharfe Geste mit der Hand quer über die Kehle, um dem Hochzeitsplaner anzuzeigen, dass die Mikrofone auf der Stelle abgeschaltet werden sollten.

Hunter drehte sich um und sauste an dem älteren Mann vorbei, der noch immer nach weiteren Worten suchte, um ihn zu beschimpfen.

Als er der Frau nachlief, die sein Baby im Arm hielt – oder auch nicht –, rasten seine Gedanken. Das sah ihm nicht ähnlich. Es war sein Talent, Katastrophen zu entschärfen.

Das tat er seit seiner elften Geburtstagsfeier, dem ersten Anlass, den seine Stiefmutter mit ihrem ordinären Verhalten ruiniert hatte, und dem letzten Mal, dass er diesen jährlichen Meilenstein gefeiert hatte.

Ich muss die Dinge wieder auf Kurs bringen, dachte er. Sein „Kurs“ war die Ehe. Eden. Er konnte sich das nicht von einer Frau ruinieren lassen, mit der er ein Mal geschlafen hatte. Okay, drei Mal. Aber es war nur Sex gewesen. Keine Empfängnis. Bestimmt nicht.

„Die Frau mit dem Baby“, rief er einem der Kellner zu, während er zum Parkplatz blickte. „Ist sie gegangen?“

„Sie hat nach einem Platz zum Sitzen gefragt und …“

Hunter hörte schon nicht mehr zu. Er folgte dem Zeigefinger in den Flur und öffnete eine Tür mit der Aufschrift „Betriebsleiter“.

„Raus!“ Amelia funkelte ihn von dem kleinen Sofa unter dem Fenster an.

Ihr Gesicht war knallrot. Ihr dunkles Haar war lang nachgewachsen, nur der ausgefranste Dutt auf ihrem Kopf war noch blond. Ohne das Make-up, das sie damals getragen hatte, sah sie viel jünger aus. Ihre Augenbrauen waren ärgerlich zusammengezogen, ihr breiter Mund war zu einer schmalen Linie zusammengepresst.

„Raus“, wiederholte sie schärfer.

Sie fühlte sich eindeutig unwohl, als sie das stillende Baby an eine Brust drückte, auch wenn sie jede nackte Haut mit einer rosafarbenen Decke bedeckte.

Hunter fluchte, aber das war wichtiger. „Ist das wahr?“

„Geh raus!“

Er verdrehte die Augen und wandte sich der geschlossenen Tür zu, aber nur um sie zu verriegeln.

„Ich werde so oder so auf einem Test bestehen, aber ich habe keine Zeit für Spielchen. Es gibt eine Frau nebenan, die es verdient, Bescheid zu wissen.“ Er verdiente, es zu wissen.

Amelia murmelte etwas und sagte: „Autsch. Ja, ich weiß. Du hast Hunger.“ Sie schien mit dem Baby zu sprechen.

Stille kehrte ein, nur unterbrochen vom lauten Schlucken des Babys.

Während er sich vorsichtig wieder zu ihr umwandte, rechnete Hunter schnell nach und versuchte herauszufinden, ob das überhaupt möglich war. Neun Monate von Juli an, die Geburt hätte also im April stattfinden müssen.

Amelia hatte die Decke über ihre Schulter gelegt, und das Baby war jetzt unter dem Zelt versteckt. Ein nackter Fuß schaute darunter hervor. Amelia hielt ihren finsteren Blick auf Hunters Schuhe gerichtet.

„Wie alt ist …?“ Er? Sie? Konnte er dieses Baby wirklich gezeugt haben?

„Neun Wochen. Fast zehn“, gab Amelia mürrisch zu.

Konnte er.

Hunter fluchte noch einmal. Sein derber Fluch umfasste alles, von Resignation bis Schande. Ironie bis Selbstekel. Wut über die Ungerechtigkeit. Gewissensbisse.

Und zart aufkeimende Neugier, gepaart mit einem kleinen Groll, weil sie das Baby monatelang vor ihm versteckt hatte.

„Ich wollte nicht, dass das passiert“, murmelte sie. „Nichts davon.“

„Warum hast du mir nichts gesagt?“

„Ich habe es versucht.“ Ihre Stimme klang härter. Kämpferisch. „Ich habe in deinem Büro angerufen und versucht, dich zu sprechen. Aber du hast mir nur eine Textnachricht zurückgeschrieben, du wärst verlobt. Ich sollte mich nicht mehr bei dir melden.“

„Das war kein echter Versuch! Um Gottes willen, Amelia. Natürlich hätte ich von dem Kind hören wollen. Warum hast du so lange gewartet? Warum hast du es mir nicht sofort gesagt, als du es erfahren hast?“

„Das wollte ich. Darum hatte ich dich ja angerufen.“

Er schnaubte. Diese Legenden von Frauen, die nicht bemerkten, dass sie schwanger waren, hatte er nie so ganz geglaubt.

Endlich sah sie ihn an. Ihre seeblauen Augen waren Seen der Trauer.

„Erinnerst du dich, dass ich an jenem Morgen gegangen bin, weil Dad die Nachricht bekommen hatte, dass mein Bruder verschwunden ist? In der Zeit danach habe ich an nichts anderes mehr gedacht. Nur daran, ihn zu finden. Und nachdem die Suche einige Zeit später eingestellt wurde, wollte ich selbst nach Chile fliegen. Aber für die Reise brauchte ich einige Impfungen, für die der Arzt wegen der Nebenwirkungen vorher routinemäßig einen Schwangerschaftstest gemacht hat. Bis dahin hatte ich gedacht, ich hätte durch den Stress Magenbeschwerden bekommen und darum würde auch meine Periode ausbleiben. Ich habe nur am Computer gesessen und E-Mails geschrieben, also kam mir auch die Gewichtszunahme nicht ungewöhnlich vor. Wir hatten schließlich Kondome benutzt“, erinnerte sie ihn und winkte zwischen ihnen hin und her. „Es kam mir gar nicht in den Sinn, dass ich schwanger sein könnte.“

Er benutzte immer Kondome und konnte sich auch nicht erinnern, dass eines davon gerissen wäre. Dass sie von ihm schwanger geworden sein könnte, kam ihm sehr weit hergeholt vor. Aber sie wirkte so ehrlich aufgebracht, dass es ihm schwerfiel, an seiner Skepsis festzuhalten.

„Ich wollte das Baby, auch wenn ich dann nicht reisen konnte.“ Sie rieb sich die Stirn. „Das war die schwerste Entscheidung meines Lebens. Aber ich wusste, dass Jasper niemals erwarten würde, dass ich sie aufgebe, um nach ihm zu suchen, vor allem, wenn …“

Die Qual in ihrer Stimme traf Hunter direkt ins Herz. Er versuchte sich vorzustellen, eine Entscheidung zwischen seinem ungeborenen Kind und der Suche nach seiner Schwester zu treffen. Doch er schaffte es nicht.

Die Vorstellung, dass Amelia sich entschieden hatte, sein Baby zu behalten, anstatt ihren geliebten Bruder zu suchen, löste einen Schmerz in seiner Brust aus, den er nicht verstand.

Er schob die verwirrenden Empfindungen beiseite und konzentrierte sich stattdessen auf das Wort „sie“. Nur ein winziges Detail, aber jetzt wusste er, dass dieser kleine Fuß einem Mädchen gehörte. Seiner Tochter?

„Ich dachte, ich sollte es dir sagen, aber du hast mich abblitzen lassen“, sagte Amelia tonlos. „Du kannst es dir vielleicht nicht vorstellen, aber nach allem, was ich durchgemacht hatte, kam mir das wie ein Segen vor. Gut, du wolltest nichts mit ihr zu tun haben. Eine Person weniger, um die ich mir Gedanken machen musste.“

Du hast mich nicht gefragt, ob ich etwas mit ihr zu tun haben möchte, hätte er fast gesagt, aber er sah immer noch den Schmerz in ihren Augen, also hielt er sich zurück.

„Und dein Bruder?“, fragte er stattdessen vorsichtig.

„Vermutlich tot.“

„Es tut mir leid, Amelia. Das ist hart.“

„Das ist es. Daddy ist zusammengebrochen. Ich bin wieder zu ihm in sein Haus gezogen, und seitdem passen wir aufeinander auf. Peyton war der einzige Lichtblick.“

Ein Mundwinkel hob sich ein wenig, als sie den nackten Fuß erwischte, der immer noch in der Luft strampelte.

Peyton. Er hatte eine Tochter namens Peyton.

„Und vielleicht leben wir nicht so wie du, aber uns geht es gut“, beharrte sie. „Dad hätte es nicht so klingen lassen sollen, als würden wir verhungern. Er bekommt Rente, und das Haus ist abbezahlt. Ich bekomme Mutterschaftsgeld und gebe zusätzlich Nachhilfe. Ich beende meinen Bachelor online. In ungefähr einem Jahr bin ich Lehrerin. Das ist ein sehr gutes Leben für eine alleinerziehende Mutter.“

„Aber du lässt deinen Vater glauben, mir wäre egal, ob du verhungerst.“ Das hatte ihn gekränkt. Sehr sogar.

„Ich weiß nicht einmal, wie er deinen Namen herausgefunden hat! Ich habe ihn niemandem gesagt. Nicht einmal Cheryl … Erinnerst du dich an sie? Sie ist die diejenige, die Remy …“

„Ich erinnere mich“, entgegnete Hunter und erinnerte sich vage an einen lebhaften Rotschopf.

„Ich poste nichts über Peyton. Niemand weiß, dass du ihr Vater bist.“

Ja. Nicht einmal ich.

„Aber Dad hat mich gleich nach ihrer Geburt dazu gebracht, ein Testament zu machen, Jasper hatte keins. Vielleicht hat er die Kopie gelesen, die ich im Gefrierfach versteckt habe. Darin habe ich dich nur als letzten Ausweg erwähnt. Meine Cousine hat zugestimmt, Peyton großzuziehen, falls mir etwas zustößt. Sie lebt in Ottawa, aber sie und Dad würden sich schon etwas einfallen lassen.“

„Ich bin der letzte Ausweg für mein Kind? Wow.“ Nur wenige Dinge gingen ihm unter die Haut. Dafür hatte er schon zu viele Kränkungen erlebt. Aber das traf ihn wie ein Tritt in den Magen. „Was ist mit ihrer Geburtsurkunde? Steht mein Name darauf?“

„Nein.“ Ihre Antwort kam prompt und unbarmherzig. „Ich hätte deine Erlaubnis gebraucht, also machte es keinen Sinn, dich hinzuzufügen. Kannst du dich noch einmal umdrehen? Sie ist fertig, und ich muss mich wieder anziehen.“

Während er sich umdrehte, versuchte er zu verarbeiten, was sie gesagt hatte. Immer wieder kam er auf einen Satz zurück.

„Ich habe dich nur als letzten Ausweg erwähnt.“

Er war in den vergangenen Jahren in einige Prozesse verwickelt gewesen. Wollte sie darum nicht, dass er etwas mit seinem eigenen Kind zu tun hatte? Er war erwerbstätig und nicht vorbestraft. Er stand kurz davor zu heiraten …

Er fluchte und kniff sich in den Nasenrücken. Was zum Teufel sollte er tun? War wenigstens an der Geschäftsbeziehung mit Eden noch etwas zu retten? Aber würde sie nach diesem Tag überhaupt noch mit ihm sprechen? Sie hatte diese Demütigung nicht mehr verdient als er.

„Ich brauche einen Vaterschaftstest“, murmelte er. Aber er wusste es. Tief im Inneren kannte er die Wahrheit bereits.

„Das kann ich tun, aber ich erwarte nichts von dir. Wenn du sie sehen willst, können wir darüber sprechen, aber bitte fühle dich nicht dazu verpflichtet.“

„Natürlich bin ich verpflichtet, Amelia. Weißt du nicht, wer ich bin?“ Er drehte sich um und sah, dass ihr Shirt wieder heruntergelassen war und sie das Baby gegen die Decke auf ihrer Schulter drückte. Sie klopfte sanft den Rücken des Babys. Als Antwort stieß es einen kräftigen Rülpser aus.

Amelia funkelte Hunter wütend an. „Bitte wirf mir nicht vor, ich wäre wegen deines Geldes schwanger geworden. Wenn ich das gewollt hätte, wäre ich schon viel früher zu dir gekommen.“

„Ich weiß.“ Alles, was sie sagte, zeigte ihm, dass sie es ernst meinte. Sie wollte ihm dieses Baby vorenthalten. Was ihn wütend machte. Es gefiel ihm nicht.

„Bitte verklage mich nicht, um sie mir wegzunehmen.“

„Hast du es mir deshalb nicht gesagt? Glaubst du wirklich, ich würde versuchen, mein Baby von seiner Mutter zu trennen? So ein Mensch bin ich nicht, Amelia.“

Ihr finsterer Blick wurde noch abweisender. „Ich werde mich nicht entschuldigen. Du bist in jemand anderen verliebt, Hunter. Willst sie heiraten. Ich habe getan, was ich für richtig hielt.“

„Für wen? Jedenfalls nicht für unsere Tochter“, spottete er. „Mein Leben ist mit viel Komfort und Privilegien verbunden. Dein Vater hat recht. Mein Kind verdient es, von allem zu profitieren, was ich ihm geben kann.“

„Peytons Bedürfnisse werden erfüllt“, beharrte sie. „Sie ist gesund und fröhlich und schläft jede Nacht in einer trockenen Windel in einem schönen Haus. Ich bin unsterblich in sie verliebt. Mein Vater auch. Ihr fehlt nichts.“

„Außer dem Vater, der Teil ihres Lebens sein möchte. Wolltest du wirklich warten, bis sie alt genug ist, nach mir zu fragen?“

„Du wirst mir wegen meiner Entscheidungen keine Schuldgefühle einreden! Du hast mir gesagt, ich soll mich nicht mehr bei dir melden.“

Er wischte das beiseite. „Wenn sie eine Waverly ist, hat sie das Recht, wie eine zu leben.“ So viel wusste er.

„Also gut. Von mir aus organisiere einen Vaterschaftstest. Arrangiere alles, was du für sie willst. Für sie“, betonte sie. „Ich muss bei Daddy wohnen und mich um ihn kümmern.“ Sie schob sich zentimeterweise an die Kante des Zweiersofas. „Und, ähm, halte mich bloß nicht für einen Dummkopf oder so, ich werde mit einem Anwalt sprechen und mich nach meinen Rechten erkundigen. Ich stille sie noch. Ich denke, es ist besser, wenn sie nur bei mir ist, bis ich abgestillt habe. Aber danach können wir über eine Lösung reden. Ich möchte vernünftig sein.“

„Gut zu wissen“, sagte er ironisch. „Aber nichts an dieser ganzen Sache ist vernünftig. Es ist ungeheuerlich.“

Sie seufzte. „Du hast recht, ich hätte es dir früher sagen sollen“, gab sie widerwillig zu. „Es tut mir leid, dass es auf diese Weise passiert ist. Ich hole Dad, und wir gehen. Und …“

„Und was? Der Schaden ist angerichtet“, schnappte er.

„Meinst du die Hochzeit? Wieso denn? Das ist doch nicht deine Schuld gewesen. Du wusstest es nicht.“ Sie blinzelte mit unglaublich naiven blauen Augen.

„Jetzt weiß ich es. Jeder weiß es.“ Die Presse würde einen großen Tag haben. Die Uhr in seinem Kopf warnte, dass er gerade seine Chance verspielte. Die Zeit lief und arbeitete gegen ihn.

Trotz seiner besten Sicherheitsvorkehrungen waren mehrere Boote auf dem See gewesen. Und er würde darauf wetten, dass wenigstens einige der Gäste oder Angestellten bereits die ersten Beiträge über den Skandal auf Social-Media-Plattformen veröffentlicht hatten.

Was würde man über diese Affäre sagen? Jedenfalls nichts Schmeichelhaftes. Amelia war nicht die scharfsinnige, selbstbewusste Frau, die er letzten Sommer kennengelernt hatte, mit glatten blonden Haaren, Katzenaugenlidstrich und langen, gebräunten Beinen in frechen Shorts.

Sie war eine zerzauste und erschöpfte junge Mutter, blass mit dunklen Ringen unter den Augen. Nach allem, was er gehört hatte, normal für frischgebackene Eltern, aber es ließ sie besonders verletzlich aussehen, und das ausgeblichene T-Shirt und die billige Yogahose sprachen davon, dass er seiner Pflicht nicht nachkam.

Sie sah schlimm aus, wirklich, aber da gab es immer noch etwas in seinem Inneren, das er zu ignorieren versuchte.

Verlangen.

Die Schwangerschaft hatte sie kurviger gemacht, was er faszinierend fand. Ihre heisere Stimme rief immer wieder die Erinnerung an ihre leisen Schreie an seinem Ohr hervor. Von der Sekunde an, in der sie hier aufgetaucht war, hatte ein sehr animalischer Teil von ihm tiefe Genugtuung gespürt, wieder in ihrer Nähe zu sein.

Nein. Sie hatte gerade sein Leben in eine einzige Katastrophe verwandelt. Diese Frau war gefährlich. Sie war alles, was er nicht wollte.

„Was?“ Amelias Blick wurde ängstlich, als er sie anstarrte. Sie lehnte sich zurück und drückte das Baby an sich.

Es klopfte an der Tür. „Ich bin es“, hörte er Vis Stimme.

Amelia holte tief Luft, vielleicht in Erwartung von Eden, aber er ging zur Tür, um seine Schwester hereinzulassen.

„Eden muss wissen, was los ist.“ Neugierig sah sie Amelia an.

Die Uhr war abgelaufen. Entscheidungen mussten getroffen werden.

Er drückte Viennas Arm und ging.

3. KAPITEL

Amelia sah zu, wie Vienna die Tür schloss und hinter sich den Schlüssel umdrehte. Dann ging sie zum Fenster und ließ die Jalousien herunter.

Amelia schnaubte. „Verstecken Sie mich?“

„Ich beschütze das neueste Mitglied unserer Familie.“ Vienna hob die Brauen. „Wenn es wahr ist. Bitte seien Sie ehrlich. Ich wüsste gerne, ob ich eine Nichte oder einen Neffen habe.“

Jetzt sah Amelia die Ähnlichkeit der Frau mit Hunter in ihrer sehr aufrechten Haltung und ihrem dunkelbraunen Haar. Sie besaß auch seine hohen Wangenknochen, und, verflixt, ihr geschwungener Mund sah genau wie der von Peyton aus.

Die Kleine war nach ihrem Nickerchen und ihrer Mahlzeit zufrieden und munter. Sie grub ihre Zehen in Amelias Bauch und drückte die Ärmchen gegen die Brust ihrer Mutter.

Vienna sah Peyton so sehnsüchtig an, dass Amelia sie umdrehte und auf ihren Schoß setzte. „Es ist wahr. Das ist Peyton. Dienstag ist sie zehn Wochen alt.“

„Oh.“ Viennas Anspannung schmolz, als sie vor ihnen in die Hocke sank. „Hallo, du süßer Knirps.“

Sie strahlte Peyton an und berührte die Hand des Babys. Als Peyton reflexartig ihre kleine Faust um Viennas Finger schloss, umfasste diese sanft das winzige Händchen. „Du bist einfach das Perfekteste, nicht wahr?“ Sie strich mit dem Daumen über die Rückseite von Peytons mit Grübchen versehenen Fingerknöchel.

Amelias Herz weitete sich bei Viennas zärtlichem Tonfall. Das gab ihr Hoffnung, dass sie … nun, dass sie Freundinnen werden könnten, war wahrscheinlich zu viel erwartet.

„Bitte sagen Sie ihr, dass ich ihren besonderen Tag nicht ruinieren wollte.“

„Eden?“ Viennas Miene kühlte ab und wurde unlesbar. „Es ist besser, sie weiß vor der Hochzeit Bescheid.“

„Heißt das …?“ Amelias Herz machte einen Satz. „Sie will ihn immer noch heiraten?“

Das war doch gut, oder? Dann konnte er ihr wenigstens nicht vorwerfen, seine Zukunft ruiniert zu haben.

Warum also fühlte sie sich, als wäre ihre eigene Zukunft gerade auf den Grund des Sees draußen vor dem Fenster gesunken?

Vienna löste sich vorsichtig aus Peytons Griff und streichelte ein letztes Mal Peytons runde Wange, bevor sie sich erhob. „Ich weiß nicht, was sie entscheiden werden. Ich weiß nur, dass es nicht so einfach ist, eine Hochzeit abzublasen.“ Sie biss sich nachdenklich auf die Lippe. „Vor allem, wenn so viel auf dem Spiel steht.“ Dann lächelte sie Peyton wieder an und fing ihren Fuß auf. „Was auch immer passiert, ich freue mich, dich kennenzulernen, Peyton. Jede Wolke hat einen Silberstreif am Horizont, und du bist heute unserer.“

Machte das Amelia zur unerwünschten Gewitterwolke?

Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande. Plötzlich wurde ihr klar, dass Peyton heute mehr als nur einen Vater bekommen hatte. Sie hatte eine Großfamilie, und wenn Hunter Eden heiratete, würde es auch angeheiratete Verwandte und eine Stiefmutter geben. Und alle würden sich einbilden, sie hätten das Recht, Hunter zu sagen, wie er Amelias Tochter großziehen sollte.

Ihr Puls beschleunigte sich, und Adrenalin kehrte in ihre Adern zurück. „Wissen Sie, wo mein Vater ist?“ Sie erhob sich und versuchte erfolglos, die Panik aus ihrer Stimme herauszuhalten. „Ich sollte nachschauen, ob es ihm gut geht. Ich kann nicht glauben, dass ich ihn da draußen alleine gelassen habe.“

„Er trinkt mit meinem Großvater“, sagte Vienna, als wäre das nach dem Einspruch gegen eine Hochzeit ganz normal.

„Oh, na ja, Peyton braucht eine frische Windel“, log Amelia. „Die Wickeltasche ist im Auto.“

„Ich kann sie halten, während Sie die Tasche holen.“ Vienna streckte ihre Arme aus.

„Sie können Ihr Kleid nicht ruinieren. Was ist, wenn die Hochzeit weitergeht? Dad und ich sollten wirklich gehen.“ Wirklich.

„Aber Hunter wird wollen …“

Amelia war es egal, was Hunter wollte. Sie musste weg von hier. Sie ging zurück in den Verkostungsraum, der sich mit aufgeregt plaudernden Gästen gefüllt hatte.

Ihr Vater unterhielt sich mit einem Mann in seinem Alter in einem braunen Anzug mit Nadelstreifen an der Bar. Sie standen einander gegenüber, die Ellbogen auf den Tresen gestützt, und hielten Gläser mit Rotwein in der Hand. Als Amelia näher kam, hörte sie etwas von „Seeforellen“.

Der Weg zur Bar fühlte sich im wahrsten Sinne des Wortes wie ein Spießrutenlauf an. „Dad? Tut mir leid“, warf sie dem anderen Mann zu und war sich bewusst, dass sie unhöflich war. „Falls du mit mir nach Hause kommen möchtest: Ich fahre jetzt.“

Sie ignorierte sein mahnendes „Amelia“ und ging zum Ausgang.

Draußen schob sie sich durch eine Handvoll Leute, die rauchten und lachten. Einer sagte: „Oh, hey. Kann ich Sie kurz sprechen?“

Sie ging um den Mann herum und kämpfte damit, ihre Tränen zurückzuhalten. Sie würde erst weinen, wenn sie in ihrem Auto saß und das alles hinter sich gelassen hatte. Doch ihre Kehle brannte vor unterdrückter Qual.

Das verdammte Auto war heiß wie ein Ofen! Die volle Sonne hatte durch die Heckscheibe alle Plastik- und Metallteile erhitzt.

Amelia quetschte sich hinter das Lenkrad, ließ den Motor an und stellte die Klimaanlage auf höchste Stufe, dann stieg sie wieder aus.

Der aufdringliche Mann war ihr gefolgt und versuchte, sich ihr zu nähern, als sie im Schatten eines nahe gelegenen Baums stand. Filmte er sie wirklich mit seinem Handy? Ihr Herz stolperte. Sie drehte ihm den Rücken zu und schützte Peyton mit ihrem Körper.

Zum Glück kam ihr Vater zu ihnen, aber er wollte sie nur über ihre Manieren belehren. „Was ist los? Ubert hat sehr anständig reagiert. Wir dachten, du würdest Zeit brauchen, um etwas mit Hunter zu klären, also warum gehst du schon?“

„Dad“, zischte sie. „Erinnerst du dich, wie du dich geweigert hast, darüber zu sprechen, bis wir hier sind? Jetzt rede ich nicht weiter darüber, bis wir zu Hause sind. Außerdem hören diese Leute zu“, fügte sie hinzu und starrte an ihm vorbei auf den furchtbaren Mann, der näher kam wie ein wilder Hund, der auf ein heruntergefallenes Sandwich hoffte.

Tobias blickte über seine Schulter und brummte angewidert.

„Woher wusstest du überhaupt, dass er hier ist?“ Sie musste ihn fragen, aber sie hielt ihre Stimme leise. Sie suchte bewusst nicht online nach Hunter, sondern sah nur gelegentlich in den Nachrichten Schlagzeilen über Wave-Com.

„Ich habe Mo die Angaben aus deinem Testament gegeben. Er hat das Tablet benutzt, das ihm sein Sohn gegeben hat, und mir erzählt, dass Hunter letztes Jahr hier war, während du hier gearbeitet hast. Dann entdeckte er den Hinweis, dass er heute heiratet. Ich dachte, das ist meine beste Chance, ihn persönlich zu treffen und ihm meine Meinung zu sagen. Wieso hast du ihm nicht von Peyton erzählt? Es ist nicht deine Art, mich anzulügen.“

„Es ist kompliziert.“ Und demütigend. „Ich brauche sein Geld nicht, Dad. Wieso hast du das getan?“

„Es war nicht richtig, dass er dir nicht hilft. Wenn du Kinder hast, kümmerst du dich um sie.“

„Genau. Das tue ich!“

„Mit meiner Hilfe. Aber ich werde nicht ewig leben“, fügte er grummelnd hinzu. „Ich muss wissen, dass es dir gut geht, wenn ich nicht mehr da bin.“

Ihr Herz sank. „Dad.“

„Amelia.“ Hunter stürmte durch ein Petunienbeet auf sie zu und zertrampelte die rosa-weißen und indigofarbenen Trompetenblüten. Sein aufgeknöpftes Jackett öffnete sich und enthüllte seine graue Weste und die amethystfarbene Krawatte.

Ihr Herz machte bei seinem Anblick einen Satz bittersüßer Erleichterung. Sie war überzeugt gewesen, dass er dabei war, die Dinge mit Eden wieder in Ordnung zu bringen, und dass die Hochzeit weitergehen würde.

Aber vielleicht würde sie das ja auch. Sie musterte seine steinernen Gesichtszüge, konnte sie aber nicht deuten. Was sollte sie daraus schließen, dass er sie zum Parkplatz verfolgte? In Filmen waren solche Situationen witzig, aber in der Realität war es ein Albtraum, selbst der Grund dafür zu sein. Sie fühlte sich schlecht und schuldig und verstand, dass er wütend auf sie war.

Der Mann mit dem Telefon drehte sich um, um Hunter aufzunehmen. Hunter schien ihn zu ignorieren, aber als er nah genug herankam, schnappte er sich das Telefon und schleuderte es in das Meer aus Petunien.

Oh. Amelia schlug die Hand vor den Mund.

„Hey!“ Der Mann fluchte und rannte zum Blumenbeet.

Die Leute an der Tür fingen an zu lachen. Einige von ihnen hielten ihre eigenen Handys hoch und zeichneten jede Sekunde auf.

Das war schlimmer als ein Albtraum. „Ich muss Dad nach Hause bringen.“ Amelia ging zur Tür ihres Autos. „Meine Nummer hat sich nicht geändert. Melde dich, wenn du reden willst.“

„Ich will jetzt reden.“

„Ich gehe wieder rein und trinke meinen Wein aus“, sagte ihr Vater.

„Wage es ja nicht“, zischte Amelia.

Hunter fing Tobias ab und streckte die Hand aus. „Hunter Waverly. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie heute gekommen sind. Das war wichtig. Ich musste es erfahren.“

„Tobias Lindor.“ Er schüttelte Hunter die Hand. „Ja, das war es. Nehmt euch so viel Zeit, wie ihr braucht.“

Hunter nickte. „Das werden wir, aber nicht hier.“

„Pff.“ Verdammt richtig, sie blieb nicht hier. Keine Sekunde länger.

Aber als sie die hintere Wagentür öffnete, um Peyton auf ihrem Sitz festzuschnallen, beugte Hunter sich in den Wagen, zog den Schlüssel ab und gab ihn ihrem Vater. „Bleiben Sie, solange Sie möchten. Bald wird das Essen serviert.“

„Was soll das?“ Mit Peyton auf dem Arm richtete Amelia sich wieder auf. „Dad fährt kein Auto.“ Und erst recht nicht, wenn er etwas getrunken hatte.

„Ich lasse mir etwas einfallen“, beharrte ihr Vater, steckte die Schlüssel in die Jackentasche und ging zurück in den Verkostungsraum.

Männer.

„Ich gehe nirgendwo mit dir hin“, warf sie Hunter an den Kopf.

„Hier können wir nicht reden.“ Hunter beugte sich über die Babyschale, um die Gurte zu lösen.

„Lass das! Wir müssen nicht jetzt reden“, gab sie verärgert zurück und verlagerte Peytons Gewicht auf ihren anderen Arm. „Es ist schließlich kein Notfall.“

„Das wäre mir auch lieber.“ Sein Ton klang müde und herablassend. Er riss den Babysitz heraus, knallte die Tür zu und kam an ihre Seite. „Aber sieh dich doch um.“

Der eine Mann tastete immer noch in den Petunien herum und suchte nach seinem Telefon, alle anderen waren ausgeschwärmt, um sie von allen Seiten aus aufzunehmen. Sie hielten etwas Abstand, aber es war trotzdem widerlich.

„Ich möchte nicht, dass Fremde Fotos von meinem Baby machen.“ Sie drückte Peyton näher an sich.

„Ich auch nicht. Und darum gehen wir. Brauchst du das?“ Er deutete auf die Wickeltasche auf dem Sitz.

„Ja, aber …“ Sie wollte nicht tun, was er anordnete.

Aber sie wollte auch kein Online-Meme werden.

„Da kommt Denis, mein Fahrer.“ Hunter nahm die Tasche aus dem Wagen und knallte die Autotür zu.

Hinter ihrem Auto hielt ein Geländewagen. Ein drahtiger Mann mittleren Alters sprang heraus und lächelte ihnen zu. Er ließ den Motor laufen, während er die Babyschale geschickt mit wenigen Handgriffen befestigte.

Amelia kletterte in den herrlich kühlen und geräumigen Wagen, schnallte Peyton an und steckte die Kuscheldecke um das Baby fest, bevor sie ihren eigenen Gurt anlegte.

Sie blies sich eine Haarsträhne aus den Augen. Alles wird gut, versicherte sie sich, obwohl ihr Magen Purzelbäume schlug.

Vielleicht hätte sie das sogar glauben können, wenn Hunter nicht so distanziert und bedrohlich ausgesehen hätte. Anstatt sich auf den Beifahrersitz zu setzen, nahm er den Platz auf der anderen Seite von Peyton ein. Sein gebräuntes Gesicht wirkte wie geschnitzter und polierter Ahorn. Glatt, aber hart.

„Wohin, Sir?“, fragte Denis, als er über den Parkplatz zum Ausgang fuhr.

„Goderich“, sagte Amelia.

„Zum Appartement.“ Hunter sah sie stirnrunzelnd an. „Es ist in Toronto und viel näher.“

„Das ist Entführung“, betonte sie.

„Nur wenn ich Lösegeld verlange.“ Er schrieb eine Textnachricht, während er redete. „Welche Sicherheitsvorkehrungen hast du in Goderich?“

Riegel und Jalousien.

„Warum? Diese Leute werden mich wohl kaum in meinem eigenen Haus belästigen, oder?“ Sie drehte sich um, um aus dem hinteren Fenster zu blicken. Ein Wagen folgte ihnen.

„Meiner Erfahrung nach klettern solche Leute auf Mülleimer und fotografieren dich auf der Toilette, wenn sie glauben, dass sie damit Geld verdienen können.“

„Warum hast du sie dann zu deiner Hochzeit eingeladen?“

„Habe ich nicht. Dieser Ort war nicht einfach zu sichern. Du bist ja auch reingekommen.“

Autsch. „Du hast recht. Ich hätte es dir früher sagen sollen.“

„Wenn wir weiterkommen wollen, sollten wir uns an das halten, was passieren muss, statt daran, was passiert ist.“ Sein Handy klingelte, und er nahm den Anruf an. „Ja, ich bin hier.“

Es handelte sich um ein Gespräch mit mehreren Teilnehmern, erkannte Amelia, als er anfing, Aufgaben aufzulisten.

„Zudora, ich brauche einen Vaterschaftstest. Sorgen Sie dafür, dass eine Krankenschwester in die Wohnung kommt und den Test macht. Kimi, besorgen Sie alles, was ein zwei Monate altes Kind braucht. Bringen Sie alles in eins der Gästezimmer. Wer hat die Nummer der Hochzeitsplanerin? Sagen Sie ihr, dass Denis zurückkommt, um Amelias Vater abzuholen. Wenn er lieber über Nacht bleiben möchte, besorgen Sie ein Hotelzimmer für ihn. Carina, lassen Sie mich hören, was Sie bisher haben. Nein, sagen Sie das nicht!“

Was sagen? Sie würde wirklich gerne wissen, was zum Teufel los war. War seine Hochzeit abgesagt oder nur verschoben worden?

Sie fragte nicht, sie war nicht sicher, ob sie bereit für die Antwort war.

„Nein. Nennen Sie es eine kurze Beziehung, die vor meiner Verlobung mit Eden beendet war. Ich möchte klarstellen, dass ich zu keinem Zeitpunkt mit ihr zusammen war, während ich mich mit Eden getroffen habe.“

Amelia blieb die Luft weg. Sie blendete den Rest aus und drehte ihr Gesicht zum Fenster.

Es gibt keinen Grund, überrascht oder beleidigt zu sein, erinnerte sie sich. Er hatte sie gewarnt, nicht in sein Zimmer zu kommen, wenn sie erwartete, dass es über eine einzige Nacht hinausgehen könnte.

„Heute Nacht ist genug“, hatte sie gesagt und in dem Moment auch daran geglaubt. Sie hatte an diesem Abend viele dumme Dinge geglaubt – dass er sie als Person respektierte. Dass er reich, aber bodenständig war. Dass es zwischen ihnen eine Verbindung gab, die über das Körperliche hinausging.

In all diesen Punkten hatte sie sich getäuscht. Schlimmer noch, seine Nähe ließ ihre Haut immer noch prickeln. Mit jeder Faser nahm sie selbst in diesem Moment seine Anziehungskraft wahr. Magnetismus? War es das?

Es war quälend und lächerlich – und der Grund, warum sie zugestimmt hatte, als Cheryl aufgeregt sagte: „Tisch vierzehn hat uns nach unserer Schicht zu einem Drink eingeladen.“

Das Management sah privaten Kontakt zwischen Personal und Gästen nicht gern, aber es war auch nicht verboten. Trotzdem war es normalerweise nicht Amelias Art, mit Gästen etwas zu trinken. Das hatte sie einmal getan, und es war nicht gut ausgegangen. Und sie erkannte einen Playboy, wenn sie ihn sah.

Männer in teurer Golfkleidung mit goldenen Uhren und Pilotenbrillen suchten nicht nach Liebe. Amelia hatte gelernt, sich zu Golden-Retriever-Typen hingezogen zu fühlen, nicht zu Männern mit einer gefährlichen, dunklen Ausstrahlung.

„Wahrscheinlich haben sie ihre Ehefrauen zu Hause“, hatte sie zu Cheryl gesagt und versucht, sich gegen ihr Interesse zu wehren.

„Erkennst du die beiden nicht? Das ist Hunter Waverly. Wave-Com? Und Remy Sylvain. Can-Carib-Fluggesellschaften. Für einen Privatflug auf die Turks- und Caicosinseln würde ich alles tun.“ Cheryl hatte mit den Brauen gewackelt.

Cheryl würde alles für ein Lachen und eine nette Nacht tun. Sie hatte mit ihrem langjährigen Freund Schluss gemacht und war entschlossen, sich ausgiebig zu amüsieren, bevor sie sich wieder auf eine Beziehung einließ.

Amelia war genau das Gegenteil. Ihre einzige ernsthafte Beziehung hatte sie misstrauisch gemacht, und sie hatte das Vertrauen in die Männer verloren. Seitdem hielt sie hartnäckig an ihrer Jungfräulichkeit fest. Als eine Bestellung sie am Tisch der beiden Männer auf der Terrasse vorbeiführte, erwischte sie Hunter dabei, wie er ihre Beine ausgiebig betrachtete.

In diesem Moment war ihr, als würde sie aus dem Nebel in einen sonnigen Tag treten. Ihre Haut glühte, und ihr Herz schlug schneller, weil sie sein Interesse geweckt hatte.

Nur ein Drink. Auch das hatte sie sich selbst geglaubt. Ein Drink war harmlos. Dabei war sie im Geiste schon mit ihm im Bett gewesen, bevor sie ihm ihren Namen genannt hatte.

Das machte die ganze Sache so peinlich. Darum war sie froh gewesen, ihn nie wiederzusehen. Er hatte sie nicht einmal verführen müssen. Fast hatte sie sich ihm angeboten. Hier. Nimm mich. Nimm meine Jungfräulichkeit.

Brauchst du Geld?

Bei der Erinnerung wollte sie aufstöhnen und ihr Gesicht in den Händen vergraben, aber Peyton fing an zu wimmern. „Alles in Ordnung, mein Baby. Wir sind bald da“, murmelte sie und legte ihre Hand auf Peytons Bäuchlein.

Es half nicht. Nichts half.

Als Peyton aus voller Kehle brüllte, hörte Hunter auf, ins Telefon zu sprechen, und warf ihnen ein zerstreutes Stirnrunzeln zu. „Geht es ihr gut?“

„Sie mag keine langen Autofahrten.“ Amelia zuckte mit den Schultern, abwehrend, aber auch ärgerlich. Babys schrien nun mal. Herauszufinden, warum, und es zu ändern, war Erziehung. Wenn er damit nicht zurechtkam, sollte er sich am besten direkt verabschieden.

„Hier könnte es laut werden“, sagte er ins Handy. „Sehen Sie, was Sie erreichen können. Ich melde mich, wenn ich in der Wohnung bin.“ Er beendete das Gespräch.

Amelia versuchte, Peyton zu überreden, den Schnuller zu nehmen, was normalerweise nie klappte, aber diesmal nuckelte sie lange genug, damit Amelia fragen konnte: „Heiratest du, äh, immer noch?“

„Hast du nicht den Abdruck vom Verlobungsring in meinem Gesicht gesehen?“

Sie hatte sein Talent für trockene Bemerkungen vergessen. Sie biss sich auf die Lippen und weigerte sich, amüsiert zu sein. Oder erleichtert.

Peyton spuckte den Schnuller wieder aus und fing an zu jammern. Amelia versuchte es noch einmal, aber Peyton wandte ablehnend den Kopf zur Seite.

„Bist du mit jemandem zusammen?“, fragte Hunter.

„Wie stellst du dir das vor?“ Sie machte eine Handbewegung zu Peytons wachsendem Wutanfall. „Die Männer stehen Schlange vor meiner Tür. Warum bloß?“ Amelia hörte ihn kaum über das Geschrei hinweg, aber in ihrer Brust stieg ein leiser Hoffnungsschimmer auf.

„Gut. Dieser Schlamassel ist schon mit euch beiden alleine groß genug.“

Und das war der wahre Grund, warum sie ihm nichts von Peyton erzählt hatte. Er wollte keine von ihnen, weder sie noch seine Tochter.

„Nein.“ Amelia ignorierte das Brennen in ihren Augen, um ihre Tochter zu verteidigen: „Wir beide …“ Sie zeigte zwischen sich und Hunter hin und her. „Wir haben sie gezeugt. Sie ist kein Schlamassel. Weißt du, mein Leben sieht auch nicht gerade so aus, wie ich es mir vorgestellt habe.“

Ohne das Gebrüll ihrer Tochter hätte sie vielleicht beeindruckender gewirkt.

„Kann ich etwas tun?“, fragte Hunter teilnahmslos.

„Nein“, murmelte sie. Am liebsten hätte sie sich über Peyton gebeugt und in ihr Weinen eingestimmt.

Denn es war ein Schlamassel. Es war ein riesiger, schrecklicher Schlamassel, und sie wurde das Gefühl nicht los, dass alles ihre Schuld war.

4. KAPITEL

„Findest du immer noch, dass es eine gute Idee war, uns hierherzubringen?“, spottete Amelia leise, als sie die Gurte des Kindersitzes löste und ihm erlaubte, den Sitz auf der anderen Seite aus dem Wagen zu heben.

Er würde nicht so tun, als wäre die letzte Stunde nicht schwierig gewesen. Sprechen war unmöglich geworden. Peyton mochte den Kindersitz nicht. Das teilte sie laut und deutlich mit.

Denis hatte seine Ohrstöpsel eingesetzt, während Amelia auf Dutzende Weisen versucht hatte, das Baby zu beruhigen. Sie hatte der Kleinen ein Kuscheltier und einen Schnuller gegeben, Socken über die winzigen Füßchen gestreift und die fuchtelnden Fäuste geküsst, aber nichts hatte gewirkt.

Doch Hunter fand, es passte nur zur Gesamtsituation. Auch wenn er es sich nicht sofort eingestanden hatte, war die Hochzeit in dem Moment vorbei gewesen, in dem Am...

Autor

Dani Collins
<p>Dani Collins verliebte sich in der High School nicht nur in ihren späteren Ehemann Doug, sondern auch in ihren ersten Liebesroman! Sie erinnert sich heute immer noch an den atemberaubend schönen Kuss der Helden. Damals wurde ihr klar, dass sie selbst diese Art von Büchern schreiben möchte. Mit 21 verfasste...
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