Weil uns nichts mehr trennen kann

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Mac Barlows Welt steht Kopf, als er die schöne Savannah trifft. Bei ihr verspürt der erfolgreiche Geschäftsmann nie gekannte Gefühle von Leichtigkeit und Glück. Aber wenn er sich jetzt der Liebe hingibt, verrät er sein Ziel. Denn eigentlich wollte er nur eins: Savannahs Firma!


  • Erscheinungstag 09.05.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746803
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Bei Mac Barlows Geburt soll sein Großvater gesagt haben: „Aus dem Jungen wird mal was. Man spürt, dass der Ehrgeiz in ihm brennt.“ Niemand konnte mehr jenen Augenblick rekonstruieren, in dem Grandpa Barlow seinen ersten Enkel in den Armen gehalten hatte, und Earl Ray Barlow selbst war schon vor zwanzig Jahren gestorben. Doch das Gerücht hatte sich hartnäckig gehalten und sich im Laufe der Zeit zu einer immer weiter von Tanten, Onkels und Geschwistern ausgeschmückten Legende entwickelt.

Jeder, der Mac Barlow kannte, wusste, dass er dieser Prophezeiung mehr als gerecht geworden war. In ihm brannte tatsächlich ein nie zu stillender Ehrgeiz. Er war nie zufrieden, hatte immer neue Pläne, musste ständig jemanden anrufen oder ein Geschäft abwickeln. Das hatte schon während seines ersten Semesters auf dem College angefangen – mit ein bisschen Startgeld, das Mac sich mit einem Nebenjob während der Highschoolzeit verdient hatte. Nach seinem ersten Gehaltsscheck hatte er sich rasant zu einem der im Forbes Magazine vorgestellten erfolgreichsten Unterdreißigjährigen entwickelt.

Als er eines Sonntagnachmittags mit röhrendem Motor nach Stone Gap, North Carolina fuhr, wollte er mal wieder zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zur Hochzeit seines Bruders Jack gehen und für Barlow Enterprises einen Kauf unter Dach und Fach bringen. Der Deal wurde bisher zwar hartnäckig von einer unglaublich sturen Frau blockiert, doch Mac ließ sich davon nicht beirren. Bisher hatte er noch jedes Hindernis überwunden. Er hatte daher beschlossen, schon eine Woche vor der Hochzeit seines Bruders nach Stone Gap zu fahren, um Savannah Hillstrand zur Vernunft zu bringen.

Von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet raste er auf seiner Harley wie ein dunkles Gespenst durch die Straßen von Stone Gap, wie immer mit halsbrecherischer Geschwindigkeit. Er legte sich in jede Kurve und küsste dabei fast den Asphalt. Er liebte diese raren Momente auf dem Motorrad, wenn er ausnahmsweise mal nicht Geschäftsführer war. Kein Anzug, keine Krawatte, niemand, der ihn anrief, ihm eine Mail schickte oder an seine Tür klopfte, damit er eine Entscheidung traf. Nur er, das Motorrad und die Straße – die einzigen Auszeiten, die er sich gönnte.

Stone Gap war rasch durchquert, so winzig war die Stadt. Ein Teil davon sah noch immer so aus, als würde die Zeit hier seit dem Bürgerkrieg stillstehen, doch Mac würdigte das Zentrum mit seinen historischen Häusern kaum eines Blickes. Auf dem Highway gab er so kräftig Gas, dass ihm der Wind ins Gesicht peitschte. Kurz darauf bog er auf den Parkplatz eines Firmengebäudes.

Mac war zuversichtlich, dass das bevorstehende Meeting genauso enden würde wie alle seine Meetings: damit, dass er sich durchsetzte.

Er zog sein Handy aus seiner Jackentasche und rief Savannah an. Während er darauf wartete, dass sie abnahm, betrachtete er das in der Spätnachmittagssonne funkelnde Glasgebäude, dessen Firmenlogo einer über dem Horizont aufsteigenden Sonne glich.

Nach fünf Freizeichen ging Savannah endlich ran. „Hallo?“

Sie hatte eine überraschend angenehme und melodiöse Stimme. „Miss Hillstrand, hier ist Mac Barlow. Wir haben gleich ein Meeting.“

„Natürlich. Schön, dass Sie es geschafft haben, und noch dazu pünktlich. Ich weiß das zu schätzen.“

Bisher hatte Mac sich mit ihr nur per E-Mail ausgetauscht. Ihre waren so nüchtern und kurz angebunden gewesen, dass er sie sich unwillkürlich mit Hornbrille und strengem Haarknoten vorgestellt hatte.

„Kommen Sie rauf, ich bin im vierten Stock.“

Sie nannte ihm den Code für die Tür und erklärte ihm den Weg. Mac gab die vier Zahlen ein, ignorierte den Fahrstuhl und stieg die Treppen zum obersten Stockwerk hinauf, wo er das Büro des Geschäftsführers vermutete.

Auf dem Weg dorthin ging Mac noch mal sämtliche Fakten im Kopf durch. Hillstrand Solar, einer der ersten Produzenten von Solarzellen im Süden, war jahrelang von Willie Jay Hillstrand geleitet worden. Der Mann hatte aus dem von seinem Großvater gegründeten kleinen Familienunternehmen einen Giganten im Sektor erneuerbare Energien gemacht. Nach seinem Tod vor ein paar Monaten hatte er die Firma seinem einzigen Kind hinterlassen, einer Tochter.

Mac hatte ihr einen Monat Zeit gegeben und dann einen seiner Manager zu ihr geschickt, um ihr ein Angebot zu machen, das sie nicht ablehnen konnte. Zu seiner Überraschung war sie nicht darauf eingegangen, auch nicht auf das zweite und das dritte. Als Mac es nach einem weiteren Monat nochmals versucht hatte, war gar keine Reaktion mehr gekommen.

Ein vernünftigerer Mann hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt das Handtuch geworfen, doch Mac wollte die Firma unbedingt. In den letzten Jahren war Mac nämlich dazu übergegangen, die Firmen, die er kaufte, nicht sofort wieder zu veräußern, sondern mehrere zueinander passende Firmen miteinander zu kombinieren und sozusagen als Gesamtpaket anzubieten. Das hatte den Vorteil, dass er höhere Preise verlangen und zugleich mehr Inventar loswerden konnte. Und Hillstrand Solar mit seiner führenden Position im Solarsektor war bei seinem derzeitig geplanten Paket das Sahnehäubchen.

Macs Meinung nach war der Deal nur noch eine Frage der Zeit. Savannah Hillstrand stand das Wasser nämlich inzwischen bis zum Hals. Es fiel ihr offensichtlich nicht leicht, die Firma ihres Vaters weiterzuführen. Dass sie sich zu einem Meeting bereit erklärt hatte, noch dazu an einem Sonntag, wo die Belegschaft nicht da war, war schon mal ein gutes Zeichen. Er würde ihr ein verlockendes Angebot machen und danach sein nächstes Projekt angehen. Er hatte während seines Aufenthalts im Süden nämlich noch mindestens vier weitere Firmen im Visier.

Okay, vielleicht kam ihm das sonntägliche Meeting auch deshalb ganz gelegen, weil es ihm einen guten Vorwand bot, den Besuch bei seiner Familie aufzuschieben. Er liebte seine Brüder, wirklich, aber was seine Eltern anging … zwischen ihm und seinem Vater herrschte schon seit Jahren Funkstille.

Ehrlich gesagt hatte Mac absolut keine Lust auf die Begegnung mit Bobby. Er wusste nicht, wie er ihm nach seiner unglaublichen Entdeckung letzte Woche gegenübertreten sollte. Ein „Hey Dad, ich habe erfahren, dass du uns einen Halbbruder verheimlicht hast“, würde ihn beim Sonntagsessen bestimmt nicht zum Lieblingssohn machen.

Die Gedanken an seine Familie verdrängend öffnete Mac die schwere Treppenhaustür im vierten Stock und betrat ein langweiliges graues Büro mit ebenso langweiligen grauen Bürozellen. Er hatte schon Hunderte solcher Büros gesehen, eins deprimierender als das andere. Seine eigenen Büroräume in Boston waren hell, großzügig und offen. Hillstrand Solar kam ihm im Vergleich dazu wie ein Gefängnis vor.

„Mr. Barlow. Endlich lernen wir uns persönlich kennen.“

Mac drehte sich zu einer groß gewachsenen schönen Blondine um – ohne Haarknoten oder Omabrille. Ehrlich gesagt war Savannah Hillstrand das Gegenteil dessen, womit er gerechnet hatte.

Sie trug einen maßgeschneiderten grauen Hosenanzug, darunter eine rosa Seidenbluse und hatte das Haar locker zurückgebunden. Ein paar lose Strähnen fielen ihr ins Gesicht. Sie trug kaum Make-up, nur ein bisschen Mascara und rosa Lippenstift, an dem Macs Blick viel zu lange hängen blieb.

„Miss Hillstrand“, sagte er förmlich und ging auf sie zu, um ihr die Hand zu schütteln. Er hatte plötzlich ein ganz komisches Gefühl in der Magengegend. Musste daran liegen, dass er nichts gegessen hatte. „Sie sind nicht ganz wie … äh … wie ich erwartet habe“, stammelte er, etwas, das ihm sonst nie passierte. Was ist bloß los mit mir?

Miss Hillstrands Händedruck war fest und warm. Geschäftsmäßig. „Mir geht’s genauso, was Sie angeht. Ich habe Sie mir irgendwie … seriöser vorgestellt.“

Übersetzung: steif und langweilig. Mac wusste selbst nicht, warum er ihr das übel nahm. Immerhin hatte er sie für den Typ altjüngferliche Bibliothekarin gehalten. „Sie haben mich an einem Wochenende erwischt“, erklärte er. „Ab Montag trage ich wieder Anzüge und Krawatten. Oder zumindest meine Version davon.“

Savannah musterte ihn von Kopf bis Fuß, betrachtete die Lederjacke, die Bikerstiefel, die dunkle Jeans und das weiße Hemd – das einzige Zugeständnis an ein seriöses Outfit, das Mac an Wochenenden machte. „Und was ist Ihre Version von Anzug und Krawatte? Lederchaps?“

Er musste lachen. „Ganz und gar nicht. Normalerweise trage ich dunkle Jeans, Hemd und Krawatte. Und ein Jackett, falls ich mich mit einem Anwalt treffen muss.“

Miss Hillstrand stimmte in sein Lachen mit ein. Es klang hübsch und melodiös … und irgendwie sexy. Ihre Lederchaps-Bemerkung ließ darauf schließen, dass sie Pepp hatte. Hm, interessant. „Wollen wir uns setzen und über mein Angebot reden?“, schlug er vor.

„Wir können uns gern unterhalten, aber zunächst mal möchte ich eins klarstellen: Ich habe kein Interesse an einem Angebot Ihrerseits. Ich verkaufe nicht.“ Ihre anfängliche Freundlichkeit war kühler Distanz gewichen. „Ich habe Ihnen schon mehr als einmal klargemacht, dass es reine Zeitverschwendung wäre, hierherzukommen, aber Sie haben nicht lockergelassen, also dachte ich, Sie glauben mir vielleicht, wenn Sie mir gegenüberstehen. Ich werde Hillstrand Solar nicht an Sie verkaufen, weder jetzt noch in Zukunft.“

Mac ließ sich nicht von ihren Worten beirren. Er würde schon mit Savannah fertig werden, so wie er bisher noch mit allen störrischen Firmenbesitzern fertig geworden war. Er musste ihr einfach klarmachen, dass sie ihre Firma nicht mehr lange würde halten können. „Ich werde Ihnen ein sehr faires Angebot machen. Dann wären Sie reich genug …“

„Geld ist mir egal“, schnitt sie ihm das Wort ab.

Mac lachte spöttisch. „Niemandem ist Geld egal. Jeder hat seinen Preis, Miss Hillstrand.“

„Ich nicht.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und hob trotzig das Kinn. „Sie können mich mit Ihrem Charme einzuwickeln versuchen, wie Sie wollen, aber ich verkaufe nicht.“

Macs Blick blieb an ihrer Hose hängen, die wie eine zweite Haut saß, dunkel, weich und verführerisch. Unwillkürlich stellte er sie sich ohne Hose vor, nur mit einem Spitzenslip bekleidet und unendlich langen Beinen …

Verdammt, wo kam das denn plötzlich her? Er schüttelte den Kopf, um die unerwünschte Fantasie loszuwerden. Er war geschäftlich hier und nicht privat, und er hatte nicht die Absicht, beides zu mischen. So etwas ging nie gut.

Er räusperte sich verlegen. „Warum treffen Sie sich dann mit mir? Dass Sie nicht verkaufen wollen, haben Sie mir doch schon in Ihren E-Mails geschrieben.“

„Weil Sie sonst anscheinend nicht lockerlassen. Wie schon gesagt, ich wollte Ihnen ein für alle Mal klarmachen, dass ich es ernst meine. Todernst.“ Ihre grünen Augen blitzten wütend auf. „So, und jetzt, wo Sie meinen Standpunkt kennen, muss ich zurück an die Arbeit. Guten Tag, Mr. Barlow.“

Sie nahm hinter ihrem Schreibtisch Platz – falls man das graue mit Unterlagen übersäte Ding so nennen konnte. Absolutes Chaos traf die Sache besser. Nein, Miss Hillstrand war weiß Gott nicht die ordentliche und strukturierte Bibliothekarin seiner Fantasie.

Macs eigener Schreibtisch war in der Regel makellos aufgeräumt, genauso wie die Büros von Barlow Enterprises. Seiner Meinung nach konnte man am besten in fast leeren Räumen denken. Es lag ihm auf der Zunge, Savannah zu raten, erst mal ein bisschen Ordnung zu schaffen, wenn sie die Firma ihres Vaters wieder flottkriegen wollte, aber damit würde er seinem Ziel vermutlich nicht näherkommen.

Okay, Miss Hillstrand war anscheinend eine härtere Nuss als gedacht. Mac lehnte sich mit einer Hüfte gegen den Schreibtisch. „Ihnen steht das Wasser bis zum Hals, das wissen Sie genauso gut wie ich.“

„Wollen Sie damit etwa andeuten, dass ich nicht das Zeug habe, diese Firma zu leiten?“

„Nein, nur, dass Sie nicht die nötige Erfahrung mitbringen. Sie haben einen Abschluss in Geschichte und nur sporadisch hier gearbeitet. Hier geht es aber nicht um die Napoleonischen Kriege, Miss Hillstrand, sondern ums Geschäft. Da braucht man gewisse … Fähigkeiten.“

„Und Sie gehen davon aus, dass mir die abgehen.“ Wieder hob sie trotzig das Kinn.

„Ich weiß, dass Sie die nicht mitbringen.“ Er hatte Nachforschungen über sie angestellt – na ja, sein Personal. Savannah Hillstrand hatte während ihrer Highschool- und Collegezeit aushilfsweise in der Fabrik gearbeitet und dabei fast sämtliche Abteilungen kennengelernt. Zwischendurch hatte sie eine kleine Umbaufirma gegründet und alten Häusern zu neuem Glanz verholfen. Sie war dabei relativ erfolgreich gewesen, hatte jedoch zwischendurch immer wieder bei Hillstrand Solar ausgeholfen.

Willie Ray hätte mal lieber dafür sorgen sollen, dass seine Tochter einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre machte, bevor er ihr die Leitung seiner Firma aufbürdete.

„Sie wissen überhaupt nichts über mich“, erwiderte sie heftig. „Oder diese Firma.“

„Ich weiß mehr als genug, und Zahlen lügen nicht. Die Umsätze sind um fünfunddreißig Prozent eingebrochen, seitdem Sie die Leitung übernommen haben. Sie haben allein letzten Monat zwei Ihrer größten Kunden verloren, und seitdem Sie mit der letzten Kreditzahlung in Verzug gekommen sind, hat die Bank Ihnen den Geldhahn zugedreht …“

Savannah sah ihn wütend an. „Spionieren Sie mir etwa hinterher?“

„Ich stelle nur Nachforschungen an. Ich sammle grundsätzlich sämtliche Fakten, bevor ich eine Firma kaufe.“

„Suchen Sie sich jemand anderen, um Dreck aufzuwühlen.“ Savannahs Wangen waren hochrot. „Hillstrand Solar ist für Ihren … Ausschlachtungs-Laden nicht zu haben.“

Spöttisch hob er eine Augenbraue. „Ausschlachtungs-Laden?“

„Machen Sie das nicht immer so? Firmen kaufen und stückweise wieder verkaufen? Ganz egal, wie viele Menschen dabei ihre Jobs verlieren? Hauptsache, Sie können sich in Ihrem Erfolg sonnen!“

Ihre Worte versetzten Mac einen Stich, doch er ignorierte das Gefühl. Vielen der von ihm gekauften Firmen ging es hinterher besser. Und nicht wenige Besitzer waren dankbar für den Geldregen. Savannah Hillstrand würde schon bald zu ihnen gehören, das war nur eine Frage der Zeit. „Sie lieben bildhafte Vergleiche, oder?“

„Ich beschreibe die Dinge nur so, wie ich sie sehe.“ Sie zeigte zur Tür. „Sie finden den Weg selbst hinaus. Ich habe keine Zeit, mit Ihnen zu diskutieren.“

„Sie haben keine Zeit, mir nicht zuzuhören. Jeden Tag, an dem Sie darauf bestehen, diese Firma zu leiten, verlieren Sie Geld. Lassen Sie mich raten … etwa zwanzigtausend pro Woche?“ Als sie sich versteifte, wusste Mac, dass er richtig geraten hatte.

„Ich muss jetzt arbeiten, um die Gehälter meiner Angestellten zu verdienen – Menschen, die auf mich angewiesen sind.“

„Soweit ich weiß, gibt es so etwas wie Stellenanzeigen. Ihre Leute finden andere Jobs.“

Miss Hillstrand sprang auf und marschierte auf Mac zu. Ihre grünen Augen blitzten. „Sind Sie wirklich so kalt und herzlos?“

„Weder noch. Ich bin nur Realist.“

„Realist?“ Sie schnaubte verächtlich. „Noch so ein Euphemismus für einen skrupellosen Geschäftshai.“

Mac hob abwehrend eine Hand. Ihre Gehässigkeiten hatte er alle schon gehört – vor allem von seinem Vater. Doch aus irgendeinem Grund störte es ihn, dass Savannah ihn für herzlos hielt.

„Bevor Sie mich als leibhaftigen Teufel hinstellen, möchte ich eins klarstellen: Hier geht es um nackte Zahlen, nicht mehr und nicht weniger. Ich kaufe und verkaufe. Für mich macht es finanziell Sinn zu kaufen und für Sie zu verkaufen, das wissen Sie genauso gut wie ich. Ihre Firma wird bald pleite sein, wenn Sie nicht nach der Rettungsleine greifen, die ich Ihnen hinwerfe.“

„Aber die Firma ist das Erbe meines Vaters, ein Teil unserer Familiengeschichte!“ Ihre Stimme zitterte ein bisschen – ein erster Riss in ihrer professionellen Fassade. „Er wird sich im Grab umdrehen, wenn ich verkaufe.“

„Persönliche Gründe haben in der Geschäftswelt nichts verloren.“ Noch während Mac diese Worte aussprach, sah er, dass Savannah die Tränen in die Augen stiegen. Der Anblick ließ ihn nicht ganz ungerührt. Musste an Stone Gap liegen. Normalerweise ließ er sich nicht so schnell erweichen. „Es wäre das Klügste, die Firma zu kaufen, bevor sie zugrunde gewirtschaftet ist“, sagte er etwas sanfter hinzu. „Ich kann ja verstehen, warum Sie weitermachen wollen und bewundere Sie dafür, wirklich. Aber es wäre in Ihrem eigenen Interesse, auf mich zu hören.“

Mac zögerte einen Moment mit seinem nächsten Vorschlag. „Hören Sie, wenn Sie wollen, können wir uns gern gemeinsam die Bücher ansehen. Auf der Basis der Ergebnisse mache ich Ihnen dann ein letztes Angebot.“ Dann hatte er endlich wieder Zahlen und Kolonnen vor sich anstatt einer unglücklichen Frau, die sich an ihrem Familienerbe festklammerte. Er kam sich nämlich plötzlich wie ein Schwein vor.

Savannah wirkte mit einem Mal erschöpft, so als sei ihr Kampfgeist erloschen. „Na schön. Nicht dass ich nachgeben werde, das kommt nicht infrage, aber …“ Ihre Stimme erstarb.

Mac verspürte den Impuls, sich wieder auf sein Motorrad zu setzen und die Stadt zu verlassen, doch dann rief er sich wieder sein Mantra ins Gedächtnis, Privates und Geschäftliches zu trennen und verhärtete sich gegen Savannahs unglücklichen Blick.

„Vielleicht sollte ich Sie zumindest anhören“, fügte Savannah hilflos hinzu. „Falls ich es mir doch noch anders überlege, so unwahrscheinlich das auch ist.“

„Es ist immer besser, sämtliche Informationen zu haben, bevor man eine Entscheidung trifft.“ Mac spürte, dass er als Sieger aus der Diskussion hervorgehen würde, aber seltsamerweise erfüllte ihn das nicht mit so viel Befriedigung wie sonst. Er wusste selbst nicht wieso. Schließlich war das hier sein Leben – die Jagd nach dem Erfolg, das Zuschlagen im richtigen Augenblick. Aber auf einmal war es ihm nicht wichtig zu gewinnen, sondern …

… Savannah Hillstrand wieder lächeln zu sehen. Was natürlich völlig verrückt war.

Nickend wandte sie den Blick ab. „Das hier ist der Computer meines Vaters.“

Entgeistert sah Mac sie an. „Was? Dieses Chaos ist der Arbeitsplatz Ihres Vaters?“

Sie lächelte entschuldigend. „Organisiertes Chaos.“

„Er hatte also kein eigenes Büro?“

„Nein, er wollte mit den Menschen zusammenarbeiteten, die ihn so treu unterstützen. Also hatte er auch nur eine Bürozelle, genauso wie alle anderen.“ Zärtlich ließ sie eine Hand über die Rückenlehne des Stuhls gleiten, so als würde Willie Jay noch dort sitzen. „Er hat immer gesagt, dass er dann nicht so schnell vergisst, worauf es ankommt.“

„Und das wäre?“, fragte Mac. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund war er plötzlich unglaublich gespannt auf die Antwort.

Savannah hob den Blick zu ihm. Ihre tiefgrünen Augen erinnerten ihn an die dunklen üppigen und geheimnisvollen Wälder North Carolinas. „Dass es nicht nur ums Geschäft geht, sondern um Menschen. Um … die Familie.“

2. KAPITEL

Savannah fuhr mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock, ging in den Pausenraum und betrachtete das dort an der Wand hängende Foto ihres Vaters, das vor sieben Jahren bei einem Firmenpicknick geknipst worden war – lange vor seinem Herzinfarkt.

Sie hatte gewusst, dass der heutige Tag kommen würde, von dem Moment an, als sie sich mit dem unangenehmen Gefühl in den Stuhl ihres Vaters gesetzt hatte, keine Ahnung vom Geschäft zu haben. Trotzdem hatte sie gehofft, dass Mac Barlow irgendwann aufgeben und sie irgendwie plötzlich wie durch ein Wunder zu einer erfolgreichen Geschäftsführerin mutieren würde.

Nicht dass sie nicht schon öfter darüber nachgedacht hatte, alles zu verkaufen. Bei jedem Angebot von Mac Barlow oder einem seiner Konkurrenten war sie innerlich hin- und hergerissen gewesen. Sie empfand die Firmenleitung insgeheim nämlich als große Belastung und war damit völlig überfordert. Sie hatte ihren Vater sehr geliebt, aber nur er hatte wirklichen Einblick in die Abläufe gehabt. Er hatte ihr zwar immer versprochen, sie in alles einzuarbeiten, doch der Herzinfarkt und sein viel zu früher Tod waren ihnen zuvorgekommen.

Und jetzt war es zu spät, ihn um Hilfe zu bitten.

Ihr Vater war inzwischen vier Monate tot, doch noch immer hatte Savannah sich nicht eingewöhnt. Sie versuchte ihr Bestes, aber es fiel ihr schwerer als gedacht, die Hillstrand-Solar-Familie zusammenzuhalten. Sie hatte ihm jedoch ihr Versprechen gegeben, und das würde sie halten, ganz egal zu welchem Preis.

Und jetzt war auch noch Mac Barlow aufgetaucht und drohte, alles zu zerstören. Leider hatte er nicht ganz unrecht mit seinen Argumenten. Savannahs hilflose Bemühungen in den letzten vier Monaten hatten der Firma eher geschadet als geholfen. Bisher hatte sie zwar noch niemanden entlassen müssen, aber sie verlor alarmierend schnell Geld und Kunden und wusste nicht, wie sie den Verlust wieder wettmachen sollte.

Vielleicht hatte Mac ja recht. Vielleicht würde es der Firma unter seiner Leitung besser gehen. Aber was wurde dann aus den Mitarbeitern?

Savannah lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und atmete ein paar Mal tief durch. Sie brauchte einen Plan. Zeit zum Nachdenken. Seit dem Tod ihres Vaters hatte sie sich noch nicht mal einen Nachmittag freigenommen, auch nicht an den Wochenenden. So konnte es nicht weitergehen.

Plötzlich sehnte sie sich nach dem alten Haus am See, nach ein paar Stunden am Wasser, wo die Luft rein war und ihre Sorgen weit weg. Sie könnte dort die Veranda abreißen oder die alte Farbe an der Wandvertäfelung des Esszimmers abkratzen. Immer wenn sie etwas erneuerte und wiederaufbaute, fand sie so etwas wie inneren Frieden. Es hatte etwas Beruhigendes, ein heruntergekommenes Haus zu retten und ihm zu neuem Glanz zu verhelfen. Und vielleicht würde ihr dabei ja eine Lösung einfallen, wie sie die Jobs ihrer Angestellten erhalten konnte.

Versprich mir, dass du die Firma weiterführst, hatte Willie Jay sie vor seinem Tod gebeten. Diese Menschen waren von mir abhängig, und jetzt brauchen sie dich.

Savannah berührte sein Foto. „Ach, Dad, ich wünschte, du wärst jetzt hier.“ Sie brauchte verzweifelt einen Mentor, jemanden, der ihr half, die Firma in die schwarzen Zahlen zu bringen. Jemanden, der schon Erfahrungen auf diesem Gebiet hatte …

Ihr Vater lächelte. Er stand in einer langen Reihe von Hillstrand-Solar-Angestellten. Das an einem schönen Sommertag geknipste Foto war eines seiner Lieblingsfotos gewesen. Willie Jay hatte die Firma geliebt, genauso wie die Menschen, die hier arbeiteten. „Ich werde eine Lösung finden, Dad“, flüsterte sie. „Das verspreche ich dir.“

Autor

Shirley Jump
Shirley Jump wuchs in einer idyllischen Kleinstadt in Massachusetts auf, wo ihr besonders das starke Gemeinschaftsgefühl imponierte, das sie in fast jeden ihrer Romane einfließen lässt. Lange Zeit arbeitete sie als Journalistin und TV-Moderatorin, doch um mehr Zeit bei ihren Kindern verbringen zu können, beschloss sie, Liebesgeschichten zu schreiben. Schon...
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