Weihnachten mit den McKettricks (3in1)

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EIN MARSHAL ZUM VERLIEBEN

Die junge Witwe Dara Rose Nolan hat nur einen Wunsch: Sie will ihr
Zuhause und ihre geliebten Kinder nicht verlieren! Verzweifelt fragt sie sich, wie es weitergehen soll. Da kommt der neue, attraktive Marshal
Clay McKettrick nach Blue River, und mit ihm kehrt in Daras Herzen die Hoffnung auf ein Weihnachtswunder zurück …

WEIHNACHTEN IN DEINEN ARMEN

Ein Schuss hallt durch die eisige Winternacht und verletzt Sawyer McKettrick schwer. So hat er sich seine Begrüßung in Blue River nicht vorgestellt. Obwohl die Lehrerin Piper, die ihn aus dem Schneesturm rettet, ihn für einen Gesetzlosen hält, kümmert sie sich um Sawyer. Aber kann sie auch sein rastloses Herz zur Ruhe bringen?

NACHT DER WUNDER

Arizona, 1896. Eine Schneelawine reißt den Zug von den Schienen - und zerstört Lizzies McKettricks Plan: Zum Fest wollte sie bei ihren Eltern sein und ihnen Whitley vorstellen. Verlobung nicht ausgeschlossen! Doch nicht Whitley hilft den Verletzten, macht den Verzweifelten Mut, sondern der attraktive junge Doktor Morgan Shane. Und weckt so in Lizzies Herzen das helle Licht wahrer Liebe ...


  • Erscheinungstag 19.12.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783745751826
  • Seitenanzahl 632
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Linda Lael Miller, Linda Lael Miller

Weihnachten mit den McKettricks (3in1)

Linda Lael Miller

Ein Marshal zum Verlieben

Übersetzung aus dem Amerikanischen von Sabine Schlimm

image

MIRA Taschenbuch ®

MIRA ® Taschenbücher

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg;

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2014 für dieses eBook bei MIRA Taschenbuch ®

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

A Lawman’s Christmas

Copyright © 2011 by Linda Lael Miller

erschienen bei Harlequin Books, Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Gestaltung: fredebold & partner gmbh, Köln

Covergestaltung: pecher & soiron, Köln

Titelabbildungen: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Redaktion: Mareike Müller

ISBN eBook 978-3-95576-400-5

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eBook-Herstellung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

Anfang Dezember 1914

Wäre Clay McKettrick nicht schon durch das ohrenbetäubende Kreischen von Stahl auf Stahl aus seinem unruhigen Schlaf gerissen worden, dann hätte ihn spätestens der folgende Ruck aufgeweckt. Als der Zug abrupt zum Stehen kam, wäre Clay beinahe auf den gegenüberliegenden Sitz geschleudert worden.

Ungehalten setzte er sich auf, fuhr sich durchs Haar und versuchte, durchs Fenster etwas zu erkennen. Blue River, Texas: sein neues Zuhause. Dabei war er mehr als nur irgendein Neuankömmling. Als künftiger Marshal trug er ab jetzt die Verantwortung für die Sicherheit der Stadt und ihrer Bewohner.

Allerdings konnte er in diesem Augenblick kaum etwas von seiner neuen Wirkungsstätte erkennen, da der Rauch der Lokomotive ihm die Sicht nahm. Nicht, dass das schlimm gewesen wäre: Der Anblick der Stadt war ihm gleichgültig. Ein paar Monate zuvor hatte er ihr bereits einen kurzen Besuch abgestattet und dabei alles gesehen, was es zu sehen gab – was noch nicht einmal an einem strahlenden Sommertag sonderlich viel gewesen war. Nun streckte der Winter seine eisigen Finger nach Blue River aus, sodass die holprigen Straßen und heruntergekommenen Fassaden der Häuser vermutlich ein noch trostloseres Bild boten. Clays Großvater Angus hatte immer behauptet, in dieser Gegend von Texas schneie es Staub und Sandflöhe.

Seufzend stand Clay auf, um seinen schwarzen Hut mit der runden Krempe und den abgetragenen Staubmantel von der Hutablage zu nehmen. Dabei gestattete er sich, noch einmal bedauernd an all das zu denken, was er hinter sich gelassen hatte, um hier am Ende der Welt mit eigenen Händen etwas Neues aufzubauen.

Zurückgelassen hatte er eine Menge – nicht zuletzt eine Frau. Außerdem seine Familie, den weitverzweigten McKettrick-Clan, zu dem außer seiner Mutter Chloe und seinem Vater Jeb auch seine beiden älteren Schwestern gehörten. Mittelpunkt des Familienlebens war die Triple-M-Ranch, ein blühender Betrieb mit jeder Menge Land, gutem Wasser und saftigen Weiden.

Ihm kam bruchstückhaft ein Bibelvers in den Sinn „… und das Vieh auf tausend Hügeln”.

Auf tausend Hügel kam die Triple-M-Ranch zwar trotz ihrer Größe bei Weitem nicht, Vieh allerdings gab es wirklich reichlich. Und Clays Großvater Angus McKettrick mochte zwar Hügel und Land als Leihgabe des Allmächtigen betrachten, aber alles andere gehörte in seinen Augen zweifellos ihm, seinen vier Söhnen und seiner Tochter Katie: Rinder, Menschen, Bodenschätze und Holz.

Clay zog den langen Mantel an und setzte sich den Hut auf. Das Pistolenhalfter mitsamt Waffe hatte er in den Koffer im Gepäckabteil gepackt, und sein gescheckter Wallach Outlaw reiste allein im Viehwaggon.

Der einzige andere Passagier war eine knochige Frau mit strengen Gesichtszügen, die keinerlei Neigung zeigte, sich mit einem Fremden zu unterhalten. Auf dem Schoß hielt sie die größte Bibel, die Clay jemals gesehen hatte. Sie schien bereit, sich in die apokalyptischen Drohungen und Heilsversprechen der Heiligen Schrift zu versenken, sobald sie Sündiges auch nur von fern erschnupperte. Der Schaffner, ein nervöser kleiner Mann mit blatternarbigem Gesicht, hatte Clay anvertraut, dass sie den langen Weg aus Cincinnati nach Texas gekommen war, um hier die Heiden zu bekehren.

Am liebsten hätte Clay sich bei ihr erkundigt, ob in Cincinnati die Heiden knapp geworden waren. Doch Erschöpfung und Heimweh nach der Ranch und seiner Familie wogen schwerer als die Belustigung, die ihm dieser Gedanke bereitete. Daher beließ er es dabei, seiner Mitreisenden zum Abschied respektvoll zuzunicken. Vermutlich hatte sie in Cincinnati bereits alle Ungläubigen bekehrt und war nun hergekommen, weil sie als Nächstes dem Teufel den Staat abringen wollte. Ich persönlich würde auf die Siegeschancen des Leibhaftigen keinen Pfifferling geben, dachte Clay, während er die Tür öffnete.

Ein eisiger Wind blies Clay entgegen, und winzige Schneeflocken wirbelten in der Luft herum. Auf dem Bahnsteig wartete der Stadtrat darauf, den neuen Marshal in Empfang zu nehmen. Alle drei Mitglieder trugen zur Feier des Tages Sonntagsanzüge.

Bürgermeister Wilson Ponder ergriff das Wort. Seine Stimme dröhnte über den Bahnsteig. „Willkommen in Blue River, Mr McKettrick.” Er war ein beleibter, reizbar wirkender älterer Mann mit weißen Koteletten und hervorstehenden Zähnen, die sich unabhängig von seinem Kiefer zu bewegen schienen.

Clay, der mit Ende zwanzig zu den jüngsten Mitgliedern des McKettrick-Clans gehörte, war es nicht gewohnt, mit „Mister” angesprochen zu werden. Zu Hause rief man ihn gewöhnlich: „Hey, du da!” Aber die neue Erfahrung gefiel ihm. „Nennen Sie mich ruhig Clay”, sagte er.

Während er den Männern die Hände schüttelte, hievte der Schaffner seinen Koffer aus dem Gepäckabteil auf den Bahnsteig. Mit einem Blick auf seine Taschenuhr bemerkte er: „Sie laden wohl jetzt besser Ihr Pferd ab, falls Sie nicht wollen, dass es nach Fort Worth weiterreist. Der Zug fährt in fünf Minuten ab.” Sein Tonfall verriet die Art von Diensteifer, wie sie typisch ist für kleine Männer, die selbst triefnass kaum fünfzig Kilo auf die Waage bringen.

Clay nickte nur. Vermutlich sehnte sich Outlaw nach frischer Luft und Bewegung. Immerhin war der Wallach seit der Abfahrt von Flagstaff in einem rollenden Stall eingesperrt gewesen.

Zum Abschied tippte sich Clay an die Hutkrempe und versprach den Mitgliedern des Begrüßungskomitees, sich später noch ausführlicher mit ihnen zu unterhalten. Er überquerte den bescheidenen Bahnsteig, stieg ein paar Stufen hinab und schritt durch Asche und Rauchfetzen auf den Viehwaggon zu. Nachdem er die schwere Rampe herabgelassen hatte, kletterte er in das Dunkel des Wagens mit seinem durchdringenden Pferdegeruch.

Outlaw bedachte ihn mit einem leisen Wiehern. Lächelnd tätschelte Clay ihm den langen Hals, bevor er seinen Sattel und das übrige Zaumzeug ergriff und aus dem Waggon warf. Sobald alles draußen war, löste er den Knoten an Outlaws Halfter und führte das Pferd zur Rampe. Viele andere Pferde hätten sich gegen das Unbekannte gesträubt, Outlaw jedoch folgte seinem Herrn willig. Er und Clay gingen seit über zehn Jahren zusammen durch dick und dünn, und sie vertrauten einander bedingungslos.

Ohne Schwierigkeiten bewältigte Outlaw den Abstieg über die Eisenrampe. Sobald ihm der frische Wind mit den ersten Schneeflocken entgegenwehte, blinzelte er kurz, bis sich seine ungewöhnlich blauen Augen an das Licht des Nachmittags gewöhnt hatten. Eigentlich hatte Clay vorgehabt, den Wallach unangebunden stehen zu lassen, während er selbst die Rampe zurückschob. Aber noch bevor er sich umdrehen konnte, kam ein kleines Mädchen um die Ecke des Lagergebäudes gerannt und fasste mit geübtem Griff nach Outlaws Halfter.

Sie konnte kaum älter sein als sieben, aber selbst dafür wirkte sie klein. Ihr abgewetztes Kattunkleidchen, das braune Hütchen und der Mantel waren zwar sauber, hatten aber schon deutlich bessere Tage gesehen. Unter dem Hut war eine blonde Korkenzieherlocke hervorgeschlüpft und lag auf der Stirn des Mädchens, das Clay mit dem Selbstbewusstsein eines gewieften Cowboys anlächelte.

„Ich heiße Miss Edrina Nolan”, verkündete sie. „Sind Sie der neue Marshal?”

Belustigt legte Clay die Hand an die Hutkrempe, um die Kleine ordnungsgemäß zu begrüßen. „Ja. Clay McKettrick mein Name.”

Edrina streckte ihm die freie Hand entgegen. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr McKettrick.”

„Gleichfalls”, entgegnete er lachend. Dass dieses Mädchen dermaßen entspannt mit einem Tier umging, das es um ein Vielfaches überragte, überraschte ihn nicht. Schließlich waren er und seine Cousins auf der Triple-M-Ranch ebenfalls mit Pferden aufgewachsen. Trotzdem beeindruckte ihn Edrinas Gelassenheit.

„Ich halte Ihr Pferd schon”, erklärte sie. „Helfen Sie lieber dem Mann von der Bahn mit der Rampe, sonst tut er sich noch weh.”

Clay wandte den Kopf. Und tatsächlich: Dieser Hänfling von einem Schaffner mühte sich nach Kräften mit der schweren rostfleckigen Eisenplatte ab, damit der Zug weiterfahren konnte. Schnell eilte er ihm zu Hilfe, damit der Mann sich keinen Leistenbruch oder gar einen Herzschlag holte. Für sein Mitanpacken erntete er jedoch keineswegs Dank, sondern lediglich einen ungehaltenen Blick.

Doch Clay scherte sich herzlich wenig um die Befindlichkeiten des Schaffners. Er wandte sich dem Mädchen zu, um Outlaw wieder in Empfang zu nehmen.

Inzwischen saß Edrina auf dem Pferderücken. Das verschlissene Kleid bauschte sich um ihre Beine, und im schneedurchtanzten Licht der Nachmittagssonne wirkte sie wie eines dieser engelhaften Kinder, die auf Kalendern, Valentinskarten und Kekspackungen abgebildet waren.

„Hey, warte mal!” Unwillkürlich griff er nach dem Halfter. Wie Edrina es auf Outlaws Rücken geschafft hatte, war ihm schleierhaft – schließlich hatte er den Wallach noch nicht satteln können. Vielleicht war sie wirklich ein kleiner Engel, der die kleinen Flügelchen unter dem dünnen schwarzen Mantel verbarg?

Vorn am Bahnsteig blies der Ingenieur zur Abfahrt des Zuges. Bei dem schrillen Geräusch fuhr Outlaw zwar zusammen, aber er stieg nicht. Gott sei es gedankt!

„Hey”, wiederholte Clay beruhigend, aber fest. Erst dann bemerkte er den Baumstumpf auf der anderen Seite des Pferds. Edrina musste hinaufgeklettert sein, damit sie sich von dort aus auf Outlaws Rücken hochgezogen haben konnte.

Sie alle – Mann, Pferd und Engelchen – warteten, bis der Zug davongetuckert war und der Lärm sich ein wenig gelegt hatte.

Edrina strahlte Clay von ihrem hohen Sitz aus an. „Mama sagt, jetzt, wo Sie da sind, müssen wir ins Armenhaus”, verkündete sie.

„Ach, tatsächlich?”, entgegnete Clay gelassen. Er fasste das Kind um die Taille, hob es von Outlaws Rücken und stellte es sorgsam auf die eigenen Füße. Dann machte er sich daran, sein Pferd zu satteln. Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie das Begrüßungskomitee des Stadtrats den Bahnsteig verließ.

Edrina nickte lächelnd auf Clays eher rhetorisch gemeinte Frage, und die Korkenzieherlocke auf ihrer Stirn hüpfte dabei auf und ab. „Mein Papa war früher mal der Marshal hier”, erklärte sie Clay sachlich, „doch dann ist er in den Armen einer gefallenen Frau gestorben, in einem Zimmer über dem Bitter Gulch Saloon. Und seitdem sitzen wir auf dem Trockenen.”

Überrascht blinzelte Clay. Wie hatte er Edrina Nolan nur für ein Kind halten können? Sie war viel älter, als sie aussah – mindestens zehn.

„Aha.” Er räusperte sich. „Das ist natürlich traurig. Dass dein Dad gestorben ist, meine ich.” Natürlich kannte er die Geschichte vom Tod seines Vorgängers, denn sie war ihm bei seinem ersten Besuch in Blue River brühwarm erzählt worden. Dennoch fand er es erstaunlich, dass auch Edrina darüber Bescheid wusste.

Das Mädchen verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete kritisch, wie er Outlaw den reichlich abgeschabten Sattel auf den Rücken legte und den Gurt durch die Schnalle fädelte. „Können Sie schießen? So richtig mit ‘nem Gewehr und so?”, erkundigte sie sich.

Clay nickte. Warum saß die Kleine nicht in der Schule? Hatte ihre Mutter eine Ahnung davon, dass sie hier wild herumlief und auf die Pferde fremder Leute stieg, wenn diese kurz nicht hinschauten?

Und wo zum Teufel hatte ein Kind ihres Alters gelernt, so zu reiten?

„Gut”, antwortete Edrina mit einem Seufzer der Erleichterung. Sie hielt immer noch die Arme verschränkt. „Denn Papa konnte man mit Waffen einfach nicht trauen. Einmal hat er eine Pistole geputzt, weil er draußen ein paar Kaninchen für einen Eintopf jagen wollte. Und dann ist die Knarre losgegangen und hat ein Riesenloch in den Boden geschossen. Mama hat einen Sessel drüber gestellt, angeblich, damit meine Schwester Harriet und ich nicht durchfallen und unter dem Haus zwischen den ganzen Spinnweben und Mäusen landen. Doch ich glaube, sie wollte nur nicht, dass die Leute merken, was Papa getan hat. Schließlich kann sogar Harriet aufpassen, dass sie nicht durch ein Loch fällt. Und sie ist erst fünf.”

Clay musste ein Grinsen unterdrücken. Er zog den Gurt fester, damit der Sattel unter seinem Gewicht nicht ins Rutschen geriet, setzte einen Fuß in den Steigbügel und schwang sich auf Outlaws Rücken. Zum Abschied tippte er mit dem Finger an die Hutkrempe. „Bis bald, du kleine Quasselstrippe”, grüßte er freundlich.

„Was ist mit Ihrem Koffer?”, fragte Edrina. „Wollen Sie den etwa hier auf dem Bahnsteig stehen lassen?”

„Ich komme später vorbei, um ihn abzuholen”, erklärte Clay. Gleichzeitig fragte er sich, weshalb er dem Kind überhaupt Rede und Antwort stand. „Dieses Pferd und ich, wir müssen uns jetzt erst mal ein bisschen die Beine vertreten.”

„Ich könnte Ihnen zeigen, wo wir wohnen”, beharrte Edrina. Sie hüpfte neben Outlaw her, als Clay im Schritt losritt. „Na ja, wo Sie wohl ab jetzt wohnen.”

„Vielleicht gehst du jetzt mal besser nach Hause”, erwiderte Clay. „Deine Mama macht sich sicher schon Sorgen.”

„Nee”, entgegnete Edrina. „Mama ist nicht besorgt. Sie denkt ja, ich bin in der Schule.”

Wieder musste Clay sich ein Grinsen verkneifen. Inzwischen waren sie über einen grasbewachsenen kleinen Hang zu der Straße gelangt, die in einer Kurve um das Lagergebäude herum und in den Ort hineinführte. Die Mitglieder des Stadtrats watschelten nur ein paar Schritte vor ihnen den schmalen Gehsteig aus Brettern entlang, immer einer hinter dem anderen, wie drei schwarze Enten mit Zylindern.

„Und warum genau bist du nicht in der Schule?”, erkundigte sich Clay freundlich, während er zum Schutz gegen den rasiermesserscharfen Wind und die eisigen Schneeflocken die Schultern hochzog.

Edrina verkroch sich fröstelnd tiefer in ihren Mantel. Es war das einzige Anzeichen, dass sie überhaupt etwas vom Wetter bemerkte. Unterdessen Miss Edrina Nolan noch über ihre Antwort nachdachte, lenkte Clay sein Pferd auf ihre andere Seite, um sie so wenigstens ein bisschen vor dem beißenden Wind zu schützen.

„Ich weiß schon alles, was sie mir in der Schule beibringen können”, erklärte sie schließlich im Brustton der Überzeugung. „Und noch mehr.”

Da ihn niemand um seine Meinung gebeten hatte, lachte Clay leise, enthielt sich aber eines Kommentars.

Die ersten Ausläufer von Blue River sahen keineswegs beeindruckender aus, als er sie in Erinnerung hatte – auf der einen Straßenseite stand ein Mietstall, auf der anderen ein verlassener Saloon, umgeben von hüfthohem, verdorrtem Gras. Von dem einzigen schmalen Fenster des Saloons waren nur ein paar schmutzige Glasscherben im Rahmen stecken geblieben, und das Schild über der Tür mit der Aufschrift „Last Hope: Saloon und Glücksspiel” hing an einem einzelnen rostigen Nagel. Clay konnte die durch Wind und Wetter verblichenen Buchstaben nur noch mit Mühe entziffern.

„Du solltest bei diesem Wetter wirklich nicht draußen rumlaufen”, ermahnte er Edrina, die immer noch mit Outlaw Schritt hielt, allerdings die Straße den brüchigen Brettern des Gehsteigs vorzog. „Es ist viel zu kalt dafür.”

„Mir gefällt’s”, antwortete sie. „Die Kälte ist so erfrischend, finden Sie nicht auch? Man wird richtig wach davon.”

Je weiter sie in den Ort hineinkamen, desto weniger schäbig wirkten die Häuser, auch wenn die meisten dringend einen frischen Anstrich gebraucht hätten. Die Türen waren fest geschlossen, aber aus den Schornsteinen kräuselte sich Rauch. Auf der Straße sah Clay nur wenige Menschen. Dafür tauchten hinter dem einen oder anderen Fenster neugierige Gesichter auf, sowie er vorbeiritt.

Er schlug den Kragen hoch, um sich gegen den stärker werdenden Wind zu schützen. „Erfrischend” fand er nicht ganz den richtigen Ausdruck für diese Kälte, und wach war er längst, seit er nicht mehr im Zug saß, sondern endlich wieder auf einem Pferderücken. Außerdem war er hungrig und sehnte sich nach einem Bad, einer Rasur – und nach zehn bis zwölf Stunden Schlaf. Wenn er sich doch erst in einem Bett ausstrecken könnte, statt den harten Sattel unter sich zu spüren!

„Na gut, vielleicht zeigst du mir doch lieber gleich, wo du wohnst”, bemerkte er nach längerem Schweigen. So würde die Kleine immerhin nach Hause gehen, wo sie hingehörte. Gleichzeitig konnte er sicherstellen, dass sie dort auch eintraf. Und dann brauchte er sich keine weiteren Gedanken um sie zu machen.

Edrina zeigte nach vorn. Dort lagen ein Gemischtwarenladen, ein Telegrafen- und Telefonbüro, das bescheidene Gefängnis, dem er selbst bald vorstehen würde, und hinter einem Lattenzaun, der einmal weiß gewesen sein mochte, eine winzige weiße Kirche. „Da drüben, eine Straße weiter.” Dabei bog sie unauffällig zur Seite ab, als hätte sie vor, im nächsten Moment zwischen den umstehenden Häusern zu verschwinden. „Also, wo wir wohnen. Das Haus mit dem Apfelbaum im Hof und einem Hühnerstall dahinter.”

Clay brachte Outlaw mit einem kaum wahrnehmbaren Anziehen der Zügel zum Halten. „Hiergeblieben”, befahl er ruhig, da Edrina sich davonmachen wollte.

Sie verharrte wie festgefroren und drehte sich langsam zu ihm um. Der Blick aus ihren großen blauen Augen wirkte resigniert. „Sie erzählen Mama bestimmt, dass ich nicht in der Schule war, oder?” Es hörte sich an, als hätte sie sich bereits mit ihrem Schicksal abgefunden.

„Das ist deine Aufgabe, nicht meine.”

Überrascht zwinkerte Edrina, und in ihrer Miene spiegelten sich kurz hintereinander Verwirrung, Hoffnung und schließlich Verzweiflung. „Sie ist furchtbar sauer, wenn sie es rauskriegt. Mama legt viel Wert auf Bildung.”

„Das tun die meisten vernünftigen Menschen”, erwiderte Clay. Dabei musste er sich auf die Unterlippe beißen, um nicht laut loszulachen. Edrina war zwar kaum ihren Babyschuhen entwachsen, aber sie saß zu Pferd wie ein Komantschenkrieger – davon hatte er sich am Bahnhof mit eigenen Augen überzeugen können – und trat mit einer solchen Würde auf, dass man darüber ihre geringe Größe, ihr Alter und ihre abgetragenen Kleider fast vergaß. „Vielleicht hörst du von nun an besser auf deine Mama. Sie will schließlich nur dein Bestes.”

Da stieß Edrina einen theatralischen Seufzer aus, der aus der Tiefe ihres kleinen Wesens zu kommen schien. „Wahrscheinlich erzählt Miss Krenshaw meiner Mama sowieso, dass ich nach der Pause nicht wiedergekommen bin. Ist also egal, ob Sie es für sich behalten.”

Bei Miss Krenshaw handelte es sich offensichtlich um die Lehrerin.

Das Klappern von Outlaws Hufeisen hallte hohl und einsam auf der ungepflasterten Straße wider. Hin und wieder wich das Pferd einem Schlagloch aus, auf dessen Oberfläche etwas Grünes schwamm.

„Raus kommt es bestimmt, so oder so”, pflichtete Clay ihr bei. Er musste an die Gesichter hinter all den Fenstern denken.

„Kruzifix noch mal!”, rief Edrina ehrlich angewidert aus. „Ich habe wirklich keine Ahnung, warum sich die Leute nicht um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern und mich in Ruhe lassen.”

Dieser Ausbruch entlockte Clay einen erstickten Laut, den er, so gut es ging, mit einem Hüsteln überspielte. „Wie alt bist du eigentlich?”, fragte er. Die Antwort darauf interessierte ihn inzwischen brennend.

„Sechs”, antwortete Edrina.

Er hätte schwören können, sie wäre mindestens zehn oder sogar elf und für ihr Alter ein wenig kurz geraten. „Dann gehst du also in die erste Klasse?”

„In die zweite”, verbesserte Edrina, die immer noch neben dem Pferd herrannte. „Als ich im September eingeschult worden bin, konnte ich schon lesen, und die Zahlen kannte ich auch. Deshalb hat Miss Krenshaw mich die erste Klasse überspringen lassen. Eigentlich hat sie sogar vorgeschlagen, dass ich gleich in die dritte komme, doch Mama war dagegen. Sie fand, ich brauche Zeit, um ein Kind zu sein. Als ob mir überhaupt etwas anderes übrig bleiben würde!” Es klang ziemlich entrüstet.

Diesmal neigte Clay den Kopf zur Seite, um sein Lachen zu verbergen. „Du wirst schneller erwachsen, als du glaubst”, sagte er. „Wenn man mich fragt, dann sehe ich das genauso wie deine Mama.”

„Aber man hat Sie ja nicht gefragt”, bemerkte Edrina scharfsinnig, allerdings nicht unfreundlich.

„Stimmt”, antwortete Clay.

Eine Pause trat ein, während sie erst an der kleinen weißen Kirche und dem Friedhof daneben vorbeikamen. Hier lag vermutlich der verstorbene Marshal Parnell Nolan begraben. Als sie die Straßenecke erreichten, lief Edrina voraus, und Clay folgte auf Outlaw gemächlichen Schrittes.

Bei seinem letzten Kurzbesuch in Blue River hatte sich Clay nicht für das Haus interessiert, das ihm als Dienstwohnung des Marshals zugesagt worden war. Er hatte lediglich die Besitzurkunde für zweitausend Morgen unkultivierten Landes unterzeichnet und von dem Haus und dem Stall geträumt, die er dort bauen wollte. Er würde Vieh und Pferde kaufen, Brunnen graben und Zäune errichten. Natürlich hätte er auch auf der Triple-M-Ranch den Frühling abwarten und bis dahin das gewohnte Leben weiterführen können. Doch das hatten weder seine Ungeduld noch sein Stolz zugelassen.

Außerdem neigte er von Natur aus nicht zum Müßiggang. Um also nicht bis zum Frühjahr Däumchen drehen zu müssen, hatte er das Angebot der Stadt über ein lächerliches Gehalt und einen Stern für den Mantelaufschlag angenommen. Er konnte mit den Pflichten eines Marshals die Zeit überbrücken, bis die Stadtväter irgendwo einen Dummen auftrieben, der den Job auf Dauer übernahm.

„Da ist es”, sagte Edrina. In ihrer Stimme lag ein trauriger Unterton, der Clay einen Stich versetzte.

Clay warf einen Blick auf das heruntergekommene Gebäude, das der Stadtrat als „Cottage” bezeichnet hatte. Er selbst hätte es eher Baracke genannt. Aber viel Zeit für eine eingehende Betrachtung blieb ihm nicht, denn in diesem Augenblick kam eine der hübschesten Frauen, die er je gesehen hatte, wie von einer Pistole geschossen aus der Haustür und stürmte auf sie zu. Hühner stoben gackernd beiseite.

Ihr Haar hatte die Farbe von hellem Cider. Sie trug es im Nacken zusammengesteckt, doch um ihr Gesicht bauschte es sich, wie es der Mode entsprach. Er kannte diese Frisur von seinen Schwestern und Cousinen zu Hause in Arizona. Ihre Augen mochten blau sein, möglicherweise aber auch grün. Im Moment aber sprühten sie Funken wie ein Brandeisen beim jährlichen Fohlenbrennen.

Nachdem die Frau bei der rostig in den Angeln hängenden Pforte in dem kaputten Zaun angekommen war, blieb sie abrupt stehen und starrte Clay wütend an.

Er fühlte sich, als hätte Zeus in diesem Augenblick einen seiner Blitze nach ihm geworfen und er hätte ihn mit beiden Händen aufgefangen, anstatt wie jeder kluge Mann einfach beiseitezutreten.

Der Blick der Frau glitt zu dem kleinen Mädchen. „Edrina Louise Nolan, was soll ich mit dir bloß anfangen?” Beim Sprechen sah er ihre geraden weißen Zähne. Außerdem bemerkte Clay fast beiläufig ihre schöne Haut, die glatt war und einen warmen, pfirsichartigen Ton hatte.

„Vielleicht mich in die dritte Klasse gehen lassen?”, äußerte Edrina mutig.

Clay musste lachen, aber ein vernichtendes Funkeln seitens der Frau brachte ihn schnell zum Schweigen. Dennoch hielt er ihrem Blick stand. Ihn einzuschüchtern gelang so leicht niemandem, auch wenn ihm klar war, dass sie es darauf angelegt hatte.

Die Frau hob das Kinn, wandte sich allerdings sofort wieder ihrer Tochter zu. Sie streckte einen Arm aus – sie trug ebenso wie Edrina ein Kattunkleid – und zeigte auf die Baracke. „Das reicht, junges Fräulein. Schluss mit dem Unsinn.” Aus ihren Worten sprach neben Ärger auch Fürsorglichkeit, wie Clay erleichtert erkannte. Sie öffnete das knarrende Törchen. „Rein mit dir, aber sofort. Du kannst schon einmal über dein ungezogenes Benehmen nachdenken.”

Edrina zögerte gerade lange genug, um Clay, der immer noch im Sattel saß, einen Hilfe suchenden Blick zuzuwerfen. Offenbar hoffte sie, er würde sich einmischen.

Dazu hatte er natürlich überhaupt kein Recht. Trotzdem verspürte er Gewissensbisse dem kleinen Mädchen gegenüber. Wider besseres Wissen schwang er sich vom Pferd, nahm den Hut ab und hielt ihn in einer Hand, während er sich mit der anderen durchs Haar fuhr.

„Tu, was deine Mama sagt”, meinte er zu Edrina. Doch aus seinem Mund klang es eher nach Vorschlag als nach Befehl.

Ihre höchst attraktive Mutter musterte ihn erneut, diesmal allerdings ein wenig bekümmert. Aber schon im nächsten Moment straffte sie den Rücken. Sie erinnerte Clay an einen kleinen Vogel, der sein verblichenes Federkleid aufplusterte. „Sie sind es, oder?”, fragte sie. „Sie sind der neue Marshal.”

„Ja, Ma’am”, antwortete Clay respektvoll, obwohl ihm eher zum Jubeln zumute war. „Ich bin der neue Marshal. Und Sie sind?”

„Dara Rose Nolan. Mrs Nolan für Sie. Sofern Sie überhaupt einen Grund haben, mich anzusprechen, was ich bezweifle.”

Damit machte sie auf dem – sehr abgelaufenen – Absatz kehrt und ging zu dem sogenannten Cottage zurück. Das Dach des Gebäudes sah aus, als wolle es jeden Moment einsacken, die Wassertonne leckte, doch jedes Fenster war blitzblank geputzt.

Edrina und ein weiteres kleines Mädchen – zweifellos Harriet – sprangen zur Seite, sowie ihre Mutter auf sie zukam, und verschwanden im Haus.

Clay verfolgte anerkennend, wie Parnell Nolans Witwe zum Haus eilte, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Die Hühner, die friedlich nach Würmern gepickt hatten, flatterten ihr verstört gackernd zum zweiten Mal aus dem Weg. Dann knallte sie die Tür zu.

Clay lächelte, setzte den Hut auf und schwang sich wieder aufs Pferd.

Bisher hatte ihm vor den langen und vermutlich müßigen Monaten gegraut, die vor ihm lagen. Er hatte nichts als Einsamkeit und Langeweile vor sich gesehen, denn in Blue River, das wusste er, wurden höchst selten Verbrechen verübt. Das war der Hauptgrund dafür, dass die Stadtverwaltung es nicht besonders eilig gehabt hatte, die Stelle von Parnell Nolan wieder zu besetzen.

Clay lenkte Outlaw aus der Stadt hinaus aufs offene Land. Er hatte vor, einen Höhenrücken entlangzureiten, von dem aus man einen weiten Blick in alle Richtungen hatte. Nach der Begegnung mit Mrs Nolan ahnte er, dass der Winter doch nicht so langweilig werden dürfte.

Im Innern des Hauses holte Dara Rose tief Luft und seufzte lang und laut.

Sie hatte der Ankunft des neuen Marshals alles andere als freudig entgegengesehen, schließlich entstanden ihr daraus nur Probleme. Allerdings hatte sie auch nicht geahnt, dass sie dermaßen die Fassung verlieren und sich ihm gegenüber so unhöflich verhalten würde. Auch wenn sie arm war, legte Dara Rose großen Wert auf gutes Benehmen und besonnenes Auftreten. Schließlich musste sie ihren Kindern ein gutes Beispiel geben.

Wie mochte sie wohl auf Clay McKettrick gewirkt haben, als sie aus dem Haus gestürmt war und dabei die Hühner halb zu Tode erschreckt hatte? Sie schloss kurz die Augen und seufzte erneut.

Edrina und Harriet saßen auf dem großen Schaukelstuhl neben dem Holzofen und beobachteten ihre Mutter. Edrina war klug genug, den Mund zu halten, und Harriet hatte sich neben sie gequetscht, ihre Lumpenpuppe Molly fest unter den kleinen Arm geklemmt.

Einen Moment lang war nichts zu hören als das bedeutungsschwere Ticken der Pendeluhr an der Wand. Vor den Fenstern wirbelte der Wind, als suchte er nach einer Ritze, um hereinzukommen. Dara Rose musste ein Zittern unterdrücken.

„Was machen wir jetzt, Mama?”, fragte Edrina endlich. Normalerweise war sie ein gutes Kind, hilfsbereit und vernünftig. Aber ihre Neugier und Rastlosigkeit ließen sich mitunter nicht so leicht bändigen, und deshalb geriet sie immer wieder auf Abwege.

Dara Rose schaute zu dem Bild ihres verstorbenen Mannes Parnell Nolan hoch, das in einem ovalen Rahmen an der Wand hing. Verzweiflung stieg in ihr hoch und schnürte ihr die Kehle zu. Ungeachtet seines skandalösen Todes vermisste sie ihn. Sie vermisste seine verlässliche Anwesenheit, seine ruhige Art und seinen wachen Geist.

Angestrengt bemühte sie sich, die Tränen zurückzudrängen, die ihr in letzter Zeit so häufig in die Augen schossen. „Ich weiß es nicht genau”, musste sie zugeben. „Aber macht euch keine Sorgen, mir fällt schon etwas ein.”

Beruhigend legte Edrina ihrer jüngeren Schwester den Arm um die Schultern. Harriet hatte den Daumen in den Mund gesteckt. Ihre Mutter machte sie nicht darauf aufmerksam, obwohl ihr das Daumenlutschen Sorgen bereitete. Eigentlich hatte Harriet diese Gewohnheit schon als Dreijährige aufgegeben, aber nach Parnells Tod vor fast einem Jahr hatte sie wieder damit angefangen. Der Grund war nicht schwer zu erraten – die Ärmste fühlte sich verunsichert und ängstlich.

Ihrer Mutter ging es nicht viel anders, doch das durfte sie sich selbstverständlich nicht anmerken lassen. Bürgermeister Ponder und die anderen Stadträte hatten ihr und den Kindern betont großzügig erlaubt, fürs Erste weiter in ihrem Häuschen zu wohnen – unter der Bedingung, dass sie auszogen, sobald ein neuer Marshal Parnells Stelle antrat.

„Mach dir keine Sorgen”, erklärte Edrina ihrer Schwester und drückte sie fester an sich. „Mama fällt immer etwas ein.”

Bisher war es Dara Rose gelungen, das Vertrauen ihrer Kinder nicht zu enttäuschen. Sie hatte im eigenen Garten Gemüse angebaut, damit sie Essen auf dem Tisch hatten. Sie hatte Näharbeiten übernommen, war den Hausfrauen von Blue River bei der großen Wäsche zur Hand gegangen und hatte hin und wieder sogar in den Geschäften an der Hauptstraße geputzt. Doch bei allem Fleiß sahen ihre Verdienste besorgniserregend mager aus. Ohne das Haus drohte ihnen bittere Armut.

Natürlich gab es auch andere Möglichkeiten – gab es die nicht immer? Aber diese Aussichten wirkten kaum weniger düster. Sie konnte im Bitter Gulch Saloon als Bardame anfangen und mit etwas Glück vielleicht sogar genug verdienen, um ihre Kinder irgendwo in der Nähe in Kost und Logis zu geben. So könnte sie sie immerhin von Zeit zu Zeit sehen. Aber wie lange würde es wohl dauern, bis die Kleinen herausfanden, womit ihre Mutter ihr Geld verdiente – bevor sie anfingen, sie zu verachten? Ein Jahr? Zwei Jahre? Drei?

Die zweite Möglichkeit erschien ihr nur unwesentlich erträglicher. Ezra Maddox hatte ihr angeboten, als Köchin und Haushälterin auf seiner entlegenen Ranch zu arbeiten. Allerdings hatte er deutlich gemacht, dass sie ihre Töchter nicht mitbringen konnte. Er hatte ihr sogar geradeheraus empfohlen, Edrina und Harriet ins Waisenhaus zu bringen oder sie auf einer Farm in Dienst zu geben, wo sie sich ihren Lebensunterhalt verdienten. Seiner Meinung nach stärkte das den Charakter.

Bei seinem letzten Besuch am vergangenen Sonntag nach dem Gottesdienst hatte er genau hier in ihrer Stube gestanden und ihr in Aussicht gestellt, sie sogar zu heiraten, wenn sie sich als Haushälterin bewähre. Sie hatte ihm deutlich angesehen, wie großherzig ihm sein eigenes Angebot vorkam. Allerdings lief ihr schon bei dem bloßen Gedanken ein kalter Schauder über den Rücken.

Was für eine Unverschämtheit! Ezra Maddox erwartete allen Ernstes, dass sie ihre Töchter der Obhut von Fremden überließ und den Rest ihres Lebens damit zubrachte, seine Socken zu stopfen und ihm die Mahlzeiten zu kochen. Dafür bot er ihr Kost, Logis und ein äußerst mageres Gehalt. Und wenn sie sich „bewährte”, wie er es ausdrückte, musste sie darüber hinaus auch noch mit ihm das Bett teilen und auf das geringe Gehalt verzichten.

Als allerletzten Ausweg konnte Dara Rose noch aus dem Einmachglas in ihrer winzigen Küche das bescheidene Ersparte nehmen, Zugfahrkarten kaufen und mit ihren Kindern nach San Antonio, Dallas oder Houston ziehen. Vielleicht fand sie dort ehrliche Arbeit und eine Unterkunft.

Und wenn nicht? Die Zeiten waren hart. Ihr Notgroschen würde nicht lange reichen. Und was dann?

Es war höchste Zeit, sich solche Gedanken aus dem Kopf zu schlagen und lieber etwas Vernünftiges zu tun, sonst ließ sie sich noch von den unerfreulichen Zukunftsaussichten lähmen. Entschlossen lief Dara Rose in die Küche, um das Abendessen zuzubereiten.

Im vergangenen Herbst hatte ihr jemand das Hinterviertel eines Hirschs geschenkt. Sie hatte das Fleisch in Streifen geschnitten und sorgfältig in Gläsern eingeweckt. Aus dem Garten waren ihr immer noch grüne Bohnen, Mais und Möhren geblieben, von den Obstbäumen hinter der Kirche hatten sie Äpfel und Birnen geerntet, und im Sommer hatte sie mit den Kindern Beeren gesammelt und in Körben und Blechdosen nach Hause gebracht. Dank der Hühner waren immer ausreichend Eier im Haus, und ein paar davon konnte sie sogar verkaufen, wenn sie sie nicht beim Krämer gegen Zucker, Mehl und andere Notwendigkeiten eintauschte. Hin und wieder kaufte sie sogar Tee, aber das war ein großer Luxus geworden.

Dara Rose straffte den Rücken, sowie sie bemerkte, dass Edrina ihr in den kleinen Küchenanbau gefolgt war.

„Ich finde Mr McKettrick nett”, bemerkte das Kind. „Und du?”

Mit dem Rücken zu ihrer Tochter band sich Dara Rose rasch die Schürze um. „Was ich von dem neuen Marshal halte, ist vollkommen nebensächlich”, erwiderte sie. „Und glaube nicht, ich hätte auch nur für eine Sekunde vergessen, dass du mal wieder die Schule geschwänzt hast, Edrina Louise Nolan. Du bist in ernsthaften Schwierigkeiten.”

Edrina stieß einen resignierten Seufzer aus. „Wie ernsthaft?”

„Ziemlich ernsthaft”, antwortete Dara Rose, während sie Holz nachlegte und das Feuer im Herd mit dem eisernen Haken schürte.

„Ich denke, wir sind alle in ernsthaften Schwierigkeiten”, sagte Edrina altklug.

Kindermund tut Wahrheit kund, schoss Dara Rose durch den Sinn.

„Müssen wir jetzt Waisen sein, Mama?”, fragte Harriet, die Edrina wie üblich auf dem Fuß gefolgt war.

Dara Rose hängte den Schürhaken zurück an seinen Platz neben dem Herd und wandte sich zu ihren Töchtern um. Harriet klammerte sich an die Hand ihrer älteren Schwester, indessen sie ihre Mutter aus weit aufgerissenen Augen sorgenvoll ansah.

„Wir sind eine Familie”, antwortete Dara Rose, kniete sich auf den Boden, legte den Mädchen die Arme um die Taille und drückte sie an sich. Tief sog sie den süßen Duft von Kinderhaaren und Kinderhaut ein. „Wir bleiben zusammen, das verspreche ich euch.”

Jetzt musste sie nur noch einen Weg finden, um dieses Versprechen zu halten.

2. KAPITEL

Das Schneetreiben wurde immer dichter, als Clay nach Blue River zurückkehrte. Er hatte von dem Höhenrücken aus sein Grundstück betrachtet und sich an der Weite und den unbegrenzten Möglichkeiten erfreut.

Unter ihm schritt Outlaw immer noch sicher und gleichmäßig aus, obwohl es bereits dämmerte. Aus einigen der Fenster an der Hauptstraße fiel sanftes Lampenlicht, und hier und da leuchtete grell eine Glühbirne. Clay hatte sich noch nicht entschieden, ob er zu gegebener Zeit sein Grundstück an das Stromnetz anschließen wollte. Seiner Meinung nach war Elektrizität eine ähnlich neumodische Erfindung wie das Telefon. Bei beiden war er sich nicht sicher, ob sie sich durchsetzen würden.

Nachdem er mit dem Besitzer des Mietstalls über eine Box für Outlaw verhandelt hatte, machte er sich zum Bitter Gulch Saloon auf. Höchstwahrscheinlich warteten der Bürgermeister und der Stadtrat dort schon auf ihn.

Die meisten Geschäfte hatten zum Schutz vor dem Wetter alle Türen und Fenster sorgfältig verrammelt, aber den überfüllten Gastraum des Saloons trennte nur eine Schwingtür vom Gehsteig. Irgendwo in dem dichten blauen Zigarrenrauch klimperte ein verstimmtes Klavier eine Melodie, und man hörte Flaschen gegen Glasränder klirren. Der Fußboden war mit Sägemehl bedeckt, und die kunstvolle Schnitzerei an dem langen Tresen zeigte etliche barbusige Schönheiten, die Wasser in Urnen gossen, die ihrerseits mit Blumen, Fabelwesen und anderem verziert waren.

Clay nahm den Hut ab und schnippte mit dem Finger gegen die Krempe, um den Schnee abzuschütteln. Dabei fiel sein Blick auf das eigene Gesicht, wie es ihm der fleckige, angeschlagene Spiegel hinter der Bar zeigte.

Normalerweise hielt er sich nicht häufig in Saloons auf, denn er fand keinen großen Gefallen am Trinken. Aber in Blue River würde er in Ausübung seiner Pflichten als Marshal regelmäßig den Bitter Gulch Saloon frequentieren, das wusste er. Man brauchte die Saat der Unruhe und des Verbrechens nur mit genügend Whiskey zu begießen, damit sie Wurzeln schlug und schneller emporwuchs als die grünen Bohnen, die seine Ma jeden Frühling im Garten aussäte.

Clay erkannte auf den ersten Blick, dass er zu Recht vermutet hatte, Bürgermeister Ponder und seine Genossen hier zu finden. Sie hatten sich um einen Tisch in der Ecke nahe beim Kanonenofen versammelt. Vor jedem von ihnen standen ein Glas und eine Flasche.

Innerlich seufzte Clay, rang sich aber ein Lächeln ab, als er auf den Tisch zuging. Auf den Schultern seines Staubmantels schmolz der Schnee.

„Schön, Sie zu sehen, Clay”, begrüßte ihn Bürgermeister Ponder jovial. Einer der Stadträte zog einen Stuhl vom Nachbartisch heran. „Ich habe schon einen Jungen rüber zum Bahnhof geschickt, um Ihren Koffer abzuholen.”

Clay setzte sich auf den angebotenen Platz, ohne den Mantel auszuziehen. Er hatte nicht vor, lange zu bleiben.

Der ältere Mann fuhr fort: „Sie haben nicht erwähnt, wo Ihre Sachen hingebracht werden sollen, deshalb habe ich Billy gesagt, er soll den Koffer erst mal zum Gefängnis schleppen.”

„Danke”, antwortete Clay ruhig und legte seinen Hut auf den Tisch. Zu Hause hatten die Frauen der McKettricks größten Wert darauf gelegt, solche Sitten gar nicht erst einreißen zu lassen, nicht nur, weil es schlechtes Benehmen war, sondern auch, weil es Unglück brachte. Und weil es einen Mann ein kleines bisschen schlampig wirken ließ, wie sie sagten.

„Trinken Sie ein Glas mit?”, fragte Ponder, der Clay durch den wabernden Zigarrenrauch hindurch nachdenklich betrachtete. Der durchdringende Geruch nach ungewaschenen Körpern und mangelnder Zahnbürstenbenutzung stand so dicht im Raum, dass er beinahe mit Händen zu greifen war. Clay verspürte mit einem Mal das dringende Bedürfnis, wieder nach draußen an die frische Luft zurückzukehren.

Er schüttelte den Kopf. „Heute nicht. Ich habe einen langen Tag hinter mir und sehne mich nach etwas zu essen, einem heißen Bad und einem Bett.”

Ponder räusperte sich. „Apropos Bett”, fing er an. „Ich fürchte, Ihre Dienstwohnung ist derzeit noch nicht frei. Wir haben Dara Rose gesagt, dass sie ausziehen muss, sobald wir Parnell Nolans Stelle wieder besetzt haben, aber bis jetzt hat sie dazu keine Anstalten gemacht.”

Dara Rose. Die Erinnerung entlockte ihm ein Lächeln. Es war erst wenige Stunden her, dass die temperamentvolle junge Frau zum Schrecken ihrer Hühner aus der Tür ihres Häuschens gestürmt war, um ihn und Edrina in Empfang zu nehmen. Bei der Gelegenheit hatte sie ihm unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie sich keineswegs über sein Auftauchen freute.

Im Leben von Clay McKettrick hatten schon etliche Frauen eine Rolle gespielt, und in eine von ihnen hatte er sich sogar verliebt – was zu einem bösen Erwachen geführt hatte. Aber keine von ihnen hatte bisher eine solche Wirkung auf ihn gehabt wie die Witwe Nolan.

„Das eilt nicht”, antwortete er gelassen. „Ich kann mich erst mal in einem Hotel einmieten oder im Gefängnis übernachten.”

„Für Übernachtungskosten kann die Gemeinde Blue River nicht aufkommen”, erklärte Ponder besorgt. „Die Rücklagen der Stadt sind vollkommen für die Stromleitung von Austin hierher draufgegangen.”

Einer der anderen Herren schnaubte ärgerlich und schenkte sich Whiskey nach. „Zur Hölle”, sagte er, unterbrochen von einem Schluckauf, „wir sind nicht nur vollkommen abgebrannt, wir stecken sogar bis über beide Ohren in Schulden.”

Ponder wurde rot, und seine weißen Koteletten fingen vor Erregung an zu zittern. Nachdem er den Sprecher einen Augenblick stumm angefunkelt hatte, wandte er sich wieder Clay zu. „Wir sind durchaus in der Lage, das ausgemachte Gehalt zu zahlen – fünfundsiebzig Dollar im Monat und dazu die Dienstwohnung, ganz wie vereinbart. Gleich morgen früh spreche ich mit Mrs Nolan und sage ihr, dass sie sich sofort um etwas Neues kümmern muss.”

„Nein, tun Sie das nicht”, fiel Clay ihm ins Wort. Er atmete tief durch, um ruhig zu bleiben. „Im Moment habe ich nichts dagegen, ein Hotelzimmer zu bezahlen oder in der Gefängniszelle zu schlafen.”

Die Herren wechselten verblüffte Blicke. Vor den wenigen hohen Fenstern des Bitter Gulch Saloons tanzten die Schneeflocken, als wären Millionen winziger Gespenster auf der Suche nach einem Ort, an dem sie herumspuken konnten.

„Abgemacht ist abgemacht”, plusterte sich Ponder auf. „Wir haben Ihnen eine Dienstwohnung angeboten und gedenken durchaus, unser Wort zu halten.”

Nachdenklich rieb sich Clay das Kinn. Bereits jetzt fühlte es sich stoppelig an, obwohl er sich erst am Morgen im Zug rasiert hatte – unter Lebensgefahr: Er hätte sich in dem schaukelnden Eisenbahnwaggon beinahe die Kehle durchgeschnitten. „Wo würden Mrs Nolan und ihre Töchter dann hingehen?”, erkundigte er sich. Hoffentlich klang er nicht allzu auffällig besorgt. „Ich meine, wenn sie ausziehen müssten.”

„Ezra Maddox hat ihr einen Antrag gemacht”, bemerkte einer der Stadträte. „Ein harter Knochen, der alte Ezra, aber immerhin nennt er außer einer Farm und einer Herde Milchkühe auch ein dickes Bankkonto sein Eigen. Wenn sie unter die Haube will, könnte sie es weit schlechter treffen.”

Die Neuigkeit versetzte Clay einen Stich, aber er ließ sich nichts anmerken. Irgendetwas fühlte er für Dara Rose Nolan. Doch was dieses Irgendetwas genau war, das musste er erst einmal genauer herausfinden.

„Allerdings hat Ezra nicht vor, auch die Mädchen zu nehmen”, warf ein anderer Mann ein. Er goss erneut sein Whiskeyglas voll und kippte es sofort hinunter, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Der Schnaps schien ihm nicht stärker in der Kehle zu brennen als klares Quellwasser. „Und er hat Dara Rose auch nicht gleich die Ehe angeboten. Erst mal will er sie als Haushälterin ausprobieren. Der alte Ezra kauft nicht gern die Katze im Sack.”

Aus dem Wirrwarr in Clays Innerem kristallisierte sich ein Gefühl heraus und wuchs, bis es ihn vollständig auszufüllen schien. Es war Zorn, purer, kalter Zorn mit gefährlich scharfen Kanten. Was war das nur für ein Mann, der von einer Frau erwartete, ihre eigenen Kinder zurückzulassen? Clay spürte, wie ihm Hitze den Hals hinaufkroch, und es kostete ihn enorme Anstrengung, seine Kiefermuskeln zu entspannen.

„Wenn ihr mich fragt, dann hat Dara Rose im Moment wohl kaum eine große Wahl”, mischte sich Ponder ein. Sein Ton ließ durchklingen, dass er mit Ezra Maddox befreundet war und sich im Fall einer Auseinandersetzung auf die Seite des Farmers schlagen würde. Mit einer ausladenden Handbewegung wies er auf den Gastraum und das halbe Dutzend Bardamen, die in ihrem mottenzerfressenen Putz die Gäste bedienten. „Wenn sie Ezras Angebot ablehnt, landet sie hier.” Er erlaubte sich ein schmallippiges Lächeln. Clay musste sich mit aller Macht zusammenreißen, um dem Bürgermeister von Blue River nicht eine Ohrfeige zu verpassen, die ihn vom Stuhl auf den schmutzigen Boden gefegt hätte. „Nicht, dass ich persönlich dagegen etwas einzuwenden hätte.”

Innerlich kochte Clay, aber er verlieh seiner Miene den Ausdruck stiller Belustigung. Nicht umsonst hatte er von Kindesbeinen an Poker gespielt: mit Grandpa, Pa und seinen Onkeln sowie einer Menge übermütiger Cousins und Cousinen. Er wusste genau, wie man seine Gefühle verbarg.

Jedenfalls meistens.

„Und dabei bist du verheiratet”, schalt einer der anderen Stadträte nachsichtig. „Du solltest dich was schämen.”

Clay schob langsam den Stuhl zurück und stand auf. Bevor er den Hut vom Tisch nahm, streckte er sich kurz. „Ich überlasse Sie mal lieber Ihren Gesprächen, Gentlemen.” Dem Wort „Gentlemen” verlieh er eine leichte, aber unüberhörbar ironische Betonung.

„Aber wir wollten Ihnen den Amtseid abnehmen”, widersprach Ponder. „Es soll doch alles ganz offiziell sein.”

„Bis zum Morgen ist es nicht lang”, antwortete Clay und setzte den Hut auf. „Ich erwarte Sie um acht Uhr am Gefängnis. Bringen Sie den Marshalstern und eine Bibel mit.”

Ganz offensichtlich war der Bürgermeister daran gewöhnt, dass in der Stadt alles nach seiner Pfeife tanzte. Nur dass „alles” noch nie einen McKettrick umfasst hatte.

Zum Abschied lächelte Clay lässig, tippte sich gegen die Hutkrempe und wandte sich zum Gehen. Nachdem sich die Schwingtüren des Saloons wieder hinter ihm geschlossen hatten, blieb er kurz stehen, atmete durch und legte den Kopf in den Nacken. Es war dunkel, und vor dem Himmel hingen dichte Schneewolken. Einen kurzen Moment wünschte sich Clay, die Sterne sehen zu können.

Er war nach Blue River gekommen, um eine eigene Ranch aufzubauen, eine gute Frau zu heiraten und mit ihr zusammen einen Stall voll Kinder aufzuziehen. Eines Tages wollte er ebenso stolz auf sein Lebenswerk zurückblicken können wie sein Grandpa auf der Triple-M-Ranch. Wie seine zukünftige Braut aussah, war demgegenüber nebensächlich. Schließlich würde er nie jemanden so lieben wie Annabel Carson, die sich jedoch dafür entschieden hatte, seinen Cousin Sawyer zu heiraten, koste es, was es wolle.

Clay wünschte sich eine Frau, die ihm gleichzeitig Partnerin war und in guten wie in schlechten Tagen zu ihm stand. Natürlich sollte sie klug und lustig sein – das Leben auf einer Ranch war zu hart, um es ohne Humor zu ertragen. Hübsch musste sie nicht unbedingt sein.

Schließlich war Annabel eine Schönheit, und genau das hatte ihn ganz schön tief ins Unglück geritten. Anfangs hatte sie behauptet, Clay von ganzem Herzen zu lieben, aber bei der ersten Meinungsverschiedenheit hatte sie ihm den Verlobungsring vor die Füße geworfen und sich stattdessen Sawyer in den Kopf gesetzt. Das war zwar schon etliche Monate her, aber die Erinnerung daran steckte ihm immer noch wie ein Stachel im Fleisch.

Er überquerte die Straße zu dem einzigen Hotel in Blue River, aus dessen Fenstern goldenes Licht fiel. Bei jedem Schritt musste er gegen die Trauer und Enttäuschung ankämpfen, die Annabel in ihm ausgelöst hatte. Aber dann passierte etwas Unvorhergesehenes: Vor seinem inneren Auge sah er statt Annabels Gesicht plötzlich das von – Dara Rose Nolan.

Als Dara Rose am nächsten Morgen aufstand, hatte es aufgehört zu schneien, und von den Flocken des Vortags war nichts liegen geblieben. Der Himmel sah blau aus. Sie wusch sich, zog sich an und machte Feuer, bevor sie hinausging, um die Hühner zu füttern und die Eier einzusammeln.

Zwar hatte sie schlecht geschlafen, aber die kalte Luft, die bereits den nahenden Winter ankündigte, verscheuchte den letzten Nebel aus ihrem Kopf. Lächelnd machte sie sich an die Arbeit. Natürlich war ihre Lage so verzweifelt wie eh und je, aber im Licht des neuen Tages schöpfte sie immer wieder neuen Mut. Solange die Sonne schien, schwanden ihre Ängste, und sie konnte daran glauben, dass sich alles zum Guten wenden würde. Sie musste nur ihr Bestes geben und durfte den Glauben nicht verlieren.

Es würde ihr mit Sicherheit gelingen, eine Möglichkeit zu finden, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen und ihre kleine Familie beisammenhalten konnte. Dieses Vertrauen brauchte sie, um weiterhin einen Fuß vor den anderen setzen zu können.

Während ihr die Hennen gackernd und flügelschlagend um die Röcke liefen und den Maisschrot aufpickten, den sie ihnen hinwarf, fasste sie einen Entschluss. Sobald die Kinder gefrühstückt hatten und Edrina in Richtung Schule verschwunden war, würde sie mit ihrer jüngeren Tochter losziehen und notfalls an jedem einzelnen anständigen Haus in der ganzen Stadt Klinken putzen.

Irgendjemand in Blue River musste doch eine Köchin, Haushälterin, Pflegerin oder eine Kombination aus alldem brauchen! Sie würde hart arbeiten und im Gegenzug nichts verlangen als Kost und Logis für sich selbst und die Mädchen. Zu dritt brauchten sie nicht viel Platz, und wenn sie zusätzliches Geld brauchte, konnte sie Näharbeiten übernehmen.

Diese Idee war keineswegs neu, und besonders Erfolg versprechend war sie auch nicht, schließlich ging es den meisten Einwohnern der Stadt kaum besser als ihr selbst. Großen Bedarf an Haushaltshilfen gab es in Blue River daher nicht. Trotzdem sah Dara Rose ein wenig optimistischer in die Zukunft, als sie den Rest Hühnerfutter verstreute, sich die Hände abklopfte und zur Hintertür ging, wo an einem Nagel der Eierkorb hing.

Den Korb am Arm, ging sie zu dem windschiefen Hühnerhaus, raffte mit einer Hand ihren Rock und sammelte mit der anderen die Eier aus dem Stroh. An diesem Morgen fand sie mehr als ein Dutzend – fünfzehn, um genau zu sein. Das bedeutete, dass Edrina, Harriet und sie jeweils eins zum Frühstück essen konnten, bevor sie die übrigen beim Krämer eintauschte. Gegen Salz zum Beispiel, denn das wurde allmählich knapp. Vielleicht gab er ihr dafür sogar noch ein wenig Schmalz und eine kleine Schaufel Zucker.

Gedankenverloren summte Dara Rose vor sich hin, als sie wieder aus dem Hühnerhaus auftauchte. Im nächsten Moment hätte sie beinahe den Eierkorb fallen lassen. Direkt vor ihrem Zaun zügelte der neue Marshal sein ungewöhnlich geschecktes Pferd. Am Aufschlag seines abgetragenen Mantels trug er den glänzenden Stern als Abzeichen seines Amtes. Der lange Mantel ließ ihn allerdings eher wie einen Pistolenhelden wirken, und der breitkrempige Hut trug ebenfalls noch zum verwegenen Aussehen des Mannes bei.

Augenblicklich spürte Dara Rose, wie sie wütend wurde. Trotzdem holte sie tief Luft und zwang sich zum Lächeln. Schließlich konnte man dem Mann kaum vorwerfen, dass er ihr Scherereien bereitete.

Der Marshal erwiderte ihr Lächeln nicht. Stattdessen schwang er sich aus dem Sattel, öffnete die wacklige Pforte und betrat dreist ihren Vorgarten.

Die Hoffnung, die Dara Rose noch einen Augenblick zuvor verspürt hatte, schwand zusehends, als ihr der Grund für sein Kommen klar wurde: Er wollte sie und die Kinder hinauswerfen, damit er selbst einziehen konnte, vielleicht sogar mit seiner Familie. Und zwar bald. Dass er ein Recht darauf hatte, in diesem Häuschen zu wohnen, machte es ihr keineswegs leichter, die Tatsache zu akzeptieren.

„Morg’n”, sagte er, als er direkt vor ihr stand. Er tippte sich höflich an die Krempe, bevor er den Hut abnahm.

„Guten Morgen”, antwortete Dara Rose. Sie war auf der Hut. Nur zu deutlich stand ihr wieder vor Augen, wie unhöflich sie sich ihm gegenüber am Vortag benommen – und wie sehr sie es später bereut hatte. Ihr Blick wurde unwillkürlich von dem polierten Metallstern an seinem Mantel angezogen. Bei der Erinnerung an Parnell durchfuhr sie von Neuem der Schmerz des Verlusts. Der arme, ritterliche Parnell hatte nie etwas anderes als das Beste gewollt.

Nach der kurzen Begrüßung schwiegen sowohl Dara Rose als auch der Marshal. Sie standen lediglich da und sahen sich an, und die Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten.

Endlich räusperte sich Marshal McKettrick. Er hielt nun den Hut in beiden Händen, und die Wintersonne ließ sein dunkles Haar glänzen. Alles an ihm wirkte frisch gewaschen, von dem alten Mantel einmal abgesehen. Sogar seine Stiefel waren auf Hochglanz poliert.

Irgendwo in einem Winkel ihres Herzens spürte Dara Rose eine seltsame Regung.

Der Mann wies mit dem Kopf auf das Häuschen und äußerte stockend: „Eigentlich wollte ich nur sagen, dass Sie und die Kinder wirklich nicht gleich ausziehen müssen. Die letzte Nacht habe ich im Hotel verbracht, aber im Gefängnis gibt es eine Pritsche und einen Ofen. Im Moment reicht mir das vollauf.”

Dara Rose spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte. Ihre Augen brannten. Sie traute ihren Ohren kaum. „Aber Sie haben ein Recht darauf, hier zu wohnen”, erinnerte sie ihn. Im selben Moment hätte sie sich am liebsten die Zunge abgebissen. „Bestimmt will Ihre Frau nicht gerade im Gefängnis …”

Von einem Moment auf den anderen war alles Zögerliche, Unbeholfene an dem Marshal wie weggeblasen. Er hob einen Mundwinkel zu einem etwas schiefen Grinsen, und in seinen Augen blitzte es schalkhaft. Augen, die Dara Rose an die Farbe von nagelneuem Jeansstoff erinnerten.

„Ich habe keine Frau”, erklärte er. „Zumindest noch nicht.”

Sein Lächeln ging Dara Rose durch und durch. Auf unerklärliche Weise beschleunigte sich ihr Herzschlag, nur um im nächsten Moment beinahe zu stocken. Hegte Clay McKettrick womöglich gewisse … Erwartungen im Gegenzug für seine Freundlichkeit? Falls ja, musste sie ihn enttäuschen. Eine solche Frau war sie nicht.

Nicht mehr.

„Es ist fast Weihnachten”, bemerkte Clay und warf einen Blick zum Himmel, bevor er ihr wieder ins Gesicht sah.

Verwirrt kniff Dara Rose die Augen zusammen. Weihnachten mochte für Edrina und Harriet wie jedes Kind eine Bedeutung haben, aber sie selbst schlug sich im Moment mit ganz anderen Sorgen herum.

„Brauchen Sie eine Brille?”, fragte Clay.

Verdutzt von dieser Frage, öffnete Dara Rose den Mund, nur um festzustellen, dass es ihr die Sprache verschlagen hatte. Sie presste die Lippen wieder zusammen und schüttelte den Kopf.

Clay McKettrick lachte in sich hinein und griff nach dem Korb mit den Eiern. Er war leicht, und was er enthielt, besaß großen Wert für sie, aber Dara Rose ließ den Marshal widerstandslos gewähren.

„Wo hat Edrina Reiten gelernt?”, erkundigte sich Clay.

Sie hatten sich in Bewegung gesetzt und gingen langsam auf das Häuschen zu, als wüssten sie nicht, dass sie sich nach den Regeln von Anstand und Sitte keinesfalls gemeinsam hinter verschlossenen Türen aufhalten durften.

Wieder blinzelte Dara Rose. Sie fühlte sich so verwirrt, als hätte er in einer fremden Sprache mit ihr geredet. „Wie bitte?”

Hintereinander betraten sie die winzige Küche mit den schiefen Wänden und dem eisernen Herd. Der Marshal stellte den Eierkorb auf den Tisch, der behelfsmäßig aus einem Brett und zwei Tonnen zusammengenagelt war.

„Edrina war gestern am Bahnhof, als Outlaw und ich aus dem Zug gestiegen sind”, erklärte Clay ruhig, die Hände vor der Brust verschränkt. Er machte keine Anstalten, ihr zu nahe zu kommen. „Dieses Kind kann mit Pferden umgehen.”

Dara Rose hörte, wie sich die beiden Mädchen in dem kleinen Nebenraum regten, den sie sich zu dritt als Schlafzimmer teilten. Plötzlich überrollte sie eine solche Welle Liebe zu ihren Kindern, dass ihr beinahe die Tränen in die Augen stiegen. „Stimmt. Parnell – mein Mann – hatte einen Fuchs namens Gawain. Edrina war beinahe von klein auf im Sattel zu Hause.”

„Was ist mit ihm geschehen?”, erkundigte sich Clay.

„Mit Parnell?”, fragte Dara Rose. Sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg.

„Ich weiß, was mit Ihrem Mann passiert ist, Ma’am”, antwortete Clay ruhig. „Ich meinte das Pferd.”

Noch immer war Dara Rose verwirrt, aber sie straffte den Rücken und blickte Clay McKettrick in die Augen. „Wir mussten Gawain nach dem Tod meines Mannes verkaufen.” Es war nichts als die Wahrheit, aber sie schmerzte fast genauso wie die Art, wie Parnell gestorben war. Sie und die Kinder hatten den Wallach geliebt, aber Ezra Maddox hatte einen guten Preis für ihn geboten, und Dara Rose brauchte das Geld für Lebensmittel, Feuerholz und Lampenkerosin.

Edrina hatte tagelang geweint.

„Ich verstehe”, sagte Clay. Als in diesem Augenblick Edrina und Harriet in die Küche gehüpft kamen, erhellte ein breites Lächeln seine Miene, als wäre die Sonne aufgegangen. Die beiden Mädchen rannten zum Herd, um sich daran zu wärmen. Sie trugen ihre Kattunkleidchen, aber weder Schuhe noch Strümpfe.

„Müssen wir jetzt ins Armenhaus?”, fragte Harriet. Halt suchend griff sie nach Edrinas Hand. Die Nähe der Schwester schien sie so sehr zu beruhigen, dass sie darüber vergaß, wie kalt der Boden unter ihren nackten Füßen war. Im Winter lag morgens manchmal Raureif auf den Dielenbrettern.

Zu Dara Roses Überraschung kauerte Clay sich hin, sodass er beinahe auf Augenhöhe mit ihr sprechen konnte. Es gelang ihm mühelos, das Gleichgewicht zu halten. Immer noch hielt er den Hut in der Hand, und als sich sein Mantel ein Stück öffnete, konnte sie den Pistolengurt sehen, den er um die schmalen Hüften trug.

„Ihr müsst nirgendwohin”, erklärte Clay den beiden Mädchen sehr ernst.

Edrinas Augen weiteten sich. Die ungekämmten Locken umrahmten ihr Gesicht in einer wilden Wolke aus gesponnenem Gold, und sie verzog die fein geschwungenen Lippen zu einem Lächeln. „Echt und ehrlich? Wir können hierbleiben?”

Clay nickte.

„Aber wo wohnen Sie denn dann?”, wollte Harriet wissen. Sie war genauso aufgeweckt wie ihre Schwester. Dara Rose hatte ihren Töchtern gegenüber niemals Kindersprache verwendet, und sie hatte ihnen bereits laut vorgelesen, als sie noch im Mutterleib gewesen waren.

„Im Gefängnis, zumindest bis der Frühling kommt”, antwortete Clay und erhob sich wieder zu seiner vollen Größe. Groß war er wirklich, dieser Mann aus dem Arizona Territory. Doch trotz seiner breiten Schultern und der muskulösen Brust wirkte er schmal und wendig. Vermutlich war er in der Lage, die Pistole an seiner Hüfte innerhalb von Sekundenbruchteilen zu ziehen. Der Gedanke beunruhigte Dara Rose. Immerhin schrieb man inzwischen das zwanzigste Jahrhundert, und der Westen war nicht länger wild. Bis auf Sheriffs und Marshals lief kaum noch jemand bewaffnet umher.

„Ich gehe heute zur Schule”, verkündete Edrina freudig, „und ich will auch dableiben, bis Miss Krenshaw um drei Uhr die Glocke läutet.”

Clay grinste, aber sein Blick war bereits wieder zu Dara Rose gewandert. „Gut”, sagte er.

„Wollen Sie nicht zum Frühstück bleiben?”, fragte Edrina den Mann, der den Stern ihres Vaters am Mantel trug.

„Edrina!”, mahnte Dara Rose verlegen, aber es kam nur als Flüstern heraus.

„Ich habe schon gegessen”, erwiderte Clay. „Im Hotel, ein Frühstück mit Schinken und Ei, bevor ich Bürgermeister Ponder den Amtseid geleistet habe.”

„Ach.” Edrina klang enttäuscht.

„Das ist ein feines Ross, Mister”, mischte sich Harriet ein. Sie legte den Kopf in den Nacken, um Clay ins frisch rasierte Gesicht schauen zu können.

Dara Rose sandte Stoßgebete gen Himmel, dass die Hitze in ihren Wangen endlich nachließ. Um nicht gleich wieder zu erröten, bemühte sie sich nach Kräften, Clay McKettricks Blick auszuweichen.

„Das stimmt”, pflichtete Clay dem Kind bei. „Es heißt Outlaw, aber in Wirklichkeit ist er gar kein Gesetzloser, sondern ein Angehöriger des Stammes der Cayuse.”

„Ich durfte gestern auf ihm reiten, drüben bei der Eisenbahn”, prahlte Edrina, doch dann fügte sie kleinlaut hinzu: „Na ja, jedenfalls fast.”

„Wenn eure Mutter nichts dagegen hat und du schön in die Schule gehst, wie es sich gehört, dann darfst du wieder einmal auf Outlaw reiten.”

„Ich auch?”, fragte Harriet, atemlos vor Aufregung.

Clay begegnete Dara Roses Blick. „Das muss eure Mutter entscheiden, nicht ich.” Er wirkte so im Einklang mit sich selbst, dass sie sich unwillkürlich fragte, was für ein Leben er wohl vor seiner Ankunft in Blue River geführt haben mochte. Vermutlich ein leichtes.

Aber irgendetwas in seinen Augen schien dem zu widersprechen.

„Wir werden sehen”, sagte Dara Rose.

Beide Mädchen stöhnten. Es war klar, dass sie auf ein „Ja” gehofft hatten. Nun mussten sie sich mit einem „Vielleicht” zufriedengeben.

„Ich muss mich auf den Weg machen.” Clay verabschiedete sich mit seinem typisch schiefen Lächeln, bevor er sich unter dem Türrahmen hindurchduckte, den Hut aufsetzte und verschwand.

Dara Rose beobachtete durch das kleine Fenster über dem Spülstein, wie er zur Pforte hinausging und aufs Pferd stieg.

„Wir müssen nicht ins Waisenhaus!”, jubelte Harriet und klatschte freudig in die kleinen Händchen.

„Lass uns nicht mehr von Waisenhäusern sprechen”, wies Dara Rose sie zurecht, während sie Wasser pumpte, um sich die Hände zu waschen.

„Hat Mr McKettrick eine Frau?”, fragte Edrina. „Wenn nicht, dann kannst du ihn doch heiraten! Ich glaube nicht, dass er Harriet und mich wegschicken würde wie Mr Maddox.”

Es kostete Dara Rose erhebliche Mühe, ihre Stimme ruhig und gleichmütig klingen zu lassen. „Das geht dich nichts an und mich auch nicht”, stellte sie fest. „Und wenn ihr es wagt, euch in Mr McKettricks persönliche Angelegenheiten einzumischen, indem ihr ihn einfach fragt, dann werdet ihr mich kennenlernen!”

Die Mädchen seufzten.

„Zieht euch Strümpfe und Schuhe an”, befahl Dara Rose. Sie stellte die gusseiserne Pfanne auf den Herd und ließ darin das letzte Schmalzrestchen schmelzen, um die Eier zu braten.

„Ich muss aufs Häuschen”, meldete sich Harriet.

„Zuerst ziehst du die Schuhe an”, erwiderte Dara Rose. „Draußen scheint zwar die Sonne, aber der Boden ist kalt.”

Zu ihrer Überraschung gehorchten die Mädchen bereitwillig. Sie erzog sie zu eigenständigen Persönlichkeiten, aber das bedeutete eben auch, dass die beiden sich regelmäßig störrisch oder sogar aufsässig verhielten.

Parnell hatte ihr vorgeworfen, die beiden zu verziehen. Dabei hatte er sie selbst nach Kräften verwöhnt, indem er ihnen Haarschleifen oder Pfefferminzstangen kaufte und sie auf seinem Pferd reiten ließ. Edrina war zwar wild wie ein Junge, dabei aber gleichzeitig ganz Mädchen. Ihre furchtlose, offene Art machte sie manchmal anstrengend, aber Dara Rose hätte um nichts in der Welt irgendetwas an ihrer Tochter verändern wollen – abgesehen von Edrinas Neigung, die Schule zu schwänzen.

Harriet war ein Jahr jünger als ihre Schwester, deutlich zaghafter und weniger draufgängerisch. Da sie noch zu klein war, um den Tod wirklich zu begreifen, erwartete sie vermutlich, Parnell jeden Moment auf Gawain und mit den Satteltaschen voller Geschenke nach Hause reiten zu sehen.

Wieder spürte sie dieses Brennen in ihren Augen und rief sich stumm zur Ordnung. Sie und die Mädchen hatten einen Aufschub bekommen, das war alles. Sie konnten noch eine Weile im Diensthaus des Marshals wohnen bleiben, aber früher oder später musste sie sich trotzdem um eine andere Lösung bemühen.

Darum kehrte Dara Rose zu ihrem ursprünglichen Plan zurück, sobald sie und die Mädchen gegessen hatten, das Geschirr gespült und das Feuer abgedeckt war. Zusammen mit Harriet lieferte sie Edrina bei dem Schulhaus am Stadtrand ab, das nur über ein einziges Klassenzimmer verfügte. Dann trug sie die Eier zum Krämer, um sie gegen die notwendigsten Lebensmittel einzutauschen.

In dem Gemischtwarenladen war es warm. Harriet war so hingerissen von einer liebreizenden Puppe, die in dem girlandengeschmückten Schaufenster saß, dass Dara Rose schon fürchtete, ihre Tochter nie wieder zum Gehen bewegen zu können. Sie trat auf ihre Jüngere zu und nahm sie an der Hand.

„Guck mal, Mama”, hauchte Harriet, ohne den Blick von dem hübschen Spielzeug losreißen zu können. „Ist die nicht schön? Und sie ist fast genauso groß wie ich.”

„Stimmt, sie ist hübsch”, gab Dara Rose zu, ohne sich ihre Schwermut anmerken zu lassen. „Aber keineswegs so hübsch wie du.”

Fasziniert schaute Harriet zu ihr hoch. „Edrina sagt, Sankt Nikolaus gibt es in Wirklichkeit gar nicht. Sie sagt, dass Papa und du letztes Jahr Weihnachten die Geschenke in unsere Strümpfe getan habt.”

Dara Rose musste erst einen Kloß herunterschlucken, bevor sie sprechen konnte. Trotzdem klang ihre Stimme heiser, als sie antwortete: „Da hat Edrina recht, mein Schatz.” Es mochte Leute geben, die es sich leisten konnten, an Wunder zu glauben, solange ihre Kinder klein waren. Aber sie gehörte nicht dazu.

„Bestimmt kostet die Puppe einen ganzen Haufen Geld”, bemerkte Harriet leise und sehnsüchtig.

Noch bevor Dara Rose einen Blick auf das Preisschild, das dem Spielzeug vom Handgelenk baumelte, warf, wusste sie, dass eine solche Luxusware ihre Mittel bei Weitem überstieg.

Zwei Dollar und fünfzig Cent. Du liebe Zeit!

„Dazu gehört noch ein ganzer Koffer mit Kleidungsstücken”, erläuterte der Krämer hilfsbereit. Bestimmt meinte Philo Bickham es nur gut, aber besonders wohlüberlegt konnte man seine Einmischung nun wirklich nicht nennen. „Sie hat echtes Haar und ist den ganzen Weg von Deutschland bis hierhergekommen.”

Harriets Augen weiteten sich erschrocken. „Aber haben die Haare nicht vorher jemandem gehört?” Sicher sah sie vor ihrem inneren Auge ein armes, kahles Kind allein durch den Schwarzwald wandern.

„Es gibt Leute, die ihr Haar verkaufen”, erklärte Dara Rose mit einem ungehaltenen Blick zu Mr Bickham und zog Harriet zur Tür. „Aber keine Angst, es wächst wieder nach.”

Sofort hellte sich Harriets Miene wieder auf. „Können wir nicht meine Haare auch verkaufen? Für zwei Dollar fünfzig?”

„Nein.” Schon im nächsten Augenblick bereute Dara Rose, dass sie ihrer Tochter so heftig geantwortet hatte. Sie hockte sich hin und strich Harriet ein paar Strähnen zurück unter den Rand ihres bereits reichlich mitgenommenen Hütchens. „Deine Haare sind viel zu hübsch, um sie zu verkaufen, mein Schatz.”

„Aber ich könnte sie einfach wieder wachsen lassen, Mama. Das hast du selbst gesagt.”

Dara Rose lächelte, um nicht in Tränen auszubrechen. Sie erhob sich wieder, straffte den Rücken und packte den Eierkorb fester, in dem nun eine kleine Dose Schmalz, ein bisschen Zucker in einer Papiertüte und ein Karton Salz lagen.

„Wir müssen jetzt gehen, Harriet”, sagte sie. „Wir haben eine Menge vor.”

3. KAPITEL

Clay ritt an diesem Morgen jede einzelne Straße des Städtchens ab und berührte jedes Mal grüßend seine Hutkrempe, wenn er einem Passanten begegnete. Es sollten ruhig alle wissen, dass Blue River wieder einen Marshal hatte, und zwar einen, der seine Pflichten ernst nahm. Doch während er sich auf diese Weise an seiner neuen Wirkungsstätte sehen ließ, dachte er über Parnell Nolan nach. Der Mann hatte eine schönen Frau und zwei reizende Töchter besessen, war außerdem nach dem Wenigen, was Clay bisher über ihn gehört hatte, in der Stadt durchaus beliebt gewesen – und hatte seinen letzten Atemzug dennoch in einem Hurenhaus getan.

Sicher, es gab viele Männer, die sich ab und an einen Bordellbesuch gönnten. Aber ob Junggesellen oder Ehemänner, Söhne oder Väter – sie alle gingen dabei nach Clays Erfahrung so diskret wie möglich vor.

Er war durchaus willens, von jedem Menschen erst einmal das Beste anzunehmen, bis das Gegenteil erwiesen war. Vielleicht hatte Parnell gehofft, seine Sünden geheim halten und Frau und Kinder vor einem Skandal bewahren zu können. Aber Blue River war ähnlich klein wie Indian Rock, wo Clay aufgewachsen war. Und in solchen Kleinstädten verbreitete sich jede Geschichte wie ein Lauffeuer, wenn sie zu pikant war, um sie für sich zu behalten.

Allerdings hatte Nolan sicherlich nicht damit gerechnet, ausgerechnet an jenem Abend und unter so misslichen Umständen zu sterben.

Inzwischen hatte er das Ende der letzten Straße von Blue River und damit das Schulhaus erreicht. Er blieb stehen, stützte sich auf dem Sattelknauf ab und ließ Outlaw die letzten spärlichen Grasbüschel am Wegrand abknabbern. Aus der Tür des kleinen roten Gebäudes quollen genau in diesem Moment lärmende und rufende Kinder, die sich auf die Pause freuten.

Er erkannte Edrina auf den ersten Blick an ihrem goldenen Haar. Der Hut hing ihr den Rücken hinab, nur vom Kinnband um den Hals gehalten, und ihre Wangen glühten vor Übermut, Gesundheit und kalter Luft. Ohne ihn zu bemerken, griff sie nach einem Stöckchen, zeichnete ein Hüpfkästchenspiel in den Staub und sprang sogleich hinein. Es dauerte nur Sekunden, bis sich die anderen Mädchen um sie scharten, um mitzuspielen. Die Jungen hielten sich verächtlich fern und kickten ihrerseits unter lautem Geschrei eine Dose umher.

Auf den Stufen des Schulhäuschens stand eine unscheinbare, hagere Frau, die vermutlich jünger war, als sie aussah. Mit Sicherheit handelte es sich um die Lehrerin. Obwohl sie das Getümmel nicht aus den Augen ließ, bemerkte sie sofort Pferd und Reiter am Straßenrand.

Clay tippte sich an die Hutkrempe und nickte in stummem Gruß. Seine Ma Chloe hatte als junge Frau ebenfalls als Lehrerin gearbeitet und ihm großen Respekt vor diesem Beruf eingeflößt. Er war echte Knochenarbeit.

Die Lehrerin nickte zurück und ging vorsichtig, um nicht über den Saum ihres braunen Wollkleids zu stolpern, die paar Stufen der Veranda hinunter. Sie trug weder Mantel oder Umhang, sondern hatte sich in einen wärmenden dunkelblauen Schal gewickelt.

Nachdem Clay noch einen Augenblick gewartet hatte, stieg er ab, um ihr entgegenzugehen. Sie trafen sich am Törchen, er auf seiner, sie auf ihrer Seite – ganz so, wie es sich gehörte.

„Miss Alvira Krenshaw”, stellte sie sich vor und streckte ihm die knochige Hand entgegen. „Sie müssen der neue Marshal sein.” Ihr Blick war sofort zu dem schimmernden Stern an seinem Mantel gewandert.

Mit einem freundlichen Nicken schüttelte Clay ihr die Hand. „Ja. Clay McKettrick.”

„Freut mich, Sie kennenzulernen. Wie geht es Ihnen?”

„Ganz gut bisher”, antwortete er lächelnd. Miss Alvira Krenshaw wirkte auf ihn wie eine handfeste, vernünftige Frau. Obwohl man sie kaum hübsch nennen konnte, war sie auch nicht hässlich. Eines Tages würde sie eine gute Ehefrau abgeben, wenn sie die Chance bekam. Trotz ihres hageren Körperbaus sah sie aus, als könnte sie jede Menge gesunder Säuglinge empfangen, ohne viel Aufheben gebären und zu tüchtigen Erwachsenen heranziehen.

Da Clay bereits im Frühjahr eine Braut über die Schwelle seines neuen Hauses tragen und mit ihr so schnell wie möglich Kinder zeugen wollte, hätte er normalerweise umgehend angefangen, Miss Alvira den Hof zu machen – sofern sie sich offen dafür gezeigt hätte. Es gab nur einen Haken dabei: Er war Dara Rose Nolan begegnet.

Als er gestern den Bahnsteig von Blue River betreten hatte, war er sich über seine eigene Person und seine Wünsche und Pläne vollkommen im Klaren gewesen. Zwei Begegnungen mit der Witwe seines Vorgängers hatten ausgereicht, um all diese Sicherheiten zu erschüttern. Bevor er also an die Brautwerbung ging, musste er sich erst einmal wieder Klarheit verschaffen, so viel stand fest.

Über die Schulter der Lehrerin hinweg beobachtete er, wie ein Junge zu den spielenden Mädchen hinüberrannte, nach Edrinas Hut griff und so heftig daran riss, dass sein Opfer zu Boden fiel. Doch das Kinnband hielt. Lachend lief der Junge zu seinen Freunden zurück, die seine Mutprobe mit teils anfeuernden, teils spöttischen Rufen begleitet hatten. Edrina dagegen war flammend rot geworden und sprang wütend wieder auf die Füße. Mit einer Hand klopfte sie sich den Staub vom Mantel, während sie den Missetäter böse anfunkelte.

„Da drüben gibt es Ärger”, bemerkte Clay trocken. Augenblicklich blähte Miss Alvira die Nasenlöcher und drehte sich um.

Edrina marschierte mit immer noch zornrotem Gesicht geradewegs auf die Gruppe der kleinen Bengel zu, blieb direkt vor ihrem Angreifer stehen und versetzte ihm einen Fausthieb in den Magen, der ihm den Atem nahm.

Unterdessen hatte sich Miss Krenshaw im Laufschritt in Bewegung gesetzt. Sie blies in die schrille Pfeife, die offenbar zur Grundausstattung jeder Lehrerin gehörte. Aber die Tat war bereits geschehen.

Der verhinderte Hutdieb war auf die Knie gesunken, hielt sich den Bauch und rang nach Luft. Doch außer einem Dämpfer für seinen Stolz schien er keinen großen Schaden davongetragen zu haben.

Clay musste ein Grinsen unterdrücken. Neugierig blieb er am Schulzaun stehen, um zu sehen, wie es weiterging.

Inzwischen hatte sich Edrina ein wenig beruhigt, aber ihre Wangen waren immer noch gerötet, und sie hielt weiterhin die Hände zu Fäusten geballt. Sie wich keinen Zoll zurück. Als sie den Kopf in Richtung von Miss Alvira und ihrer Pfeife wandte, bemerkte sie auch Clay.

„Was ist hier los?”, fragte die Lehrerin streng. Ihre Stimme klang fast genauso schrill wie die Pfeife. Sie packte den keuchenden kleinen Jungen an den Hosenträgern und stellte ihn ohne viel Federlesens wieder auf die Beine.

Der kleine Kerl tat Clay nun beinahe leid. Höchstwahrscheinlich hatte er sich ein bisschen in Edrina verguckt und einfach versucht, auf typische Jungenart ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen. Die einen schnappten sich einen Mädchenhut und liefen damit davon, die anderen zogen an Zöpfen oder überraschten ihre Auserwählten, indem sie ihnen dicke Kröten oder sich windende Schlangen direkt vor die Nase hielten – um sich dann königlich über das Gekreische zu freuen. Jungs waren einfach Jungs.

Miss Alvira, die den Jungen immer noch bei der Schulter gepackt hielt, wandte sich nun stirnrunzelnd Edrina zu.

„Edrina Nolan”, mahnte sie, „junge Damen schlagen nicht mit den Fäusten zu.”

Die Angesprochene, die bis zu diesem Augenblick in Clays Richtung geschaut hatte, sah ihre Lehrerin an, verschränkte die Arme und erklärte: „Er hatte es verdient.”

„Ihr geht jetzt sofort hinein”, befahl die Lehrerin den beiden Missetätern und wies auf die offene Tür des Schulhauses. „Thomas, du stellst dich in die Ecke hinter meinem Schreibtisch, direkt neben das Bücherregal. Edrina, du nimmst die neben der Garderobe.”

„Wie lange?”, wollte Edrina wissen.

Clay bewunderte ihren Mut.

„Bis ich euch sage, dass ihr euch wieder auf eure Plätze setzen dürft”, antwortete Miss Krenshaw streng. Mit einer ausladenden Armbewegung scheuchte sie auch den Rest ihrer Schützlinge wieder ins Klassenzimmer. „Rein mit euch”, rief sie. „Und zwar alle. Die Pause ist vorbei.”

Enttäuschtes Stöhnen wurde laut, aber die Kinder gehorchten.

Thomas schlich mit gesenktem Kopf zum Schulhaus. Man merkte ihm an, wie sehr sein Stolz darunter gelitten hatte, dass ein Mädchen ihn niedergeschlagen hatte. Edrina dagegen nahm sich alle Zeit der Welt und schlurfte hinter den anderen Kindern her. Bevor sie hineinging, blickte sie über die Schulter zurück, begegnete Clays Blick und zuckte resigniert die Achseln.

Er hoffte nur, dass die Entfernung und der Schatten seiner Hutkrempe sein Lächeln verbargen. Dieser kleine Racker hätte als McKettrick auf die Welt kommen sollen.

Genau wie sie es sich vorgenommen hatte, klopfte Dara Rose an diesem Vormittag an jedes Haus und fragte nach Arbeit. Harriet hielt sich dicht an ihrer Seite und beklagte sich kein einziges Mal.

Eigentlich gab es nur rund ein halbes Dutzend richtiger Häuser in Blue River. Die übrigen waren heruntergekommene Baracken oder hastig zusammengezimmerte Hütten wie die, in der die Nolans lebten. Den Leuten, die dort wohnten, ging es kaum besser als Dara Rose; in manchen Fällen sogar schlechter. Aus krummen Schornsteinen stiegen dünne Rauchfahnen auf, und magere Hühner pickten auf dem festgetretenen Erdboden vor den Türen herum.

Vor einer dieser Hütten erblickte Dara Rose Mrs O’Reilly, deren Mann vor einem halben Jahr mit einer Amüsierdame durchgebrannt war und sie mit drei Kindern unter fünf Jahren zurückgelassen hatte. Vermutlich war Peggy O’Reilly erst Anfang zwanzig, aber sie sah zehn Jahre älter aus. An ihren Schläfen zeigten sich die ersten grauen Strähnen, und sie hatte einen ihrer Schneidezähne verloren.

Mrs O’Reilly hatte vor ihrem Häuschen ein Feuer entzündet und den großen Waschkessel aufgesetzt, der gefüllt war mit der Wäsche anderer Leute. Dampfwolken stiegen auf, als sie die Seifenlauge umrührte. Als Peg O’Reilly aus dem Augenwinkel Dara Rose und Harriet bemerkte, spielte ein kleines Lächeln um ihre Lippen.

Zwei ihrer Kinder, beides Jungen, sprangen barfuß und ohne Mäntel um ihre Mutter herum und johlten dabei wie Sioux-Indianer auf dem Kriegspfad. Die ältere Tochter Addie hielt sich wohl im Haus auf. Hoffentlich ist es dort wenigstens warm, dachte Dara Rose.

„Morgen, Mrs Nolan”, rief Peggy, ohne zu lächeln.

Vermutlich schämt sie sich für ihre Zahnlücke. Dara Rose unterdrückte einen Anfall von Mitleid. Sie lächelte und winkte. Obwohl sie eigentlich vorgehabt hatte weiterzugehen, blieb sie am Straßenrand stehen. Sicher, sie hätte allen Grund gehabt, selbst den Mut zu verlieren, nachdem sie an so vielen Türen abgewiesen worden war. Dennoch brachte sie es nicht über sich, einfach vorbeizugehen.

Harriet zupfte sie am Ärmel. Sie wollte nach Hause. Zweifellos war sie erschöpft, nachdem sie den ganzen Vormittag mit ihrer Mutter hatte Schritt halten müssen.

„Wie geht es Addie?”, erkundigte sich Dara Rose.

„Schlecht”, antwortete Peg O’Reilly. „Seit gestern liegt sie im Bett und kann mir diese kleinen Wilden nicht mehr vom Hals halten.” Ohne ihren Waschkessel, in dem die Lauge gerade anfing zu kochen, aus den Augen zu lassen, nickte sie in Richtung der Jungen.

Die beiden hatten ihr wildes Fangenspiel unterbrochen, um mit offenem Mund Harriet anzustarren. Selbst in den verschossenen Kleidern und mit den Schuhen, aus denen sie bald herausgewachsen sein würde, sah das kleine Mädchen in ihren Augen vermutlich ebenso hübsch aus wie die Puppe im Krämerladen für Harriet.

„Mama”, flüsterte Harriet und sah unter dem Rand ihres kleinen Hütchens zu ihrer Mutter hoch, „was riecht hier so?”

„Schsch”, flüsterte Dara zurück. Hoffentlich hatte Peg über dem Prasseln des Feuers und dem Bellen des Nachbarshundes Harriets Frage nicht gehört.

Peg ließ den Besenstiel los, mit dem sie die eingeweichten Hosen und Hemden umgerührt hatte, und wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. Die Ärmel ihres Kattunkleids hatte sie bis über die Ellenbogen aufgerollt, und ihre Schürze war kaum mehr als ein schmutziger Lumpen.

„Könnten Sie vielleicht ein paar Eier gebrauchen?”, fragte Dara Rose, als bäte sie die andere Frau um einen Gefallen. „Ich habe gerade reichlich.”

Ein Ausdruck des Verlangens huschte über Peg O’Reillys Miene, doch dann richtete sie sich gerade auf und hob das Kinn. „Eigentlich müsste ich Nein sagen. Schließlich habe ich meinen Stolz, und ich weiß, dass es Ihnen auch nicht gerade rosig geht. Aber ich nehme trotzdem an, der Kleinen zuliebe. Das Hafermehl ist zu Ende, und die Bohnen reichen auch nicht mehr lange. Wenn Addie ein schönes Spiegelei essen könnte, bekommen ihre Wangen vielleicht wieder etwas Farbe.”

„Dann schicke ich Edrina mit einem Korb Eier rüber, sobald sie aus der Schule kommt”, versprach Dara Rose.

„Sie wissen schon, dass ich Ihnen nichts dafür zahlen kann, oder?”, warnte Peg.

„Ja, ich weiß”, gab Dara Rose leichthin zurück. Dabei war jedes Ei, das ihre Hühner legten, bares Geld wert. „Ich habe gerade zu viele, und es wäre schade, wenn sie schlecht würden.”

„Mama”, mischte Harriet sich ein, „aber wir haben doch gar nicht …”

Diesmal drückte Dara Rose nur die Hand ihrer kleinen Tochter, um sie zum Schweigen zu bringen.

„Na dann. Danke auch.” Damit wandte sich Peg wieder ihrer Arbeit zu.

Dara Rose nickte und machte sich auf den Heimweg. Die arme Harriet musste fast rennen, um mit ihr Schritt zu halten.

„Mama”, wiederholte das Kind atemlos, „aber du hast doch alle Eier eingetauscht, weißt du das nicht mehr? Drüben beim Krämer? Und die Hennen haben bestimmt noch keine neuen gelegt.”

„In dem Tontopf auf dem Küchenbord liegen noch beinahe zwei Dutzend”, erinnerte Dara Rose ihre Tochter. Die mit gallertartigem Wasserglas bedeckten Eier gehörten zu den paar kärglichen Vorräten, die sie angelegt hatte, genau wie die eingekellerten Kartoffeln, Möhren, Rüben und Zwiebeln und die paar Scheffel Äpfel von dem Baum im Hof. So hatten die Mädchen und sie noch etwas zu essen, falls die Hennen aufhörten zu legen oder dem Habicht zum Opfer fielen.

„Ja, aber was ist, wenn ein harter Winter kommt und wir sie brauchen?” So leicht ließ sich Harriet nicht abspeisen.

Dara Rose beschleunigte ihre Schritte. Jeden Augenblick konnte Edrina zum Mittagessen von der Schule kommen. „Harriet, manchmal ist es wichtiger, den Menschen zu helfen, die unsere Hilfe benötigen. Wir müssen darauf vertrauen, dass der Herr es sieht und uns die Tat vergilt.” Den Verlust der Eier konnte sie weitaus leichter verschmerzen als die Erkenntnis, dass ihre fünfjährige Tochter sich offensichtlich Sorgen machte, ob ihre Lebensmittel wohl den Winter über reichen würden.

„Was bedeutet ‚vergilt’?”, fragte Harriet.

„Ach, nichts weiter.”

Sobald sie nach Hause kamen, setzten sie die Hüte ab. Dara Rose schälte Harriet aus ihrem Mantel und legte selbst den warmen Umhang ab, bevor sie aus dem Wasserschaff im Herd warmes Wasser zum Händewaschen in eine Schüssel schöpfte. Die ganze Zeit über echoten ihrem Kopf Peg O’Reillys Worte: Das Hafermehl ist zu Ende, und die Bohnen reichen auch nicht mehr lange.

Peg verdiente als Wäscherin kaum etwas, und das Wenige reichte vermutlich kaum für das Lebensnotwendigste und die Miete, die sie für ihre Hütte zahlen musste – diesen besseren Hühnerstall.

Während Dara Rose das restliche eingemachte Wild vom Vorabend aufwärmte und die letzten Scheiben von ihrem selbst gebackenen Brot aufschnitt und dünn mit Butter bestrich, musste sie daran denken, was Parnell ihr häufig gesagt hatte: Wie schlimm es im Leben auch kommt: Man findet immer noch jemanden, der nur zu gern mit einem tauschen würde.

Meine Kinder sind wenigstens gesund, im Gegensatz zu Pegs ältester Tochter, dachte Dara Rose, und wir haben ein Dach über dem Kopf. Außerdem konnte sie sich damit trösten, dass Parnell sie zumindest nicht absichtlich verlassen hatte wie Jack O’Reilly seine Frau.

Harriet, die ihrer Mutter tatkräftig half, hatte bereits den Tisch gedeckt. Nun zog sie einen Stuhl ans Fenster, um sich daraufzustellen und nach ihrer Schwester Ausschau zu halten. Natürlich gab es zwischen den beiden Schwestern gelegentlich Zank und Streit, wie das bei Kindern nun mal war. Dennoch kannte Harriets Bewunderung für Edrina keine Grenzen.

„Da ist sie!”, rief Harriet nach einer Weile freudig. „Da kommt Edrina!”

Dara Rose lächelte und fing an, das warme Fleisch mit der Brühe auf drei Emailleschüsseln zu verteilen. Sie hatte eben den Brotkorb in die Mitte des improvisierten Tischs gestellt, als Edrina hereinkam. Sie sah niedergeschlagen aus.

„Ich sag’s lieber gleich”, beichtete sie ohne Umschweife. „Ich habe wieder Ärger. Thomas Phillips hat in der Pause versucht, mir den Hut zu klauen, und mich dabei mit den Bändern fast erwürgt. Da habe ich ihm eine in den Magen gehauen. Miss Krenshaw hat mich mit einer ganzen Stunde Eckestehen bestraft. Außerdem muss ich diese Woche jeden Tag nach der Schule da bleiben und die Tafel abwischen.”

Dara Rose stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte in komischer Verzweiflung den Kopf. „Edrina, Edrina.” Sie seufzte.

„Musste Thomas auch in der Ecke stehen?”, fragte Harriet, die Wert darauf legte, dass es auf der Welt gerecht zuging.

„Ja.” Edrina klang nicht so, als ob sie das besonders glücklich machte. „Außerdem muss er das Trinkwasser für die ganze Schule reintragen.”

„Wasch dir die Hände”, mahnte Dara Rose freundlich, als ihre Älteste sich an den Tisch setzen wollte.

Nun ihrerseits seufzend gehorchte Edrina. Sie zog den Hocker unter dem Spülstein hervor, kletterte hinauf und tauchte die Hände in die Schüssel mit warmem Wasser, die ihre Mutter bereitgestellt hatte.

„Mr McKettrick ist heute bei der Schule vorbeigekommen”, verkündete sie. „Das ist ein feines Pferd, das er reitet.”

Als Dara Rose den Namen des neuen Marshals hörte, spürte sie, wie sich in ihr etwas regte. Beschämt erwischte sie sich dabei, wie sie sich unwillkürlich fragte, ob er Alvira Krenshaw wohl reizvoll fand. Auf jeden Fall war die Lehrerin eine gute Partie. Sie würde zwar keine Schönheitspreise gewinnen, aber die meisten Leute fanden sie durchaus gut aussehend, und sie besaß gesunden Menschenverstand.

„War denn irgendetwas Besonderes los, mal abgesehen von deinem Zusammenstoß mit Thomas?”

Edrina kletterte wieder von dem Hocker und trocknete sich die Hände am Rock ab. „Nein”, antwortete sie. „Aber Mr McKettrick hat sich ganz lange am Zaun mit Miss Krenshaw unterhalten.”

Aus Erfahrung wusste Dara Rose, dass sie lediglich ihren Atem verschwendete, wenn sie Edrina ermahnte, die Hände mit dem Handtuch abzutrocknen. Also hob sie stattdessen Harriet auf den Hocker und half ihr, die Unterarme bis zu den Ellenbogen mit Seife einzuschäumen und abzuspülen. Nachdem sie Harriet wieder auf den Boden gesetzt hatte, nahmen sie ihre Plätze am Tisch ein.

Heute war Harriet mit dem Tischgebet an der Reihe. Sie senkte den Blondschopf und schloss die Augen. „Wir danken dir für das Fleisch und das Brot. Und wenn ich vielleicht die Puppe vom Krämer für mich allein haben könnte, dann wäre ich dir sehr dankbar. Amen.”

Dara Rose musste erneut ein Lächeln unterdrücken, aber gleichzeitig trafen die Worte sie mitten ins Herz. So gern sie den beiden Mädchen auch Spielsachen zu Weihnachten schenken würde, sie konnte es sich einfach nicht leisten. Und selbst wenn sie genügend Geld dafür besäße, brauchten die beiden in erster Linie Schuhe und warme Kleidung und außerdem nahrhafte Lebensmittel wie Milch.

„Was wünschst du dir denn von Sankt Nikolaus zu Weihnachten?”, fragte Harriet ihre Schwester neugierig, als sie zu essen begannen.

Ohne zu zögern antwortete Edrina. „Harriet, du weißt doch, dass es den Nikolaus gar nicht gibt.” Aber in ihrer Stimme lag Nachsicht mit der kleinen Schwester. „Den haben sich die Leute doch nur ausgedacht.”

„Aber können wir nicht wenigstens so tun, als ob er echt wäre?”, fragte Harriet. „Wenigstens bis wir aufgegessen haben.” In diesem Augenblick klang sie eher wie eine Erwachsene als wie ein Kind. Dara Rose war stolz auf ihre klugen Töchter, aber gleichzeitig hoffte sie, die beiden würden nicht allzu schnell groß werden.

„Sicher, sich etwas vorzustellen schadet nichts”, warf sie ruhig ein.

Harriet sah erfreut aus. „Was wünschst du dir denn zu Weihnachten, Mama?”, fragte sie eifrig. Ihr Fleisch lag vergessen in der Schüssel.

Dara Rose tat so, als müsste sie einen Augenblick angestrengt nachdenken. Schließlich erklärte sie: „Eine Kuh, denn dann hätten wir eigene Milch und könnten Butter machen. Vielleicht sogar Käse.”

Verblüfft wiederholte Harriet: „Eine Kuh?”

Edrina warf ihrer Mutter einen Blick zu, der Verständnis unter Erwachsenen signalisierte, bevor sie selbst über ihre Wünsche nachdachte. „Ich weiß, was ich haben will: Bücher, und zwar richtig spannende mit Bären und Gesetzlosen und Gespenstern drin.”

Erneut spürte Dara Rose einen Stich. Wenn sie Glück hatte, konnte sie ihren Töchtern ein paar Pfefferminzstangen in die Strümpfe stecken. Puppen und Bücher lagen gleichermaßen außerhalb ihrer bescheidenen Mittel.

Sie räusperte sich. „Harriet und ich waren heute bei den O’Reillys. Der kleinen Addie geht es gar nicht gut, und die beiden Jungs haben so hungrig ausgesehen, als würden sie am liebsten die Waschlauge aus dem Kessel löffeln.”

„Außerdem riecht es da nicht gut”, verkündete Harriet.

Statt sie zu schelten, fuhr Dara Rose fort. „Die O’Reillys wären wahrscheinlich schon froh, wenn sie Feuerholz und genug zu essen hätten, so wie wir.” Hoffentlich verstanden ihre Töchter, was sie damit sagen wollte, und ersparten ihr eine Predigt über Weihnachten als Fest christlicher Nächstenliebe.

„Mama schenkt ihnen ein paar von unseren Eiern”, bemerkte Harriet sachlich. „Sie hat gesagt, manchmal muss man einfach anderen helfen und dass der Herr es sieht und uns vergoldet.”

Weil sie den Mund voller Brot hatte, antwortete Edrina nichts darauf.

„Ihr könnt zu zweit einen Korb Eier zu den O’Reillys bringen, sobald die Schule aus ist”, sagte Dara Rose. „Und du wirst dabei keinen Ton über den Geruch verlieren, Harriet Nolan.”

„Bestimmt kommt der Gestank von dem Häuschen”, bemerkte Edrina. „Das fängt bei unserem vielleicht auch an, jetzt, wo Papa nicht mehr da ist, um hin und wieder Salpeter drüber zu schaufeln.”

„Edrina!”, schalt Dara Rose. „Wir sitzen beim Essen.”

Eine ganze Weile sagte niemand mehr etwas.

„Ich muss heute länger bleiben und die Tafel putzen”, erinnerte Edrina ihre Mutter.

„Na gut.” Dara Rose schob ihren Stuhl zurück und trug Schüsseln und Löffel zum Spülstein. „Ich wasche die Eier nur schnell ab und lege sie in den Korb. Dann kannst du sie auf dem Weg zur Schule bei den O’Reillys vorbeibringen.”

„Wenn ich zu spät bin, bekomme ich richtig mordsmäßig Ärger”, erklärte Edrina offen. „Du weißt doch, dass Miss Krenshaw mich schon auf dem Kieker hat, weil ich Thomas Phillips geboxt habe.”

Ihre Mutter musste sich auf die Lippe beißen, um nicht zu lächeln. „Das habe ich nicht vergessen.” Sie trat mit einer Schüssel in der Hand an das Bord, das ihr als Speisekammer diente, und fischte acht makellose braune Eier aus dem Tontopf, der bis zum Rand mit Wasserglas gefüllt war. „Dann machst du es eben allein auf dem Weg zurück zur Schule. Wenn du dich beeilst, schaffst du es, die Eier abzuliefern und trotzdem pünktlich zum Läuten in der Schule zu sein. Und Kraftausdrücke möchte ich von dir nicht hören, Edrina Nolan.”

Harriet wurden die Lider schwer, und sie gähnte, obwohl sie ständig lauthals erklärte, sie sei zu alt für ein Mittagsschläfchen.

Schnell wusch Dara Rose die Eier ab, legte sie in den Korb und deckte sie mit einem der Geschirrtücher zu, die sie aus alten Mehlsäcken genäht hatte. Dann reichte sie den Korb Edrina, die sich bereits den Mantel zuknöpfte. „Vergiss deinen Hut nicht”, sagte sie. „Der Himmel ist zwar so blau wie im Sommer, aber draußen weht ein kalter Wind.”

Ergeben nickte Edrina und wandte sich zum Gehen, den Eierkorb in der Hand.

„Vergiss nicht, den Korb wieder mitzubringen!”, rief Dara Rose ihr nach. „Und das Tuch auch!”

Edrinas Antwort hörte Dara Rose schon nicht mehr, da sie ihre schläfrige Jüngere auf den Arm nahm und ins Bett trug.

Clay unternahm einen Kontrollgang zum Bitter Gulch Saloon und warf einen Blick in die Bank, aber weder an dem einen noch an dem anderen Ort gab es irgendwelche Hinweise auf kriminelle Machenschaften.

Dieser Winter wird sehr, sehr lang, dachte er auf dem Rückweg zum Gefängnis. In seinem winzigen Büro mit dem Kanonenofen und der Pritsche schenkte er sich einen Becher selbst gebrauten Kaffee ein. Das Zeug schmeckte zwar abgestanden und war auch nur noch lauwarm, aber zumindest war es stark genug, um einen Toten aus der ewigen Ruhe zu wecken.

Ganz genau so wird sich der bevorstehende Winter vermutlich auch anfühlen: wie die ewige Ruhe. Seufzend trat Clay zu der einzigen Gefängniszelle des Städtchens und blickte durch die Gitterstäbe hinein. Er wünschte beinahe, es säße ein Gefangener darin. Dann hätte er zumindest jemanden zum Reden.

Gesetzesbrecher schienen sich in Blue River derzeit ziemlich rar zu machen. Vermutlich sollte er dafür von Herzen dankbar sein.

Clay ließ sich auf dem knarrenden Stuhl nieder, stützte die Ellenbogen auf die zerkratzte Platte des Schreibtischs und griff nach dem staubigen Stapel vergilbter Fahndungsplakate und alter Post. Falls jemand zufällig vorbeikam, wollte er zumindest den Eindruck erwecken zu arbeiten, auch wenn das in Wirklichkeit überhaupt nicht der Fall war. Ihm schoss durch den Kopf, was wohl sein Grandpa davon hielte, dass er monatlich fünfundsiebzig Dollar damit verdiente, schlechten Kaffee zu trinken und die Post anderer Leute zu lesen. Bei dem Gedanken musste er grinsen.

Energisch schob er die alten Fahndungsplakate beiseite und überflog die wenigen Schreiben, die zumindest auf den ersten Blick offiziell wirkten. Wie sich herausstellte, täuschte dieser Eindruck. Gerade überlegte Clay, ob er nicht hinüber zum Mietstall gehen und den guten alten Outlaw striegeln sollte, als er die letzten beiden Briefe in dem Stapel sah. Zu seiner Überraschung bemerkte er, dass sie an Mrs Parnell B. Nolan adressiert waren.

Autor

Linda Lael Miller
<p>Nach ihren ersten Erfolgen als Schriftstellerin unternahm Linda Lael Miller längere Reisen nach Russland, Hongkong und Israel und lebte einige Zeit in London und Italien. Inzwischen ist sie in ihre Heimat zurückgekehrt – in den weiten „Wilden Westen“, an den bevorzugten Schauplatz ihrer Romane.</p>
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