Wag es noch einmal, Maggie!

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Ich werde dich jetzt küssen, Maggie, raunt Luke, und Maggie ist wie gelähmt. Darf sie dem Verlangen nachgeben, das sie für den faszinierenden Spielcasinobesitzer empfindet? Schon einmal hat ein aufregender Mann sie enttäuscht. Oder setzt sie ein zweites Mal alles auf die Liebe?


  • Erscheinungstag 04.12.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774363
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Seit einer knappen Stunde betrachtete Luke Grainger ärgerlich den Verlobungsring, den er vom Teppich seines Büros aufgehoben hatte. Dort war er sehr unsanft gelandet, nachdem Natalie Crane ihn voller Wut abgestreift und in Lukes Richtung geworfen hatte.

Die eiskalte, allzeit beherrschte Natalie Crane! Diese makellos schöne Frau, die sich bisher durch nichts hatte aus der Fassung bringen lassen, hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, ihn anzuhören. Obwohl es zu ihrer Art passte, dass sie anderen grundsätzlich nicht gern zuhörte, ärgerte es ihn diesmal mehr als je zuvor.

Im Grunde war es ihm an diesem Vormittag nicht besser ergangen als den armen Gestalten, über die sie von ihrem hohen Ross aus ein Urteil fällte, ehe sie den blassesten Schimmer hatte, um wen es sich handelte.

Was Luke Grainger an diesem besonderen Vorfall in Rage brachte, war nicht einmal so sehr der Umstand, dass ihre blindwütigen Unterstellungen ihn selbst trafen. Nein, vor allem verfluchte er sich dafür, dass er bis vor Kurzem freiwillig mit Natalie verlobt gewesen war.

Mochten andere Männer solche Frauen verstehen – ihm würde es wohl nie gelingen! Aber wollte er es überhaupt? Ein verächtliches Grinsen huschte über Lukes Lippen. Nein, er wollte nicht.

Glücklicherweise war er nicht in sie verliebt gewesen. Die Verlobung mit Natalie war eine Vernunftentscheidung gewesen: Luke hatte eines Tages beschlossen, dass es mit fünfunddreißig Jahren Zeit für ihn würde, eine Familie zu gründen.

Zu diesem Zeitpunkt war Natalie Crane gerade seine ständige Begleiterin bei gesellschaftlichen Anlässen. Er hatte geglaubt, dass sie sich zur Ehefrau des Kasinobesitzers von Deadwood, South Dakota, hervorragend eignen würde.

Sie hatte eines der teuersten Colleges besucht, war elegant und ausgesprochen standesbewusst. Bedauerlicherweise gab es an den Colleges, die reiche Töchter wie Natalie besuchten, Hochnäsigkeit als Gratis-Unterrichtsfach.

Trotzdem hatte man ihn um seine Begleitung beneidet, und es gab ihm eine gewisse Befriedigung, dass Natalie überall angehimmelt wurde.

So hatte er sich denn auch nicht im Geringsten daran gestört, dass er sie nicht liebte. Schließlich hatte er die Freundinnen, die er vor ihr gehabt hatte, auch nicht geliebt.

Genau genommen war er noch nie richtig verliebt gewesen. Deshalb war er irgendwann zu der Erkenntnis gekommen, dass dieses ganze Gerede von Liebe, Schmetterlingen im Bauch und Leidenschaft reine Erfindung sein müsste.

Was waren das denn auch für Leute, die diesen Singsang vom großen Glück in der vollkommenen Liebe anstimmten? Seine diesbezüglichen Informationen kamen aus ziemlich unzuverlässigen Quellen. Da war zum Beispiel – als Nächstliegendes – seine unglückliche Sekretärin Karla, die bis vor wenigen Wochen förmlich durch ihr Büro geschwebt war.

Monatelang hatte sie in dem Glauben gelebt, die große Liebe gefunden zu haben.

Heute war sie am Boden zerstört und ihr Herz gebrochen.

Selbstverständlich gab es auch positive Beispiele, wie seine Eltern oder seinen Bruder Adam mit Frau. Aber das waren eben Ausnahmen.

Anders jedenfalls konnte er sich nicht erklären, dass er bei keiner Frau Schweißausbrüche, Gänsehaut und Konzentrationsstörungen bekam. Das war auch gut so: Wer wollte sich schon wie ein Grippekranker durchs Leben schlagen? Luke Grainger bestimmt nicht. So umwerfend konnte gar keine Frau sein, dass sie dieses Opfer lohnte.

Da war es ihm entschieden lieber, er behielt seine Konzentrationsfähigkeit, seine Selbstdisziplin und seine gelegentlichen Anwandlungen von körperlichem Verlangen unter Kontrolle. Auf diese Weise gestalteten sich seine Beziehungen durchweg unverbindlich und wenig aufregend.

Mit Natalie war es dasselbe gewesen. Nicht eine Minute hatte ihn der Gedanke an sie ablenken können, wenn er Zahlenkolonnen vor sich hatte, in einer Sitzung saß oder ein Buch lesen wollte. Sie brachte ihn nicht um den Schlaf, und er konnte mühelos mehrere Tage hintereinander ohne ihre Stimme auskommen.

Es war also purer Zufall gewesen, dass er gerade Natalie hatte heiraten wollen. Er wollte eine Familie gründen, und Natalie war dafür eine ebenso geeignete wie ungeeignete Kandidatin. Es bot sich zu dem fraglichen Zeitpunkt niemand anders – so war das. Tatsächlich? hakte eine zynische Stimme in seinem Kopf nach.

Ja! dachte er wütend. Aber das bedeutete keineswegs, dass es ihm vollkommen gleichgültig war, wen er heiratete. Immerhin gab es Dinge, die ihm wichtig waren. Und die wären? nagte die Stimme.

Was ihm in einer Beziehung – und erst recht in einer Ehe – das Wichtigste war, war Vertrauen, unbedingtes gegenseitiges Vertrauen. Er wollte keine nörgelnde, fordernde Frau in seinem Leben, die mit ihm bei jeder unpassenden Gelegenheit Löcher in den Bauch fragte: Wo warst du so lange? Warum hast du mich nicht angerufen? Wer ist die Neue in deinem Büro? Würdest du mich jemals … und so weiter.

Bis heute Morgen hatte er gemeint, dass Natalie in dieser Hinsicht die idealen Voraussetzungen mitbrachte. Leider musste er nun zu dem Schluss kommen, dass er sich geirrt hatte. Was er für gegenseitiges Vertrauen gehalten hatte, war nichts weiter als reines Desinteresse. Bis zu dem Zeitpunkt, da es wirklich darauf ankam, dass sie ihm vertraute. Und das hatte sie nicht.

So gesehen sollte er beinahe froh sein, dass sich diese Szene vorhin ereignet hatte. Wenn es ihm auch nichts ausgemacht hätte, dass Natalie Crane in ihm weder Liebe noch Leidenschaft weckte, so war ihr Mangel an Vertrauen ein unüberbrückbares Hindernis.

Natalie hatte Luke überrascht, als er seine Sekretärin Karla Singleton im Arm hielt. Ohne ihn zu Wort kommen zu lassen, hatte sie ihm die abscheulichsten Dinge unterstellt. Sie hatte ein paar Gesprächsfetzen aufgeschnappt und die wildesten Behauptungen aufgestellt.

Jetzt, eine knappe Stunde später, musste er feststellen, dass er nicht einmal verletzt oder gekränkt war, sondern einfach nur wütend. Wütend auf Natalie, die ihm zutraute, dass er hinter ihrem Rücken eine Affäre mit seiner Sekretärin unterhielt, aus der nun auch noch ein uneheliches Kind hervorgehen sollte. Und wütend auf sich selbst, weil er während der vergangenen Monate blind genug gewesen war, so eine Frau heiraten zu wollen!

Wie hatte er nur jemals glauben können, dass Natalie Crane, die verwöhnte Tochter aus reichem Haus, anders als oberflächlich sein könnte? Wie hatte er ihre Hochnäsigkeit und ihr Desinteresse an allen Leuten, die nicht Natalie Crane hießen, als Überlegenheit und Reife missverstehen können?

Ein letztes Mal blickte er auf den Ring in seiner Hand, dann zog er die Schreibtischschublade auf und warf das wertvolle Verlobungsgeschenk achtlos hinein. Eigentlich hatten ihm die pinkfarbenen Diamanten von Anfang an nicht gefallen. Natalie hatte den Ring ausgesucht. Er entsprach ihrem Hang zum Protzigen.

Luke dachte an die arme Karla. Sie war an diesem Vormittag in sein Büro gekommen, um ihm ihr Leid zu klagen. Die arme, naive Karla! Vor wenigen Wochen noch war sie unsterblich verliebt gewesen und hatte fest an ein Leben auf einer rosaroten Wolke geglaubt – mit einem arbeitslosen Autoverkäufer!

Luke hatte diesen Mann nicht gemocht, weil er ein billiger Aufschneider war. Allerdings war ihm nicht entgangen, dass er eine beachtliche Wirkung auf die jungen Frauen im Kasino hatte, die sämtlich Karla um ihr Glück beneideten.

Er hatte sich jede Bemerkung über diesen aufgeblasenen Kerl verkniffen, weil er weder Karla in ernst zu nehmender Gefahr glaubte, noch einer jener unangenehmen Vorgesetzten sein wollte, die nicht nur das Gehalt, sondern auch noch den Umgang ihrer Angestellten kontrollierten.

Eigentlich hatte er auf Luke eher harmlos gewirkt. Er schien ihm zu dumm, um größeren Schaden anzurichten. Auch hier hatte er offensichtlich falsch gelegen. Selbst der größte Dummkopf kann gefährlich werden.

Jedenfalls war Karla jetzt schwanger, während ihr Sparbuch alles andere als das war.

Wie leicht doch manche Menschen glaubten, dass ihre Liebe erwidert würde. Karla war keineswegs die erste Frau und würde wohl auch nicht die letzte sein, die eine Schwangerschaft riskiert hatte, weil sie dem falschen Mann blind vertraute.

Natürlich waren Männer keinen Deut besser – Luke machte sich da nichts vor. Nur genossen sie das biologische Privileg, dass sie vor den möglichen Folgen einfach davonrennen konnten. An genauso einen Typen, in Gestalt dieses Cliff Holmes, war Lukes Sekretärin geraten. Und nun saß sie vor einem Riesenberg von Problemen.

Cliff, der Schmierige, war längst über alle Berge, was auf dem Weg südwärts von South Dakota wortwörtlich zu nehmen ist.

Karla Singleton war in Rapid City – ungefähr zwei Autostunden von Deadwood entfernt – als einziges Kind aufgewachsen. Sämtliche Hoffnungen und Träume ihrer Eltern konzentrierten sich auf die einundzwanzigjährige Tochter.

Deshalb hatte sie nicht gewagt, sich mit ihren Sorgen an sie zu wenden. Da sie erst seit einem knappen Jahr in Deadwood arbeitete, hatte sie hier noch keine Freunde gefunden, sodass sie sich in ihrer Verzweiflung ihrem Chef, Luke Grainger, anvertraut hatte.

Luke hatte sich ihre traurige Geschichte ruhig angehört und überlegt, wie ihr zu helfen wäre. Als er ihr beteuerte, dass er sie, so gut es ging, unterstützen würde, war Karla in Tränen ausgebrochen. Da hatte er sie in den Arm genommen und getröstet.

Genau in diesem Augenblick war Natalie hereingeplatzt. Es grauste Luke immer noch, wenn er daran dachte, dass er kurz davor gewesen war, mit einer Frau eine Ehe einzugehen und Kinder zu bekommen, die ihm zutraute, seine blutjunge Sekretärin geschwängert zu haben. Wofür hielt sie ihn eigentlich?

Ja, es war wirklich besser so. Er sollte erleichtert sein, dass diese Verlobung sich in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Wer weiß, ob Natalie Crane jemals die richtige Mutter für seine Kinder gewesen wäre – eisig und unnahbar, wie sie war.

Luke selbst war in einer Familie mit zwei Brüdern und einer Schwester groß geworden. Sie waren alle sehr lebhafte Kinder gewesen, die von einer strengen, aber zugleich sehr liebevollen Mutter auf diese Welt vorbereitet worden waren. So eine Mutter wünschte er sich auch für seine eigenen Kinder. Leider war er einer solchen Frau bis heute nicht begegnet.

Doch für den Moment waren Karlas Probleme dringlicher. Ihre Hilflosigkeit und Verzweiflung weckten in ihm jenen fürsorglichen Instinkt, der so gar nicht zu dem Klischee des erfolgreichen Kasinobesitzers passen wollte.

Auch wenn er in geschäftlichen Angelegenheiten alles andere als weich und nachgiebig war, so änderte sich sein Verhalten vollkommen, wenn er einer weinenden Frau gegenüberstand. Dabei hätte er in dieser Beziehung eigentlich abgehärtet sein sollen: Immerhin hatte er mit seiner jüngeren Schwester schon eine Phase durchlebt, in welcher sie den städtischen Wasserwerken ernst zu nehmende Konkurrenz machte. Als Teenager hatte sie praktisch nur geweint!

Vielleicht wäre er auch weniger gerührt gewesen, wenn Karla nicht so ein herzensguter, aber leider unerfahrener Mensch wäre. Luke mochte sie, und er schätzte sie als erstklassige Bürokraft, die schnell begriff und zuverlässig arbeitete.

Er musste unwillkürlich lächeln, als er bemerkte, dass er nur allzu bereit war, die Rolle des väterlichen Beistandes zu übernehmen. Andererseits wusste er natürlich auch, dass seine Schwester ihm eigenhändig eine Tracht Prügel verpassen würde, wenn er es nicht täte und sie jemals davon Wind bekäme!

Also drückte er den Knopf der Gegensprechanlage und rief Karla in sein Büro.

„Sie haben mich gerufen, Mr Grainger?“

Luke seufzte. Alle Angestellten des Kasinos nannten ihn beim Vornamen, und unzählige Male hatte er Karla gebeten, ihn ebenfalls so anzureden. Nach dem, was an diesem Vormittag vorgefallen war, schien ihre Förmlichkeit unangebrachter denn je. „Von nun an werden Sie mich Luke nennen, ist das klar?“

„Ja, Sir“, antwortete sie schüchtern und setzte sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.

Luke schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Okay, ich gebe auf! Nennen Sie mich, wie immer Sie wollen. Wie fühlen Sie sich?“

„Schon besser.“ Sie lächelte ihn unsicher an. „Vielen Dank für … für Ihr Verständnis.“

„Ach, das war eine meiner leichtesten Übungen. Als Bruder einer jüngeren Schwester habe ich von der Pike auf gelernt, wie man Frauen mit gebrochenem Herzen behandeln muss. Ich bin fast froh, wenn mal jemand diese verborgenen Fähigkeiten von mir ans Tageslicht holt – sonst wäre die ganze Mühe meiner Jugendjahre doch umsonst gewesen.“

Karla lachte und wirkte ein bisschen weniger verkrampft. Dann wurde sie wieder ernst. „Wegen Miss Crane“, sie zögerte, „meinen Sie wirklich nicht, dass ich mit ihr sprechen sollte, ihr alles erklären …“

„Vergessen Sie’s“, unterbrach sie Luke. Sein Mund war zu einer schmalen Linie zusammengepresst, und seine Stimme klang schärfer als beabsichtigt.

Karla schluckte. „Aber es war doch ein Missverständnis.“ Ihre Unterlippe bebte, und Luke konnte erkennen, dass sie gleich wieder losheulen würde.

„Entschuldigen Sie meinen rauen Ton, Karla. Aber ich denke, dass Miss Crane keine Erklärung hören wollte. Wer so vorschnell urteilt, den sollte man getrost seiner schmutzigen Fantasie überlassen. Außerdem haben im Moment andere Probleme als die von Miss Crane Vorrang.“

„Und welche?“ Karla sah ihn ängstlich an. Hatte er während der vergangenen fünfundvierzig Minuten womöglich darüber nachgedacht, wie er sie elegant entsorgen könnte?

„Ihre. Ihr Baby. Wir müssen uns überlegen, was zu tun ist. Zum Beispiel auch, ob Sie weiter arbeiten wollen.“

„Aber ja!“, rief sie erschrocken. „Das heißt, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“

„Warum sollte es? Glauben Sie, ein Babybauch in meinem Vorzimmer verschreckt die Spieler?“ Er grinste, als er sich ausmalte, wie Karla in wenigen Monaten schon kugelrund vor ihrem Computer sitzen würde. „Außerdem sind Sie die beste Sekretärin, die ich mir für diesen Job vorstellen kann. Da braucht es mehr als ein Umstandskleid, bevor ich Sie wieder hergebe.“

„Das ist sehr freundlich von Ihnen.“

„Das ist nicht freundlich, sondern egoistisch. Schließlich hängt meine Existenz an einem reibungslosen Arbeitsablauf.“

Für einen Moment schweiften seine Gedanken ab: Bevor Karla Singleton im Kasino von Deadwood anfing, hatte Emily Burton an die dreißig Jahre das Büro geleitet. Sie war schon die Sekretärin seines Onkels gewesen, der vor Luke geschäftsführender Direktor war.

Mrs Burton war eine sehr resolute Witwe, die Luke bis zu ihrem letzten Tag behandelt hatte, als wäre er ein grüner Junge. Daher hatte sie ihm einige Wochen vor ihrem Weggang Karla als Nachfolgerin präsentiert und sie hervorragend eingearbeitet. Er hatte sich um nichts zu kümmern brauchen – beziehungsweise dürfen.

Emily genoss ihren Ruhestand irgendwo an der Küste von Maine, sodass Luke sie auf keinen Fall bitten könnte, für Karla einzuspringen. Wie hatte sie noch gesagt? Ach ja: „Ich habe mein Leben lang Berge angestarrt, da ist es nur fair, wenn ich auf meine alten Tage mal das Meer sehe.“ Nein, Emily würden keine zehn Pferde zurück nach South Dakota bringen.

Ihm wurde mulmig, wenn er daran dachte, dass er sich wohl oder übel nach einem Ersatz für Karla sehen müsste. „Wie lange planen Sie denn, weiter zu arbeiten?“

Karla zögerte einen Augenblick. „Möglichst bis zur Geburt.“

„Kommt nicht infrage. Das ist unverantwortlich.“ Luke schüttelte den Kopf. „Das wäre weder für Sie noch für das Baby gut.“

„Aber“, sagte sie ängstlich, „aber ein Baby kostet so viel, und ich brauche jeden Cent, den ich verdienen kann. Außerdem ist die Arbeit hier ja nicht körperlich anstrengend, und …“

„Und ich werde für eine anständige Krankenversicherung und ausreichendes Mutterschaftsgeld sorgen“, unterbrach er sie.

„Ja, das sagten Sie schon. Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen. Trotzdem muss ich mir ein Polster für hinterher ansparen. Ich brauche eine Reserve für die Zeit, bis ich wieder arbeiten kann. Ein Kind ist enorm teuer, habe ich gehört.“

„Die finanzielle Seite lassen Sie mal meine Sorge sein. Sie kümmern sich jetzt erst mal um sich und das Baby in Ihrem Bauch.“ Er hob die Hand, als Karla etwas sagen wollte. „Fünf Monate sind das absolute Maximum.“

„Sechs“, hielt sie dagegen. „Dann wäre ich erst in der Mitte des achten Monats.“

Er lächelte. „Also gut sagen wir sechs. Aber nur unter der Bedingung, dass Sie während dieser sechs Monate Ihre Vertretung einarbeiten.“

„Sechs Monate lang? Das würde ja heißen, dass ich während der letzten drei bis vier Monate praktisch nichts mehr zu tun hätte!“

„Genau! Das heißt: Ob wir sofort jemanden finden, steht noch in den Sternen. Gerade deshalb müssen wir umgehend mit der Suche beginnen.“ Karla wollte etwas einwenden, aber er ließ sie nicht zu Wort kommen. „Entweder Sie nehmen meinen Vorschlag an, oder aus den sechs Monaten wird nichts.“

Sie seufzte laut. „Sie sind der Boss.“

„Das war mir klar“, sagte er freundlich. Dann verfinsterte sich seine Miene. „Bliebe da immer noch die Frage, wie wir es bewerkstelligen wollen, einen Ersatz für Sie zu aufzutreiben.“

Kaum einen Monat später und kaum mehr als 2200 Kilometer Luftlinie östlich ereignete sich ein Schauspiel, von dem weder Karla noch Luke die geringste Ahnung hatten und das doch beider Leben völlig umkrempeln sollte – wenn auch erst sehr viel später.

„Mistkerl.“ Zum Klang dieser Worte fuhr eine sehr große Schere durch einen weiten weißen Rock. „Filzlaus.“ Diese Töne begleiteten das jähe Ende des handgenähten Rocksaums. „Witzfigur“, erklang zum Zerreißen des Seidenoberteils. „Hohlkopf“, tönte es in rhythmischer Begleitung von fliegenden Stoffknöpfen.

„Das hätten wir!“ Maggie Reynolds trat einen Schritt zurück und betrachtete das Werk ihrer Zerstörungswut. Gerade eben noch hatte hier ein wunderschönes Brautkleid gelegen – ihr Traumkleid! Mit nackten Füßen trat sie auf den Stoffhaufen ein, der vor ihrem Bett lag.

Ihre Augen brannten, aber das schob sie lieber auf die sengende Hochsommersonne als auf die Tatsache, dass sie eigentlich in zwei Wochen hätte heiraten sollen – in diesem Kleid, das mittlerweile ein Haufen Fetzen war!

Zwei Tage war es her, dass ihr klotzköpfiger Ex-Bräutigam sie mit einer kurzen Notiz auf dem Frühstückstisch davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass es zur Heirat im Designerkleid mit allem Drum und Dran nicht kommen würde.

Wie hatte er noch gleich geschrieben? Sie kannte den Text inzwischen auswendig: „Liebe Maggie, es tut mir unendlich leid, aber ich kann dich nicht heiraten.“ Nein, das war nicht geschrieben gewesen, das war gekritzelt! Er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, sauber zu schreiben! „Unsere Ehe wäre eine Lüge, denn ich habe mich in Ellen Bennethan verliebt. Wir sind auf dem Weg nach Mexico, wenn du diesen Brief liest. Bitte hass mich nicht zu sehr. Todd“

Todd! Der gut aussehende, tadellos gekleidete Todd. Der allseits angehimmelte Todd mit den pechschwarzen Haaren und den blassblauen Augen. Der Todd, der für jede Frau ein passendes Kompliment parat hatte.

Todd mit der schönen Stimme und den perfekten Manieren. Todd, das Möbelverkaufsgenie. Todd, die Witzfigur!

Nein, Maggie hasste ihn nicht, sie verachtete ihn! Sie verachtete ihn dafür, dass er sich gegen sie und für Ellen Bennethans Geld entschieden hatte. Es war einfach lächerlich, dass er behauptete, in die nichtssagende, zappelige Ellen verliebt zu sein!

Nicht dass sie direkt etwas gegen Ellen hatte. Miss Bennethan war freundlich, gutmütig und ein bisschen schlicht, aber harmlos. Wie Todd es allerdings schaffen wollte, mit ihrem ewigen Gekicher zu leben, war Maggie schleierhaft.

Dabei ging es ihm nicht um sie, sondern um ihr Geld, das rein zufällig das Geld seines Arbeitgebers war.

Wahrscheinlich war ihm – sozusagen in letzter Minute – eingefallen, dass es praktisch wäre, in die Bennethan Furniture Company einzuheiraten. Immerhin sicherte er sich so seinen Arbeitsplatz und ein beträchtliches Erbe gleich dazu.

Gleichzeitig musste er geahnt haben, dass das keineswegs im Sinne von Mr Bennethan war. Sonst hätte Todd sich wohl kaum die Mühe gegeben, Ellen zu einer heimlichen Heirat in Mexico zu überreden. Er wollte um jeden Preis vermeiden, dass sein Schwiegervater ihm einen Strich durch die Rechnung machte.

Mr Bennethan, der Todd als begnadeten Verkäufer schätzte, hatte niemals einen Hehl daraus gemacht, dass er für seine Tochter größere Pläne hatte.

Maggie kochte vor Wut, als sie daran dachte, dass sie die Nacht vor Todds Aufbruch nach Mexico noch zusammen verbracht hatten. Was zwischen ihnen in dieser Nacht geschehen war, hatte genauso wenig mit Liebe zu tun gehabt wie in allen vorigen gemeinsamen Nächten. Eine Zeit lang hatte Maggie schon befürchtet, dass mit ihr etwas nicht stimmte, weil das viel beschworene Feuerwerk ausblieb.

Heute glaubte sie ziemlich sicher zu wissen, dass es an Todds erbärmlichen Fähigkeiten als Liebhaber lag. Mit ihm war es schaler Sex gewesen, der einen bitteren Nachgeschmack hinterließ.

Und nun hatte er sie vor diesem Scherbenhaufen aus Hochzeitsvorbereitungen und dem unguten Gefühl viel vertaner Zeit – der Zeit mit ihm – sitzen gelassen.

„Dieser Mistkerl!“, rief sie und trat ein weiteres Mal in den Haufen aus blütenweißen Stofffetzen.

„Und? Geht es dir jetzt besser?“

Maggie drehte sich erschrocken um. Sie hatte Hannah Deturk gar nicht kommen gehört. Hannah war ihre beste Freundin, und in Maggies Augen war sie außerdem die schönste und eleganteste Frau, die sie kannte.

Nun lehnte sie lässig im Türrahmen und betrachtete die Verwüstung auf dem Teppich.

„Nicht ganz. Das Beste kommt noch“, sagte Maggie atemlos. Tobende Wut war kräftezehrender als eine Extrastunde auf dem Laufband im Fitnesscenter!

Hannah sah sie staunend an. „Planst du etwa eine Scherenattacke auf deine gesamte Aussteuer?“

„Natürlich nicht“, zischte Maggie. „Ich bin vielleicht wütend, aber ich bin weder blöd noch blind vor Wut.“

„Wie beruhigend. Ich war kurz davor, mich vom ersten Eindruck täuschen zu lassen. Ich muss zugeben, dass ich Frauen, die Dreitausend-Dollar-Kleider zerschneiden, bisher für beides gehalten habe: blöd und blind.“

Maggie warf ihre feuerrote Mähne in den Nacken und schenkte ihrer Freundin ein zuckersüßes Lächeln. „Bleib doch einen Moment, dann kannst du sehen, wozu selbst kluge und sehende Frauen fähig sind.“

„Hey, das klingt ja unheimlich! Vielleicht sollte ich tatsächlich bleiben und aufpassen, dass du dir nichts antust.“

„Zu spät. Das hat schon jemand anders für mich erledigt.“ Maggies Stimme begann zu zittern, und Tränen stiegen in ihre Augen.

„Das weiß ich doch“, sagte Hannah sanft, ging auf ihre Freundin zu und nahm sie liebevoll in den Arm.

„Entschuldige“, schluchzte Maggie. „Ich hatte mir fest vorgenommen, nicht mehr zu weinen.“

Autor

Joan Hohl
<p>Joan Hohl wurde 1935 in Amerika geboren, und so lange sie denken kann, wollte sie Autorin werden. Ihre Mutter bezeichnete sie als Tagträumerin. Diese Tagträume hatten konkrete Handlungen, doch leider schrieb sie ihre Ideen nie auf, machte sich keine Notizen. Joan arbeitete als erwachsene Frau zunächst in vielen Bereichen, die...
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