Wenn dich ein Traumprinz küsst

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Vor sieben Jahren schenkte Marco ihr einen Sommer voller Sinnlichkeit. Aber erst jetzt erfährt Becca, dass er ein Prinz ist! Als er verletzt in ihre Klinik kommt, bebt die Therapeutin vor Wut - und vor Verlangen. Doch führt noch ein Weg zurück in seine Arme?


  • Erscheinungstag 30.12.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783751504980
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

HUNTER CLINIC

DAS TEAM:

 

Dr. Leo Hunter

Schönheitschirurg & Chef der Hunter Clinic

Dr. Ethan Hunter

Chirurg, Leos Bruder

Lizzie Hunter

Pflegedienstleiterin

Dr. Iain MacKenzie

Chirurg

Dr. Declan Underwood

Chirurg

Becca Anderson

Physiotherapeutin

Lexi MacKenzie

Leiterin der PR-Abteilung

Helen

Rezeptionistin

 

 

PATIENTEN:

 

Prinz Marco von Sirmontane

 

Mrs van der Zee

 

   

UND:

 

Pedro

Marcos Stellvertreter

Dr. Herrera

Militärarzt

Comandante Molina

Marcos Vorgesetzter

Prinz Ferdinand von Sirmontane

Marcos Bruder

Marianna

Ferdinands Verlobte

Arabella (Bella)

Marcos und Ferdinands Schwester

Luiz

ihr Mann

Rafa

Marcos Fahrer

Maria

Marcos Haushälterin

Miguel

Marcos Koch

Rupert, Henry

Nachtklubbesitzer

Seraphina, Talia

Ruperts Schwestern

Anastasia

Marcos Bekannte

Barney

Bekannter von Beccas Mutter

Elena

Marcos Mutter

Alfonso

sein Vater

PROLOG

Jetzt waren auch die letzten Männer in Sicherheit.

Oder? Marco wurde das dumpfe Gefühl nicht los, dass die Rettungsaktion zu leicht verlaufen war. Die Rebellen gaben sonst nicht so schnell auf. Wir sollten auf der Hut sein, dachte er, während er den Jeep zur Militärbasis zurückfuhr.

„Pedro, behalten Sie die Strecke im Auge“, sagte er zu seinem Stellvertreter. „Melden Sie mir sofort, was immer Ihnen verdächtig erscheint.“

„Ja, Sir. Erwarten Sie einen Hinterhalt?“

„Wir müssen damit rechnen.“

„Sie haben recht, das ging zu einfach. Viell…“ Ein lauter Knall unterbrach ihn mitten im Wort.

Marco wollte mit voller Wucht auf die Bremse treten, doch da erfasste die Detonationswelle schon den Wagen, die Windschutzscheibe zerbarst. Noch während Marco instinktiv die Hand hochriss, um seine Augen zu schützen, spürte er, wie sich die Glassplitter in seine Haut bohrten.

Kümmern konnte er sich darum nicht. Der Jeep war ins Schleudern geraten, und Marco musste versuchen, ihn unter Kontrolle zu bekommen. Alles verlief wie in Zeitlupe, Adrenalin schärfte Marcos Sinne, jeder Eindruck wirkte vergrößert, intensiver. Das Geräusch von splitterndem Glas, das Knirschen von Metall, der Geruch von Feuer und Rauch.

Endlich kamen sie zum Halten. Auf dem Dach.

Großartig!

Im Jeep gaben sie ein hervorragendes Ziel ab. Wir müssen hier raus. Ein Geschoss in den Treibstofftank, und das Ding explodiert …

Allerdings wusste Marco, dass den Aufständischen tote Soldaten nicht so viel nutzten wie lebende Gefangene. Vor allem, wenn einer von ihnen ein Prinz war – zwar nur Zweiter in der Thronfolge eines kleinen europäischen Fürstentums, aber Sirmontane war nicht völlig unbedeutend in der Welt des Hochadels.

Sie hatten gewusst, dass Marco seine Männer nicht im Stich lassen würde. Als er ihnen zu Hilfe eilte, brachte er sie alle in Gefahr. Idiot! Er war blauäugig in eine Falle getappt.

Der erste Jeep hatte keine Chance gehabt. Er war direkt auf die Mine gefahren und hatte die Explosion ausgelöst.

„Pedro?“

Ein Stöhnen war die Antwort.

„Wir müssen in Deckung gehen. Sofort!“, drängte Marco. „Warten Sie, ich hole Sie raus.“ Mit erhobener Stimme rief er nach hinten: „Bereit machen für Evakuierung und Deckung suchen!“

Seine Hand schmerzte, fühlte sich an wie mit tausend Nadeln gespickt. Doch das war jetzt nebensächlich. Zuerst musste er seine Leute in Sicherheit bringen. Die, die noch übrig waren.

Es kostete ihn viel Kraft, mit der Schulter die Tür aufzustemmen, aber schließlich hatte er es geschafft. Marco kroch um den Jeep herum zur Beifahrertür und wollte Pedro heraushelfen, als er merkte, dass etwas nicht stimmte. Er konnte die Finger der linken Hand nicht krümmen.

Was bedeutete, dass sie nutzlos war. Damit konnte er eine Waffe nicht einmal halten, geschweige denn, sie abfeuern.

Blut tropfte aus der Wunde und hinterließ im Sand eine deutliche Spur. Fluchend riss Marcos ein Stück Stoff von seinem Hemd ab und wickelte es um die Hand. Mit der anderen zog er die Tür auf.

Pedro stöhnte immer noch, aber Marco holte ihn aus dem Jeep heraus und half auch den anderen Männern. Sobald sie sich im Gebüsch nahe der Straße versteckt hatten, robbte er vorwärts, um die Lage zu checken. Vielleicht war die Explosion von den Überwachungsgeräten des Basiscamps aufgezeichnet worden. Hoffentlich schickte man ihnen Hilfe, bevor es zu spät war.

Er sah die Rebellen am Jeep auftauchen. Wenn nicht bald etwas passierte, würden sie die Gegend absuchen und ihn und seine Männer finden.

Sie hatten Glück. Reifen quietschten, Maschinengewehrfeuer ertönte. Die Aufständischen zogen sich zurück.

„Danke!“, flüsterte er.

Als Rufe ertönten, wusste er, dass er ohne Risiko auf sich aufmerksam machen konnte. Er brüllte zurück. Hilfe war unterwegs.

Die Schmerzen in seiner Hand wurden unerträglich. Marco verlor das Bewusstsein.

1. KAPITEL

Eine ungewohnte Umgebung erwartete Marco, als er wieder erwachte. Er versuchte, sich aufzurichten, doch eine Hand hielt ihn zurück.

„Bleiben Sie liegen, Capitán.“

„Wo bin ich?“

„Im Krankenhaus.“

Marco kannte den Mediziner. „Dr. Herrera, wie geht es meinen Männern?“

„Wir müssen über Sie sprechen.“

„Nein, über meine Leute. Hat jemand aus dem ersten Jeep überlebt?“

„Leider nein, aber aus Ihrem Wagen sind alle noch am Leben. Einige durch den Aufprall verletzt, aber nichts Ernstes.“

„Okay. Ich muss …“

Weiter kam er nicht, der Arzt unterbrach ihn energisch. „Sie müssen mir jetzt zuhören. Es sei denn, Sie wollen Ihre Hand verlieren.“

„Sagen Sie mir, was los ist.“

„Beugesehnenverletzung.“

Als Marco ihn verständnislos anblickte, erklärte Dr. Herrera: „Die Beugesehnen verbinden Ihre Unterarmmuskeln mit Daumen- und Fingerknochen. Sie sorgen dafür, dass Sie Ihre Finger krümmen und wieder strecken können.“

Er erinnerte sich an den Moment im Jeep, als das unmöglich gewesen war. Marco versuchte, die Hand zur Faust zu schließen. Zeige- und Mittelfinger bewegten sich nicht, und die Hand tat höllisch weh.

„Sehen Sie? Ich vermute, die Windschutzscheibe ist gesplittert, und Sie haben die Hand hochgerissen, um Ihre Augen zu schützen?“

„Ja.“

„Anscheinend haben Glassplitter eine Sehne, vielleicht auch mehrere, durchtrennt. Da sie nicht von selbst heilen, müssen wir etwas unternehmen.“

„Eine Operation?“

„Mikrochirurgie, und zwar innerhalb der ersten zwölf, allerhöchstens vierundzwanzig Stunden. Je länger Sie warten, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass an den Enden der beschädigten Sehnen Narbenbildung einsetzt.“

„Und das bedeutet?“

„Unterm Strich? Verminderte Beweglichkeit Ihrer Hand.“

Das genügte, um Marco zu überzeugen. „Okay. Tun Sie, was Sie tun müssen.“

Dr. Herrera schüttelte den Kopf. „Ich kann Sie nicht operieren. Außer dem Mikrochirurgen muss sich ein speziell ausgebildeter plastischer Chirurg Ihrer Hand annehmen, sobald die Sehnen genäht sind und die Wunde verheilt ist. Unser Zeitfenster liegt bei vierundzwanzig Stunden ab dem Zeitpunkt der Verletzung. Sagen wir, zwei Stunden hat es gedauert, Sie vom Explosionsort hierherzubringen. Sieben Stunden brauchen Sie mit dem Flugzeug nach London, eine für die Fahrt vom Flughafen zum Krankenhaus …“ Er verzog das Gesicht. „Ich muss Sie sofort in einen Flieger verfrachten.“

Marcos Chef Comandante Molina kam ins Zimmer und schien den letzten Satz gehört zu haben. „Du kennst die Regeln, Marco. Ärztliche Order steht höher als militärische. Ab ins Flugzeug mit dir.“

„Was ist mit meinen Leuten?“

„Um die Verwundeten kümmere ich mich, die sind hinterher so gut wie neu“, meldete sich Dr. Herrera zu Wort.

„Und ich spreche mit den Angehörigen“, fügte Comandante Molina hinzu.

„Ihr wollt ernsthaft, dass ich mich nach London absetze?“ Marco gefiel das gar nicht.

„Ja, und zwar in die Hunter Clinic. Zu Leo und Ethan Hunter. Die beiden haben einen exzellenten Ruf, was die Behandlung verletzter Soldaten angeht. Einer von ihnen war Militärarzt“, erklärte der Comandante.

Die Hunter Clinic. Marco hatte davon gehört. Marianna, die Verlobte seines älteren Bruders Ferdinand, war Anfang des Jahres wegen einer Lidstraffung dort gewesen. „Ich dachte, die machen nur Schönheitsoperationen.“

„Nein, Sie haben auch Spezialisten für rekonstruktive Chirurgie.“ Molina verschränkte die Arme vor der Brust. „Mikrochirurgie, Handchirurgie – genau, was du brauchst.“

Ihm schien keine Wahl zu bleiben. Trotzdem gab er noch nicht auf. „Warum kann ich nicht hier operiert werden? Für die Moral der Truppe ist es bestimmt besser. Ich möchte nicht, dass jemand denkt, ich bekomme wegen meiner Herkunft eine Sonderbehandlung.“

„Darum geht es nicht. Aber wir können nicht garantieren, dass die Medien sich nicht in die Sache reinhängen“, meinte der Comandante. „Und ich gebe zu, dass deine Mutter bereits interveniert hat.“

Seine Mutter machte sich ständig Sorgen um ihn. Sie sähe ihn lieber heute als morgen aus dem aktiven Dienst verabschiedet. Wie oft hatten sie hitzige Diskussionen darüber geführt? Diese Verletzung war nur Wasser auf ihre Mühlen. Dass er sich in London behandeln ließ, würde vielleicht etwas Dampf aus dem Kessel nehmen.

„Sie will, dass ich von hier verschwinde, oder?“

Statt einer Antwort warf Comandante Molina ihm nur einen mitfühlenden Blick zu.

„Okay.“ Marco fügte sich resigniert. „Ich fliege nach London. Aber ich komme so schnell wie möglich zurück.“

„Marco, deine Loyalität steht außer Frage“, sagte Molina leise. „Und deine Männer wissen genau, dass du dich nicht für etwas Besseres hältst. Wäre Pedro hier an deiner Stelle, würdest du nicht auch darauf dringen, dass er die beste ärztliche Behandlung bekommt?“

„Stimmt.“

„Also hör auf Herrera und tu, was er dir sagt.“

Marco schwieg.

„Während Sie bewusstlos waren, habe ich Ihre Hand mit Kochsalzlösung gespült, um Schmutzpartikel zu lösen und eine Infektion zu verhindern. Ich werde Ihnen gleich noch eine Tetanusspritze geben. Über eine Antibiotikagabe kann man streiten, doch da Sie stundenlang unterwegs sein werden, halte ich es für besser, Ihnen hier noch welche zu verabreichen.“

„Tun Sie, was nötig ist.“

„Danke.“ Dr. Herrera lächelte. „Mit dem Londoner Chirurgen habe ich bereits gesprochen. In Anbetracht des Zustands Ihrer Handfläche soll ich nicht nähen, sondern nur einen Verband auflegen.“ Während er zur Tat schritt, erklärte er Marco die verschiedenen Lagen und wozu sie dienten. Zum Schluss legte er ihm einen Stützverband an, um die Wunde vor weiteren Verletzungen zu schützen.

„Am Flughafen wartet ein Hubschrauber, der dich zur Klinik bringt“, sagte Comandante Molina. „Wir bleiben in Kontakt.“

Damit verließ er den Raum.

„Alles klar“, meinte Marco trocken. Seine Mutter würde nun erst recht darauf dringen, dass er seine Militärlaufbahn beendete. Das konnte darauf hinauslaufen, dass sein Vater bei Comandante Molina auf einer ehrenwerten Entlassung aus dem Dienst bestand. Etwas, das Marco nur unter einer einzigen Voraussetzung akzeptieren würde.

„Kann ich meine Hand hinterher uneingeschränkt benutzen?“, wandte er sich an Dr. Herrera. Der Arzt verstand sicher, wie die Frage gemeint war. Marco brauchte im Einsatz an der Seite seiner Leute eine voll funktionsfähige Hand. Jede Schwäche konnte die Männer, für die er verantwortlich war, gefährden.

„Ich will nichts beschönigen. Es kann sein, dass sie nicht mehr so beweglich ist wie vorher und dass Ihr Griff an Kraft einbüßt.“

Marco hatte immer gewusst, dass er der Armee eines Tages den Rücken kehren musste, um mehr fürstliche Pflichten wahrzunehmen. Eine Welt, die nicht seine war. Leider drohte dieser Tag schneller näher zu rücken, als er gedacht hatte.

Und ob er jemals wieder auf seiner geliebten klassischen Gitarre spielen konnte, wenn seine Greifhand zu schwach war, das stand auch in den Sternen.

Trübe Aussichten.

Acht Stunden später saß Marco in einem Wartezimmer an der Harley Street. Erlesener Luxus, wohin er auch blickte. Glänzende Marmorfußböden, weiße Ledersofas, Kronleuchter und mildes Licht bestimmten das Interieur der Schönheitsklinik.

Was ihn nicht sonderlich beeindruckte. Der Laden hätte eine Wellblechhütte sein können, Marco wollte nur eins: dass jemand ihm seine Hand wieder in Ordnung brachte. Dass er sein normales Leben zurückbekam.

Und zwar eher gestern als heute.

Leider war der zuständige Chirurg zu einem Notfall gerufen worden. Natürlich hatte Marco dafür Verständnis. Schließlich war er in dieser Klinik nicht der einzige Patient und sicher auch nicht aus der reichsten oder berühmtesten Familie. Er hatte kurz im Internet recherchiert und begriffen, an was für einem exklusiven Ort er sich aufhielt.

Aber ihm lief die Zeit davon. Je länger er warten musste, umso geringer wurde die Chance, dass seine Hand die volle Beweglichkeit zurückerlangte.

Marco war nicht bereit, das hinzunehmen.

„Ethan, du bist Leos Bruder“, sagte Declan. „In seiner Abwesenheit solltest du die Hunter Clinic leiten.“

„Du bist sein Stellvertreter.“

„Aber du trägst den Namen Hunter.“

Ja, der Klotz an meinem Bein. „Declan, ich habe kein Problem damit, dass du hier das Sagen hast, solange Leo nicht da ist.“

Ethan merkte wohl, dass Declan ihn prüfend musterte. Wahrscheinlich fragte er sich, ob die Brüder sich wieder einmal gestritten hatten und Ethan auf seine Weise darauf reagierte. Doch der irische Arzt würde nie direkt fragen. Er war ein charmanter Kerl, hielt jedoch die Leute auf Armlänge und sich selbst aus den Angelegenheiten anderer tunlichst heraus.

„Und als Aushängeschild der Klinik machst du dich einfach besser“, fügte Ethan hinzu.

„Nicht dein Ding, was?“ Declan lächelte, wurde aber schnell wieder ernst. „Ethan, bist du sicher, dass ich die Leitung übernehmen soll?“

„Für die Hunter Clinic ist es das Beste. Und letztendlich zählt nur die Klinik, oder?“

Declan nickte. „Okay, danke. Ich mach’s gern.“

„Gut.“ Ein Problem gelöst. Vorerst wenigstens. „Ich muss zu einem Patienten.“

„Bis später.“

Marco war drauf und dran, sich jemanden zu suchen und sehr höflich, aber bestimmt zu fragen, wie lange sie ihn zum Teufel hier noch warten lassen wollten!

Da kam ein Mann ins Zimmer. Besser gesagt, er humpelte.

Er war so groß wie Marco, also knapp ein Meter neunzig, hatte kurzes dunkelbraunes Haar und braune Augen. Schwarze Bartstoppeln bedeckten sein kantiges Kinn und verliehen ihm ein düsteres Aussehen, das – Marcos Meinung nach – Frauen alles andere als sexy fanden. Wenn das der Arzt war und der so wenig Wert auf sein Äußeres legte, bedeutete das dann, dass er auch in seinem Job nachlässig war? Oder hatte Marco den Pförtner vor sich?

„Ethan Hunter.“ Eine tiefe Stimme, die angenehm klingen könnte, wenn der Mann seinen Namen nicht buchstäblich geknurrt hätte.

Also einer der Hunter-Brüder. Chirurg. Auch der, der ihn operieren sollte?

Ethan Hunter machte keine Anstalten, Marco die Hand zu schütteln. „Tut mir leid, dass Sie warten mussten.“

Allerdings hatte Marco den Eindruck, dass es ihm überhaupt nicht leidtat.

„Bedauerlicherweise müssen Sie mit mir vorliebnehmen. Sonst kümmert sich mein Bruder um unsere Royals, Stars und Sternchen, aber er ist auf Hochzeitsreise.“

Aha, daher wehte der Wind. Ethan Hunter hatte für Reiche und Berühmte nicht viel übrig und automatisch angenommen, dass Marco als der jüngere Prinz von Sirmontane ein überprivilegierter, gedankenloser und selbstsüchtiger Lackaffe war. Marco hatte zu starke Schmerzen, um sich erst lange darüber auseinanderzusetzen. Hunter wollte Starallüren? Konnte er haben!

„Wie haben Sie das gemacht?“, fragte Ethan.

„Na, wie wohl? Im Skiurlaub, habe mit meinen Jetset-Freunden gebechert und war so betrunken, dass ich über meine eigenen Füße gefallen bin und mir die Beugesehnen durchtrennt habe.“

Ethan verzog keine Miene. „Wie wäre es mit der Wahrheit?“

Vielleicht sollte er vernünftig sein. Hunter musste wissen, wie es zu der Verletzung gekommen war, um ihn richtig behandeln zu können. Dr. Herrera hatte zwar sicher einen ausführlichen Bericht geschrieben, aber Marco stellte immer Fragen, wenn man ihm Meldung machte. Damit er auch nichts übersah. Möglicherweise war Ethan Hunter aus demselben Holz geschnitzt.

„Ich saß in einem Wagenkonvoi. Der Jeep vor mir fuhr über eine Mine. Meine Windschutzscheibe zerbarst, und ich hielt mir die Hand vors Gesicht, um meine Augen zu schützen.“

„Eine Bombe.“ Ethan wirkte für Sekunden wie erstarrt. „Verstehe.“

Interessant, dachte Marco. Hatte er den Hunter-Bruder vor sich, der Militärarzt gewesen war? „Afghanistan“, sagte er knapp.

„Sie waren Soldat?“

„Ich bin Soldat“, stellte Marco klar. „Und ich würde hundert Mal lieber dort meinen Job machen, als hier nutzlos herumzusitzen. Helfen, mit meinen Männern zusammen die Welt sicherer zu machen. Aber …“ Er atmete hörbar aus. „Das rechtfertigt nicht mein Verhalten Ihnen gegenüber.“ Haltung bewahren, dazu war er als Prinz erzogen worden, und das hatte er auch in der Armee gelernt. Eine doppelte Schande, dass er sich hatte gehen lassen. „Ich entschuldige mich.“

„Ich auch“, antwortete Ethan zu Marcos Überraschung. „Nur weil Sie reich und adlig sind, müssen Sie kein …“

„Verwöhntes Jüngelchen sein?“ Marco wusste genau, was er meinte. Solche Leute waren auch ihm zuwider. Er hatte sie oft genug erlebt, wenn sie seinen Bruder umschwirrten wie Schmeißfliegen einen fetten Braten.

Ethan schien sich zu entspannen. „Ja, genau das.“

„Waren Sie auch in Afghanistan?“

„Das ist unwichtig.“

„Wann wurden Sie verwundet?“

„Wie kommen Sie darauf, dass ich verwundet wurde?“

Marco deutete mit dem Kopf auf seinen Arm und dann auf Ethans Bein. „Verschiedene Gliedmaßen, aber der Schmerz ist der gleiche.“

Die beiden Männer sahen sich an. Marco las in den dunklen Augen des Arztes, dass er verstanden hatte. Beide kannten die gleiche Frustration – wenn man hier festsaß und nicht helfen konnte, wo Hilfe gebraucht wurde.

„Was haben die Kollegen vor Ort gemacht?“, fragte Ethan.

„Die Hand wurde gespült und verbunden. Ich nehme an, Sie waren es, der davon abgeraten hat, die Handfläche zu nähen?“

„Ja. Spüren Sie noch Fremdkörper darin?“

„Ich bin mir nicht sicher“, musste Marco zugeben. „Die Schmerzen sind überall.“

„Haben Sie nur Glas abbekommen oder mehr, von dem ich wissen muss?“

„Hauptsächlich Glassplitter und vielleicht ein bisschen Schmutz. Herrera hat die Hand gesäubert.“

„Glas ist auf Röntgenbildern nicht gut zu erkennen. Bevor ich operiere, brauche ich ein CT, um sicherzugehen, dass auch der kleinste Glaspartikel raus ist.“

Bis das Computertomogramm erstellt war, schien eine Ewigkeit zu vergehen. Schließlich war Ethan Hunter zufrieden.

„Sauber. Das ist gut. Ich sage Ihnen, was auf Sie zukommt: Ich werde die Sehnen nähen und Ihre Hand mit einer Schiene ruhigstellen. Die Handfläche überlassen wir einem plastischen Chirurgen – später, wenn die Wunde abgeheilt ist. Und drittens brauchen Sie Krankengymnastik, um Ihre Hand wieder funktionsfähig zu machen.“

„Wie lange muss ich in der Klinik bleiben?“

Ethan überlegte. „In Anbetracht der Umstände und des langen Fluges behalte ich Sie für vierundzwanzig Stunden hier unter Beobachtung. Theoretisch können Sie danach nach Hause. In Anbetracht Ihrer Position und der Tatsache, dass die Medien Ihnen jedes Mal auf den Fersen sein werden, wenn Sie zur Behandlung hierherkommen, sollten wir uns allerdings etwas anderes überlegen.“ Er schien nicht begeistert. „Wir können gut darauf verzichten, dass vor unserer Tür Reporter campieren.“

Marco auch. „Die Presse soll nicht erfahren, dass ich in England bin. Wenn die Geschichte publik wird, kann ich unter Umständen nicht wieder zurück zu meiner Truppe. Als europäischer Fürstensohn gäbe ich eine begehrte Geisel ab, und damit würden auch meine Männer zur Zielscheibe.“

„Dann bleiben Sie besser eine Weile hier. Zur Physiotherapeutin müssen Sie sowieso.“

„Wenn ich nach ein paar Tagen entlassen werde, kann sie nicht zu mir nach Hause kommen?“

Der Blick, den Ethan ihm zuwarf, war deutlich: Führen Sie sich nicht auf wie ein verwöhnter reicher Prinz. „Sie sind nicht ihr einziger Patient.“

„Natürlich nicht. Tut mir leid. Geduld zählt nicht gerade zu meinen Stärken.“

Das trug ihm ein flüchtiges Grinsen ein.

„Danke für Ihre Mühe“, sagte Marco.

„Sie brauchen mir nicht zu danken. Ich tue nur meinen Job.“

„Wie da draußen auch, oder?“

Ethan wandte sich ab, sodass Marco seine Miene nicht deuten konnte. Was ihm wiederum einiges über den raubeinigen Hunter-Bruder verriet: Da war noch mehr passiert außer der Verwundung, und Ethan wollte nicht daran denken.

„Sie müssen in den OP“, sagte er. „Der Eingriff ist komplex, deshalb geben wir Ihnen eine Vollnarkose. Er wird eine Stunde, vielleicht auch etwas länger dauern. Hängt davon ab, was ich vorfinde, wenn ich die Hand eröffne.“

„Ich möchte nicht komplett weg sein.“

„Von mir aus, Zorro, wenn Sie unbedingt den Helden spielen wollen.“

„Zorro?“ Marco fixierte ihn mit scharfem Blick.

Ethan erwiderte ihn unbeeindruckt.

„Okay, ich habe Fechten gelernt und mit dem Nationalteam von Sirmontane trainiert.“ Dass er eine Goldmedaille gewonnen hatte, erwähnte er nicht. Er hatte es nicht nötig, sich mit Ethan Hunter zu messen.

„Dann passt der Name ja. Wahrscheinlich nennen Ihre Leute Sie hinter Ihrem Rücken so.“

Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit musste Marco lachen. „Schon möglich. Gut, wenn Sie mit Vollnarkose besser arbeiten können, tun Sie, was nötig ist. Aber beeilen Sie sich.“

„Ist das Ihr Waffenarm?“

„Nein, meine Greifhand.“

„Gitarre spielen Sie auch?“ Ethan unterdrückte ein Gähnen. „Sie sind das reinste Klischee, Zorro. Tanzen Sie Flamenco?“

„Ich bevorzuge Tango.“ Marco machte eine Kunstpause. „Sie kriegen besseren Sex nach einem Tango.“

Ethan grinste. „Vielleicht nicht schlecht, dass Sie eine Weile nicht Gitarre spielen können.“ Dann wurde er ernst. „Flirten Sie nicht mit unseren Mitarbeiterinnen, Zorro. Nicht einmal mit einer.“

„Für wen halten Sie mich?“ Die Unterhaltung machte ihm allmählich Spaß. Er konnte sich vorstellen, mit Ethan Hunter befreundet zu sein. Schroff im Umgang vielleicht, aber die Wellenlänge stimmte.

Wieder lag ein voller Tag vor ihr, und Becca freute sich darauf, als sie die Stufen zur Hunter Clinic hinaufeilte.

An der Rezeption erwischte sie die Chefin der PR-Abteilung in leidenschaftlicher Umarmung mit ihrem neuen Ehemann.

„Lass den Chirurgen los, Lexi“, sagte Becca lächelnd.

„Sehr witzig.“ Lexi gab Iain einen letzten Kuss und scheuchte ihn zu seinem Sprechzimmer. „Gut, dass du kommst, Becca. Mit dir wollte ich sprechen.“

„Ach ja?“, antwortete Becca und war sofort auf der Hut. Normalerweise bedeutete diese Ansage, dass Lexi eine PR-Kampagne plante und die Mitarbeiter zu einer verrückten Aktion überreden wollte.

Bei allen anderen hätte sie sich höflich herausgeredet und wäre auf Distanz gegangen. Aber Lexi war einer der wenigen Menschen, denen Becca nähergekommen war. Nicht dass sie Lexi ihre Vergangenheit anvertraut hätte, doch sie hatte das Gefühl, in ihr eine Freundin zu haben. Was selten vorkam

„Infos zu unserem neuesten Patienten. Er gehört dir, sozusagen. Zurzeit ist er bei Ethan im OP.“ Lexi führte Becca in ihr Büro. „Da er ein hohes Tier ist, müssen wir ein paar Sachen beachten.“

„Alles klar.“ Becca winkte ab. Sie kannte das schon. „Absolute Diskretion, nichts darf nach außen dringen.“

„Du bist die Diskretion in Person, ich weiß, aber ich würde meinen Job vernachlässigen, wenn ich uns nicht nach allen Seiten absicherte“, antwortete Lexi sanft.

„Entschuldige.“ Becca lächelte. „Ich bin wohl mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden. Also, erzähl mir von meinem Patienten.“

„Er ist ein echter Prinz.“

Autor

Kate Hardy
Kate Hardy wuchs in einem viktorianischen Haus in Norfolk, England, auf und ist bis heute fest davon überzeugt, dass es darin gespukt hat. Vielleicht ist das der Grund, dass sie am liebsten Liebesromane schreibt, in denen es vor Leidenschaft, Dramatik und Gefahr knistert? Bereits vor ihrem ersten Schultag konnte Kate...
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