Vorsicht, viel zu heiß!

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Lichterloh brennt es zwischen Brooke und dem Feuerwehrmann Zach Thomas. Aber Brooke hat sich geschworen, ungebunden zu bleiben. Ein Vorsatz, den sie nicht aufgeben will. Nicht einmal für den Experten der Brandbekämpfung, der in ihr dieses heiße Feuer entfacht?


  • Erscheinungstag 24.08.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751527392
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Brooke O’Brien war noch nie in Kalifornien gewesen. Als sie jetzt zum ersten Mal die Küste nach Santa Rey hinauffuhr, war sie angenehm überrascht von dieser Gegend.

Santa Rey war eine typische Westküstenstadt, in der spanisch-mexikanische Architektur dominierte, und all das nur wenige Schritte entfernt von dem in der Sonne glitzernden Meer. Es gab Straßencafés, Geschäfte und Kunstgalerien in dem kleinen Ort, und es waren viele Menschen unterwegs. Skateboarder und alte Damen, die sich mit Surfern und lästigen Touristen die Bürgersteige teilten. Wäre Brooke nicht so nervös gewesen, hätte sie sich vielleicht die Zeit genommen, dies alles viel mehr zu genießen.

Stattdessen warf sie einen letzten Blick auf die Wegbeschreibung und fuhr bis zur Feuerwache 34. Brooke parkte und sah sich aus dem Wagen heraus das Gebäude an. Ihr Magen begann wie verrückt zu rumoren.

Hier erwartete sie ihr neuer Job als Rettungsassistentin.

Man sollte meinen, dass dies nach all den Umzügen und Neuanfängen in ihrem Leben nichts Aufregendes für sie war, tatsächlich hatte sie sich nie an den ständigen Wechsel gewöhnen können.

Hinter sich hörte sie den Pazifik rauschen, und die schwüle Juniluft schlug ihr entgegen, als sie aus ihrem Wagen stieg. Was hatte ihre Mutter immer gesagt, wenn sie die Tochter wieder einmal aus der gewohnten Umgebung riss, um einem weiteren Plan zu schnellem Reichtum, einem neuen Freund oder irgendeinem anderen absurden Einfall nachzujagen?

Es wird alles gut. Du wirst schon sehen.

Ihre Mutter hatte sich zwar in vielen Dingen geirrt, aber es war wirklich immer irgendwie gut gegangen. Auch heute würde es nicht anders sein. Allein der Ausblick auf den strahlend blauen Himmel über dem mit kleinen weißen Schaumkronen bedeckten Meer schien einen guten Anfang zu verheißen.

Brooke hängte sich ihre Tasche über die Schulter und ging auf das zweistöckige rote Backsteingebäude zu, das mit weißen Ziegeln abgesetzt war. Auf dem Platz davor wuchsen Gras und wilde Blumen.

In der offenen Halle standen drei Feuerwehrwagen und eine Ambulanz. An einer Wand lagen Schläuche, Leitern und andere Ausrüstungsgegenstände. Surfbretter lehnten an der Außenseite des Gebäudes. Mächtige alte Eichen begrenzten das Gelände. Zwischen den beiden größten Bäumen, in der Nähe des Wegs zur Eingangstür, lag ein Mann in einer Hängematte.

Ein bemerkenswertes Exemplar mit breiten Schultern, langen Beine und dem unverkennbaren Körperbau eines Athleten. Im Gras unter ihm lagen seine Stiefel und sein Hemd. Die blaue Uniformhose, die er anhatte, saß tief genug auf seiner Hüfte, um einen Streifen seiner schwarzen Boxershorts zu offenbaren. Unter seinem weißen T-Shirt – auf dem in schwarzen Lettern „Beiß mich“ stand – zeichneten sich ausgeprägte Muskeln ab. Er hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Ein großer Strohhut bedeckte sein Gesicht. Seiner entspannten Haltung nach schien er zu schlafen.

Brooke ging so leise wie möglich weiter und bemühte sich, den Fremden nicht anzustarren. Sie war zierlich und musste den Leuten daher stets beweisen, wie gut sie zupacken konnte. Sie wäre jede Wette eingegangen, dass dieser Mann nie etwas beweisen musste – selbst in der Hängematte liegend strahlte er Kraft und Selbstvertrauen aus.

Sie beneidete ihn um das Nickerchen, denn sie konnte sich nicht entsinnen, wann sie das letzte Mal Gelegenheit dazu gehabt hatte, am helllichten Tag zu schlafen, oder wann sie sich die Zeit genommen hatte, in einer Hängematte zu liegen und sich zu sonnen oder einfach nur mal ruhig durchzuatmen.

Ihr unruhiges Leben war darauf zurückzuführen, dass sie von einer nie richtig erwachsen gewordenen Mutter aufgezogen worden war und weder Stabilität noch Sicherheit gekannt hatte. Obwohl Brooke seit der Highschool auf sich allein gestellt war, hatte sich daran nicht viel geändert. Sie hatte es ihrer Mutter nachgetan und war so viel im Land herumzigeunert, dass sie ihre Ausbildung vom Junior College bis zur MTA in verschiedenen Städten, ja sogar in verschiedenen Bundesstaaten abgeschlossen hatte. Einige Gewohnheiten waren nur schwer abzulegen.

In Kalifornien jedoch war sie noch nie gewesen. Sie war hier hergekommen, um den Nachlass ihrer Großmutter zu ordnen, zu dem ein großes altes Haus gehörte, aber nicht das nötige Geld, um die darauf lastende Hypothek abzulösen.

Brooke blieb nichts anderes übrig, als das Anwesen zu verkaufen, damit sie sich nicht noch mehr verschuldete. Nur musste sie vorher noch die in über sechzig Jahren angehäuften Besitztümer ihrer Großmutter zusammenpacken und entsorgen. Viel Arbeit, aber vielleicht konnte sie dabei ja etwas mehr über die alte Dame herausfinden, die sie nie kennengelernt hatte.

In der Zwischenzeit jedoch brauchte sie Geld zum Leben, und das sicherte ihr dieser sechswöchige Aushilfsjob als Rettungsassistentin.

Als sie an dem schlafenden Feuerwehrmann vorbeiging, fuhr die Seebrise ihr durchs Haar und kitzelte ihr die Nase. Eine heftigere Windbö warf sie sogar einen Schritt zurück. Der Mann in der Hängematte rührte sich noch immer nicht. Brooke schlich weiter an ihm vorbei. Ihre Vorsicht nützte aber nichts, da sie plötzlich heftig niesen musste.

Der Mann regte sich – und gleichzeitig regte sich eine Empfindung bei Brooke, die so ungewohnt war, dass sie sie fast nicht erkannte.

Lust?

Es war lange her, seit sie eine so jähe Hitze beim Anblick eines Manns verspürt hatte, insbesondere bei einem, dessen Gesicht sie bisher nicht einmal gesehen hatte.

Er hob einen Arm und schob seinen Hut zurück, unter dem kurz geschnittenes, glänzendes braunes Haar zum Vorschein kam. Als er den Kopf in Brookes Richtung drehte, sah sie ein Gesicht, das sehr gut zu dem Körper passte. Dieser Anblick verstärkte ihre sonderbare Empfindung noch. Er war ein ausgesprochen gut aussehender Mann, und Brooke, die unwillkürlich stehen geblieben war, sah, wie sich sein Blick aus grünen Augen auf sie richtete. Ein müdes Lächeln erschien um den Mund des Mannes.

„Gesundheit“, sagte er.

Er hatte eine tiefe, angenehme Stimme, die zu seinem Äußeren passte. Ein erregender Schauer rieselte ihr über den Rücken. Sie hatte ihn schlafend bereits ausgesprochen maskulin gefunden, jetzt verschlug es ihr fast den Atem, ihn nur anzusehen. „Tut mir leid, dass ich Sie geweckt habe.“

„Kein Problem. Das bin ich gewöhnt. Außerdem sind Sie ein viel hübscherer Anblick als das, wovon ich gerade geträumt habe.“

Es waren belanglose Worte, aber sie verursachten bei Brooke ein Kribbeln an Stellen, deren Existenz sie schon beinahe vergessen hatte. Wow! Sie begann plötzlich sogar zu schwitzen. Dabei brauchte es normalerweise mehr als Sex-Appeal, damit ein Mann sie interessierte, das war schon immer so gewesen. Wenn jemand sie vorher gefragt hätte, ob sie an Lust auf den ersten Blick glaubte, hätte sie ihn ausgelacht.

Jetzt lachte sie nicht.

Um das Gespräch mit ihm nicht enden zu lassen, fragte sie: „Und wovon haben Sie geträumt?“

„Wir wurden gestern Nacht zu einem Brand gerufen und verloren einen jungen Mann.“

Etwas von dieser überwältigenden Lust, die Brooke erfasst hatte, wich einem sehr viel realeren Gefühl als bloßer körperlicher Anziehung. Auch sie hatte Menschen verloren. Der Gedanke daran würde immer schmerzen. „Das tut mir leid.“

„Ja. Mir auch.“ Er drehte sich auf die Seite und stützte seinen Kopf auf eine Hand. „Lassen Sie mich raten. Sie sind die neueste MTA.“

„Ja. Brooke O’Brien.“

„Zach Thomas.“

„Hi, Zach Thomas.“

Sein Blick wurde etwas freundlicher, und es durchrieselte sie schon wieder heiß. Es war sehr ungewohnt für sie, wie schnell sie auf ihn reagierte. Sehr ungewohnt und sehr beunruhigend. „Was meinen Sie mit ‚neueste MTA‘?“

„Dass Sie schon die siebte sind, die sie uns schicken“, erwiderte er mit einem müden Lächeln.

Das klang nicht sehr vielversprechend. „Was ist denn das Problem bei diesem Job?“

„Außer zwölfstündigen Schichten mit schlechter Bezahlung und wenig oder überhaupt keiner Anerkennung?“ Er lachte leise, und Brooke merkte, dass das nervöse Kribbeln in ihrem Magen einer völlig anderen und sehr viel ursprünglicheren Empfindung wich.

„Niemand hat mir gesagt, dass ich die siebte bin, geschweige denn, dass es Schwierigkeiten gibt bei der Besetzung dieser Stelle.“

„Habe ich Sie jetzt verschreckt?“

„War das Ihre Absicht?“

Er zog eine Schulter hoch. „Wenn Sie leicht erschrecken, wäre es gut, das gleich zu wissen.“

Es klang wie eine Herausforderung und verstärkte das erotische Prickeln noch.

Spürte er es auch? „Mich kann so leicht nichts erschrecken.“

Daraufhin erschien etwas Neues in seinen Blick – Anerkennung, die sie nicht nötig hatte. Außerdem schien er sie zum ersten Mal bewusst als Frau wahrzunehmen. Er wirkte beeindruckt. Zwar war sie nicht auf seine Bewunderung aus, aber es tat gut zu wissen, dass sie nicht allein solch seltsame Gefühle zu haben schien. Da sie ihn nicht auf dumme Gedanken kommen lassen wollte, zwang sie sich, ihn nicht mehr anzusehen. „Ich beginne offiziell erst morgen, aber der Chief bat mich, vorbeizukommen und mir hier alles anzusehen.“ Sie sollte schon mal die Feuerwehrleute kennenlernen, die es scheinbar leid waren, Kollegen vorgestellt zu werden, die nicht blieben.

Sie war entschlossen zu bleiben. Zumindest die vereinbarten sechs Wochen, denn wenn sie eins von sich behaupten konnte, dann, dass sie zuverlässig war.

„Möchten Sie sich alles ansehen?“

Ja, ziehen Sie sich bitte aus. „Bleiben Sie liegen“, sagte sie schnell, als er Anstalten machte aufzustehen. „Ich finde mich allein zurecht.“

„Die Türen sind offen“, sagte er, ohne den Blick von ihr abzuwenden.

„Prima. Dann werde ich …“ Brooke schluckte. Die Worte: aufhören, dich anzustarren, hatten ihr auf der Zunge gelegen. Sie war beunruhigt über ihre lüsternen Gedanken, sagte sich dann jedoch, dass sie einfach nur zu lange keinen Sex gehabt hatte. „War schön, Sie kennenzulernen.“

„Ich sage Ihnen das Gleiche, falls Sie morgen noch zur Arbeit kommen.“

„Ich werde da sein.“

„Hoffentlich haben Sie recht.“ Seine grünen Augen ließen ihren Blick nicht los, und wieder durchrieselte sie dieses beunruhigende, heiße Kribbeln.

„Bestimmt“, beharrte sie. „Ich ziehe immer durch, was ich mir vorgenommen habe.“ Sie schlug nur nicht immer Wurzeln. Beziehungsweise überhaupt nie, dachte sie, während sie sich abwandte und zu der offen stehenden Garagentür hinüberging. „Hallo?“, rief sie dort.

Tiefe Stille begrüßte sie, dann wurde sie auf ein Geräusch aufmerksam. Es klang wie ein Gurgeln. Sie betrat einen Vorraum, der als Aufenthaltsraum zu dienen schien, denn er war mit zwei großen Sofas und mehreren schon etwas abgenutzten Sesseln eingerichtet. An einer Wand stand ein Regal, das mit Büchern, Zeitschriften und DVDs gefüllt war, an der anderen waren Haken angebracht, an denen Feuerwehrausrüstungen hingen. Auf dem Boden stand ein großer Korb mit Flip-Flops und Sonnenschutzmitteln.

Brooke konnte rechts eine Küche und links einen Gang sehen, aber immer noch kein Lebenszeichen entdecken. „Hallo?“

Wieder nichts.

Achselzuckend ging sie auf das sonderbare Gurgeln zu und landete in der Küche, wo eine Kaffeemaschine lief. „Wer will bei dieser Hitze Kaffee?“, fragte sie sich laut.

„Eine Mannschaft, die die ganze Nacht auf den Beinen war.“

Sie drehte sich um und stand dem sexy Feuerwehrmann Zach Thomas gegenüber. Ihr war zwar schon heiß bei seinem Anblick geworden, als er noch lag, jetzt verschlug es ihr jedoch den Atem.

Er gähnte ungeniert, legte dann aber eine Hand vor seinen Mund und schnitt eine Grimasse. „Entschuldigung.“

Er sieht sogar beim Gähnen gut aus, dachte sie. „Kein Problem.“

Zach ließ die Stiefel und sein Hemd fallen und streckte sich. Dabei rutschte sein T-Shirt nach oben und gestattete Brooke einen Blick auf seine ausgeprägten Bauchmuskeln. Dann strich er mit beiden Händen durch sein kurzes Haar, was es noch mehr durcheinanderbrachte und ihn sogar noch attraktiver machte.

Wow!

„Wir hatten sieben Einsätze gestern Nacht“, erklärte er. „Keiner von uns hat auch nur ein Auge zugetan. Deshalb sind alle vollkommen erledigt und schlafen noch.“

„Wie ärgerlich, dass ich Sie geweckt habe“, sagte Brooke. „Besonders nach einer so anstrengenden Nacht.“

Er zuckte mit den Schultern. „So ist der Job nun mal. Sie wollten die Truppe kennenlernen?“

„Ich komme später wieder.“

„Wie wär’s mit einer Tasse Kaffee?“

Sie wollte dankend ablehnen, aber dann sah sie den Zweifel, der in seinem Blick erschien. Er war überarbeitet, die Feuerwache offensichtlich unterbesetzt. In seinen Augen war sie nur eine weitere unnötige Belastung, da sie den Job hinschmeißen würde wie die anderen Rettungsassistenten vor ihr. „Kaffee wäre prima“, sagte sie.

Er machte sich am Schrank zu schaffen, und sie sah sich um. Der große Küchentisch war von mindestens zwölf Stühlen umgeben, und auf der Anrichte stand eine lange Reihe bunter Kaffeebecher. „Wie viele Männer sind hier stationiert?“

„Wir arbeiten in drei Schichten mit jeweils sechs Feuerwehrleuten und zwei Rettungsassistenten, womit wir vierundzwanzig wären.“

Eine mittelgroße Wache also, aber erheblich größer als der private Rettungsdienst, bei dem sie zuletzt beschäftigt gewesen war. Hier würde sie kommunikativer sein müssen, als sie es gewohnt war.

Zach griff nach der Kaffeekanne. „Schwarz oder mit Milch und Zucker?“

„Mit Zucker bitte.“

Als er den Zucker holte, glitt Brookes Blick über seine breiten Schultern, seinen muskulösen Oberkörper und den knackigen Po.

Ausgerechnet in dem Moment drehte er sich um und sah, wie sie ihn anstarrte oder vielmehr seinen Po.

Mit hochgezogenen Brauen lehnte Zach sich an den Küchenschrank, während sie sich plötzlich brennend für die Kacheln auf dem Boden interessierte. Als sie das Schweigen nicht mehr ertrug und ihm einen Blick zuwarf, reichte er ihr schmunzelnd einen Kaffeebecher.

„Danke“, sagte sie.

„Sie sind nicht von hier“, bemerkte er und schenkte sich ebenfalls einen Kaffee ein.

Da sie ihr ganzes Leben „nicht von hier“ gewesen war, war das für sie nichts Neues, aber ertappt zu werden, wie sie den verlängerten Rücken eines Mannes anstarrte? Das war neu. Neu und peinlich. „Ist das eine Voraussetzung?“

„Warum denn gleich so abwehrend?“, meinte er lächelnd. „Sie sehen nur so aus, als wären Sie noch neu in Santa Rey.“

„Und das erkennen Sie woran?“

„An Ihrer Haut.“

Er war zu ihr getreten und strich nun mit einem Finger über ihre Wange. Sofort erwachte in ihr wieder dieses sinnliche Kribbeln, das sie scharf den Atem einziehen ließ.

Auch er schnappte nach Luft und zog seinen Finger rasch zurück. „Sie sind blass“, sagte er. „Das meinte ich. Sie kommen wohl nicht von der Küste.“

„Ich bin nur vorsichtig.“

Zach nickte. „Ich wollte Sie nicht verunsichern.“

Verunsichert wirkte er jetzt auch, denn er schob etwas ungeschickt die Füße in seine kurzen Stiefel, setzte seinen Kaffee ab und zog sein Hemd an.

Vielleicht hatte er sie nicht verunsichern wollen, aber er hatte es getan – und tat es immer noch. „Ich bin ein großer Fan von Sonnenschutz.“

Wieder nickte er und ließ seinen Blick über ihr Gesicht gleiten, während er näher trat. „Es war ein Kompliment. Sie haben wunderbare Haut, so hell und makellos.“ Wieder strich er mit einem Finger über ihre Wange, und wieder fühlte sie die Berührung an Stellen, an denen sie eigentlich überhaupt nichts hätte spüren dürfen.

Er brachte sie völlig durcheinander – angefangen bei ihren Gedanken bis hin zu ihrem Körper, der offenbar mehr erogene Zonen hatte, als ihr bisher klar gewesen war.

„Und woher kommen Sie?“, fragte er.

„Aus Massachusetts. Sie …“ Brooke deutete auf sein Hemd. „Ihr Hemd ist schief geknöpft.“

„Sie haben mich wohl abgelenkt.“

Ja. Das war anscheinend ein beiderseitiges Problem. Aus der Nähe wirkte er sogar noch größer und breitschultriger. „Gehören die Surfbretter da draußen Ihnen?“

„Wieso?“, entgegnete er mit einem Lächeln, dem vermutlich schon unzählige Frauen erlegen waren. „Weil ich aussehe wie ein Surfer?“

„Ja.“

„Surfen Sie?“

„Ich habe es noch nie versucht“, gestand sie. „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee wäre.“

„Wieso?“

„Ich bin …“ Sie zögerte, weil es ihr widerstrebte, diesem Bild von einem Mann ihre Fehler zu gestehen.

„Ein bisschen konservativ? Vielleicht sogar etwas pedantisch?“

„Sie meinen, pingelig? Das bin ich überhaupt nicht.“

Er sah sie einfach nur mit hochgezogenen Augenbrauen an, und schließlich zuckte sie die Achseln. „Na schön, vielleicht ein bisschen. Was hat mich verraten?“

„Ihr Haar.“

Sie hatte es zu einem ordentlichen Zopf geflochten. Brooke runzelte die Stirn. „So fällt es mir nicht ins Gesicht.“

„Raffiniert. Und die perfekt gebügelte Hose?“

Sie schob die Hände in die Hosentaschen. „Ich hasse Falten.“

Zachs Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. „Ja, Falten sind was Ärgerliches.“

Verdammt. Er war attraktiv und scharfsichtig. „Also gut. Ich bin etwas perfektionistisch.“

Wieder setzte er dieses schier unwiderstehliche Lächeln auf, und Brooke kam es vor, als befänden sich in ihrem Magen glühende Kohlen. „Vielleicht sollte ich besser morgen wiederkommen …“

Bevor sie den Satz beenden konnte, bimmelte eine Glocke, und der gelassene Surfer vor ihr verwandelte sich in Sekundenschnelle in einen aufmerksamen, sichtlich angespannten Feuerwehrmann.

„Zweite und dritte Einheiten zur Rebecca Avenue 3640“, ertönte eine Stimme aus dem Lautsprecher.

„Das bin ich.“ Zach setzte seinen Becher ab.

Auf dem Gang war Bewegung zu hören. Angehörige der aufgerufenen Einheiten strömten in den Raum, die meisten von ihnen Männer, und alle sahen erschöpft und teilweise mürrisch aus. Nachdem sie die ganze Nacht auf den Beinen gewesen waren, waren sie nicht gerade erfreut, wieder hinauszumüssen. Brooke war verblüfft, dass niemand sie zur Kenntnis nahm.

„Marys Vertretung ist hier“, sagte Zach in das allgemeine Durcheinander. „Das ist Brooke O’Brien, Leute.“

Einige winkten kurz, der eine oder andere lächelte, aber alle beschäftigten sich weiter mit ihrer Uniform. Zach legte ihr kurz eine Hand auf die Schulter. „Wir sehen uns, Nummer sieben.“ Und damit war er auch schon weg.

Sie waren alle weg.

Sie war definitiv wieder mal die Neue.

2. KAPITEL

Brooke verbrachte den Abend damit, das dreistöckige viktorianische Haus in Augenschein zu nehmen, das ihre Großmutter ihr so unerwartet hinterlassen hatte. Da Lucille O’Brien keinerlei Kontakt zu ihrem einzigen Kind, Brookes Mutter Karen, unterhalten hatte, war Brooke ihr nie begegnet. Daher war es ein Schock für sie gewesen, als sie von einem Anwalt über Lucilles letzten Willen informiert worden war.

Wie der Anwalt behauptet hatte, waren tatsächlich alle Zimmer zum Bersten vollgestopft. Brooke, deren gesamte Habe in ihren Wagen passte, war fassungslos über diese geradezu unvorstellbare Ansammlung von Gegenständen und Möbeln. All das würde verschwinden müssen, bevor sie das Haus verkaufen konnte, aber sie wusste nicht mal, wo sie anfangen sollte. Ihre Mutter war ihr keine Hilfe, weil sie nichts mit dem Haus zu tun haben wollte. Sie wollte nicht einmal in den Westen mitkommen, um sich alles anzusehen.

Es würde viel Arbeit werden, doch Brooke war froh, dass sie gekommen war. Immerhin konnte sie nun Santa Rey kennenlernen. Sie erlebte diese unerklärlich starke erotische Anziehung zwischen Zach und ihr, und sie war an dem einzigen Ort, an dem jemand aus ihrer Familie viele Jahre ohne Unterbrechung gelebt hatte. Das gab ihr das Gefühl, etwas zu versuchen, wovon sie vorher nicht einmal zu träumen gewagt hatte.

Sie entschloss sich schließlich, von oben nach unten vorzugehen, und stieg auf den Dachboden hinauf. Dort entdeckte sie eine ganze Reihe von Kartons mit Fotos, bei deren Anblick sich ein Kloß in ihrer Kehle bildete. In ihrem Leben war nie Platz für Sentimentalität gewesen. Das Wenige, das sie besaß, enthielt keine Erinnerungsstücke wie Fotos. Sie hatte sich im Laufe der Jahre immer wieder gesagt, das sei nicht wichtig und dass sie derlei Gefühlsduseleien ohnehin nicht mochte.

Als sie jetzt aber einen Karton nach dem anderen öffnete, wurde ihr klar, dass sie das nur gedacht hatte, weil sie nie etwas anderes gekannt hatte. Karen und Lucy hatten keinen Kontakt mehr gehabt, seit Brooke ein kleines Kind gewesen war. Sie wusste also nicht, was diese Frau für sie empfand. Die ersten Fotos waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgenommen worden. Ihre Großmutter hatte ihr Leben mit Fotografien dokumentiert, was Brooke auf eine völlig unerwartete Weise erfreute und faszinierte.

Sie hatte eine Vergangenheit. In ihr herumzublättern machte sie glücklich, aber auch traurig wegen all der Menschen, die sie nie kennengelernt hatte. Sie und ihre Mutter standen sich nicht besonders nahe. Karen lebte derzeit in Ohio mit einem Künstler zusammen und meldete sich kaum, aber jetzt wünschte Brooke, sie könnte zum Telefon greifen und diese Erfahrung mit ihrer Mutter teilen.

Sie konnte sich nicht aufraffen, ins Bett zu gehen, und so schlief sie ein, umgeben von ihrer Vergangenheit, und erwachte erst wieder, als die Sonne durch das kleine Fenster hoch am Dachfirst fiel. Zwei Fotos klebten an ihrer Wange, die sie daran erinnerten, dass sie die ganze Nacht von dem Haus geträumt und es mit eigenen Erinnerungen gefüllt hatte.

War es das, was sie sich insgeheim ersehnte, ihre Wurzeln in diesem großen alten Haus zu finden?

Sie sah auf die Uhr und geriet in Panik. Es war so spät, dass sie gerade noch duschen konnte, um nicht schon an ihrem ersten Arbeitstag zu spät zu kommen.

Die Hängematte vor der Feuerwache war leer, und Brooke ignorierte ihre Enttäuschung, Zach nicht wieder unbemerkt beobachten zu können. Damit ist es jetzt sowieso vorbei, sagte sie sich. Von nun an würde sie sich hundertprozentig professionell verhalten. Mit diesem Gedanken betrat sie den Aufenthaltsraum.

„Na, sieh mal einer an! Sie sind zurückgekommen.“

Vorsicht, ermahnte sie sich. Sexy-Feuerwehrmann-Alarm! Langsam drehte sie sich zu Zach um und hoffte, er möge nicht so unwiderstehlich sein, wie sie ihn in Erinnerung hatte.

Mist.

Er war womöglich noch unwiderstehlicher. Im Licht der Morgensonne sah er nicht mal müde aus. Sein wacher, gut gelaunter Blick glitt über sie und machte ihr sehr klar bewusst, dass nicht nur sie sich zu ihm hingezogen fühlte, was ihrem guten Vorsatz überhaupt nicht dienlich war.

„Leute“, rief er über die Schulter. „Sie ist hier.“

„Nummer sieben ist erschienen?“ Das kam von einem großen, dunkelhaarigen, gut aussehenden Feuerwehrmann, der in der Tür zur Küche auftauchte.

„Das ist Aidan“, stellte Zach ihn vor. „Er war mit Rettungsassistentin Nummer zwei zum Essen, und sie kam nie wieder. Deshalb hat er Befehl, sich von euch fernzuhalten.“

„Hey, ich konnte doch nicht ahnen, dass sie eine Fischvergiftung kriegen würde“, verteidigte sich Aidan. „Aber sicherheitshalber …“, er schenkte Brooke ein Lächeln, das nicht minder umwerfend war als Zachs, „… sollten wir besser keine Meeresfrüchte essen gehen.“

Mehrere andere Männer schlenderten auf einen Blick herüber. „Hi“, sagte Brooke und winkte. „Ich bin Brooke O’Brien.“

Die Glocke begann zu läuten, und alle stöhnten und holten ihre Schutzkleidung.

„Aidan und ich fahren zusammen“, sagte Zach. „Mit Cristina und mit Blake. Oder auch Mr. Miesepeter, wie wir ihn hier nennen.“ Er zeigte auf zwei andere Feuerwehrleute, eine hübsche blonde Frau, die lächelte, und einen großen, dürren Mann, der keine Miene verzog. „Und Sie fahren mit Dustin, Brooke.“

Dustin, der wie ein erwachsener Harry Potter aussah, hob die Hand. „Wir sind die beiden Rettungsassistenten dieser Schicht. Schön, Sie kennenzulernen. Ich hoffe, Sie finden sich schnell zurecht.“

Das hoffte sie auch.

Dustin deutete mit dem Kopf auf zwei Feuerwehrmänner, die sich nicht gerührt hatten. „Das sind Sam und Eddie. Ihre Einheit wurde nicht gerufen, sie dürfen also bleiben und sich Oprahs Show im Fernsehen ansehen und Bonbons essen.“

Die beiden Männer zeigten ihm den Mittelfinger und verschwanden auf den Gang.

„In Wahrheit müssen sie heute Morgen in einer Schule einen Vortrag über Brandverhütung halten“, erklärte Dustin grinsend. „Und wir müssen jetzt auch los, Nummer sieben. Es ist ein Kab-Einsatz.“

„Kab-Einsatz?“

Dustin lief schon zu der Tür, die zur Garage und den Wagen führte. Cristina drängte sich an Brooke vorbei und stellte ihren Becher in die Spüle. „Viel Glück.“

„Werde ich es brauchen?“

„Bei Dustin, unserem Doktor McDweeb? Auf jeden Fall.“

„Was ist ein Kab-Einsatz?“

Cristina lachte nur, was Brooke nicht gerade beruhigte.

Dustin saß bereits am Steuer der Ambulanz. „Wollen Sie die Einsatzleitung übernehmen?“, fragte er.

Brooke hatte das Gefühl, dass dies ein Test war, aber das war kein Problem für sie, denn Tests bestand sie immer. „Klar.“

Dustin schob seine Brille hoch und nickte. Sie hätte schwören können, dass er ein Grinsen unterdrückte.

Sie hatten es nicht weit. Als sie auf einer breiten, von Eichen gesäumten Straße hielten, stieg sie aus und öffnete die Hintertüren der Ambulanz.

„Eine Trage brauchen wir nicht“, sagte Dustin.

Hinter ihnen hielt der Feuerwehrwagen, und Zach und die anderen näherten sich lächelnd.

Warum lächeln sie alle, fragte Brooke sich. Bevor sie sich weiter den Kopf darüber zerbrechen konnte, tauchte zwischen den beiden Wagen eine alte Frau auf, die schreiend ihren Gehstock schwang. „Schnell! Nun machen Sie schon, bevor Cecile herunterfällt!“

Die Panik in ihrer Stimme war echt. Brookes Herz begann zu rasen, als Dustin sie anstieß und ihr zuflüsterte: „Das überlasse ich Ihnen.“

Autor

Jill Shalvis
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