Wenn du mich liebst ...

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Dass Julias Jugendfreund Dallas sie vor dem väterlichen Donnerwetter schützt, wenn sie ihm beichtet, dass sie ein Kind von einem verheirateten Mann erwartet, war besprochen. Aber dass Dallas sich als der Vater des Babys ausgibt und um ihre Hand anhält, lässt Julia glauben, sie sei in einem schlechten Film …


  • Erscheinungstag 09.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733757052
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Julia Richardson, gerade zehn Jahre alt, legte als vereinbartes Zeichen ein Steinchen in eine rostige Kautabakdose und stellte sie neben dem Bahnübergang ins hohe Gras. Hoffentlich entdeckte Dallas Parker ihre Botschaft bald, weil sie große Sorgen hatte und unbedingt mit ihrem besten Freund sprechen musste.

Mit dem schweren Buch aus der Bibliothek ging sie an den Schienen entlang zur alten Eiche. Für sie gab es an einem Sommertag nichts Schöneres, als auf einem breiten Ast dieser Eiche zu sitzen und auf Dallas zu warten. Hoffentlich wurde das alles nicht von dem schlimmen Streit getrübt, den sie am Frühstückstisch mit Big Mama gehabt hatte.

Seit sie denken konnte, lief Julia im Sommer barfuß und völlig ungehindert über Ten Oaks, den riesigen Besitz der Richardsons. Als Einzelkind bestimmte sie selbst, ob sie etwas unternahm oder sich Tagträumen hingab. Die Erwachsenen hatten sich bisher nie eingemischt. In diesem Sommer wollten jedoch Big Mama, Big Daddy und Tante Ouidie, dass sie in Macon die Anstandsschule von Miss Peters besuchte. Zweimal die Woche! Und an Samstagen gab es nachmittags Tanzunterricht!

Zornig grub Julia die nackten Zehen in den roten Staub von Georgia und wehrte sich gegen die Vorstellung, ihre Füße in hübsche Wildlederschuhe und noch dazu blütenweiße Söckchen zu zwängen. Mist! Ihre Familie wollte sie in Sonntagskleidchen stecken. Und Tante Ouidie wollte die Zöpfchen öffnen und das Haar ihrer Nichte bürsten, bis Julia die Tränen in die Augen schossen. Und dann kriegte sie auch noch so eine alberne Schleife über dem Ohr. Schon bei dem Gedanken wurde Julia übel. Wie sollte man denn in einem Kleidchen Steine werfen oder auf einen Baum klettern?

Weinend hatte sie ihre Mutter nach dem Grund gefragt. Warum denn diese Qualen in einem wunderschönen Sommer? Big Mama hatte erklärt, es wäre an der Zeit, dass sie lernte, sich wie eine Lady zu benehmen und jene jungen Leute zu treffen, die eines Tages ihren gesellschaftlichen Kreis bildeten. Und sie musste lernen, sich in Gegenwart von Jungen richtig zu verhalten.

Jungen! Als ob Julia nicht schon längst wüsste, wie sie sich ihnen gegenüber richtig verhielt. Seit dem Kindergarten hatte sie das mit Dallas Parker geübt. Für sie war es ganz einfach. Bei Dallas war sie schlicht sie selbst, und anderen Jungen ging sie aus dem Weg.

Bei dem völlig verdorbenen Frühstück hatte sie den Fehler begangen zu fragen, ob auch Dallas Parker in Miss Peters’ Schule gehen würde. Dann wäre es ihr leichter gefallen. Big Mama hatte entsetzt erklärt, Dallas Parker würde nicht zur Gesellschaftsschicht der Richardsons gehören. Er mochte der Nachbar sein, passte jedoch nicht zu den Richardsons. Um aus dem wilden, ungezügelten Dallas Parker einen Gentleman zu machen, wäre mehr nötig als Miss Peters’ feste Hand.

Mom wollte wissen, wie Julia überhaupt auf diese Frage kam. Und wenn schon die Rede davon war – Julia durfte keinesfalls die Eisenbahngleise überqueren und sich mit „Miss“ Parker und ihrem Sohn Dallas einlassen.

Julia verstand nicht, was ihre Familie gegen Dallas und seine Mom hatte. Miss Parker arbeitete härter als alle anderen in Cannons Crossing, und Dallas würde später Rodeostar werden. Fiel jedoch der Name Parker, runzelte Big Mama die Stirn, Big Daddys Schnurrbart zitterte, und Tante Ouidie lächelte abfällig.

Trotz des seltsamen Verhaltens ihrer Familie war Dallas Parker der allerbeste Freund, den Julia jemals gehabt hatte – allerdings nur im Geheimen.

Julia mochte ein Kind sein und Erwachsene nicht immer verstehen, aber sie war nicht dumm. Sie fühlte, dass ihre Familie die Freundschaft mit Dallas zerstören konnte, wenn etwas herauskam. Und Julia wollte keinesfalls ihren besten Freund verlieren. Darum trafen sie sich nur an der alten Eiche. In der Stadt tat Dallas, als würde er sie nicht bemerken. Das störte sie, doch wahrscheinlich war es so am besten.

Heute Morgen hatte sie sich zu Dallas bekennen wollen. Stattdessen hatte sie sich jedoch nur geweigert, in Miss Peters’ Schule zu gehen. Prompt hatte es einen hässlichen Streit gegeben.

„Hey, hey, Braunzöpfchen!“, drang Dallas’ Ruf zu ihr.

Tiefe Freude erfüllte Julia. Ihr Freund Dallas hatte auf das Zeichen reagiert. Gemeinsam fanden sie bestimmt einen Ausweg aus dieser Klemme …

Mit achtundzwanzig Jahren saß Julia Richardson am Fenster ihrer Wohnung in Boston und dachte an die Jugend zurück. Aus den Plänen, die sie in jenem Sommer geschmiedet hatte, war nichts geworden. Wie harmlos wirkten doch rückblickend die damaligen Sorgen!

Die heutigen Sorgen wogen viel schwerer als die verhasste Schule von Miss Peters und ließen sich auch nicht mit einem Steinchen in einer alten Dose lösen.

Seit dem zehn Jahre zurückliegenden Abschluss der Highschool hatte sie unregelmäßig Kontakt zu Dallas gehabt. Sie war zum College gegangen und hatte Journalismus studiert. Danach war sie Nachrichtenredakteurin bei einem großen Fernsehsender in Boston geworden. Dallas hatte drei nationale Rodeo-Meisterschaften gewonnen.

Trotzdem hatte ihre Freundschaft überlebt. Selbst wenn Julia nicht oft von Dallas hörte, war er doch der einzige Mensch auf der Welt, dem sie vorbehaltlos vertraute. Er hörte ihr stets zu, und selbst wenn er ihr nicht aus der gegenwärtigen Klemme helfen konnte, würde ihr seine Stimme am Telefon doch gut tun.

Ein gewagter Gedanke kam ihr. Noch besser als Dallas’ Stimme wäre seine persönliche Unterstützung gewesen, wenn sie sich ihrer von Vorurteilen behafteten Familie stellte. Konnte sie ihren Freund aus Kindertagen um einen solchen Gefallen bitten?

Obwohl Mitternacht schon vorbei war, griff sie zum Telefon. Mehr als Nein konnte Dallas schließlich nicht sagen. Falls er mit dem Rodeo zu viel zu tun hatte, verstand sie das. Es war jedenfalls einen Versuch wert, und darum wählte sie seine Nummer.

„Parker“, meldete er sich schläfrig.

Beim Klang dieser kraftvollen vertrauten Stimme atmete sie erleichtert auf. „Dallas, ich bin es. Julia. Könntest du mich auf dem Flughafen von Atlanta treffen? Ich stecke in Schwierigkeiten.“

„Sag mir wann, und ich werde da sein.“ Nicht das geringste Zögern! Keine Frage nach den Gründen!

„Morgen mit dem ersten Flug, den du schaffst.“

Julia fröstelte. Hoffentlich reichten diesmal die Bande zwischen ihnen aus, um ihr in ihrer augenblicklichen Verfassung zu helfen.

1. KAPITEL

Auf dem Hartsfield International Airport von Atlanta hob Dallas mit dem gesunden Arm den schweren Westernsattel vom Gepäckband und verzog das Gesicht. Nachdem eine Verletzung die Karriere beim Rodeo beendet hatte, war es Zeit, den Sattel, mit dem er die Meisterschaften gewonnen hatte, zur Ruhe zu betten. Vielleicht konnten ihn die Sutters aufheben, bis ihm etwas einfiel.

Dallas sah sich nach einem uniformierten Fahrer um, der ein Schild mit seinem Namen hochhielt. Ohne Julia Richardsons gestrigen verwirrenden Anruf wäre er jetzt nicht in Georgia. Er konnte sich diesmal die Limousine eigentlich nicht leisten, doch er konnte sich auch nicht vorstellen, dass Julia in einem gewöhnlichen Leihwagen nach Ten Oaks fuhr.

Plötzlich duftete es nach Gardenien. „Dallas.“ Eine Stimme wie Honig.

Er drehte sich zu seiner Sitznachbarin aus dem Flugzeug um. Ihren Namen hatte er schon vergessen.

Mit einem verführerischen Lächeln reichte sie ihm einen Zettel. „Sie sagten, dass Sie sich in der Gegend aufhalten werden.“ Mit dem Papier betupfte sie ihre Lippen, faltete es zusammen und schob es in seine Hemdtasche. „Rufen Sie mich an.“ Die Hand ruhte lange genug auf seiner Brust, dass klar wurde, was gemeint war.

„Tut mir leid.“ Dallas rang sich ein Lächeln ab. „Diesmal bin ich vergeben.“

„Man weiß nie“, hauchte sie und entfernte sich.

Dallas schüttelte den Kopf. Er musste Julia und seinen Fahrer suchen. Hoffentlich war ihre Maschine pünktlich gelandet, damit er bald erfuhr, was seine alte Freundin bedrückte.

Und dann sah er sie. Julia Richardson, seine Julia saß auf ihrem Gepäck. Selbst wenn sie keine Jugendfreunde gewesen wären, hätte er sie erkannt. Ihr Foto war oft genug auf den Gesellschaftsseiten erschienen. „Königin vom Cates County“, war sie in einem Artikel genannt worden.

Im Näherkommen merkte er, dass Julia nicht so kühl und verschlossen wirkte wie üblich. Sie war sichtlich aufgewühlt.

Dallas stellte Sattel und Reisetasche neben ihr ab. „Hey, hey, Braunzöpfchen.“

Sie blickte hoch. Es traf ihn tief, dass sie geweint hatte.

„Julia“, sagte er sanft und wusste nicht, was er machen sollte. Es war einige Zeit her, dass er sie das letzte Mal gesehen hatte. „Ich bin es, Dallas. Jetzt wird alles gut.“

Sie nahm sich zusammen und stand auf. „Dallas.“ Das Lächeln fiel verkrampft aus. „Schön, dich zu sehen.“ Sie warf einen Blick auf den Sattel. „Reitest du noch?“

Er tat sich schwer mit der Antwort. „Sagen wir, ich bin an einem Scheideweg angelangt und muss Entscheidungen treffen.“

„Ich auch“, erwiderte sie leise und hatte erneut Tränen in den Augen.

Er legte ihr die Hand auf den Arm. „Julia, alles in Ordnung?“

„Ich“, sie stockte, „ich bin nur müde.“

Das stimmte nicht ganz, aber er drängte nicht weiter. Irgendwann würde sie sich ihm anvertrauen. „Klar. Du musstest ja auch auf mich warten. Du hättest dich von deinen Eltern abholen lasen sollen.“

„Nein!“, rief sie. „Nein, ich habe meiner Familie nicht angekündigt, dass ich komme.“

Dallas versuchte, sie aufzuheitern. „Hätte Big Daddy Richardson gewusst, dass sein einziges Kind in Atlanta eintrifft, hätte zumindest eine Blaskapelle auf dich gewartet.“

Sie ließ sich nicht aufmuntern, sondern sank auf einen Koffer und weinte lautlos. „Ich brauche dich, wenn ich meine Familie treffe.“

„Du musst wirklich müde sein.“ Dallas kauerte sich neben sie und strich ihr das dunkle Haar aus dem Gesicht. „Warte hier, während ich meinen Fahrer suche. Mach dir keine Sorgen. Ich kümmere mich um alles. Während wir nach Hause fahren, finden wir eine Lösung, worum es sich auch handelt.“

Julia richtete die verweinten Augen auf ihn. „Ich … kann … nicht … nach … Hause.“

Ohne zu überlegen, legte er die Arme um sie und zog sie an sich. „Natürlich kannst du nach Hause. Wandervögel wie wir kehren dorthin zurück, um sich auszuruhen und um ihre Wunden zu kurieren.“ Er fühlte, wie sie bebte. Da er selbst kein richtiges Zuhause kannte, sagte er nur, was Julia seiner Meinung nach hören wollte.

„Dallas, du verstehst das nicht.“ Sie löste sich von ihm und sah ihn unglücklich an.

„Dann erkläre es mir. Deshalb bin ich ja da, wie in alten Zeiten.“

„Wie in alten Zeiten“, wiederholte sie und seufzte leise, und plötzlich brach es aus ihr heraus. „Meine Familie erwartet, dass ich ihr demnächst meinen Verlobten vorstelle. Stattdessen bin ich unverheiratet und im fünften Monat schwanger, und der Vater des Kindes hat mich verlassen.“ Sie bekam Schluckauf. „Und ich habe die Arbeit in Boston aufgegeben.“

Ach, du lieber Himmel!

Julia forschte in Dallas’ Gesicht nach Ablehnung, fand jedoch nur Sorge. Wie in alten Zeiten. Er war der erste Mensch, bei dem sie sich ausgesprochen hatte, und jetzt ging es ihr besser. Wenn er sie in den Armen hielt, wurde alles gut.

Doch wem machte sie etwas vor? Alles würde nur gut für jemanden, dessen Vater nicht Big Daddy Richardson war – der erfolgreiche Geschäftsmann, wohlhabend und politisch einflussreich in Cannons Crossing in Georgia. Er war eine Säule der kleinen Gemeinde und das Oberhaupt der Familie Richardson. Seinetwegen hatte sie versucht, es aus eigener Kraft zu schaffen, und jetzt kehrte sie heim, um Trost und Hilfe zu suchen. Sie musste verrückt sein.

„Julia, ich habe eine Limousine gemietet“, unterbrach Dallas ihre Gedanken. „Ich hole den Fahrer. Dann können wir ungestört reden.“ Er wischte ihr vorsichtig die Tränen von der Wange. „Nach Cannons Crossing fahren wir anderthalb Stunden. Bis dahin haben wir bestimmt eine Lösung gefunden.“

„Lieber Himmel, in was habe ich dich da hineingezogen?“ Erst jetzt begriff sie, was sie getan hatte.

„Sst!“ Mit einem jungenhaften Lächeln legte er ihr den Zeigefinger an die Lippen. „Weißt du noch, was geschehen sollte, wenn einer nicht dem Ruf des anderen folgt?“

Endlich lächelte sie. „Warzen auf der Nase, Haare in den Ohren.“ Sie schniefte und reckte den kleinen Finger hoch wie damals.

Er verhakte seinen kleinen Finger mit dem ihren. „Also musste ich herkommen.“

Ach, er war noch immer der Allerbeste!

Er stand auf und ermahnte sie, sich nicht von der Stelle zu rühren. Julia seufzte. Wie sollte Dallas die Wogen glätten, wenn Big Daddy ihn doch verachtete? Aber Big Daddy kannte ihn nicht und wusste auch nicht, welche Freundschaft sie beide verband. Wenn Dallas heute auf Ten Oaks auftauchte, löste das zusätzlich zu ihrem Zustand ein Drama aus. Was war ihr bloß eingefallen?

„Ich habe ihn gefunden.“ Dallas tauchte mit einem Gepäckwagen und einem uniformierten Chauffeur vor ihr auf. „Das ist Mike, unser Fahrer. Mike, das ist Julia.“

Mike tippte gegen den Mützenschirm und kümmerte sich um das Gepäck.

„Ich nehme den Sattel.“ Dallas wandte sich an Julia. „Bereit?“

Sie schloss sich ihm an und betupfte die Augen mit einem Spitzentaschentuch.

„Mach nicht schlapp, Miss Julia.“ Er blinzelte ihr zu, doch seine blauen Augen wirkten sehr ernst. „Wir müssen während der Heimfahrt angestrengt nachdenken.“

„Du liebst wohl noch immer Herausforderungen.“ Mit Dallas an ihrer Seite fühlte sie sich schon besser. So war das stets gewesen.

„Aber sicher“, entgegnete er amüsiert.

„Sogar, wenn es um jemand anderen geht?“

Er lachte leise. „Besonders dann.“

Julia fiel eine Veränderung bei ihm auf. Dallas war nicht mehr der scheinbar sorglose Jugendliche. Er hielt sich straff aufrecht – eine Warnung, sich mit ihm anzulegen. Wer weiß, was ihn seit dem letzten Zusammentreffen härter gemacht hatte.

Trotz aller Veränderungen zog Dallas noch immer Aufmerksamkeit auf sich. Attraktiv, kraftvoll, muskulös und selbstbewusst ragte er aus der Menge. Den schweren Sattel trug er, als wäre er federleicht, und gleichzeitig errichtete er um Julia einen unsichtbaren Schutzschild. Sein Auftauchen reichte, dass ihnen die Leute Platz machten.

Vor dem Gebäude half er Julia in die Limousine, während der Fahrer das Gepäck verstaute. Eine Limousine! Das sah ihm ähnlich. Merkwürdig fand sie nur, dass sie genug Gepäck für eine Kreuzfahrt hatte, er jedoch nur einen Rucksack und den Sattel, den er auf den Beifahrersitz legte. Hoffentlich störte sich der schweigsame Mike nicht am Geruch von Leder und Pferd.

„Bequem?“ Dallas setzte sich neben ihr auf die Rückbank.

Sie nickte schweigend. Doch wie sollte sie sich in den nächsten anderthalb Stunden auf eine Lösung ihrer Probleme konzentrieren, wenn sie Dallas mit jedem Zusammentreffen attraktiver fand? Sie versuchte, an die alte Eiche zu denken, sah jedoch stattdessen dunkles Haar und leuchtend blaue Augen vor sich.

Dallas lehnte sich zurück. „Willst du jetzt reden?“

Prompt stiegen ihr wieder Tränen in die Augen. Normalerweise war sie viel beherrschter, doch durch die Schwangerschaft liefen ihre Hormone Amok.

„Ja, sicher.“ Sie wischte die Tränen weg und rang sich ein Lächeln ab. „Machen wir es wie früher.“

Er freute sich, dass sie trotz aller Probleme lächeln konnte. Julia war stark. Das hatte er immer gewusst. Neu war, dass Julia zu einer sagenhaften Frau geworden war. Schimmerndes dunkles Haar, goldbraune Augen und eine glatte Haut, die förmlich nach Zärtlichkeiten verlangte …

„Können wir ehrlich zueinander sein?“, fragte er, um sich abzulenken.

Sie biss sich auf die Unterlippe, und das lenkte ihn noch mehr ab. Wie wollte er ihr helfen, wenn ihr Anblick ihn so verwirrte?

Dallas räusperte sich. „Mein Hilfsangebot war aufrichtig gemeint.“

Sie betrachtete ihn lange, ehe sie antwortete. „Vielleicht hätte ich dich nicht anrufen sollen. Ich will nichts von dir, Dallas. Es reicht vollkommen, dass du hier bist. Ich möchte nur deine Meinung hören.“

Warum diese Vorrede? Sie waren doch alte Freunde. „Können wir ehrlich zueinander sein?“, fragte er noch einmal. „Wenn ich dir meine Meinung sagen soll, muss ich die ganze Geschichte mit sämtlichen schmerzhaften Einzelheiten kennen.“

„Wir waren immer ehrlich zueinander. Was willst du wissen?“, fragte sie leise.

„Dieser Kerl … kennt deine Familie ihn?“

„Nein, nicht einmal den Namen. Ein Kollege im Sender in Boston.“

„Dann wissen deine Angehörigen also nichts von ihm?“

Sie schüttelte betrübt den Kopf. „Sie wissen nur, dass ich jemanden kennengelernt habe und wir möglicherweise heiraten würden. Das Zusammentreffen mit ihm sollte eine große Überraschung werden.“ Sie holte tief Atem. „Jetzt bin ich die große Überraschung.“

„Er hat eine Heirat wohl nicht so ernsthaft in Betracht gezogen wie du.“

„Rückblickend weiß ich gar nicht, wie ernsthaft ich sie in Betracht gezogen habe. Sie war wohl eher wie ein schönes neues Spielzeug. Es war erregend, einen Mann zu finden, der beruflich die gleichen Ziele verfolgt wie ich.“

„Er hat dich verlassen.“

„Ja. Eine Heirat kam für ihn nicht infrage.“

„Er hat dich verlassen, als er von dem Kind hörte“, stellte Dallas bitter fest.

„Ja“, bestätigte sie. „Ich erfuhr zu spät, dass er schon verheiratet war.“

Dallas zuckte zusammen. Manches im Leben wiederholte sich immer wieder.

„Hältst du mich jetzt für sehr töricht?“, fragte sie. Offenbar hatte sie seine Reaktion falsch gedeutet.

„Julia, natürlich nicht.“ Er griff nach ihrer Hand. „Jeder Heilige hat eine Vergangenheit, jeder Sünder eine Zukunft. Ich habe genug dunkle Punkte in meiner Vergangenheit und brauche mich nicht noch um die anderer Menschen zu kümmern.“

Julia zog die Hand nicht zurück. „Wahrscheinlich würde ich mich besser fühlen, hätte ich keine Hauptregel gebrochen.“

„Welche ist das?“

„Ich ließ mich von ihm aus meiner Stellung drängen.“

„Und wieso?“

„Ich war von seiner Lüge und meiner Leichtgläubigkeit so angewidert, dass ich ihn nicht täglich sehen wollte. Darum kündigte ich fristlos und brach in Boston alle Brücken hinter mir ab.“

„Und was willst du jetzt machen, Julia?“

„Ich werde mir ein wenig Freiraum nehmen“, erwiderte sie, ohne zu zögern. „Und Zeit zum Nachdenken. Glaube mir, ich bin nicht schwach. Ich werde mit diesem Betrug fertig. Ich schaffe es auch mit einem unehelichen Kind. Und ich verkrafte es, gekündigt zu haben. Es ist nur …“

„Alles zusammen war zu viel, und du brauchst jetzt etwas Ruhe.“ Er drückte ihre Hand. „Das ist durchaus verständlich. Übrigens habe ich dich nie für schwach gehalten. Ich habe nicht vergessen, wie kräftig du schon zuschlagen konntest, als du noch Zöpfchen hattest.“

„Vielleicht war ich damals stärker. Wie habe ich denn auf meine jetzigen Schwierigkeiten reagiert? Ich habe einen alten Freund aus seinem normalen Leben gerissen, um mit mir nach Hause zu kommen. Und dort gesteht mir garantiert niemand Freiraum oder Zeit zu.“

„Wie viel brauchst du?“ Dallas sah ihr tief in die Augen. „In ungefähr einer Stunde und fünfzehn Minuten setzt Mike uns in Cannons Crossing ab.“

Sie lächelte mühsam. „Das ist wahrscheinlich mehr, als die meisten Leute in einer solchen Lage haben.“

Es war mehr, als seine Mutter jemals bekommen hatte. Er ließ Julias Hand los und wollte das Fenster öffnen, weil er plötzlich keine Luft bekam. Dabei stieß er sich den verletzten Arm und stöhnte schmerzlich.

„Was ist denn?“, fragte Julia besorgt.

„Nichts.“ Nur das Ende seiner Karriere. „Eine Verletzung, die langsam heilt.“

„Hast du deshalb Zeit für eine alte Freundin?“

„Ja.“ Dallas blickte aus dem Fenster und konzentrierte sich wieder auf Julias Probleme. „Also, wie soll es weitergehen?“

„Ich brauche Arbeit, um für mich und mein Kind zu sorgen.“

„In Georgia?“

„Ja, vielleicht nicht in Cannons Crossing, aber in Georgia.“ Julia entspannte sich etwas. „Hier bin ich zu Hause, trotz aller Nachteile und trotz meiner Familie. Das ist mir inzwischen klar geworden.“

Er hatte nie ein richtiges Zuhause gehabt. Er war in Cannons Crossing aufgewachsen. Ein Zuhause musste jedoch mehr sein als die hart erkämpfte Existenz, die seine Mutter für sie beide geschaffen hatte, bis sie starb. Auch mehr als die Wohltätigkeit, die er danach von den Sutters erfahren hatte. Zuhause – dazu gehörte, von der Gemeinde anerkannt zu werden. In Cannons Crossing hatten ihm jedoch nur Julia und die Sutters ihre Herzen geöffnet.

„Vor der Arbeitsuche kommt noch etwas“, bemerkte Julia. „Die Aussprache mit Big Daddy.“ Sie verdrehte die Augen und versuchte, eine möglichst komische Grimasse zu schneiden.

Dallas pfiff durch die Zähne. „Mädchen, du steckst bis zum Hals in Schwierigkeiten.“

„Ach, vielen Dank, Dallas Lee Parker, für diese Aufmunterung!“

„Tut mir leid“, erwiderte er lächelnd. „Ich habe nur daran gedacht, wie ich vor deinem Daddy in seiner Eigenschaft als Friedensrichter erscheinen musste. Zwei ältere Jungen hatten vor dem großen Ball das Haus des Schuldirektors mit Toilettenpapier beklebt, und mir gab man natürlich die Schuld. Ich war nicht einmal dabei gewesen, aber Big Daddy hat mich trotzdem für schuldig befunden. Mein Ruf genügte. ‚Sozialdienst‘ nannte er den Monat, in dem wir für Direktor Jenks arbeiten mussten. Wir nannten es Sklavenarbeit. Die beiden anderen Jungen, die eigentlich Schuldigen, kamen nach einer Woche frei. Ihre Väter sorgten dafür.“

Er sprach nicht aus, dass er seinen Vater nie gekannt hatte. Und seine Mutter war zu sehr mit Arbeit fürs tägliche Brot beschäftigt gewesen, um für irgendetwas „zu sorgen“.

„Tut mir leid, dass Big Daddy dich so behandelt hat“, versicherte Julia. „Er nahm seine Pflichten stets zu ernst.“

„Keine Angst, es hat mich hart gemacht“, wehrte er ab. „Mit seiner Tochter geht er bestimmt schonender um.“

Julia war sich da nicht so sicher.

„Ach, komm“, meinte Dallas. „Er mag sich noch so aufspielen, aber du bist sein Stern. Was kann denn schon passieren?“

Das wollte sie sich gar nicht ausmalen. „Er mag mich lieben, aber Anstand und der Name Richardson sind ihm noch wichtiger.“

„Du bist seine Tochter, sein einziges Kind.“

„Genau, und deshalb hatte er große Pläne mit mir. Universität, eine hoch angesehene Tätigkeit am besten in seiner Nähe, ein Heiratsantrag von einem bedeutenden Mann, Hochzeit, Ehe und nach Möglichkeit ein männlicher Erbe. In dieser Reihenfolge“, betonte sie.

„Als ob er nie Fehler begangen hätte.“

„Das hat er wahrscheinlich, aber es wurde nie öffentlich bekannt.“

„Du meinst“, sagte Dallas nachdenklich, „der äußere Schein ist für ihn wichtiger als alles andere?“

„Hundertprozentig. Er persönlich wird sich freuen, dass ich wieder unter seinem Dach bin und ihm das längst gewünschte Enkelkind bringe.“ Sie seufzte. „Daheim unter seiner Kontrolle und seinen Regeln, als wäre ich sechzehn.“

„Ich kann Mike bitten umzukehren und dich zum Flughafen zurückzubringen.“

„Mach keine Scherze.“

„Das ist kein Scherz. Du bist eine starke Frau, Julia. Du musst nicht nach Hause kommen, um über deine Zukunft nachzudenken. Mit deinen Fähigkeiten könntest du überall auf der Welt neu anfangen.“

„Du hast selbst gesagt, dass man sich daheim am besten erholt und notfalls Trost und Heilung findet. Dallas, es mag mir und meiner Familie zwar eine Zeit lang Schmerz bereiten, aber ich gehöre hierher. Mein Kind gehört hierher. Selbst wenn wir uns in Georgia an einem anderen Ort niederlassen, habe ich meine Wurzeln in Cannons Crossing.“

„Du willst das Kind unbedingt behalten?“

„Unbedingt.“ Sie erinnerte sich an die schwierige Entscheidung, die sie ganz allein getroffen hatte. „So ist es für mich richtig.“

„Dann sollten wir uns während der nächsten Stunde überlegen, wie wir den Übergang von Boston nach Cannons Crossing so glatt wie möglich gestalten.“

Das war ihr Dallas, genau wie früher.

Sie streichelte seine Wange. „Du brauchst gar nichts zu überlegen. Du bietest mir schon diese Fahrt und moralische Unterstützung. Mehr musst du nicht tun.“

„Nein?“ Dallas biss ihr spielerisch in die Fingerspitzen. „Wer weiß, welche ‚Sozialarbeit‘ Big Daddy dir aufbrummt?“

„Keine Sorge, es gibt keine Sozialarbeit. Das wäre viel zu offensichtlich.“ Jetzt konnte sie wieder lächeln. „Vermutlich verbannt er mich in den nördlichen Turm, bis mein Kind einundzwanzig ist.“

„Hey, bestimmt gesteht er dir Kabelfernsehen und Kreditkarten zu.“

Autor

Amy Frazier
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