Vier Pfoten für das Liebesglück - 3 tierische Romantiker

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EINFACH TIERISCH! von CHERYLANNE PORTER

Was für ein Glück: David hat von einer Unbekannten mehrere Millionen Dollar geerbt! Dafür muss er sich um den Hund der Verstorbenen kümmern. Ausgerechnet er, der mit Tieren nichts anfangen kann! Doch dann trifft er Emily, Besitzerin einer Tierpension. Um sie zu erobern, ist er zu allem bereit ...

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  • Erscheinungstag 27.06.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529792
  • Seitenanzahl 350
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

Einfach tierisch! erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de
Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Christina Seeger
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 1999 by Cherylanne Porter
Originaltitel: „Puppy Love“
erschienen bei: Harlequin Enterprises, Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY LIEBEN & LACHEN
Band 3 - 2001 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Übersetzung: Johannes Heitmann

Umschlagsmotive: Monkey Business Images / Shutterstock

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2024

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783751529884

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Das ist doch wohl ein Scherz, Mr. Trenton. Ihr gesamtes Vermögen hat sie mir hinterlassen?“ David umklammerte den Telefonhörer. Der Anwalt am anderen Ende der Leitung musste sich irren. „Aber ich kenne diese Amelia Stanford ja gar nicht. Wieso sollte sie mir Millionen von Dollars vererben? Sind Sie sicher, dass Sie mit dem Richtigen sprechen? David Andrew Sullivan, Steuerberater in Washington, D. C.?“

Als Antwort las der Anwalt David fast seinen kompletten Lebenslauf vor, sodass David schließlich eingestehen musste: „Ja, das bin ich. Aber verstehen kann ich es immer noch nicht. Das ergibt … Gut, ich will das auch aufklären, aber ich kann nicht nach Virginia fahren. Wie bitte? Nein, das geht wirklich nicht. Ich habe sehr viel zu tun. Und heute Abend fliege ich nach Colorado. Wie bitte? Lebendig? Was ist lebendig?“ Ungläubig verzog er das Gesicht und richtete sich auf. „Bitte, Mr. Trenton, erklären Sie mir doch mal, was genau verstehen Sie unter ‚lebendig‘?“

Doch das wollte Mr. Trenton nicht. Stattdessen verlegte er sich auf Ausreden und sagte, das gehe nicht am Telefon. Das Testament sei in diesem Punkt ganz eindeutig und so weiter. David hörte nicht mehr genau zu und wartete auf eine Gelegenheit, den Redeschwall zu unterbrechen, um noch einmal zu betonen, dass er sich heute auf keinen Fall mit ihm treffen könne. Flüchtig sah er auf seinen Tischkalender. Freitag, 27. Oktober, 13 Uhr 30. Für den Nachmittag hatte er noch drei Termine. Nichts Aufregendes, aber es würde spät werden.

Während er dem Anwalt nichtssagende Antworten gab, blätterte er in seinen Notizen nach dem Flugtermin. Er wollte nach Denver zu seiner jüngeren Schwester Alicia, die nächsten Donnerstag heiratete. Nicht ohne dich, hatte sie ihm gesagt, und David schüttelte lächelnd den Kopf. In den Augen seiner Schwester war er ein langweiliger Workaholic. Und genau deswegen hatte sie ihm gedroht, dass er entweder sein Büro eine Woche lang schloss und an den gesamten Feiern vor der Hochzeit teilnahm, oder sie würde die gesamte Festgesellschaft mitsamt der verrückten Familie zu ihm bringen. Es sei seine Wahl, und David hatte sich klugerweise dafür entschieden, eine Woche freizunehmen. Heute sollte es losgehen.

In gewisser Weise hatte Alicia recht. Seit über einem Jahr war er nicht mehr in Denver gewesen, und es war wirklich an der Zeit für einen Besuch. Ein bisschen Entspannung konnte ihm nur gut tun. Die Koffer lagen bereits gepackt im Auto. David brauchte nur noch mit drei Klienten zu sprechen und dafür zu sorgen, dass alle Angelegenheiten im Büro geklärt waren, dann konnte er zum Flugplatz fahren. Sonst würde es nicht lange dauern, und seine gesamte Familie stand bei ihm vor der Tür. Das war das Letzte, was er wollte. Und deswegen würde Mr. Trenton ihn durch nichts umstimmen.

Genau das sollte er ihm jetzt sagen. „Mr. Trenton, es tut mir leid, Sie zu unterbrechen, aber ich darf heute Abend meinen Flug nicht verpassen, und ich komme erst am Dritten wieder. Wie wäre es am Montag, dem sechsten November? Ich kann gern … Wie? Ob ich dranbleiben kann?“ Anscheinend setzte der Anwalt das voraus, denn David hörte auf einmal Geigenmusik vom Band.

Er biss die Zähne zusammen. Maximal zwei Minuten würde er dem Mann geben. Er blickte auf seine Uhr und sah aus dem Fenster. Es stürmte, und der Regen peitschte gegen die Scheibe. Bei diesem Wetter sollte er nach Virginia fahren? Nie im Leben. Auch nicht für eine Million Dollar.

Dann wurde David bewusst, dass es hier tatsächlich um eine Million ging. Genauer gesagt um mehrere Millionen. Sein Magen krampfte sich zusammen. Und da ließ er sich von etwas Regen abhalten? War er eigentlich von allen guten Geistern verlassen? Eigentlich sollte er längst im Auto sitzen und sämtliche Geschwindigkeitsbeschränkungen übertreten. Mit gezücktem Stift in der Hand, um möglichst schnell zu unterschreiben. Worüber regte er sich denn auf? Was machte es schon, wenn er sich an die alte Dame nicht mehr erinnerte, die ihm ihr ganzes Geld vermacht hatte? Und etwas Lebendiges, nicht zu vergessen. Also schön, dann lebte es eben. Mit mehreren Millionen ließ sich da sicher eine Lösung finden. Vorausgesetzt, er bekam den Hintern hoch und vergaß für heute Nachmittag die Arbeit. Ab heute würde er dann ohnehin nicht mehr arbeiten müssen. Er würde nur noch sein Vermögen verwalten, sonst nichts.

Mittlerweile war er wirklich aufgeregt und konnte kaum noch erwarten, dass Mr. Trenton wieder an den Apparat kam. In Gedanken bedankte er sich bei Amelia Stanford, der lieben Frau, wer immer sie auch gewesen war. Hatte er ihr irgendwann einmal geholfen? War sie eine Klientin von ihm gewesen? Oder war sie einfach nur etwas verrückt gewesen und hatte mit geschlossenen Augen ins Telefonbuch getippt? Das hatte es alles schon gegeben.

David dachte immer eingehender über seine unbekannte Wohltäterin nach. Zur Familie gehörte sie sicher nicht, denn seine Großmutter hatte den gesamten Stammbaum erforscht und erzählte oft und gern von jedem Einzelnen, egal, ob angeheiratet oder nicht. Sie wusste alle Einzelheiten und verkündete sie hemmungslos bei Familienfeiern. Bei solchen Anlässen konnte man sicher sein, irgendwann vor Verlegenheit einen roten Kopf zu bekommen.

Davids Mom und Dad passierte das auch regelmäßig, und bei dem Gedanken musste er lachen. Er liebte seine Eltern, aber es hatte seinen Grund, dass er sich aus der Ferne um alle finanziellen und rechtlichen Dinge der Familie kümmerte. Abgesehen von Alicia und ihm waren alle Familienangehörigen total verrückt. Seine Eltern waren in die Jahre gekommene Hippies, die gerade in England waren, um dort die kosmische Strahlung von Stonehenge aufzunehmen. David schüttelte den Kopf, als er daran dachte, wie er die beiden deswegen vor ihrer Abreise aufgezogen hatte. „Ihr seid wirklich seltsame Leute“, hatte er ihnen gesagt, „wollt ihr nicht wenigstens eine Landkarte mitnehmen?“ Das hatte ihm nur empörte Blicke eingebracht, und sofort hatten seine Eltern lautstark überlegt, wie es bloß geschehen war, dass sie ein so vernunftorientiertes Kind in die Welt gesetzt hatten.

Seufzend dachte David daran, dass er eigentlich Human Delight und seine Schwester Daisy Freedom hatte heißen sollen. Lediglich seinen Großeltern hatte er seinen schlichten Namen zu verdanken. Alle vier Großeltern hatten Herzinfarkte und Schlaganfälle angedroht, falls ihre Enkelkinder keine normalen Namen bekamen. David dachte an seine beiden Großeltern, die auch nach Denver flogen. Sogar seine Eltern würden morgen Abend aus London abfliegen. Er stellte sich vor, wie er seinen Verwandten während der Hochzeitsfeier von dieser seltsamen Erbschaft erzählte, die ausgerechnet an ihn fiel, obwohl er von allen nur als Mr. Vernünftig bezeichnet wurde.

Sicher würden alle ausflippen. Genau wie er selbst, falls dieses Lebewesen ihn irgendwie davon abhielt, zu der Feier zu kommen. Nein, so etwas passierte sicher nicht. Kein Gesetz konnte ihm vorschreiben, dass er dieses Wesen heute noch abholen musste, oder doch? Er würde die mysteriöse Kreatur bei seiner Rückkehr mitnehmen. Schließlich war er von nun an reich, vorausgesetzt, Mr. Trenton kehrte irgendwann wieder ans Telefon zurück, damit David ihm mitteilen konnte, dass er bald kam. Aber wieso wollte Mr. Trenton ihm nicht verraten, um was für ein Lebewesen es sich handelte? Das machte David ein bisschen Angst.

Was mochte es sein? Ein kleines Kind? Niemals. Oder eine exotische Echse? Ein seltener Vogel? Ein Pilz oder ein gefährlicher Virus, der den ganzen Planeten entvölkern konnte? Nachdenklich wiegte David den Kopf. Nie im Leben würden die Behörden einfach so zusehen, wie irgendeine alte Frau so einen Organismus einfach vererbte. Meine Fantasie geht mir durch, sagte er sich. Ich bin nur neugierig, und das ist bei meinem sonst so nüchternen Leben auch kein Wunder.

Unwillkürlich richtete er sich auf. Jetzt klang er schon wie seine eigenen Eltern. Andererseits saß er hier im Anzug im Herzen von Washington, D. C., und führte ein langweiliges Leben. Was soll’s? fragte er sich. Hol dir das Geld, und lass alles Weitere einfach auf dich zukommen. Was soll schon passieren?

Andererseits waren seine letzten Abenteuer als Katastrophe geendet. Zum Beispiel die Wildwasserfahrt im letzten Sommer mit seiner damaligen Freundin Philippa. Aber woher hätte er auch wissen sollen, dass sie nicht schwimmen konnte? Und schließlich war sie ja nicht ertrunken. Wie kam eine Frau überhaupt zu so einem Namen? Vergiss sie, sagte er sich. David, du bist jetzt dreißig und wirst anscheinend langsam alt und sentimental.

Endlich kam Mr. Trenton wieder ans Telefon und entschuldigte sich. „Schon gut“, fiel David ihm ins Wort. „Ich habe es mir anders überlegt. Ich komme sofort und muss nur vorher noch meine Termine verschieben. Weinen Sie, Sir? Nein? Es klang so. Nein, natürlich ist es mir Ernst. Wenn ich sage, ich komme, dann komme ich auch. Aber dieses Lebewesen kann ich nicht sofort mitnehmen. Wie bitte? Ich soll mir keine Sorgen machen, weil es in einem sicheren Behälter steckt?“

In einem sicheren Behälter? War es denn radioaktiv? David rieb sich das Gesicht. Dann versprach er dem Anwalt: „Ich schwöre Ihnen, Mr. Trenton, dass ich mich gleich auf den Weg mache. Ja, ich weiß. Tysons Corner. Gut, dann schreibe ich mir die Adresse noch einmal auf. Wie bitte? Oh, danke. Bestimmt sind Sie auch ein guter Mensch. Ja. Bis dann.“

Stirnrunzelnd legte David auf und sah das Telefon an. Dann blickte er auf die geschlossene Bürotür. Sein Magen verkrampfte sich. Jetzt blieb ihm noch die Auseinandersetzung mit Mrs. Hopemore. Seine eigenwillige Sekretärin war eine Freundin seiner Großmutter und erzählte offen allen seinen Klienten, dass sie David schon als Baby gewickelt hatte. Und lieber setzte er sich mit einer Sturmtruppe auseinander als Mrs. Hopemore dazu zu bringen, seine Termine zu verschieben.

Ich bin bereit für sie, sagte er sich entschlossen, aber ich verrate ihr nicht den Grund für die Terminverschiebungen. In Geldfragen war er lieber vorsichtig, und er wollte erst genau wissen, um was für ein Vermögen es sich handelte, bevor er ihr davon erzählte. Über seine Großmutter würde die Neuigkeit sich nämlich sofort verbreiten. Er lehnte sich zurück und rief: „Mrs. Hopemore? Können Sie bitte hereinkommen?“

Wie immer saß er dann schweigend da und zählte leise. 1000, 2000, … Bei 10.000 ging die Tür endlich auf, und die kleine grauhaarige, wild geschminkte und ebenso wild gekleidete Mrs. Hopemore kam herein. Unwillig zog sie die Mundwinkel ihrer grellroten Lippen nach unten. „Sie haben geschrien, Mr. Sullivan?“ Obwohl sie ihn seit seiner Geburt kannte, bestand sie darauf, ihn zu siezen.

„Das habe ich.“

„Und was wollen Sie? Ich habe zu tun.“

Schon als er noch ein Kind war, hatte David gedacht, Mrs. Hopemore müsse mindestens tausend Jahre alt sein. Doch obwohl sie so eng mit seiner Familie verbunden war, sollte er sie eigentlich feuern. Das hatte er auch schon zwei Mal getan. Aber wenn er dann am nächsten Tag ins Büro kam, saß sie bereits an ihrem Schreibtisch, tippte auf der Schreibmaschine und warf ihm vor, er komme zu spät. Und nach beiden Kündigungen hatte sie sich selbst eine Gehaltserhöhung gegönnt. Wenn David sie noch einmal entließ, würde sie monatlich mehr verdienen als er. Das konnte er sich nicht leisten.

Deshalb sagte er jetzt: „Sie müssen meine Nachmittagstermine absagen und verschieben. Bei dem letzten Gespräch, das Sie mir durchgestellt haben, ging es um eine dringende Angelegenheit in Tysons Corner.“

Mrs. Hopemore zog ihre schwarz nachgezogenen Augenbrauen hoch und sah David über das Schildpattgestell ihrer Brille hinweg an. „Tysons Corner, sagen Sie? Ist jemand gestorben?“

David wusste, dass nur ein Todesfall für Mrs. Hopemore als Entschuldigung für eine Unterbrechung der täglichen Arbeit galt. Sie erlaubte ihm ja kaum, zur Hochzeit seiner Schwester zu fahren. Dabei war sie selbst in der letzten Woche bei einer Freundin gewesen, die schwer erkrankt und dann gestorben war. Deshalb war David jetzt dankbar, dass er dieselbe Entschuldigung vorbringen konnte: „Ja, es ist jemand gestorben.“

Dann wartete er. In erster Linie auf ihre Erlaubnis. Erwartungsgemäß verzog Mrs. Hopemore das Gesicht wie eine Gefängnisaufseherin, die über den Freigang eines Häftlings entscheiden muss. „Na wunderbar. Sie lassen Sie mich mit all der Arbeit allein. Schon schlimm genug, dass ich nicht mit zu Alicias Hochzeit kann, weil ich hier die Stellung halten muss, während Sie eine ganze Woche verschwinden.“

„Das stimmt doch gar nicht, das wissen Sie genau. Sie sind auch eingeladen, und ich habe Ihnen gesagt, dass wir das Büro schließen können, damit Sie mich begleiten können. Grandma würde sich freuen, Sie wieder zu sehen.“

Mrs. Hopemore hob das Kinn. „Das weiß ich sehr wohl, junger Mann. Aber es ist unmöglich. Jemand muss den Laden am Laufen halten. Und wohin ich Ihre Termine verschieben soll, ist mir ein Rätsel. Diese Klienten habe ich von der nächsten Woche bereits auf heute verlegt, wegen der Hochzeit. Und jetzt muss ich ihnen Termine geben, die sehr viel später liegen. Wissen Sie, was dann passiert? Sie werden diese Kunden verlieren, und dann sterben wir beide den Hungertod.“

Wütend sah David sie an. „Mrs. Hopemore, Sie sind doch heimlich in mich verliebt, oder?“

„Ha!“ Sie schloss bereits wieder die Tür hinter sich. „Ich habe Ihnen schon die Windeln gewechselt, vergessen Sie das nicht. So ein Glück steht Ihnen auch gar nicht zu.“ Damit zog sie die Tür ins Schloss.

1000, 2000, … zählte David. Die Tür ging wieder auf, und David musste lächeln, weil er schon wusste, was jetzt kam. Seit fast sieben Jahren lebte er nun hier in Washington und kannte sich mittlerweile perfekt in dem Straßenlabyrinth aus. Aber davon wollte Mrs. Hopemore nichts hören. Schließlich hatte ihre Freundin, Grandma Sullivan, die vor Jahren von Ohio aus dafür gesorgt hatte, dass Mrs. Hopemore diese Stelle bekam, ihr gesagt, sie solle auf David aufpassen, damit er sich von niemandem umbringen ließ. Beide alte Frauen behandelten ihn, als sei er gerade erst den Windeln entwachsen.

Jetzt stand Mrs. Hopemore an der Tür und stemmte die Hände in die Hüften. „Ziehen Sie sich den dicken Mantel an, und vergessen Sie den Schirm nicht. Sonst erkälten Sie sich und kommen noch länger nicht zur Arbeit. Und halten Sie sich um diese Tageszeit von der I-395 fern. Fahren Sie lieber über die Key Bridge und dann nach Norden über den G.W. Parkway zur Chain Bridge Road. Die geht in den Highway 123 über, und wenn Sie dann das CIA-Hauptquartier zur Rechten lassen, kommen Sie direkt nach Tysons Corner.“ Nachdem das geklärt war, wandte sie sich ab, drehte sich aber noch einmal zu ihm um. „Und nehmen Sie bloß keinen Verbrecher als Anhalter mit. Sonst werden Sie noch umgebracht. Und was wird dann aus mir? Dann stehe ich ohne Arbeit da.“ Wieder schlug sie die Tür hinter sich zu.

David blickte auf die Tür und nickte. „Ja, ganz klar. Sie liebt mich.“

Er war tatsächlich gemeint! Das Geld gehörte also ihm. Bei der Summe wurde ihm schwindlig. David wollte nur noch die Papiere unterschreiben und sich später um die Geldangelegenheiten kümmern. Nichts wie weg, dachte er. Weg von hier und zur Feier. Doch zunächst, so hatte Mr. Trenton gesagt, bevor er den Raum verließ, müsse er noch etwas holen. Etwas, das David gehöre.

Was immer dieses Etwas im angrenzenden Raum bei Mr. Trenton auch war, es machte ihm ziemlich zu schaffen. Und David wollte es nicht haben. Geschrei, Flüche, Fensterklappern und lautes Rumpeln, all das drang durch die Tür. David saß in dem eleganten Büro des Anwalts und sah misstrauisch auf die Wand, die ihn von dem Aufruhr trennte. Sollte er Mr. Trenton helfen? Dann hörte er den Mann laut aufschreien und fluchen. Das reichte ihm als Bestätigung. Mr. Trenton wusste sich bestimmt selbst zu helfen, sonst würde er ja nach ihm rufen.

David ließ sich zurück in den Sessel sinken und beschloss, einfach zu warten. Entschlossen blätterte er in einer alten Zeitschrift, doch dann hörte er ein lautes „Au!“, und sofort hob er wieder den Kopf und lauschte weiter dem gedämpften Kampfgetümmel.

„Beiß mich nicht, du kleiner Teufel! Benimm dich, und komm hierher!“ Dann bekam der Tonfall etwas Flehendes. „Ja, so ist es besser. Genau, das ist lieb. Komm zu Mr. Trenton. Niemand will dir weh … Au! Was fällt dir ein, du kleines … Ich sollte dich wirklich … au!“

David blickte auf die geschlossene Tür und fragte sich, wieso er überhaupt noch hier saß. Die Erbschaft war noch eine Woche gültig. „Genau“, sagte er zu sich selbst, „jetzt reicht’s. Auf Wiedersehen.“ Er legte die Zeitschrift weg und stand auf.

Aber ein wütendes Jaulen ließ ihn wieder auf den Sessel zurückfallen, und er umklammerte die Armlehnen. Es folgte völlige Stille, und die fast noch unheimlicher als der Lärm zuvor. Angestrengt lauschte David, und dann hörte er den Kampf wieder aufflammen. Laute Warnungen, Drohungen, Schritte, Kratzen und Schlagen. War da nicht auch ein Knurren? Was immer es war, es wurde lauter, als wolle es zu David ins Zimmer. Sein Herz schlug schneller. Dann verstummte es. Das Getöse und nicht Davids Herz. Oder doch sein Herz? Prüfend legte er sich eine Hand auf die Brust und stellte beruhigt fest, dass sein Herz noch schlug. Und solange es das tat, wollte er die Gelegenheit lieber nutzen und von hier verschwinden.

Gerade als er sich wieder erhob, öffnete sich die Tür, und der Anwalt kam herein. Damit war es zu spät zur Flucht. Bei Mr. Trentons Anblick sprang David fast aus dem Sessel. „Was ist denn mit Ihnen geschehen? Und was ist das da in dem Käfig? Wieso knurrt es so?“

„Weil es nicht in dem Käfig sein will, Mr. Sullivan. Machen Sie bitte den Weg frei, ich flehe Sie an.“

Da ließ David sich nicht lange bitten. Mit zwei riesigen Schritten trat er zur Seite und stellte sich vorsichtshalber hinter den Sessel. Mit beiden Händen hielt er sich an der Rückenlehne fest und betrachtete den kleinen dicken Anwalt, der sich unbeholfen näherte. Der Mann war ganz damit beschäftigt, die Transportbox mit dem Tier im Auge zu behalten. Mit beiden verbundenen Händen hielt er die Box fest.

Wieso waren die Hände überhaupt verbunden? David wusste, dass er dem Anwalt zur Begrüßung die Hand geschüttelt hatte, und da hatte er keinen Verband bemerkt. Und der Mann war auch nicht so bleich vor Angst gewesen. Kein gutes Zeichen, dachte David. Und als Mr. Trenton sich seinem Schreibtisch näherte und dabei wie ein Mann wirkte, der eine scharfe Bombe trägt, blickte David flüchtig in die Box.

Das kleine jaulende und sich wild hin und her werfende Tier blieb einen Moment still und erwiderte Davids Blick aus funkelnden Augen. Dann sprang es gegen den Maschendraht in der Tür der Box, die zum Glück dem Ansturm stand hielt.

„Ist das ein Dachs, Mr. Trenton?“, fragte David. So sieht es jedenfalls aus.“

„Sir, ich versichere Ihnen, dass es kein Dachs ist. So ein Glück ist uns leider nicht beschieden.“ Mit hochrotem Kopf stand der Anwalt da und atmete angestrengt. Entschlossen stellte er die Transportbox auf den Schreibtisch und trat sofort einen Schritt zurück.

David wirkte nicht beruhigt. „Wieso ist er so aufgebracht? Was haben Sie dem Tier denn angetan?“

Der Mann fuhr zu David herum und hob seine verbundene Hand. „Sehen Sie mich an, Mr. Sullivan. Ich bin hier derjenige, der verletzt wurde. Und da fragen Sie mich, was ich dem Tier angetan habe? Hier in dem Käfig steckt ein Hund. Ein sehr verzogener und boshafter kleiner Hund, um genau zu sein. Aber – und Sie können sich gar nicht vorstellen, wie glücklich ich darüber bin – es ist jetzt Ihr sehr verzogener und boshafter kleiner Hund, Mr. Sullivan.“

Die offensichtliche Schadenfreude des Mannes regte David auf und überraschte ihn zugleich. Er hob den Kopf. „Ich weiß nicht, ob mir Ihre Einstellung gefällt, Mr. Trenton.“

Der Mann blickte ihn aus großen Augen an. Seine Lippen zuckten. „Wenn ich den Respekt für meine frühere alte Freundin mal außer Acht lasse, dann kann ich Ihnen nur versichern, dass es mich einen Dreck interessiert, was Sie von meiner Einstellung halten.“

David stand noch mit offenem Mund da und wunderte sich über diese Entgleisung des Anwalts, da fing der Mann doch tatsächlich zu weinen an. Er weinte dicke Tränen, und David kämpfte gegen den übermächtigen Wunsch an, sich auf der Stelle umzudrehen und wegzulaufen. Er wusste nicht, was er tun oder sagen sollte. Musste er jetzt einen Nervenarzt rufen?

Doch da beruhigte Mr. Trenton sich wieder etwas. Er riss sich zusammen und zog ein Taschentuch hervor. Mit zitternden Händen schob er die Brille hoch und rieb sich die Augen. „Ich muss mich entschuldigen, Mr. Sullivan. Seien Sie versichert, dass ich normalerweise meinen Klienten gegenüber nicht unhöflich bin. Aber mit diesem Hund bin ich buchstäblich durch die Hölle gegangen.“

„Das sieht man deutlich“, gab David zu.

Durch diese Antwort ermutigt nickte Mr. Trenton und steckte das Taschentuch wieder weg. „Aber dass Sie heute hierher gekommen sind, zeigt mir, dass meine Pechsträhne ein Ende hat. Es gibt also tatsächlich eine höhere Gerechtigkeit, die denen gegenüber milde gestimmt ist, welche sich der Rechtsprechung verschrieben haben.“

Stirnrunzelnd versuchte David, sich auf die verworrenen Äußerungen des Rechtsanwalts einen Reim zu machen. Dann beschloss er, nicht weiter über höhere Gerechtigkeit, die Hölle und Mr. Trentons Tränen nachzudenken, sondern wandte sich dem Tier in der Box zu. „Sie sagen mir also, dass dies hier ab jetzt mein Hund ist, ja? Das muss doch ein Scherz sein, stimmt’s?“

Drohend hob der Anwalt die Augenbrauen. „Sehe ich aus, als würde ich scherzen, Mr. Sullivan? Aber sehen Sie ruhig genau hin.“ Er deutete auf die Box. „Machen Sie nur. Ich warne Sie jedoch.“

Mittlerweile mochte David den Mann immer weniger. Er blickte zu der Box und schluckte. Komm schon, sagte er sich. Du hast doch Football gespielt und bist kein Feigling. Er atmete tief durch, ging zu dem Schreibtisch und hob die Transportbox auf Augenhöhe. Drinnen saß tatsächlich ein struppiger und wild kläffender …

„Ein Hund. Wirklich und wahrhaftig, ein Hund.“ David sah zu Mr. Sullivan. „Ich kann mir keinen Hund halten. Ich weiß gar nichts über Hunde und habe noch nie …“ Ohne den Satz zu beenden, stellte David die Box wieder auf den Schreibtisch. „Nein, auf keinen Fall“, sagte er entschlossen. Er ging zu dem Garderobenständer, nahm sich seinen Regenmantel und drehte sich dem fassungslosen Anwalt zu. „Tut mir leid, Mr. Trenton, aber bei mir sind Sie an der falschen Adresse. Hier muss jemand einen gewaltigen Fehler gemacht haben. Für einen Hund habe ich keinen Platz. Weder in meinem Apartment noch in meinem Leben. Wie ich Ihnen schon am Telefon sagte, muss ich meinen Flug erreichen, und zwar in …“, er sah auf seine Armbanduhr, „… in nicht einmal drei Stunden. Ich bin schon jetzt zu spät ran, also entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss los.“

„Sie fahren? Und was ist mit dem Geld, Mr. Sullivan? Ohne Hund kein Geld. Das ist die Bedingung des Testaments.“

„Sie lügen.“ David hatte es ausgesprochen, bevor er darüber nachdenken konnte.

Empört straffte Mr. Trenton die Schultern. „So etwas käme mir nie in den Sinn. Das werden Sie einsehen, wenn Sie die Papiere unterschreiben. Aber um das zu tun, müssen Sie den Hund an sich nehmen und ihn behalten. Sie dürfen ihn nicht verschenken oder verkaufen. Es ist Ihr Hund, und ich werde diesen … Teufel keinen Tag länger behalten. Zwei Wochen sind mehr als genug.“ Seine Stimme erstarb in einem Schluchzen. „Sehen Sie mich doch an, Sir, und haben Sie Mitleid. Ich will auch heute Nachmittag für einen Monat in Urlaub gehen. Die Erholung habe ich mir wirklich verdient.“ Auf einmal blickte Mr. Trenton David prüfend an. „Wissen Sie überhaupt, was ich mit Erholung meine?“

David betrachtete den aufgebrachten, nervlich zerrütteten Mann. „Ich kann es mir wirklich denken, Mr. Trenton. Nach allem, was Sie gesagt haben. Und das Geld hätte ich schon gern. Aber den Hund … das geht einfach nicht. Kann ich ihn nicht irgendwo in Pflege geben? Mitfliegen kann er jedenfalls nicht.“

„Nein“, Sie müssen ihn behalten, und Sie werden ihn jetzt mitnehmen. Sofort. Ohne diesen Hund verlassen Sie nicht meine Kanzlei, Mr. Sullivan. Miss Stanfields Testament …“

„… kann genauso gut die böse List einer fremden Staatsmacht sein“, beendete David den Satz für ihn. „Ich unterschreibe die Papiere, aber …“, David deutete auf die Box, „Dieser Hund wird heute Abend nicht mit mir diesen Raum verlassen. Ich warne Sie, Sir, bleiben Sie stehen.“

Doch Mr. Trenton kam immer weiter auf David zu, als wolle er ihn angreifen. Unwillkürlich umklammerte David seinen zusammengeklappten Regenschirm wie ein Schwert und hob ihn mit der Spitze nach vorn, sodass Regentropfen auf den teuren Teppich fielen.

Eine Sekunde zu spät blieb Mr. Trenton stehen, und David bedauerte es sofort, dass die Schirmspitze den dicken Anwalt in den Bauch piekte. Voller Genugtuung hob Mr. Trenton wieder den Kopf. „Sie haben mich körperlich angegriffen, Mr. Sullivan. Und dadurch haben Sie mir große Schmerzen und Qualen bereitet. Im Grunde sprechen wir hier von Körperverletzung, die für Sie noch sehr unangenehme Folgen nach sich ziehen kann. Es sei denn …“

„Na gut. Du bist also ein Hund, ja?“ David kam sich ziemlich dumm dabei vor, den verdächtig stillen Bewohner der Transportbox zu befragen. Die Box stand auf dem Beifahrersitz seines Autos, und draußen wurde es allmählich dunkel. Dicke Wolken zogen über den Himmel, und die Scheibenwischer bewegten sich unablässig, während David nach Washington fuhr.

Das haarige Geschöpf zeigte keinerlei Reaktion, und David sah wieder auf die Straße. Er hatte unzählige Papiere für dieses Tier in Mr. Trentons Büro unterzeichnen müssen. „Sieh mal, ich freue mich über die ganze Sache genauso wenig wie du. Ich konnte wählen. Entweder ich behalte dich bis ans Ende deiner Tage und bekomme auch das ganze Geld, oder ich habe eine Klage am Hals. Also pass auf: In Reston fahre ich raus. Das liegt sowieso auf dem Weg zum Flugplatz. Dort werde ich versuchen, einen Platz zu finden, wo du zur Pflege unterkommen kannst. Bei meiner Rückkehr … da … werde ich dich behalten. Aber du wirst nicht bei mir wohnen. Vielleicht bezahle ich jemanden dafür, dass er sich um dich kümmert.“

Bei dem Gedanken musste er lachen. „Vielleicht auch nicht. Die armen Leute haben ja keine Ahnung, worauf sie sich einlassen. Ich weiß also nicht, was ich mit dir anfangen soll. Hast du irgendwelche Ideen?“ Wieder sah David zu der Transportbox. Hinter dem Drahtgeflecht sah er die dunklen Augen blitzen, und es kostete ihn Überwindung, sich nicht wie ein Schuft zu fühlen. Schließlich war das alles nicht seine Schuld. Kopfschüttelnd blickte er zurück auf die Straße. „Vergiss es. Diese Show zieht bei mir nicht. Du bist kein süßes kleines Hundchen.“ In erster Linie wollte er sich selbst daran erinnern.

„Ich habe dich nämlich in Aktion erlebt. Du hast Mr. Trentons Büro verwüstet wie das Monster Godzilla, das Tokio niedertrampelt. Glaub also nicht, dass du mir mit diesem Blick aus großen dunklen Augen ein schlechtes Gewissen machen kannst.“ Wieder blickte er zu dem Käfig und in diese großen schimmernden Augen. Bei großen braunen Augen war er schon immer schwach geworden. „Nimm es nicht persönlich, Kumpel. Es liegt nur daran, dass ich sehr oft Überstunden mache. Und bald stehen mir die ganzen Steuererklärungen bevor. Außerdem verabrede ich mich auch oft, und ich verreise auch. Ich bin ein Single und nur sehr selten zu Hause. Da fehlt mir einfach die Zeit und die Geduld für ein Haustier. Ein Hund wie du will doch ständig ausgeführt, gefüttert und umsorgt werden. Das ist nichts für mich, verstehst du?“

Keine Antwort. Schweigend fuhren sie weiter, bis David herausplatzte: „Habe ich schon erwähnt, dass ich in einem Hochhaus lebe, wo Haustiere nicht erlaubt sind? Siehst du? Ich kann dich gar nicht zu mir nehmen. Mir ist ja klar, dass dein Frauchen gestorben ist, und bestimmt bist du traurig. Das tut mir auch schrecklich Leid. Aber was würdest du denn davon halten, den ganzen Tag allein in einem leeren Apartment zu verbringen? Was du brauchst, ist ein großer Garten mit Kindern.“ Er musste an den verzweifelten Mr. Trenton denken. „Vielleicht doch lieber ohne Kinder, aber mit irgendjemandem, der sich um dich kümmert. Allerdings ohne mich.“

In Reston fuhr David ab und sah etwas, das ihm wie ein Zeichen des Himmels vorkam: das Leuchtschild einer Tierarztpraxis und Tierpension. „Das Leben ist doch schön“, sagte er leise zu sich selbst und las: „Wright Choice Clinic“ Was konnte er sich mehr wünschen? Entschlossen seufzte er auf und beugte sich zu dem Drahtgeflecht, um dem Hund die Neuigkeit mitzuteilen. Als Begrüßung klopfte das Tier mit dem Schwanz auf den Käfigboden und winselte herzerweichend. Die kleine rosafarbene Zunge stieß gegen das kalte Metal des Geflechts, und sofort schwand Davids Entschlossenheit. Wieso musste das Tier auch so niedlich sein? Innerlich fand er sich bereits damit ab, verloren zu haben, während er sich aufrichtete und das Lenkrad fester umklammerte.

„Na wunderbar“, murmelte er. „Genau das hat mir noch gefehlt – ein Hund.“

2. KAPITEL

David hielt vor der Tierpraxis. Durch die verglaste Eingangstür schimmerte Licht. Also war noch jemand dort. Er legte den Sicherheitsgurt ab, hob die Transportbox vom Beifahrersitz auf den Schoß und öffnete die Tür. „Auf geht’s, Kumpel. Es ist Zeit, dass wir ein bisschen nass werden.“

Im Laufschritt hastete David zur Praxis und stellte sich unter das Dach, das die schmale Veranda überragte. Genau in diesem Moment sah er durch die Scheibe der Eingangstür, wie eine schlanke dunkelhaarige Frau im weißen Kittel die Tür von innen abschloss. Dabei sah sie gar nicht hin, und so bemerkte sie David auch nicht, während sie das Licht auf der Veranda ausmachte.

Im Dunkeln und im Regen stehen gelassen werden, das gefiel David überhaupt nicht. Er klopfte an die Scheibe. „Hallo! Einen Moment noch, Madam. Hallo!“

Die Frau drehte sich so heftig um, dass ihr langes dunkles Haar flog. Überrascht riss sie die großen dunklen Augen auf, und David bemerkte, wie lang ihre Wimpern waren. Ihr ganzes Gesicht sah traumhaft aus. Unwillkürlich ballte er die Fäuste und stöhnte leise auf. Große dunkle Augen, davon hatte er wirklich genug.

Hastig öffnete die Frau die Tür wieder und trat einen Schritt zur Seite, um den durchweichten David eintreten zu lassen.

Hinter ihm machte sie die Tür wieder zu, damit der Wind und der Regenschauer draußen blieben. Dann sah sie David in die Augen. „Das tut mir wirklich leid. Ich habe Sie nicht gesehen. Rodney hat irgendetwas gesagt und …“

„Geh weg. Zeit fürs Essen.“

Die Frau holte tief Luft, und David, der sich gerade durch das klitschnasse Haar fuhr und dabei die Frau anerkennend musterte, fuhr beim Klang der rauen und auf keinen Fall menschlichen Stimme zusammen. Er drehte sich um und sah den größten weißen aufgeplusterten Vogel, der ihm jemals zu Gesicht gekommen war. Das Tier war über einen halben Meter groß und hockte auf einem Holzständer in einer Ecke des Wartezimmers.

Ungerührt erwiderte der Vogel seinen durchdringenden Blick und krächzte: „Anstarren ist unhöflich, mein Freund.“

David blinzelte verwirrt und wandte sich wieder der dunkelhaarigen Schönheit zu, die jetzt eher verlegen wirkte, und deutete auf den Vogel. „Das ist Rodney, ja?“

Sie nickte und wirkte noch bezaubernder, als sie entschuldigend lächelte. „Ja, das ist Rodney.“ Dann sah sie David wortlos an, als sei er ein seit langem verschollener Freund von ihr. Oder ein ehemaliger Liebhaber. Die Luft zwischen war plötzlich elektrisch aufgeladen.

Wie gebannt erwiderte David ihren Blick. Erst jetzt fiel ihm auf, dass ihre Augen gar nicht braun waren, sondern dunkelblau. Und sie glänzten ebenso stark wie ihr seidiges dunkelbraunes Haar. Aber letztendlich war es ihr Mund, der …

„Oh, tut mir leid. Ich … starre, ja?“ Mit einem mal wurde sie sehr sachlich, und dadurch verriet sie sich. Bildete David es sich nur ein, oder war sie von ihm genauso fasziniert wie er von ihr? „Ich wollte gerade schließen“, sagte sie. „Aber wenn es ein Notfall ist, dann …“

„Das ist es.“ David trat näher und riss sich aus seinen Träumereien.

„Wirklich?“, wiederholte sie und griff nach der Transportbox. Anscheinend wollte sie sofort ihren Pflichten nachkommen.

„Na schön, nicht direkt“, gestand David ein und hielt die Box außerhalb ihrer Reichweite. Die Frau verharrte mitten in der Bewegung, steckte die Hände in die Kitteltaschen und hob fragend die Augenbrauen. David musste wohl oder übel einen Rückzieher machen. „Also kein normaler Wald-und-Wiesen-Notfall, wie er Ihnen sicher täglich begegnet. Eher ein Notfall im Sinne von völliger Verzweiflung.“

„Verstehe.“ Sie schwieg, und als David nicht weitersprach, sagte sie: „Reden Sie weiter.“

Was ist denn los mit mir? dachte er. Normalerweise war er Frauen gegenüber nicht um Worte verlegen. Lag seine Unsicherheit an der Schönheit dieser Frau Doktor? War sie überhaupt die Tierärztin? David musterte sie von Kopf bis Fuß. „Sie sind doch Dr. Emily Wright, oder?“

„Ja, natürlich. Entschuldigen Sie, ich hätte mich gleich vorstellen sollen.“ Aber dann sah sie wieder auf die Uhr und seufzte. David merkte deutlich, dass sie gern wegwollte. „Also, wie kann ich Ihnen helfen?“

„Zum einen, indem Sie mich nicht rauswerfen.“ Hoffnungsvoll lächelte er sie an. „Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Sie mich noch hereingelassen haben, obwohl ich keinen Termin habe. Das heißt, eigentlich hat er hier keinen Termin. Das wollte ich sagen.“ Hoffentlich war Dr. Wright nicht nur schön, sondern auch genauso nett und verständnisvoll. „Bitte“, fügte er sicherheitshalber hinzu. „Ich bin wirklich verzweifelt.“

„Ja, das sagten Sie bereits.“ Dann blickte sie stirnrunzelnd zu der Transportbox und wieder zu David. „Ich will ja nicht unhöflich sein, aber was hat denn nun Ihr Hund?“

Völlig aus dem Konzept gebracht, platzte David heraus: „Was für ein Hund? Ich habe gar keinen Hund.“

Emily straffte die Schultern und ballte die Hände in ihren Kitteltaschen zu Fäusten. Das hier war ein sehr gut aussehender Mann. Und er war verrückt. Anscheinend landete sie immer wieder bei solchen Männern. „Wie bitte?“, fragte sie ungläubig nach.

Der große dunkelhaarige Fremde zuckte mit den Schultern und errötete leicht. „Also, natürlich habe ich offensichtlich einen Hund, schließlich ist er ja hier. Ich meine nur, dass es nicht mein Hund ist.“

„Ich verstehe.“ Doch das stimmte nicht. Als der Mann keine weiteren Erklärungen gab, fragte Emily: „Gehört er Ihrer Mutter? Einem Freund oder Nachbarn?“ Dann fügte sie noch hinzu, obwohl sie die Antwort bereits unterbewusst ahnte: „Oder Ihrer Frau?“

„Meiner Frau? Nein, nichts von allem.“

„Gut.“ Aus ihrer Stimme klang Zufriedenheit, und sofort wurde sie auch verlegen und lief so rot an wie der Mann. „Tja, das heißt, gut für Sie … Ich meine, sagen Sie mir doch einfach, was Sie von mir möchten.“

Der Mann sah sie nur an. Langsam hob er die Augenbrauen, und beschämt ging Emily in Gedanken ihre letzten Worte durch. „Sagen Sie mir doch einfach, was Sie von mir möchten.“ Na, wunderbar, das klang ja wie eine direkte Einladung. Zugegeben, das halbe Jahr, seit sie sich von Jeff getrennt hatte, kam ihr mittlerweile wie eine Ewigkeit vor, aber wieso musste sie ausgerechnet in diesem Moment bemerken, wie sehr sie einen Mann vermisste?

Schließlich ersparte der Mann, von dessen Regenmantel es immer noch auf den Boden tropfte, ihr weitere Peinlichkeiten.

„Was ich von Ihnen möchte? In erster Linie eine Unterkunft für meinen Hund. Für ungefähr eine Woche.“

Erleichtert hörte Emily die unverbindliche Antwort, doch dann wurde ihr bewusst, was er gesagt hatte. „Der Hund soll hier in der Tierpension bleiben? Das geht leider nicht. Ich habe keinen freien Platz mehr. Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen nicht …“

Der Mann griff nach ihrem Arm, und damit überraschte er Emily, aber sie fand es nicht unangenehm. „Bitte. Ich muss mein Flugzeug bekommen und kann den Hund nicht mitnehmen. Ich bin verzweifelt, Dr. Wright. Und ich zahle Ihnen, was immer Sie auch verlangen.“

„Es geht mir nicht ums Geld“, versicherte sie ihm und blickte zu seiner Hand auf ihrem Unterarm. Der Griff seiner langen kräftigen Finger war warm und irgendwie beruhigend. Als Emily ihm wieder in die grauen Augen blickte, setzte ihr Herz einen Schlag lang aus. Sie holte tief Luft und sprach hastig weiter: „Das Problem sind Ihre grauen Augen.“ Erschrocken hielt sie den Atem an. „Nein, die grauen Käfige.“ Verzweifelt schluckte sie. „Ich meine, die sind voll. Die Käfige. Sie sind belegt und nicht grau. In allen Käfigen sind Hunde drin.“

Vor Verlegenheit war sie den Tränen nahe. Es half ihr auch nicht, dass er ihr beruhigend über den Arm strich.

„Schon in Ordnung. Wenn Sie ausgebucht sind, kann man nichts machen.“

Emily hätte sich am liebsten in irgendeinem Erdloch verkrochen.

Aber sein Gesichtsausdruck hielt sie gefangen. Aus seinem Blick sprach ganz deutlich Enttäuschung, und langsam stellte er die Transportbox ab. Dann sagte er leise, als würde er nur laut denken: „Prima. Und was mache ich jetzt? Ich werde meinen Flug nach Hause verpassen. Da sitze ich wirklich in der Tinte.“

Emily wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte es auf die freundliche und mitfühlende Art: „Ihren Flug nach Hause? Sagen Sie jetzt bloß nicht, es gab einen Notfall in Ihrer Familie, denn dann würde ich mich noch schlechter fühlen.“

Der Mann wirkte wieder hoffnungsvoller, und seine Augen blitzten auf. „Dann fangen Sie schon mal damit an, denn es ist wirklich ein familiärer Notfall. Und zwar einer der schlimmsten Sorte. Eine Hochzeit, die schon viel zu lange verschoben wurde. Und wenn ich nicht auftauche, wird sie nicht stattfinden.“

„Das klingt entsetzlich.“ Sie räusperte sich. „Natürlich nicht die Hochzeit. Das wollte ich damit nicht sagen.“ Emily sah, wie er ihr ganzes Gesicht betrachtete, und ihr Puls ging schneller. Hier steht ein zukünftiger Ehemann vor dir, dachte sie. Da bringt seit Jahren mal wieder ein Mann dein Herz zum Rasen, und dann ist er auf dem Weg nach Hause zu seiner Liebsten. Typisch. „Ich sprach natürlich von dem Verschieben der Hochzeit“, fügte sie hinzu, als das Schweigen zwischen ihnen sich immer länger ausdehnte.

Der Mann wurde aus seinen Gedanken gerissen. „Ja, danke.“ Dann wechselte er unvermittelt das Thema. „Gönnen Sie mir einen Moment zum Nachdenken, was ich jetzt tun soll. Und wenn Sie mich dafür nicht wieder in den Regen hinausschicken, wäre ich Ihnen sehr dankbar.“

„Bleiben Sie“, bot Emily ihm sofort an. „Lassen Sie sich Zeit.“

Lächelnd bedankte er sich mit einem Nicken. Dann rieb er sich das Kinn und wandte ihr den Rücken zu, während er hinaus in die stürmische Nacht sah.

Emily stand einfach da und glaubte, innerlich zu schmelzen. Sie bewunderte seine breiten Schultern und stellte fest, dass sie sich ausmalte, wie er wohl ohne Kleidung aussehen mochte. Hör auf, den Kerl anzuschmachten, ermahnte sie sich. Und benimm dich wie ein zivilisierter Mensch. „Eine Hochzeit? Das klingt romantisch.“

Als Antwort lachte er kurz auf und sagte, ohne sich umzudrehen: „Romantisch? Bestimmt nicht unter diesen Umständen.“

„Nein, wahrscheinlich nicht.“ Dann kam Emily eine Idee, wie sie ihn wieder sehen konnte, ob er nun verheiratet war oder nicht. „Wenn Sie wollen, kann ich andere Tierpensionen anrufen und nachfragen, ob irgendwo ein freier Platz ist.“

Der Mann fuhr zu ihr herum und lächelte so dankbar, dass Emily die Knie weich wurden. Er öffnete den Mund und wollte gerade etwas sagen, als Rodney krächzte: „Ich wusste, du gibst nach. Schwächling!“

Emily wurde blass, während sie dem Mann, der genauso verblüfft war wie sie, in die Augen sah. „Rodney meint natürlich mich, da bin ich ganz sicher. Nicht Sie. Schließlich bin ich es, die angeboten hat, Ihnen … Ach, das ist ja auch egal.“ Mit einer Hand fuhr sie sich über die Augen. Danach sah sie wieder zu ihrem Besucher, der jetzt belustigt wirkte. „Ich gehe schnell und rufe die anderen Tierpensionen an.“

Leise lachend sagte er: „Danke. Sie sind wirklich sehr freundlich.“

„Ja, nicht wahr?“ Doch bei diesen Worten wandte sie sich bereits ab und wandte sich dem Wartezimmer zu, das vom Schreibtisch ihrer Assistentin fast ausgefüllt wurde. Als sie an Rodney vorbeikam, warf sie ihm einen eiskalten Blick zu, bei dem er vorsichtshalber ans Ende der Stange auf seinem Ständer rutschte und drohte: „Pass auf, ich bin bewaffnet.“

Emily verdrehte die Augen. Das fehlte ihr wirklich noch zu ihrem Glück. Ein geschwätziger Kakadu mit dem IQ eines altklugen Zehnjährigen. Danke, Großvater, dachte sie, das sieht dir ähnlich. Bestimmt hast du einen Weg gefunden, dass deine Seele nach deinem Tod in diesen Vogel schlüpft, damit du mich weiter unter Kontrolle hast.

Sie sah die Adressliste auf dem Schreibtisch durch und griff nach dem Telefon. Dann blickte sie hoch. „Ich muss erst etwas … Sie haben mich erschreckt.“

Der Mann stand direkt vor ihr und stellte die Box auf den Empfangstresen. „Was müssen Sie erst?“, hakte er nach, damit sie den Satz beendete.

„Informationen einholen“, platzte sie heraus. „Über den Hund. Damit wir, falls wir beide zusammen Glück haben …“, wieder lief sie rot an, „… und eine Pension finden, die Ihren Hund aufnimmt, die richtigen Antworten geben können, die diese Leute für den Aufenthalt des Hunds brauchen.“

Anscheinend hatte der Mann ihren kleinen Versprecher nicht mitgekommen, denn er runzelte die Stirn. „Was denn für Informationen?“

Emily rang sich ein Lächeln ab. „Nichts Schlimmes. Zum Beispiel das Alter des Hundes.“

„Sein Alter?“ Er hob die breiten Schultern. „Da bin ich nicht sicher. Ich …“

„Oh, das macht nichts“, versicherte Emily ihm. „Es reicht zu wissen, ob es sich um ein Jungtier oder einen richtig alten Hund handelt.“ Sie blickte in die Box. „Nein, weder noch. Gut.“ Dann wandte sie sich wieder dem Prachtkerl vor sich zu und hörte sich selbst sagen: „Und wie steht’s mit dem Geschlecht?“

Entgeistert erwiderte der Mann ihren Blick. „Wie bitte?“

Am liebsten wäre es Emily gewesen, auf der Stelle vom Blitz getroffen und in ein Häufchen Asche verwandelt zu werden. „Sein Geschlecht. Ich meinte sein … Moment bitte. Mal sehen. Seines, genau. Das sagten Sie ja auch schon, und ich auch.“ Sie stieß die Luft aus. „Also, ein männliches Tier. Welche Rasse?“

David sah in die Transportbox. „Ein Mischling, denke ich.“

„Ein Mischling“, wiederholte Emily, als sei es ein Passwort, um in eine andere Galaxis zu gelangen. „Na schön. Wissen Sie denn etwas über seine Impfungen, Fressgewohnheiten oder den allgemeinen Gesundheitszustand? Wie lautet denn die Steuernummer des Tiers?“

„Keine Ahnung. Ein Hund mit einer Steuernummer?“ Er sah aus, als würde er durch Emily hindurchblicken.

Sie nickte. „Ja. Das Tier ist doch gemeldet, oder nicht? Er muss doch geimpft worden sein. Ich kann ihn in keiner Tierpension unterbringen, wenn er nicht …“

Anscheinend wusste dieser Mann überhaupt nichts über den Hund. Jetzt blickte er auch noch in die Box, als wolle er sich überprüfen, ob der Hund eine Hundemarke am Halsband hatte. Als er dann auf seine Armbanduhr blickte, klingelten in Emilys Kopf sämtliche Alarmglocken. Etwas verspätet, wie sie fand. Was ging hier eigentlich vor? War ihr wegen seines guten Aussehens vielleicht etwas entgangen? War er gefährlich?

Mit einemmal fühlte sie sich sehr einsam mit ihm allein in einem Raum, und sie war froh, wenigstens den Holztresen und den Schreibtisch zwischen sich und ihm zu haben. Wenn es nötig war, konnte sie wenigstens … ja, was eigentlich? Rodney um Hilfe rufen? Sich zu den anderen Hunden in dem Käfigtrakt flüchten? Und dann? Sollte sie dem Mann sein eigenes Tier in der Box entgegenschleudern? Nein, er hatte ja bereits gesagt, es sei nicht sein Hund. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er nie erwähnt hatte, wem der Hund eigentlich gehörte.

Angst überkam sie. Am besten fand sie rasch eine Tierpension mit einem freien Platz und schickte den Mann fort. Wieso hatte sie ihn überhaupt noch so spät hereingelassen, obwohl sie ganz allein war? Hatte sie nicht ihre eigene Assistentin Karen oft davor gewarnt, so etwas zu tun? Schließlich konnten Geisteskranke und Verbrecher auch gut aussehen und gute Kleidung tragen.

„Stimmt etwas nicht?“ Der Mann runzelte die Stirn. „Ich wäre Ihnen wirklich gern behilflich, aber ich habe es sehr eilig. Falls Sie nicht wollen …“

„Oh doch, das will ich“, entgegnete Emily und lächelte, um ihn nicht erkennen zu lassen, dass sie ihn allmählich durchschaute. „Lassen Sie mich nur schnell telefonieren.“

„Vielen Dank.“

Höflich ist er ja, dachte Emily. Das alles machte sie immer neugieriger. Am liebsten hätte sie ihn direkt gefragt, wem dieser Hund denn nun gehörte. Doch stattdessen stellte sie nur fest: „Aber seinen Namen werden Sie doch wissen, oder?“ Sie brachte ein Lächeln und ein leises Lachen zu Stande und platzte dann mit ihrer Vermutung ganz offen heraus: „Oder haben Sie ihn gestohlen?“

Verwundert sah der Mann sie an. „Nein, natürlich nicht. Er heißt … Godzilla.“

Einen Moment blickte sie ihn nur fassungslos an. „Wie bitte?“, fragte sie dann.

Er nickte und wirkte plötzlich sehr mit sich zufrieden. „Der Hund heißt Godzilla.“

Ganz mechanisch nickte sie, ohne es zu wollen. „Godzilla? Wie dieses Monster aus den japanischen Filmen?“ Sie beugte sich über den Tresen und blickte erst in die Transportbox, dann in das Gesicht des Mannes. „Dieser winzige Hund heißt Godzilla?“

„Genau.“

„Und warum?“

„Versuchen Sie doch mal, ihn aus der Box zu holen.“

Sie sah ihn ungläubig an. Anscheinend meinte er es vollkommen ernst. Dieser Mann, wie immer er auch heißen mochte, schob jetzt den Ärmel zurück und sah wieder auf seine Uhr. Dann blickte er fast flehend zu Emily, um sie zur Eile zu drängen. Und Emily hatte auch fest vor, sich zu beeilen. Sie wollte im „Reston“, einer Tierpension anrufen. Übertrieben hastig suchte sie in ihrem Karteikasten herum.

Dadurch verursachte sie einen solchen Luftzug, dass ein ausgedrucktes Fax auf den Boden segelte. Entnervt bückte Emily sich, um das Blatt aufzuheben, als ihr die Titelzeile ins Auge fiel. Sie erstarrte.

Hundeentführer! Karen hatte erwähnt, dass dieses Fax von der Polizei gekommen war. Sie warnten die Tierärzte der gesamten Umgebung und baten alle zur Mitarbeit. Emilys Assistentin hatte gesagt, dass die Haustiere von reichen Leuten direkt aus den Häusern und Gärten geraubt, bei ahnungslosen Tierärzten untergebracht und erst gegen Zahlung eines Lösegelds zurückgebracht wurden. Wenn die Besitzer nicht zahlten, holten die Entführer die Hunde wieder ab und …

Nein! Schlagartig erkannte Emily, dass sie genau so einen Mann hier vor sich hatte. Unauffällig warf sie ihm aus dem Augenwinkel einen Blick zu. Wie hatte sie diesen Mistkerl für attraktiv halten können? Mit einem Finger fuhr er über das Drahtgeflecht an der Transportbox. Sehr leise sprach er mit dem eingesperrten Tier, das daraufhin leise winselte. Kein Zweifel, dachte Emily, der Hund hat panische Angst.

Wir werden sehen, dachte sie. Dieses Hündchen werden Sie nicht bekommen, Mister. Emily hockte sich hinter den Tresen außerhalb des Blickfelds des Mannes und flötete: „Oh, ich dummes Ding. Was habe ich hier nur alles fallen lassen? Einen Moment bitte.“ Dort hockte sie und zog die Knie bis an die Brust an, während sie fieberhaft über einen Plan nachdachte. Sie musste Godzilla retten. Was für ein blöder Name, den er sich ausgedacht hatte! Schon da hätte sie stutzig werden müssen. Was sollte sie jetzt also tun? Auf keinen Fall durfte sie ihn aufregen. Er sollte keinen Verdacht schöpfen. Wenn er ihr etwas antat, konnte sie dem Tier auch nicht helfen. Emily unterdrückte einen Angstseufzer, indem sie sich die Fingerknöchel in den Mund steckte.

Sie musste einen kühlen Kopf bewahren und die Ahnungslose spielen. Wenn sie hier weiter hockte, würde er stutzig werden. Emily hob den Kopf und sah zum Telefon. Sie musste die Polizei alarmieren, doch das konnte sie erst, wenn der Kerl gegangen war. Und den Hund musste er hier lassen.

Gute Idee, dachte Emily. Und wie trenne ich die beiden jetzt voneinander? Ihr Blick fiel auf das Faxgerät. Natürlich, das war brillant! Ganz unvermittelt sprang sie wieder auf, und der Mann zuckte zusammen. „Wissen Sie was? Mir ist gerade eingefallen, dass ich Ihren Hund doch bei mir behalten kann.“

„Jetzt geht’s los.“

„Rodney!“, schrie Emily und drehte sich zu dem Störenfried um. „Noch ein Wort, und ich schicke dich im Pappkarton zurück in den Regenwald.“ Sie wartete, und Rodney neigte den Kopf zur Seite und reckte herausfordernd den Hals. Doch dann schob er den Kopf unter einen Flügel. Erst jetzt drehte Emily sich wieder zu dem gut aussehenden Hundekidnapper um. „Wie gesagt, ich kann Ihren Hund doch aufnehmen.“

Voller Dankbarkeit lächelte er sie an. „Wirklich? Das wäre ganz toll. Danke.“ Doch dann wurde er ernster. „Aber sagten Sie nicht, Sie seien ausgebucht? Hat sich daran etwas verändert, während Sie dort unten gehockt haben?“

Schuldbewusst errötete sie. „Ja, das hat es. Doch das braucht Sie nicht zu bekümmern.“ Schnell griff sie nach einem Schreibblock und einem Formular und schob es mitsamt einem Stift zu dem verabscheuungswürdigen Fremden hinüber. „Hier. Füllen Sie diese Selbstauskunft aus, und dann können Sie abfliegen. Ich kümmere mich um den Rest.“

Und wie ich das werde! beschloss sie. Sie konnte schon die Schlagzeile der nächsten Wochen sehen. Kluge Tierärztin rettet Hund und überführt Hundekidnapper. Bande von Hundedieben verhaftet. Große Parade zu Ehren unserer heldenhaften Tierärztin. Schöne Ärztin von Hundebesitzern mit Geschenken überhäuft. Unsere Heldin, Dr. Emily Wright, heiratet Mel Gibson.

Das alles konnte geschehen. Emily rang lächelnd die Hände, während der Hundekidnapper das Formular ausfüllte, ohne irgendeinen Verdacht zu schöpfen. Als sie sicher war, dass er auf den Trick hereinfiel, plante sie weiter. Der Hund musste so schnell wie möglich von diesem Mann fort. Furchtlos griff sie über den Tresen hinweg nach der Box und zog sie zu sich. „In der Zwischenzeit bringe ich … Godzilla schon mal nach hinten und …“

„Nein, tun Sie das nicht!“ Urplötzlich ließ der Mann den Stift fallen, um nach der Box zu greifen. Er legte die Hand auf Emilys und hielt sie fest, obwohl Emily daran zog.

„Schon gut, ich werde es nicht tun.“ Sie kämpfte gegen ihr wild klopfendes Herz und ihre zitternden Knie an. Sein Griff war eisern, und bestimmt konnte er sie leicht mit einem Ruck über den Tresen ziehen. Emily schluckte und bemühte sich um denselben ruhigen Tonfall, in dem sie immer mit großen aufgeregten Hunden sprach. „Ich lasse ihn genau dort stehen, wo jeder ihn sehen kann. Immer mit der Ruhe. Überhaupt kein Problem.“

Der Mann erwiderte ihren Blick und lockerte den Griff. Da endlich atmete Emily aus, rührte sich jedoch nicht von der Stelle.

„Ich wollte Sie nicht erschrecken. Es ist nur so, dass Godzilla beißt. Er ist leider kein niedlicher und lieber kleiner Hund.“

„Kein Hund ist lieb, wenn er Angst hat.“ Das rutschte ihr einfach so raus, und der vermeintliche Tierdieb sah sie auch sofort skeptisch an. Leider konnte Emily nichts tun, solange der Mann sie nicht los ließ. „Ich verspreche Ihnen, dass ich mit Godzilla sehr vorsichtig sein werde. Schließlich kenne ich mich mit Tieren aus.“ Sie blickte auf ihre Uhr. „Außerdem wird es immer später. Sie wollten doch rechtzeitig zum Flughafen kommen.“

Das gab den Ausschlag. „Sie haben recht.“ Er ließ sie los, blickte selbst auf die Uhr und griff wieder nach Formular und Stift. „Ich fülle hier alles aus. Gehen Sie nur, und bringen Sie das Tier zu den Zwingern. Aber ganz im Ernst, passen Sie auf. Dieser Hund ist boshaft.“

„Das sagten Sie bereits.“ Emily hielt die Transportbox wie ein Baby im Arm. „Keine Sorge, Godzilla wird sich hier wohlfühlen. Ich bin gleich wieder bei Ihnen. Füllen Sir nur alles aus.“

Ihre Stimme verstummte, als sie in der Nierengegend den Türknauf spürte. Mit einer Hand tastete sie hinter sich herum und bekam endlich die Tür auf. Mit Godzilla zusammen drängte sie sich rückwärts in den Bereich der untergebrachten Tiere. Bei ihrem Anblick fingen natürlich alle Hunde erfreut zu bellen an. Es war Zeit fürs Abendessen. Leider konnte Emily sich jetzt nicht um die anderen Tiere kümmern. Sie schlug atemlos die Tür zu und verriegelte sie.

Erst jetzt sank sie kraftlos zu Boden und blickte starr zu den Tieren. Sie hatte es geschafft! Der Hund und sie waren in Sicherheit. So weit, so gut. Leider konnte sie die Polizei nicht anrufen, weil der Apparat auf Karens Schreibtisch stand. Wie oft hatte Karen schon darum gebeten, einen zweiten Apparat hier aufzustellen?

Emily beschloss, das Tier zunächst im Operationsraum gründlich nach Verletzungen zu untersuchen. Sie schloss wieder die Tür hinter sich und stellte die Box auf den OP-Tisch. Dann beugte sie sich vor und versuchte das winselnde Tier zu beruhigen. „Schon gut, Godzilla. Oder wie immer du auch heißt. Alles wird wieder gut. Du musst mir nur vertrauen.“

Damit hob sie den Riegel vor der Drahttür an und öffnete die Box. Der Hund wich zitternd zurück. Dass irgendjemand dieses kleine Tier dermaßen verängstigt hatte, machte Emily rasend vor Wut. Behutsam streckte sie die Hand hinein und nahm den kleinen Hund mit dem drahtigen Fell und den kurzen Beinen auf den Arm. Um den Hals hing ein Halsband aus blauem Leder, das mit falschen Edelsteinen besetzt war. Leider gab es keine Hundemarke, die Rückschlüsse auf den Besitzer zugelassen hätte. Bestimmt hatte der Verbrecher dort draußen die Marke aus genau diesem Grund auch entfernt. Dieser Mistkerl!

„Na, sieh mal einer an.“ Leise redete Emily auf das Tier ein und ließ sich dabei Zeit. Am wichtigsten war jetzt, dass dieses kleine Geschöpf ihr vertraute, bevor sie es untersuchte. Außerdem war es gerade zum Opfer eines Verbrechens geworden und brauchte Trost und Zuspruch. „Was für ein süßer Bursche du bist. Doch wirklich. Du beißt überhaupt nicht, oder? Nein, du bist ein lieber Junge, ein …“ Sie unterbrach sich, als sie das Tier an der Bauchseite befühlte. „Moment mal.“ Vorsichtig und geschickt drehte sie den Hund in ihren Armen um und sah genau nach. „Aber, Godzilla, du bist ja ein Mädchen.“

Das bewies ihr eindeutig, dass der Mann den Hund gestohlen hatte. Dieser Mistkerl dort draußen hatte sich sogar beim Geschlecht des Tiers geirrt. Emily kraulte Godzilla die spitzen Ohren, während sie überlegte, was sie als Nächstes tun sollte. Unter ihrer Hand bewegte sich etwas.

„Oh, nein, das ist nicht wahr! Lass mich raten“, murmelte Emily.

Doch da brauchte sie gar nicht. Sie setzte den Hündin auf den OP-Tisch und befühlte ihr den Bauch. Dann hockte sie sich hin, sodass ihr Kopf sich in Augenhöhe der Hündin befand, und verschränkte seufzend die Arme auf der grauen Fläche des Tischs. Sofort leckte das Hündchen ihr die Nase.

„Es wird dich zwar kaum überraschen, Godzilla, aber ich gratuliere dir recht herzlich. Du wirst Mutter.“

3. KAPITEL

Mehr als nur ein Leben stand hier auf dem Spiel. Jetzt hing alles davon ab, dass Emily sich klug verhielt. Beschützend drückte sie die kleine werdende Hundemutter an sich.

Während sie Godzillas struppiges Fell streichelte, flüsterte sie: „In was für einer Sache steckst du da bloß drin, kleines Mädchen? Bist du entführt worden, weil dein Herrchen und dein Frauchen reich sind?“ Emily seufzte. „Das ist alles so schrecklich. Ich wünschte, du könntest sprechen, meine Süße. Wie die Hunde in den Disney-Filmen. Kennst du ‚101 Dalmatiner‘?“

Wie zur Antwort bellte Godzilla kurz. Emily zuckte zusammen.

„Du hast ja recht. Ich muss mich konzentrieren. Schließlich steht dort draußen ein ungeduldiger Krimineller.“ Sie sah sich in ihrem OP-Raum um und hob den Hund hoch. „Du siehst unverletzt aus. Und ich schätze, du bist hier in Sicherheit, während ich wieder zu ihm gehe und mich um ihn kümmere.“ Emily wurde klar, dass sie redete, als sei sie die mutigste Frau der Welt. „Jetzt klinge ich schon wie Supergirl. Also los, rein in die Box mit dir.“

Mit leisen beruhigenden Worten steckte Emily Godzilla zurück in die Transportbox. Während sie die Drahttür schloss, sagte sie: „Ich st...

Autor

Kate Hardy
Kate Hardy wuchs in einem viktorianischen Haus in Norfolk, England, auf und ist bis heute fest davon überzeugt, dass es darin gespukt hat. Vielleicht ist das der Grund, dass sie am liebsten Liebesromane schreibt, in denen es vor Leidenschaft, Dramatik und Gefahr knistert? Bereits vor ihrem ersten Schultag konnte Kate...
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Victoria Pade ist Autorin zahlreicher zeitgenössischer Romane aber auch historische und Krimi-Geschichten entflossen ihrer Feder. Dabei lief ihre Karriere zunächst gar nicht so gut an. Als sie das College verließ und ihre erste Tochter bekam, machte sie auch die ersten schriftstellerischen Gehversuche, doch es sollte sieben Jahre dauern, bis ihr...
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