Wenn auf Kreta die Liebe erwacht

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Nick Santos ist ihr neuer Boss! Alexandra fasst es kaum, als ihre große Liebe plötzlich vor ihr steht. Vor Jahren hat sie den faszinierenden Unternehmer im Urlaub auf Kreta kennengelernt und konnte ihn nie vergessen. Jetzt ist er in ihre Stadt gezogen, um eine andere zu heiraten. Aber warum küsst er Alexandra dann so leidenschaftlich?


  • Erscheinungstag 04.08.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733744335
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Eine Immobiliengesellschaft!

Was, um alles in der Welt, sollte Nick Santos mit der Hälfte der Anteile einer Immobiliengesellschaft in Australien, am anderen Ende der Welt, anfangen? Eigentlich hätte der gesamte Xenophon Properties – Konzern in den Besitz seiner Cousine Sofia übergehen sollen.

Nick bemerkte das aufblinkende rote Licht und legte den Sicherheitsgurt an, als das Flugzeug den Anflug auf Sydney begann. So viel Humor hätte er Onkel Aristos gar nicht zugetraut. Aber bei diesem Plan konnte es sich einfach nur um einen Scherz handeln. Er als Neffe würde die Hälfte des Unternehmens erben – unter der Bedingung, dass er ein halbes Jahr vor Ort blieb, die Firma auf Vordermann brachte und Sofia in allem Wichtigen unterwies, damit sie dann die Firmenleitung übernehmen könnte.

Es war klar, was sein Onkel mit diesem merkwürdigen Vermächtnis beabsichtigt hatte. Nick wusste genug über arrangierte Ehen und hatte nicht vor, sich verkuppeln zu lassen. Stattdessen würde er mit Sofia sprechen und ihr seinen Anteil am Unternehmen übergeben, indem er Australien vorzeitig verließ. Schließlich musste er sich zu Hause um Wichtigeres kümmern, auch wenn er die Firmenleitung seinem zuverlässigen Stellvertreter Dimitri übertragen hatte.

Nick lehnte sich zurück und blickte aus dem Fenster, als das Flugzeug zur Landung ansetzte. Er sah die Harbour Bridge und das Opernhaus, die architektonischen Wahrzeichen des belebten Hafens von Sydney. Dann kamen Stadthäuser in Sicht, die eine endlose Reihe roter Dächer und Gärten mit blauen Swimmingpools bildeten.

Obwohl Aristos seine Planung durcheinander gebracht hatte, war Nick ihm fast dankbar, dass er nun endlich einmal nach Australien kam. In seiner Jugend hatte er viele Erfolgsgeschichten über Menschen gehört, die in der Neuen Welt zu unglaublichem Reichtum gelangt waren. Auch Aristos, der Bruder seiner Mutter, hatte es geschafft.

Nick hatte bereits einige Australier kennen gelernt. Eine junge Frau, die er im Frühjahr vor vielen Jahren auf Kreta getroffen hatte, war ihm besonders in Erinnerung geblieben. Sie hatte blondes Haar, zarte blasse Haut und Sommersprossen. Gemeinsam erkundeten sie die Ruinen uralter Gebäude auf der Insel. Die Begeisterung der jungen Frau für die faszinierenden Überbleibsel längst vergangener Kulturen war ansteckend. Nick bekam ein schlechtes Gewissen, dass er als Archäologiestudent die reichhaltige Geschichte seines Landes nicht richtig zu schätzen wusste. Gleichzeitig hatte die Gesellschaft der jungen Frau ihn stolz gemacht, Grieche zu sein. Diese Frau war wunderschön, geistreich, temperamentvoll – und offenbar wankelmütig.

Nick war gar nicht bewusst gewesen, dass er die Luft angehalten hatte. Er atmete aus und streckte sich ein wenig auf seinem bequemen Platz in der ersten Klasse. Das Flugzeug landete, rollte zum Terminal und kam schließlich zum Stehen. Die Passagiere standen auf und drängten zum Ausgang, um möglichst schnell durch den Zoll und aus dem Flughafengebäude zu kommen. Eine Stewardess erschien und reichte Nick lächelnd sein Jackett. Er dankte ihr und versuchte, seine Gedanken wieder auf die Gegenwart zu lenken.

Es gab wichtigere Dinge, auf die er sich konzentrieren musste. Ich gehöre nicht hierher, sondern nach Griechenland, ermahnte er sich. Und sobald er sich mit dem ungewöhnlichen Vermächtnis seines Onkels befasst und die nötigen Dinge in die Wege geleitet hätte, würde er wieder dorthin zurückkehren.

2. KAPITEL

Als Alexandra Hammond die Tür öffnete, wurde sie schlagartig mit der Vergangenheit konfrontiert.

Nick Santos!

Sie musste träumen. Nick war doch in Athen und leitete das Maschinenbauunternehmen, das sein Vater aufgebaut hatte. Was, um alles in der Welt, hatte er hier, im Foyer des Xenophon Properties – Konzerns, zu suchen?

An diesem Tag war das Büro zum ersten Mal wieder geöffnet, nachdem ihr Chef Aristos an einem Herzanfall gestorben war. Sie war mit dem Verschicken der monatlichen Mietrechungen schon mehrere Tage in Verzug. Und außerdem würde jeden Moment der neue Geschäftsführer eintreffen, ein entfernter Verwandter von Aristos.

Nick konnte doch nicht wirklich hier sein! Alexandra blinzelte, aber als sie die Augen wieder ganz öffnete, war er noch immer da. Obwohl er halb mit dem Rücken zu ihr stand und sich mit Sofia unterhielt, war sie absolut sicher. Nach all den Jahren hätte sie ihn noch immer überall wieder erkannt. Sie musste nur einen kurzen Blick auf sein markantes Profil, das dichte dunkle Haar und das blendend weiße Hemd werfen. Durch seine stolze Haltung strahlte er Selbstbewusstsein und Männlichkeit aus. Auch das heftige Klopfen ihres Herzens war ein deutliches Zeichen.

Nicht einmal der Duft des frischen Kaffees konnte Alexandra dazu bringen, das Foyer zu betreten. Sie beschloss, so schnell wie möglich zu gehen. Vielleicht wäre Nick schon weg, wenn sie wiederkäme – zurück in Griechenland, wohin er gehörte. Sie ließ den Knauf los und hoffte, niemand würde das Zuschlagen der Tür hören.

Doch in diesem Moment entdeckte Sofia sie. „Da bist du ja!“ Sie hatte sich das dunkle Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und trug, dem traurigen Anlass angemessen, einen schwarzen Seidenanzug. Bevor Alexandra etwas erwidern konnte, hatte Nick sich zu ihr umgedreht. Als er sie anblickte, erschauerte sie und konnte sich plötzlich nicht mehr von der Stelle rühren. Mit zusammengekniffenen Augen ließ er den Blick über sie gleiten, während es um seine Mundwinkel leicht zuckte.

„Du also“, stellte er fest.

Alexandra schluckte. Sie hatte Nick seit über acht Jahren nicht mehr gesehen und sich insgeheim oft ausgemalt, was sie bei einem Wiedersehen wohl zueinander sagen würden. Mit einer so kühlen, fast gleichgültigen Bemerkung hatte sie allerdings nicht gerechnet.

„Wen hast du denn erwartet?“ Sie riss sich zusammen und betrat das Foyer. „Kylie Minogue?“ Sofort bereute sie ihren harschen Tonfall.

Verwirrt blickte Sofia sie an. „Habe ich vielleicht irgendetwas nicht mitbekommen? Ich wollte dich meinem Cousin Nick Santos vorstellen, der gestern angekommen ist.“

Alexandra war die Kehle wie zugeschnürt. Nick blickte sie vorwurfsvoll an. Er hatte noch eine Rechnung mit ihr zu begleichen. Und offenbar brachte ihn das unerwartete Wiedersehen nicht im Geringsten durcheinander.

„Alexandra und ich sind uns schon einmal begegnet, stimmt’s?“

Plötzlich hatte sie Angst, der Laptop würde ihr aus der Hand rutschen. Schnell umfasste sie ihn mit beiden Händen und hielt ihn fest.

„Ja, ich glaube schon“, erwiderte sie schließlich. „Aber es ist schon sehr lange her.“

Wieder zuckte es um Nicks Mundwinkel. „Ist es so schwer, sich an mich zu erinnern?“

Nein, im Gegenteil, dachte Alexandra. Es ist unmöglich, dich zu vergessen. Unzählige Male hatte sie nachts wach gelegen, an die gemeinsame Zeit mit ihm auf Kreta gedacht und sich gewünscht, dass sich alles anders entwickelt hätte.

Auch Nick schien sie nicht vergessen zu haben. Doch offenbar erinnerte er sich an andere Dinge. Zum Beispiel daran, wie sie ihn hatte fallen lassen.

Sie atmete tief ein, doch bevor sie etwas erwidern konnte, sagte Sofia: „Jetzt aber mal raus mit der Sprache! Woher kennt ihr euch?“

Nick blickte Alexandra so durchdringend an, dass sich ihr der Magen zusammenzog.

„Willst du ihr keine Antwort geben? Oder hast du etwa auch Schwierigkeiten, dich daran zu erinnern?“

Da sie noch immer völlig durcheinander war, wandte sie sich Sofia zu. Denn solange sie Nick anblickte, würde sie keinen klaren Gedanken fassen können. Ganz ruhig, ermahnte sie sich. Überleg dir genau, was du sagst. Schließlich hatte Sofia den Tod ihres Vaters noch immer nicht verkraftet. Alexandra wollte sie nicht zusätzlich belasten.

„Wir haben uns auf Kreta kennen gelernt, vor …“ Sie schwieg einen Moment. Keiner musste erfahren, dass sie genau wusste, wie viele Jahre es her war. Sie atmete tief ein und fuhr dann fort: „… vor einigen Jahren. Nick nahm während der Semesterferien an Ausgrabungsarbeiten teil, und ich machte mit meiner Familie Urlaub auf der Insel. Wir sind uns beim Palast des sagenhaften Königs Minos begegnet.“

„Das ist ja toll“, erwiderte Sofia. Doch eigentlich wirkte sie ganz und gar nicht begeistert. „Wusstest du, dass er mit Aristos verwandt ist?“

„Nein, ich hatte keine Ahnung …“ Plötzlich wurde ihr kalt. Oh nein, dachte sie entsetzt. Nick war doch nicht etwa der Verwandte, der die Geschäftsleitung übernehmen sollte?

„Wie es aussieht, muss ich euch ja nicht mehr miteinander bekannt machen. Und die Zusammenarbeit wird so bestimmt auch unkomplizierter“, stellte Sofia fest.

Alexandra hatte das Gefühl, alles um sie herum würde sich drehen. Ihr war schwindelig geworden. Deshalb war sie unendlich erleichtert, als das Telefon in ihrem Büro klingelte. „Bitte entschuldigt mich, ich erwarte einen sehr wichtigen Anruf. Wir werden uns später weiter unterhalten.“ Sie eilte in ihr Arbeitszimmer, schloss die Tür hinter sich und stellte den Laptop ab. Während sie den Anruf entgegennahm, musste sie sich mit aller Macht zwingen, nicht die ganze Zeit an Nick zu denken.

Eine Stunde später saß Alexandra noch immer im Büro und blickte starr an die Wand. Natürlich konnte sie sich nicht ewig hier verstecken. Doch sie wollte so wenig wie möglich mit Nick Santos zu tun haben. Und bis sie wusste, wie sie sich verhalten sollte, würde sie sich nicht in seine Nähe wagen.

Es war ein merkwürdiges Gefühl, ihn nach so vielen Jahren wieder zu sehen. Damals hatten sie sich beide so erwachsen gefühlt. Im Alter von nur einundzwanzig Jahren war Nick ihr viel erfahrener und weltgewandter vorgekommen als sie sich selbst. Jetzt war ihr bewusst, wie jung sie gewesen waren. Denn bei dem Wiedersehen mit Nick war deutlich geworden, dass aus dem jungen Mann von damals ein reifer Erwachsener geworden war.

Statt des langen Ponys, den er sich immer mit einer leichten Kopfbewegung aus den Augen geschüttelt hatte, trug er das Haar jetzt kurz geschnitten und perfekt frisiert. Die schon damals markanten Gesichtszüge spiegelten noch mehr Selbstsicherheit, und seine Schultern wirkten breiter. Nick war von Kopf bis Fuß ein erfolgreicher Geschäftsmann. Er schien ein ganz anderer Mensch zu sein als der junge Student, den sie vor so langer Zeit kennen gelernt hatte.

Aber ich habe mich ja auch verändert, dachte Alexandra. Sie war reifer, erfahrener, klüger – und die Mutter seines Sohns!

Jason! Vor Schreck stieß sie einen leisen Schrei aus. Wie, um alles in der Welt, sollte sie verhindern, dass Nick von Jason erfuhr?

3. KAPITEL

Es klopfte. Alexandra blickte auf und sah Nick an der Tür stehen.

Sie schluckte. „Was willst du hier?“, fragte sie nicht gerade freundlich.

Nick zog die Augenbrauen hoch und betrat das Büro. „Begrüßt man so etwa einen alten Freund?“

„Das ist alles schon so lange her. Ich habe das Gefühl, du bist ein Fremder.“

Er neigte den Kopf zur Seite. „Was weißt du schon über Gefühle?“, fragte er kühl.

Alexandras Magen zog sich zusammen. Als Nick auf sie zukam, wurde sie von Panik ergriffen. Plötzlich wandte er sich um. „Einen Moment“, sagte er und ging zurück zur offen stehenden Tür. Sofia ging mit empörtem Gesichtsausdruck vorbei, bevor Nick die Tür schloss. Dann kam er wieder auf sie zu, blieb vor ihrem Schreibtisch stehen und sah sie von oben herab an.

Alexandra konnte seinen drohenden Blick förmlich spüren und fühlte sich überfordert. Vom Wiedersehen mit ihrer ersten Liebe, ihrem ersten Liebhaber, der mit Aristos verwandt war und nie wirklich Teil ihres Lebens geworden war. Auch das Geheimnis, das wie ein klaffender Abgrund zwischen ihnen lag, lastete schwer auf ihr. Sie lehnte sich zurück, um den Abstand wenigstens ein bisschen zu vergrößern.

„Alexandra …“

Sie schloss die Augen. Nick sprach ihren Namen mit seinem markanten griechischen Akzent aus, genau wie während jener lange zurückliegenden zwei Wochen auf Kreta. Sie hatte sich immer sehr sexy gefühlt, wenn er sie so angesprochen hatte.

Aber sie durfte nicht zulassen, dass er noch immer diese Empfindungen in ihr wachrief. Herzklopfen und Händchenhalten hatten in ihrem Leben keinen Platz mehr.

„Alexandra.“

Sie atmete tief ein, öffnete die Augen und versuchte, kühl und gelassen zu wirken.

„Ich nehme an, du möchtest dir die Geschäftsbücher ansehen und dir ein Bild machen – von der steuerlichen Situation und allem anderen.“

„Dafür wird später noch genug Zeit sein.“

„Gut“, sagte Alexandra schnell. „Ich bin im Moment nämlich sehr beschäftigt.“ Sie schob Papiere auf dem Schreibtisch zusammen. „Vielleicht kann ich dir die Geschäftsbücher später vorbeibringen? Bestimmt willst du die Angelegenheit hier so schnell wie möglich erledigen, damit du bald wieder nach Griechenland zurückkannst.“

Nick setzte sich auf die Kante des Schreibtischs und lehnte sich gefährlich weit zu ihr hinüber.

„Du scheinst wirklich sehr beschäftigt zu sein“, stellte er fest und wies mit dem Kinn auf ihren Laptop, wo nur der Bildschirmschoner zu sehen war. Alexandra errötete. Sie wollte auf eine Taste drücken, zog ihre Hand jedoch schnell zurück. Auf gar keinen Fall durfte Nick das Foto von ihrem strahlend lächelnden kleinen Sohn sehen, das sie als Bildschirmhintergrund gespeichert hatte!

Sie atmete tief ein und beschloss, das Gespräch auf unverfängliche Themen zu lenken. „Ich dachte …“

Doch kaum hatte sie den Satz begonnen, beugte Nick sich noch weiter vor und nahm einen Stift in die Hand, der rechts von ihr lag. Eingehüllt von Nicks Duft, vergaß sie völlig, was sie hatte sagen wollen.

Er tippte sich mit dem Stift leicht gegen die Finger. „Es freut mich zu hören, dass die Firma Mitarbeiterinnen hat, die denken können.“ Abschätzend ließ er den Blick über die honigfarben gestrichenen Wände, die Bücherregale und die Aktenschränke gleiten. „Aber was genau machst du eigentlich in diesem großzügigen Büro?“

Auf seine spöttische Bemerkung hin straffte Alexandra sich und hob das Kinn. „Über die einzelnen Mitarbeiter und ihre Aufgabenbereiche hast du doch sicher schon mit Sofia gesprochen.“

Noch immer spielte er mit dem Stift herum. „Trotzdem möchte ich es gern von dir hören.“

Schon seine bloße Gegenwart war einschüchternd. Sie blickte ihn an und fragte sich, worauf er hinauswollte. Sicher hatte er genaue Vorstellungen für die Zukunft des Unternehmens. Und welchen Platz würde sie wohl in seinen Plänen einnehmen?

Sie war auf die Arbeitsstelle angewiesen, denn sie musste die Raten für das Haus abbezahlen, das sie nach langer Suche für sich und Jason gefunden hatte. Aristos war nicht gerade der umgänglichste Chef gewesen, aber alle Schwierigkeiten hatte die Chance aufgewogen, endlich ihr winziges Apartment verlassen und in ein kleines Haus mit Garten ziehen zu können. Doch jetzt war Nick ihr neuer Chef.

„Also gut. Ich bin die Leiterin der Finanzabteilung des Xenophon Properties – Konzerns. Seit fast zwei Jahren arbeite ich für das Unternehmen, hatte aber nicht die ganze Zeit dieselbe Stelle inne.“

„Das hat Sofia mir auch erzählt. Du hast als Rezeptionistin angefangen, stimmt’s?“

Er hörte auf, sich mit dem Stift gegen die Finger zu tippen. Doch bevor Alexandra etwas erwidern konnte, fing er wieder damit an. Sie runzelte die Stirn. Wenn Nick vorhatte, sie nervös zu machen, war er auf dem besten Weg dahin.

„Vor dir gab es zwei andere Finanzbuchhalterinnen, die beide die Firma verließen.“ Er blickte sie fragend an. „Ich nehme an, sie haben ihre Arbeit nicht gut gemacht?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das kann man wirklich nicht sagen. Dein Onkel war ein etwas schwieriger Mensch und hat als Chef viel gefordert.“

„Wer praktisch aus dem Nichts ein millionenschweres Unternehmen aufgebaut hat, darf auch von seinen Angestellten einiges erwarten.“

„Ich stimme dir zu. Die beiden Finanzbuchhalterinnen haben seine Anforderungen aber sicher mehr als erfüllt. Aristos war wirklich schwierig. Wann immer er im Büro auftauchte, schrie er jemanden an. Beide Frauen waren ausgezeichnete Arbeitskräfte. Doch offenbar traute er ihnen nicht zu, dass sie sich gut genug um sein Unternehmen kümmerten. Irgendwann wollten sie sich sein aufbrausendes Verhalten nicht mehr gefallen lassen und kündigten. Die zweite Buchhalterin war nur ein Vierteljahr hier. Nach ihrer unerwarteten Kündigung brauchten wir schnell Ersatz. Und als Sofia anbot, die Arbeit am Empfang zu machen, wenn ich die Buchhaltung übernehmen würde, habe ich zugesagt. Ich hatte meine beiden Vorgängerinnen bei der Arbeit unterstützt, so dass es mir nicht allzu schwer fiel.“

„Aristos hat also keine neue Buchhalterin eingestellt? Warum überließ er diese verantwortungsvolle Aufgabe einer ehemaligen Rezeptionistin?“

„Vielleicht weil ich meine Arbeit gut mache“, erwiderte Alexandra kühl.

Nick schien nicht überzeugt zu sein.

„Falls es dich tröstet: Auch Aristos war überrascht von meinen Fähigkeiten“, sagte sie. „Er wollte eigentlich per Anzeige eine neue Finanzbuchhalterin suchen. Bei der Arbeitsvermittlung sagte man ihm dann, es würde problematisch sein, die Stelle zu besetzen. Offenbar hatte sich schon herumgesprochen, wie schwierig er war. Ich studiere nebenbei an der Abendschule Betriebswirtschaft und komme auch mit der Buchhaltung gut zurecht. Aristos war schließlich froh darüber, dass er keine neue Mitarbeiterin finden musste.“ Und kein entsprechendes Gehalt bezahlen, fügte Alexandra in Gedanken hinzu. Denn obwohl ihr Einkommen deutlich höher lag als das einer Rezeptionistin, verdiente sie noch immer erheblich weniger, als einer Buchhalterin zustand.

„Seltsam. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die junge Alexandra damals davon träumte, irgendwann einmal als Erbsenzählerin zu arbeiten.“

Sie zuckte zusammen. Beim Sprechen über ihre Arbeit hatte sie sich ein wenig entspannt, aber Nick hatte sie schlagartig in die Vergangenheit zurückversetzt. Und genau daran hatte sie um keinen Preis denken wollen.

„Merkwürdigerweise sehe ich mich selbst nicht als ‚Erbsenzählerin‘“, entgegnete sie forsch und ignorierte seinen finsteren Blick. „Außerdem wusste ich damals noch gar nicht, was ich eigentlich wollte.“

Und sie hatte auch nicht ahnen können, dass sie einen kleinen Sohn bekommen und ihre Ausbildung erst viele Jahre später würde abschließen können. Es war nicht einfach, den ganzen Tag zu arbeiten, sich abends dem Studium zu widmen und trotzdem noch Zeit für ihren Sohn zu haben. Auch das Abbezahlen der Raten für den kleinen Zwei-Zimmer-Bungalow in einem Vorort von Sydney fiel ihr nicht leicht.

Nick tippte mit dem Stift auf ihren Schreibtisch und riss sie damit aus ihren Gedanken. „Und dich hat Aristos nicht angeschrien?“

Alexandra war erleichtert, dass er wieder über die Gegenwart sprach. „Doch, natürlich. Das hat er bei allen getan, sogar bei Sofia. Aber er war ein ausgezeichneter Immobilienanleger. Ich habe unglaublich viel von ihm gelernt.“

Das stimmte. Die Zusammenarbeit mit ihrem Chef war manchmal nur schwer zu ertragen gewesen, aber sie hatte die Erfahrung und das Geld wesentlich dringender gebraucht als ihre Vorgängerinnen. Noch ein paar Jahre, und sie hätte ihr Diplom und könnte sich nach einer besser bezahlten Stelle umsehen. Ich muss Aristos zugute halten, dass er mir eine Chance gegeben hat, dachte sie. Dafür war sie ihm dankbar.

Aber jetzt war er tot, und sein Neffe saß auf ihrer Schreibtischkante. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie ihm noch nicht ihr Beileid ausgesprochen hatte.

„Vom Tod deines Onkels zu erfahren muss ein ziemlicher Schock für dich gewesen sein. Ich … es tut mir sehr leid …“

Mit undurchdringlicher Miene sah Nick sie an. Dann knallte er den Stift auf den Tisch, stand auf und ging im Zimmer umher.

„Ja, natürlich war es ein Schock, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was Sofia erleiden muss. Vor zehn Jahren starb ihre Mutter an Krebs, und jetzt hat sie so unerwartet auch noch ihren Vater verloren …“ Er seufzte und wirkte einen Moment sehr gedankenverloren. Alexandra hatte den Eindruck, dass mehr als nur Mitgefühl hinter seinen Worten steckte.

Plötzlich wandte er sich zu ihr um. „Meine Mutter Helena war Aristos’ Stiefschwester. Sie ist vor sechs Jahren gestorben. Mein Vater und Aristos waren wie Brüder, als sie noch lebten. Allerdings standen mein Onkel und ich uns nie sehr nah.“

Alexandra schluckte. Sie war Nicks Eltern nie begegnet, hatte aber genug über seinen Vater gehört, um Angst vor ihm zu haben. Es überraschte sie nicht, dass er sich mit Aristos so gut verstanden hatte.

Doch Nicks Eltern waren Jasons Großeltern gewesen. Und jetzt würde dieser niemals die Gelegenheit haben, sie kennen zu lernen. Plötzlich fühlte sie sich schuldig. Würde sie irgendwann nicht mehr für die Entscheidung büßen müssen, die sie vor so langer Zeit getroffen hatte und die ihr trotz allem noch immer richtig erschien?

„Deine Eltern … ich wusste nicht …“ Sie unterbrach sich und schüttelte den Kopf. „Wie ist dein Vater gestorben?“

„Woher solltest du es auch wissen?“, entgegnete er ungeduldig, als hätte sie kein Recht darauf. Etwas sanfter fügte er hinzu: „Er ist vor etwa zwei Jahren mit dem Auto von einer Brücke gestürzt und ertrunken.“

„Wie schrecklich“, sagte Alexandra leise. Als sie und Nick sich vor weniger als neun Jahren auf Kreta begegnet waren, hatten sein Vater und seine Mutter noch gelebt. Und jetzt waren sie tot. Wie lange würde sie ihre Eltern wohl noch haben?

In einigen Monaten wollten die beiden von Perth zu ihr kommen. Alexandra beschloss, sie gleich nach der Arbeit anzurufen. Die Vorstellung, ihre Eltern eines Tages zu verlieren, war ihr unerträglich.

Wieder einmal war sie sehr dankbar dafür, dass ihre Schwester Tilly ebenfalls in Sydney wohnte. Sie hatte sich als Hochzeitsplanerin selbstständig gemacht und war sehr erfolgreich. Zumindest wohnt ein Teil meiner Familie in der Nähe, dachte Alexandra. Auch wenn der tägliche Überlebenskampf hart war, hatte sie zumindest jemanden, der ihr in schweren Zeiten zur Seite stand. Doch Sofia hatte niemanden mehr – und Nick offenbar auch nicht.

„Es tut mir wirklich leid. Ich wusste nichts davon“, sagte sie leise.

Er stützte sich auf die Lehne des Stuhls, der ihr gegenüber stand. „In gewisser Hinsicht war es eine Erlösung für meinen Vater. Mir kam es so vor, als wäre er schon Jahre zuvor gestorben – bei Stavros’ Tod.“ Auf seinem Gesicht spiegelte sich der Schmerz über diesen furchtbaren Verlust. Ihre Blicke trafen sich. Er weiß es noch genau, dachte Alexandra.

Damals hatten sie zum letzten Mal miteinander gesprochen. Sie hatte Nick angerufen, aufgeregt und glücklich. Nachdem sie ihm monatelang verschwiegen hatte, dass sie ein Kind von ihm erwartete, hatte sie sich am Tag der Geburt schließlich entschieden, es ihm doch zu sagen – trotz aller anderen Gründe, die dagegen sprachen. Es war sein gutes Recht, von seinem Sohn zu erfahren.

Doch als sie bei ihm zu Hause anrief, erfuhr sie, dass die Familie um den ältesten Sohn trauerte. Und sie konnte Nick doch nicht ihr Beileid aussprechen und ihm im selben Atemzug eröffnen, dass er gerade Vater geworden war! Er und seine Verwandten mussten mit einem schweren Verlust fertig werden und waren sicher nicht bereit, neue Familienmitglieder willkommen zu heißen, von denen die meisten bisher gar nichts geahnt hatten.

Alexandra war klar, dass man ihr entweder nicht glauben oder von den Neuigkeiten nicht gerade begeistert sein würde. Also hatte sie aufgelegt – im Bewusstsein, nie wieder mit Nick zu sprechen. Denn nach Stavros’ Tod wäre er der einzige Erbe. Es würde keine Zukunft mehr für sie und ihn geben.

Sie verdrängte die Erinnerung und rieb sich fröstelnd die Arme. Ich muss das Thermostat überprüfen, dachte sie, aber nicht, solange Nick sich in meinem Büro aufhält. Denn auf keinen Fall wollte sie ihm zu nahe kommen.

Seine Augen funkelten, als er sich straffte. „Irgendetwas hat dich abgeschreckt“, mutmaßte er. „Hast du deswegen nie zurückgerufen?“

Darüber wollte sie nicht sprechen, obwohl sie nach wie vor der Meinung war, das Richtige getan zu haben. Es wäre zu kompliziert, ihr Handeln zu erklären.

„Nick, das liegt alles schon so weit zurück. Wir sollten die Vergangenheit ruhen lassen.“

„Nein. Ich finde, du schuldest mir zumindest eine Antwort.“

Sie merkte, wie ihre Anspannung zunahm. Die Beziehung mit Nick war seit fast neun Jahren beendet. Und jetzt saß er plötzlich vor ihr und verlangte eine Erklärung.

Autor

Trish Morey
Im Alter von elf Jahren schrieb Trish ihre erste Story für einen Kinderbuch- Wettbewerb, in der sie die Geschichte eines Waisenmädchens erzählt, das auf einer Insel lebt. Dass ihr Roman nicht angenommen wurde, war ein schwerer Schlag für die junge Trish. Doch ihr Traum von einer Karriere als Schriftstellerin blieb....
Mehr erfahren