Weil ich dich will

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Goldenes Laub, sanfte Hügel - und ein Mann, der Livia den Atem raubt. Durch Hunter entdeckt das Model eine Welt voller Leidenschaft. Doch der attraktive Weingutbesitzer glaubt, dass sie es auf Dauer nicht ohne Glanz und Glamour aushält. Kann sie ihm das Gegenteil beweisen?


  • Erscheinungstag 20.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733734459
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Livia Blake warf einen kritischen Blick auf den ordentlich gepackten kleinen Koffer auf ihrem Bett. Für die kurze Reise nach Napa Valley konnte sie auf Firlefanz verzichten. Sie musste keine wartenden Paparazzi beeindrucken, musste nicht zwanzig Taschen dabeihaben mit falschen Wimpern, Haarteilen, Stilettos und sexy Kleidchen, in denen sie die frisch gewachsten Beine zur Geltung bringen konnte.

Dieser Kurztrip war nur zum Vergnügen, hatte absolut nichts mit ihrem Job zu tun.

Ha!

Während der nächsten Tage durfte sie essen und trinken, was sie wollte, ohne an Anproben denken zu müssen oder kritische Bemerkungen zu ihrem üppigen Dekolleté zu fürchten, das sich weigerte, in das briefmarkengroße Oberteil eines Bikinis zu passen. Kein hüftschwingender Gang über den Catwalk. Kein aufgesetztes Bussi-Bussi mit irgendwelchen verrückten Designern, keine Partys mit Möchtegern-Promis oder gedopten Muskelpaketen, die versuchten, ihr an die Wäsche zu gehen.

Bis zum Shooting Ende des Monats in Mexiko hatte sie frei. Nicht das Topmodel Livia Blake fuhr zum Weingut der Chambers, sondern ganz einfach die Privatperson Livia Blake. Halleluja!

Die Frage war: Hatte sie an alles gedacht?

Zurück zu ihrer Liste.

Wanderstiefel? Mückenspray? Pullover für die kühlen Nächte in Nordkalifornien? Alles da. Auch eingepackt: ein dickes Buch über Wein. Schließlich wollte sie in dem Weinanbaugebiet nicht wie jemand dastehen, der von nichts eine Ahnung hatte. Ihre Joggingschuhe waren verstaut, denn auch wenn sie nach Herzenslust essen und trinken wollte, musste sie deswegen nicht gleich dreißig Pfund zunehmen. Und sie hatte die Biographie von Jackie Robinson eingepackt, dem legendären Spieler der Brooklyn Dodgers. Sie wollte das Buch endlich zu Ende lesen. Sie war ein großer Baseball-Fan.

Brauchte sie noch Socken? Und sollte sie vielleicht doch noch ein nettes Kleid einpacken, für den Fall der Fälle?

Irgendwo klingelte ihr Handy. Hastig suchte sie die Fernbedienung und stellte den Ton des Fernsehers ab – sie hatte nebenher im Hintergrund ihre Lieblingssendung The Dog Wrangler laufen lassen, in der es immer wieder interessante Tipps zum Umgang mit Hunden gab. Endlich konnte sie ihr Handy auf dem Nachttisch orten, verborgen unter einem Haufen von Schals, die sie nicht mitnehmen wollte. Die Nummer auf dem Display gehörte ihrer Freundin Rachel Wellesley. Wahrscheinlich wollte sie wissen, wann Livia eintraf.

„Hi! Wie sieht’s aus bei dir?“, meldete Livia sich.

Die Antwort fiel nicht ganz so munter aus. „Wir könnten ein Problem haben“, sagte Rachel zur Begrüßung.

„Ein Problem aus der Kategorie abgebrochener Fingernagel oder ein Problem mit der Reise?“

Während der langen Pause, die folgte, sah Livia all ihre Hoffnungen auf entspannte Spaziergänge und Weinproben entschwinden.

Rachel räusperte sich. „Wahrscheinlich mit der Reise.“

„Nun red schon, Rachel!“

„Wir können nicht kommen.“

„Was?“

„Noch nicht, aber …“

„Wieso nicht?“

„Wir möchten, dass du schon mal ohne uns fährst. Wir kommen dann dazu, sobald die Dreharbeiten zu Ende sind.“

„Aber das sollte doch heute sein!“

„Ich weiß. Aber was sollen wir machen? Und wie schon gesagt: Fahr du ohne uns vor. Du kannst ja schon mal anfangen.“

„Wie soll ich das denn machen? Der ganze Zweck dieser kleinen Reise besteht doch darin, dass du dir das Weingut der Familie deines Zukünftigen ansiehst, um zu entscheiden, ob die Hochzeit dort stattfinden soll oder nicht. Soll ich für dich auch schon mal Brautkleider anprobieren?“

„Da scheint aber jemand heute Morgen mit dem falschen Fuß aufgestanden zu sein.“

Verdrossen betrachtete Livia ihren Koffer und überlegte, welche Möglichkeiten sie hatte.

Die erste war, hierzubleiben und endlich die Wohnung streichen zu lassen.

Die zweite war, nach Napa zu fahren, das Leben zu genießen und darauf zu warten, dass ihre Freunde in einigen Tagen nachkamen.

Okay, die Entscheidung war getroffen.

„Also gut“, sagte sie ungnädig. „Ich fahre allein, aber ich sage dir ganz ehrlich, dass ich es nur ungern tue.“

„Kannst du mir noch einmal verzeihen?“

Livias Nein wurde von einem Lächeln abgemildert.

„Sieh es doch mal positiv“, riet Rachel mit dieser schier unerträglichen Zufriedenheit einer glücklich verlobten Frau, die sich jeden Abend auf einen oder zwei Orgasmen freuen konnte. „Vielleicht lernst du dort einen netten Mann kennen.“

Livia tastete nach ihren Socken auf dem Bett, während sie die Augen genervt Richtung Decke rollte. Einen netten Mann finden? Nette Männer waren so selten wie weiße Tiger auf dem Mond.

Napa Valley war einfach überwältigend.

Livia benutzte das Wort nicht oft, aber hier passte es. Die künstliche Glitzerwelt von Las Vegas war fantastisch und die chinesische Mauer beeindruckte auf eine archaische und zugleich majestätische Weise. Demgegenüber erschien Napa ruhig und friedlich, aber eben nicht minder überwältigend. Die sanften Hügel, die Bäume, die sich bereits herbstlich färbten, die unendlichen Reihen der Weinstöcke – das alles berührte sie zutiefst. Livia kam sich vor wie in ein vergangenes Jahrhundert zurückversetzt. Es hätte sie nicht überrascht, wenn die Zeiger ihrer Uhr hier langsamer gegangen wären als in New York oder L. A.

Das war eine Landschaft, die sie lieben konnte.

Sie parkte den Leihwagen hinter dem Haupthaus des Weinguts. Es war größer als erwartet und hatte mehrere Giebel und Schornsteine. Vor jedem Fenster hing ein Blumenkasten, der vor roten Blüten überquoll. In der Nähe waren einige Gästehäuser zu sehen, von denen wohl eins ihr gehörte. Und …

Moment – war das ein kleines Mädchen?

Richtig. Die Kleine hatte sich hinter einem Baum versteckt und sah vorsichtig zu ihr herüber. Sie mochte fünf oder sechs Jahre alt sein, trug ein weißes T-Shirt mit blauen Shorts und um ein Knie einen roten Verband. Das schwarze Haar war zu Zöpfen geflochten. Richtig süß!

„Hallo!“ Livia winkte ihr lächelnd zu. Sie war immer ein wenig unsicher, wenn es darum ging, fremde Kinder zu begrüßen, weil sie wusste, dass man sie alle anwies, nicht mit Fremden zu sprechen. Aber vielleicht wirkte sie ja nicht zu bedrohlich. „Hallo!“, rief sie noch einmal. „Ich bin …“

Das Mädchen verschwand. Livia versuchte, nicht gekränkt zu sein. Sie bückte sich, um den Koffer aus dem Wagen zu heben.

Da bewegte sich etwas hinter ihr und berührte sie am Po. Mit einem schrillen Schreckensschrei fuhr sie herum – und sah sich einem Riesenvieh gegenüber, das sie interessiert beschnüffelte.

Ein weiterer Schrei stieg in ihr auf. In wie viele Stücke würde das Tier sie wohl reißen, bevor Hilfe kam? Dann geschah etwas Merkwürdiges. Das Wesen wich ein paar Schritte zurück, legte den Kopf auf die Seite und betrachtete sie. Wohl nicht eben das Verhalten eines wilden Raubtiers, aber für Livia dennoch kein Grund, sich zu entspannen. Sie unterdrückte den Schrei, obwohl sie den Mund bereits weit geöffnet hatte.

Moment! Plötzlich wurde ihr bewusst, dass es sich bei dem Riesenvieh um nichts Bedrohlicheres handelte als um einen Hund. Der Kopf des Tieres ging ihr gut über die Taille, was erstaunlich war, denn mit einem Meter achtzig war sie schließlich nicht gerade klein. Der Hund hatte große braune Augen, Schlappohren und lange Beine. Das Fell war braun-schwarz gefleckt. Es musste eine Deutsche Dogge sein.

Würde er sie nun in Stücke reißen oder nicht?

Offensichtlich nicht. Er beschnüffelte sie schon wieder. Offensichtlich gefiel ihm ihr Parfum. Sie fasste Mut, streckte eine Hand aus und kraulte ihm die Ohren. Sie fühlten sich überraschend seidig an und es sah fast so aus, als grinse der Hund vor Dankbarkeit.

Eigentlich war er ganz süß. Und gar nicht so …

Ohne jede Vorwarnung begann der Hund plötzlich zu bellen, und jedes Bellen erschien ihr wie ein nach Trockenfutter stinkender Kanonenschlag direkt ins Gesicht.

Na großartig. Gerade noch waren sie beste Freunde gewesen und nun bellte er sie ohne Anlass einfach in Grund und Boden? Nicht mit ihr!

Endlich machten sich die zahllosen Folgen Dog Wrangler bezahlt, die sie im Laufe der Jahre gesehen hatte. Sie bog die Finger nach innen und ließ sie gegen seine Flanke schnellen. Zack! Einfach so.

Ihre Taktik ging auf. Glücklicherweise. Der erschreckte Hund verstummte abrupt. Und noch besser: Er jaulte auf, wich zurück und ließ sich auf den Bauch fallen. Dann legte er die Schnauze auf die Vorderpfoten und betrachtete sie mit neuem Respekt.

Grimmig stemmte sie die Arme in die Seiten.

So ist es recht! Nimm dich in Acht!

„Hey!“ Schritte näherten sich. „Was haben Sie mit meinem Hund gemacht?“

Was? War der Mann noch ganz bei Trost? Fast hätte dieses Riesenvieh sie in Stücke gerissen und nun wurde sie angefahren, weil sie ihm Benimm beigebracht hatte? So nicht!

„Entschuldigen Sie!“ Sie wandte sich um. „Vielleicht ist Ihnen noch nicht aufgefallen, dass dieser Riese hier eine Bedrohung für die Menschheit ist und … Oh.“

Was auch immer sie sonst noch hatte sagen wollen, verpuffte im Hier und Jetzt, als sie den Besitzer der Stimme vor sich sah. Er mochte ein Idiot sein, hatte aber den Körper und die Gesichtszüge eines Gottes.

Zuerst fiel ihr seine Größe auf. Er war noch größer als sie. Das war außerhalb der Basketball-Liga eine Seltenheit. Und er war kein Hänfling. Unter dem dunkelblauen Polohemd und der Kakihose zeichnete sich ein durchtrainierter muskulöser Körper mit flachem Bauch und schmalen Hüften ab. Offenbar verbrachte er seine Zeit im Fitnessstudio, wenn er nicht gerade dabei war, sich als Weltklasse-Idiot zu profilieren.

Er hatte einen sonnengebräunten Teint, war glatt rasiert, hatte kurzes schwarzes Haar und braune Augen. Sein vorwurfsvoller Blick wanderte zwischen ihr und dem Hund zu ihren Füßen hin und her. Sie hatte das ungute Gefühl, er bedauere, dass der Hund sie nicht zerfleischt hatte, und wolle es nun selbst tun.

Okay, Livia. Hör auf, ihn anzuschmachten, und bekomm dich in den Griff!

„Der Hund hier“, sie deutete auf das Tier, „gehört an eine Leine!“

Mr. Superman schien es für unnötig zu halten, viele Worte an sie zu verschwenden, denn er hielt die Hand hoch – und mit ihr eine schwarze Leine.

„Na super.“ Einerseits beruhigt, andererseits immer noch merkwürdig gereizt, hielt sie seinem durchdringenden Blick kühl stand. „Haben Sie auch die Absicht, sie irgendwann zu benutzen?“

„Falls Sie nichts dagegen haben.“

Seine trockene Höflichkeit rieb wie Schmirgelpapier über ihre Nervenenden. Sie trat beiseite. Hatte er Erfahrung mit Hunden?

Nein, eindeutig nicht. Vorsichtig beugte er sich herab, um die Leine an das Halsband zu klicken.

Der Hund hob den Kopf und zog die Lefzen zurück, bis ein scharfer weißer Schneidezahn zu sehen war. Dazu erklang unüberhörbar ein drohendes Knurren. Der Mann erstarrte mit ausgestrecktem Arm. Auch Livia erstarrte, obwohl der Hund sie gar nicht ansah. In Tierfilmen hatten Löwinnen schon weit weniger furchteinflößend geknurrt und trotzdem kurz darauf irgendein unglückliches Tier in Stücke gerissen.

Der Mann war rot angelaufen – sei es vor Angst oder vor Verlegenheit. Er warf einen Blick zu Livia hinüber, bevor er sich erneut sammelte. Dann fuhr er sich mit der Zungenspitze über die Lippen und versuchte eine andere Taktik.

„Ich habe hier einen Knochen für dich, du Monster, wenn du mich …“

Neuerliches Knurren. Der Hund legte die Ohren an und zeigte noch mehr Zähne.

Herrgott noch mal! Hatte der Mann denn noch nie The Dog Wrangler gesehen? Er machte aber auch alles falsch, und Livia hatte keine Lust, ihm noch länger dabei zuzusehen.

„Geben Sie her!“ Sie entriss ihm die Leine.

„Warten Sie …“

Der Hund wandte den Kopf in ihre Richtung und wollte wieder mit diesem Knurren beginnen, aber sie hatte genug. Sie flippte die Finger in seine Richtung und wies den Zeigefinger streng in sein Gesicht.

„Hey!“, warnte sie und hielt den Ton dabei ruhig und tief.

Der Hund ließ den Kopf sofort wieder auf seine Pfoten sinken – als habe er schon sein ganzes Leben lang darauf gewartet, dass jemand die Führerschaft über das Rudel übernahm. Livia nutzte die Gunst des Augenblicks und klickte die Leine fest. Schnell gab sie sie dem Mann zurück.

„So macht man das.“ Sie hatte nicht die Absicht, ihm zu gestehen, dass sie das zum ersten Mal gemacht hatte. „Kein Grund, sich bei mir zu bedanken.“

In ihm arbeitete es sichtlich. „Noch mal – was haben Sie mit dem Hund gemacht? Er gehorcht sonst niemandem.“

Ach so! Er beschuldigte sie gar nicht, dem Tier etwas angetan zu haben.

„Wissen Sie, ich habe nur versucht, ihm zu zeigen, wer der Herr ist.“

„Scheint Ihnen gelungen zu sein.“ Sein Ton war einen Hauch freundlicher geworden. „Danke.“

„Sie sollten sich die Sendung The Dog Wrangler ansehen.“

„Wenn Sie meinen.“

Himmel! Nicht nur der Hund musste an seiner Außenwirkung arbeiten, und zwar gründlich. Sie wandte sich wieder ihrem Wagen zu.

„Ich checke jetzt ein.“

„Lassen Sie mich das machen …“ Er griff nach dem Koffer. „Ich helfe gern.“

Sie musterte seine grimmige Miene. „Das sehe ich. Aber ich komme allein zurecht.“

Er stellte den Koffer auf den Boden und warf einen Blick in das Auto. Anschließend sah er sich um, als erwarte er einen weiteren Wagen.

„Wo ist der Rest?“ Er sah sie fragend an.

„Wovon?“

„Von Ihrem Gepäck? Von Ihrem Gefolge?“

Ach so! Jetzt verstand sie. Wie alle anderen Idioten weltweit ging er davon aus, dass sie wie eine Diva daherkommen musste, nur weil sie ein berühmtes Model war. Vielleicht hatte er auch alte Artikel aus der Regenbogenpresse in Erinnerung, aus Zeiten, als sie noch jung und dumm gewesen war. Wie auch immer. Er brauchte eindeutig ein bisschen Schulung in Manieren und in Kundenservice. Dafür war er bei ihr genau an der richtigen Adresse.

„Ich nehme an, Sie wissen, wer ich bin.“

An seiner Miene änderte sich nichts, aber die Art, wie sein Blick einmal an ihr herauf- und wieder hinunterglitt, ließ ihr einen unerwarteten Schauer über den Körper laufen.

„Jeder Mann, der einmal ein Heft für Bademode in der Hand gehabt hat, weiß, wer Sie sind.“

Und dabei sah er Livia auf eine Weise an, dass sie erstarrte. Plötzlich ging ihr Puls einen Tick schneller und ihr wurde bewusst: Dieser Mann bedeutete Probleme. Männer sahen sie an, das war keine große Sache. Aber bei ihm war es anders.

Er zog sie förmlich mit den Blicken aus – zuerst die kurzen Shorts und dann das dünne Top. Sie sah ihm an, wie er sie im Geiste verglich mit dem Cover auf der Sports Illustrated, als sie gerade neunzehn gewesen war: von der Sonne gebräunt, die Haut von Wassertropfen benetzt. Mit einem winzigen weißen Bikini-Höschen und einem gehäkelten Oberteil, das jeden Zentimeter ihres Körpers sehen ließ außer den Brustwarzen. Das Haar war ihr ins Gesicht geweht, die Hüften hatte sie zu einer Seite geschoben, Lippen und Schenkel leicht geöffnet, an einer Seite ihres Körpers klebte noch der Sand, während das blaue Wasser des Ozeans ihre Füße umspülte.

Sie war damals noch ein junges Ding gewesen, aber so schön wie nie in ihrem Leben – und so würde sie auch nie wieder aussehen. Dieser Mann hier, wer auch immer er sein mochte, erinnerte sich an das Bild. Er hatte das Titelblatt gesehen und dachte, er kenne sie, aber er wusste nichts von dem Menschen, der in diesem atemberaubenden Äußeren steckte.

Das war bei Männern eigentlich immer so. Sie war ihre vorschnellen Urteile gewohnt.

Was sie nicht gewohnt war, war die Hitze, die sein Blick in ihr aufsteigen ließ. Das Verlangen, das der Kerl in ihr weckte. Sie kam sich vor, als sei sie insgeheim magnetisiert worden und er sei der Nordpol.

Hör auf, Mädchen!

„Sie mögen meinen Namen kennen“, bemerkte sie spitz, „aber Sie kennen nicht mich. Ich brauche kein Gefolge, wie Sie das nennen, wenn mein Job es nicht nötig macht. Und ich habe nur einen Koffer dabei.“ Sie schnappte ihn sich, bevor der Mann ihr zuvorkommen konnte. „Und ich trage ihn selbst.“

Angespornt von ihrer verletzten Würde ging sie zum Haus hinüber, nachdem sie seinen überraschten Blick sehr wohl registriert hatte. Sie hatte mehrere Meter zwischen ihn und sich gebracht, als er die Sprache wiederfand.

„Wie Mylady wünschen …“

Seine Ironie brachte das Fass zum Überlaufen. Sie sah rot. Dieser Idiot durfte nicht das letzte Wort haben.

Sie drehte sich zu ihm um. „Sie sind sehr unhöflich“, erwiderte sie eisig. „Ich werde mich bei den Besitzern über Sie beschweren.“

Fassungslos registrierte sie, dass ihre Drohung ihn nur zu amüsieren schien. „Tun Sie das“, bemerkte er. „Die haben auch schon Probleme mit mir gehabt. Vergessen Sie nicht, ihnen meinen Namen zu sagen: J. R.“

Es wäre eine solche Wohltat, ihm dieses Lächeln mit einem Schlag aus der Visage zu wischen und ihm klarzumachen, wie er sich gegenüber Frauen oder zahlenden Gästen zu verhalten hatte. Aber das hätte vorausgesetzt, dass sie sich bewegte – und das konnte sie nicht. Der Mann war so unglaublich sexy, so attraktiv, dass es ihr schier den Atem verschlug und ihr Herz kurz aussetzte. Das war ihr schon seit Jahren nicht mehr passiert, ganz gleich, ob sie es mit Sportlern, Schauspielern oder mit Rockstars zu tun gehabt hatte.

Die Belustigung verschwand und wich einem Ausdruck, der ihr Angst machte. Wirklich Angst.

Zeit für einen Abgang, Livia!

Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging zum Haus.

Der Hund sprang auf und folgte ihr.

2. KAPITEL

Was für ein Tag!

Hunter Chambers Junior hatte alle Scheiben seines Pick-ups heruntergedreht und genoss den Fahrtwind auf seinem überhitzten Gesicht und den schweißnassen Armen. Aber die Erfrischung hatte ihren Preis: Nun konnte er sich selbst riechen. Nicht unbedingt angenehm. Der frische Schweiß war dabei weniger das Problem als der nicht ganz so frische Geruch der Erde, die ihm an den Schuhen klebte. Keine preisverdächtige Kombination. Es roch, als habe er sich kilometerweit im Dreck gewälzt, statt nur zwischen den Weinstöcken entlangzugehen und ein paar Trauben Cabernet zu pflücken. Die Trauben waren fast reif, in ein paar Tagen konnte die Lese beginnen.

In einer Kurve der Serpentine bremste er. Dann schob er die Baseballkappe nach hinten und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Herrje! Ein kurzer Blick in den Rückspiegel zeigte ihm, dass er jetzt eine braune Schmutzspur im Gesicht hatte.

Nicht schön.

Aber so, wie er es liebte.

Er arbeitete gern von morgens bis abends im Weinberg. Dann hatte er das Gefühl, wirklich etwas getan zu haben. Schweiß und Schmutz waren Zeichen, die er wie eine Ehrenauszeichnung trug. Man konnte nicht Wein anbauen und dabei geschniegelt und gestriegelt am Schreibtisch sitzen. Der heutige Tag war besonders hart gewesen und Hunter war sehr zufrieden mit sich.

Zumal es ihm gelungen war, etwas von dem Ärger loszuwerden, den ihm diese Frau am Morgen bereitet hatte.

Livia Blake – alias Miss Stress mit einem extragroßen S.

Da es ihn manche Schweißperle gekostet hatte, sie aus seinem Kopf zu bekommen, wollte er nun nicht schon wieder an sie denken. Unter gar keinen Umständen. Lieber wollte er an etwas anderes denken. An …

Ja, ans Duschen.

Das war das Erste, was er sich zu Hause gönnen wollte. Eine kalte Dusche. Und dann vielleicht eine schöne Flasche …

Verdammt!

Er musste voll in die Eisen gehen, um nicht hinter einer scharfen Kurve einen Radfahrer umzunieten, der am Straßenrand stand. Oder vielmehr auf der Straße. Genau dort, wo die Chance am größten war, von einem Wagen erfasst und in die Luft geschleudert zu werden – damit dann der nächste Truck ihn in ein schönes Asphalt-Tattoo verwandeln konnte!

Der Radfahrer ließ sein Gefährt fallen und sprang zur Seite. Natürlich viel zu spät. Und dann rief er auch noch empört: „Hey!“ So was Blödes. Als wäre er schuld! War das fair? Er hupte wütend und warf einen Blick in den Rückspiegel, um zu sehen, ob der Mensch Hilfe brauchte. Erst jetzt erkannte er, wer es war.

Verdammt!

Sie war es. Livia Blake. Miss Stress höchstpersönlich.

Eine merkwürdige Erregung ergriff Besitz von ihm – und das hatte nichts damit zu tun, dass er hier den guten Samariter spielte. Fahr weiter! drängte er sich, aber der verdammte Pick-up hatte schon wie von selbst den Rückwärtsgang eingelegt. Ein klügerer Mann hätte jemanden geschickt, ihr zu helfen, aber Hunter hatte sich ganz eindeutig von seinem Verstand verabschiedet, seit er diese Frau am Morgen das erste Mal gesehen hatte.

Er parkte den Wagen am Straßenrand, stieg aus und ging langsam zu ihr. Wie der letzte Spanner war er froh über seine Sonnenbrille, die es ihm erlaubte, sie unbemerkt zu mustern. Er dachte an seine Mutter und an seine kleine Tochter und schämte sich. Frauen waren keine Objekte. Sie sollten nicht angestarrt werden. In seinem tiefsten Inneren, im hintersten Winkel seiner Seele wusste er, dass er sich falsch benahm. Der Himmel würde ihn wahrscheinlich dafür bestrafen und Hunter hatte es verdient.

Trotzdem starrte er diese Frau an.

Das war das Merkwürdige. Natürlich hatte er Livia Blake schon gesehen. Sie gehörte zu den internationalen Topmodels. Sie präsentierte die Reizwäsche von Victoria’s Secret und hin und wieder war ihm einer der Kataloge dieses Labels in die Hand gefallen. Natürlich hatte er sie auch auf dem Titelblatt der Sports Illustrated gesehen und nach ihr gelechzt – wie alle anderen Männer auch.

Aber hier, jetzt …

Es war etwas völlig anderes, sie persönlich zu sehen, daran musste er sich erst noch gewöhnen. Zumal sie seine Erwartungen mehr als übertraf. Sie sah nicht nur atemberaubend aus, sie war auch noch intelligent, witzig und schlagfertig.

Gerade bückte sie sich, um das Fahrrad aufzuheben. Eine gute Gelegenheit, seinen Blick über ihre langen Beine aufwärts zu ihrem knackigen Hinterteil wandern zu lassen. Sie war keine zierliche Elfe, bei der man Angst haben musste, sie würde in Stücke brechen, wenn es im Bett etwas wilder wurde. Nein, dies war eine Amazone, die ihre Schenkel um ihn schlingen würde – oder vielmehr um irgendeinen Mann, natürlich nicht um ihn. Aber sicherlich würde sie so viel geben wie nehmen, bevor sie dann immer noch mehr fordern würde.

Es musste sein Glückstag sein, denn wie das Schicksal es wollte, hatte sie sich für ein kleines weißes Tanktop aus irgendeinem dehnbaren Material entschieden. Weiß! Das war jetzt in der Nachmittagssonne wirklich eine Augenweide. Das Top sah vielleicht gut aus in einer Ankleidekabine, aber sie war beim Fahrradfahren offensichtlich ins Schwitzen gekommen. Und wie jeder Mann der Welt wusste: Ein schweißnasser Körper in einem weißen Top bedeutete, dass so gut wie jede Einzelheit der Brüste zu sehen war.

Sie würde sterben vor Scham, wenn sie das wüsste, aber er konnte … ja, er konnte wirklich alles sehen. Runde Brüste, die eindeutig natürlich waren und nicht aus irgendeiner Schönheitsklinik kamen. Dunkle Brustwarzen. Und unter den Brüsten eine schmale Taille und kurvige Hüften. Keiner, der glaubte, Topmodels bestünden nur aus Haut und Knochen, hatte je dieses atemberaubende Geschöpf gesehen. Kein Wunder, dass man ihr Millionen dafür zahlte, dass sie einfach nur kam und in die Kamera lächelte.

Das Gesicht war noch schöner als ihr Körper, falls das überhaupt möglich war. Das Make-up war verschwunden – nicht, dass sie viel geschminkt gewesen wäre. Aber nun war es ersetzt worden von dem Schweißfilm einer gesunden Frau, die sich gut bewegt hatte. Das Haar hatte sie sich hochgesteckt. Einige Strähnen hatten sich gelöst und fielen ihr lockig in den Nacken. In den braunen Augen brannte ein Feuer und ihr Schmollmund lud zum Küssen ein.

Kurz: Sie sah aus wie eine Frau, die einen höchst befriedigenden Nachmittag im Bett verbracht hatte. Das war eindeutig kein Anblick, den er sich auf seine innere Festplatte brennen sollte, wenn er sie ignorieren wollte.

„Sie!“ Sie stellte das Fahrrad auf seinen Ständer und hängte ihren Fahrradhelm an den Lenker, bevor sie sich breitbeinig vor ihn stellte und die Hände in die Seiten stemmte. „Ich hätte es wissen sollen! Sie sind eine Gefahr für die Menschheit!“

Er stellte fest, dass sein Puls sich beschleunigte, wenn sie in der Nähe war. Seine Haut schien wärmer als sonst. Das bildete er sich nicht ein und es war auch nicht seine generelle Wertschätzung für eine schöne Frau. Nein, diese Frau hatte etwas an sich, das sein Herz schneller schlagen ließ.

„Ich fahre gern auf der Straße“, erklärte er trocken. „Dafür ist sie da. Nicht dafür, auf ihr herumzustehen und die Landschaft zu bewundern.“

„Ich habe nicht die Landschaft bewundert, Sie Genie. Ich habe einen Platten.“

Ja, das hatte er schon gesehen. Er beugte sich vor, um sich den Reifen anzusehen – vor allem aber, um ihr dadurch etwas näher zu sein. Nah genug, um ihre glatte Haut zu bewundern und ihren Duft einzuatmen.

Das war ein Fehler. Ein großer Fehler.

Trotzdem richtete er sich wieder auf und näherte sich ihr dabei noch ein wenig. Auf Kussabstand, falls er das im Sinn gehabt hätte. Nur das Rad trennte sie, aber im Zweifelsfall wären sie beide groß genug gewesen, sich darüberzulehnen.

„Sie und Ihr Rad sollten sich neben der Straße befinden, wenn Sie nicht angefahren werden wollen.“

„Genau dort wollten wir hin, als Sie und Ihr Monstertruck uns fast umgenietet hätten.“ Sie ließ ihren Blick leicht angeekelt über ihn gleiten. „Was haben Sie überhaupt gemacht?“

„Gearbeitet.“ Sie hatte ihre manikürten kleinen Hände sicher noch nie zu etwas anderem gehoben, als um den Ober um ein Glas Champagner zu bitten. „Das tun wir hier auf einem Weingut.“

Sie zog die Nase kraus. „Schon mal was von Duschen gehört?“

Autor

Ann Christopher
Mehr erfahren