Wenn Santa Claus den Amor spielt …

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Unfreundlich, unhöflich – und überaus attraktiv. April weiß nicht, was sie von dem Schriftsteller Connor Pierce halten soll, mit dem sie Weihnachten auf der Hütte verbringen wird. Zum Glück ist sie nur die Haushälterin des Machos – warum nur erwacht in ihr der Wunsch nach mehr?


  • Erscheinungstag 19.07.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507721
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Es ist so weiß hier.“

April Sanders warf einen Blick in den Rückspiegel, während sie die Straße entlangfuhr, die sich den Crimson Mountain hinaufschlängelte. Ihr Blick fiel auf das mürrisch dreinblickende zwölfjährige Mädchen, das aus dem Fenster des Geländewagens starrte.

„Es ist hübsch hier, nicht wahr?“, fragte April hoffnungsvoll. „So friedlich.“ Sie hatte die Berge im Winter lieben gelernt, überraschenderweise besonders an bewölkten Tagen. Die gedeckten Farben brachten eine Stille mit sich, die in April widerklang.

„Es ist weiß“, wiederholte Ranie vom Rücksitz. „Weiß ist langweilig.“

„Ich mag Schnee“, erklärte Ranies fünfjährige Schwester Shay von ihrem Kindersitz aus. So sonnig das Gemüt der Kleinen war, so mürrisch war Ranie.

April konnte Ranie ihre Launen nicht vorwerfen. Die Geschwister hatten miterleben müssen, wie ihre Mutter einen langen Kampf gegen Krebs ausgefochten und diesen schließlich verloren hatte. Danach hatten sie eine Woche auf der Ausziehcouch ihrer Tante verbracht, bevor sie in Colorado bei April gelandet waren.

Selbst das würde – konnte – nicht von Dauer sein. Zumindest war es das, was April sich sagte. Der Gedanke, diese beiden Mädchen aufzuziehen, so wie es Ranies und Shays Mutter in ihrem Testament festgelegt hatte, machte ihr mehr Angst als alles andere, dem sie sich in ihrem bisherigen Leben hatte stellen müssen. Mehr als ihr eigener Kampf gegen Brustkrebs. Mehr als die demütigende Scheidung von ihrem berühmten Hollywood-Direktor-Ehemann. Mehr als sich wieder ein Stück eigenes Leben in dem kleinen Ort Crimson, Colorado, aufzubauen. Mehr als …

„Können wir vor deinem Haus einen Schneemann bauen?“, unterbrach die kleine Shay Aprils dunkle Gedanken.

„Du kannst nicht rausgehen“, warnte Ranie ihre Schwester. „Deine Finger werden erfrieren.“

„Niemandem werden die Finger erfrieren“, bemerkte April rasch, als sie hörte, wie Shay erschrocken nach Luft schnappte. „Ihr habt doch jetzt beide Wintersachen. Inklusive warmer Anoraks und Handschuhe.“

Nachdem sie die Mädchen am Flughafen in Denver abgeholt hatte, war sie mit ihnen zu einem nahegelegenen Sportgeschäft gefahren. April hatte ihnen alles gekauft, was sie für ihren zweiwöchigen Aufenthalt in den Bergen benötigten. „Natürlich können wir einen Schneemann bauen. Sogar eine ganze Familie, wenn ihr möchtet.“

„Wir wollen aber zurück nach Kalifornien.“

April brauchte nicht erneut in den Rückspiegel zu schauen, um zu wissen, dass Ranies finsterer Blick auf ihren Hinterkopf gerichtet war.

„Mom ist mit uns an Weihnachten immer an den Strand gefahren. Warum hat Tante Tracy uns nicht mit nach Hawaii genommen? Warum bist du nicht nach Santa Barbara gekommen? Du hast doch früher selbst in L. A. gelebt. Ich weiß noch, dass du uns oft besucht hast, als ich noch klein war und Mom zum ersten Mal krank wurde.“

Als Erinnerungen an ihre Freundin Jill in April aufstiegen, umklammerte sie das Lenkrad noch fester. Sie gab in der Kurve etwas zu viel Gas und spürte, wie der Wagen leicht ins Schleudern geriet. Sie ignorierte die panischen Aufschreie vom Hintersitz, ging vom Gas runter und brachte den Geländewagen rasch wieder unter Kontrolle.

„Es ist alles in Ordnung“, versicherte sie mit einem gezwungenen Lächeln. „Die Straße ist vereist, aber wir sind bald zu Hause.“ Sie riskierte einen Blick in den Rückspiegel und sah, dass Ranie über den freien Mittelsitz hinweg Shays Hand ergriffen hatte. Die Mädchen hielten sich fest, als ob ihr Leben davon abhinge.

Der Anblick brach April fast das Herz.

Kurz darauf bog sie in den von Schnee geräumten Zufahrtsweg, der zur Cloud Cabin führte. Die „Wildnis-Erfahrung“, wie es in der Broschüre hieß, war ein Ableger der Crimson Ranch, der bekannten Gäste-Ranch im Tal, und war erst in diesem Herbst eröffnet worden. Die Besitzer waren Aprils beste Freundin, die Schauspielerin Sara Travers, und deren Mann Josh. April war vor drei Jahren mit Sara nach Crimson gekommen; sie waren beide von ihren Leben in Hollywood ausgebrannt und gezeichnet gewesen.

April wusste, dass diese Kleinstadt heilen konnte, wenn man es zuließ. Crimson – und Joshs Liebe – hatte das für Sara getan. April selbst hatte sich noch nicht erlaubt, ein richtiger Teil der Gemeinschaft zu werden.

Sie lenkte den Wagen an den Straßenrand und hielt an. Dann wandte sie sich den jungen Passagieren auf dem Rücksitz zu, die sie argwöhnisch anschauten.

„Es tut mir wirklich leid, dass eure Tante ihre Urlaubspläne nicht mehr ändern konnte.“ Frustration und Wut stiegen in ihr auf, als sie daran dachte, wie gleichgültig Tracy sich ihren Nichten gegenüber verhalten hatte. Sie hatte alles daran gesetzt, die Mädchen nicht mitnehmen zu müssen. „Es tut mir auch leid, dass ich nicht nach Kalifornien kommen konnte. Ich hatte mich schon für einen Job verpflichtet, den ich leider nicht absagen konnte.“

„Ich dachte, du bist Yogalehrerin.“ Ranie entzog Shay ihre Hand. „Wer macht schon Yoga im Schnee?“

„Niemand, den ich kenne.“ April wäre jetzt am liebsten nach hinten gegangen und hätte die beiden unglücklichen Mädchen in die Arme gezogen, um etwas von ihrem offensichtlichen Schmerz zu lindern. „Über Weihnachten kommt ein Gast in die Cloud Cabin. Ich muss dafür sorgen, dass er sich hier wohlfühlt. Er ist Schriftsteller und muss ein Buch zu Ende schreiben. Die Abgeschiedenheit hier in den Bergen soll seiner Konzentration förderlich sein.“

Zeitlich wurde es bereits knapp, die Fahrt zum und vom Flughafen hatte ihre Ankunft an der Cloud Cabin um einige Stunden verzögert. „Ich muss für ihn kochen, den Haushalt machen und …“

Ranie gab einen verächtlichen Laut von sich. „So wie ein Dienstmädchen?“

„Nein, ich sorge und kümmere mich um Menschen“, verbesserte April sie.

„So, wie du dich um uns kümmerst, weil Mommy gestorben ist?“ Shays Stimme klang traurig, aber mitfühlend.

„Ja, das tue ich, Liebes“, flüsterte April. Plötzlich fühlte sich ihre Kehle wie zugeschnürt an. Sie lächelte Ranie an, aber der Blick des Mädchens blieb kritisch, so als ob es wüsste, dass sie von April keine sichere Zukunft erwarten konnten.

April schaute zu Shay hinüber. „Nur noch ein paar hundert Meter, und wir sind da.“ Sie wandte sich wieder dem Armaturenbrett zu und stellte einen Radiosender ein, den man sogar hier in dieser abgelegenen Gegend empfangen konnte. „Wie wäre es mit ein wenig Musik? Habt ihr ein Lieblings-Weihnachtslied?“

„Rudolph“, rief Shay und klatschte in die Hände.

April lenkte den Wagen wieder auf die Straße und fuhr weiter. „Und du, Ranie?“

„Ich hasse Weihnachtsmusik“, murmelte das Mädchen und fügte dann lauter hinzu: „Aber nicht so sehr, wie ich dich hasse.“

Obwohl die Worte des Mädchens ihr wie ein Dolchstoß ins Herz drangen, ignorierte April sie. Stattdessen drehte sie die Lautstärke des Radios auf, und wenig später tauchte Cloud Cabin vor ihnen auf. Ein Fahrer würde Connor Pierce vom Flughafen in Aspen abholen. Die Tatsache, dass die Fenster der Cabin noch dunkel waren, gab ihr Hoffnung, dass sie wenigstens vor ihm ankommen würde.

April brauchte jedes Quäntchen Glück, damit sie die nächsten zwei Wochen erfolgreich überstehen konnte.

„Keine Kinder.“

Connor Pierce brummte diese beiden Worte, sobald die schlanke Rothaarige in die Küche kam. Vielleicht hätte er damit warten sollen, bis sie ihn entdeckt hätte. So aber zuckte sie erschrocken zusammen, ließ die Einkaufstüte fallen und presste eine Hand gegen ihre Brust.

Sie schaute mit weit aufgerissenen braunen Augen zu ihm hinüber. Eine Frau halb zu Tode zu erschrecken, war eine neue Erfahrung für Connor, aber er konnte es nicht ändern. „Die Mädchen müssen wieder gehen“, fuhr er die Frau an. „Sofort.“

Sie erholte sich schneller, als er es erwartet hätte, und straffte ihre Schultern. „Wer sind Sie?“

Die Tatsache, dass sie trotz seiner schlechten Laune standfest blieb, war ungewöhnlich. Die meisten Leute, die er kannte, hätten schon das Weite gesucht. „Was ist das für eine Frage?“

Ihre Augen verengten sich. „Die Art von Frage, die ich beantwortet haben möchte.“

„Ich bin hier zahlender Gast“, sagte er langsam, jedes einzelne Wort betonend.

„Mr. Pierce?“ Sie schluckte und sah ihn prüfend an.

„Connor.“

„Sie sehen aber nicht wie auf dem Foto auf Ihrer Website aus.“

„Dieses Bild wurde vor langer Zeit gemacht.“ In einer Zeit, als er noch leicht übergewichtig und glücklich und sein Herz noch nicht bei lebendigem Leibe herausgerissen worden war. Als er noch die Augen schließen und keinen Wagen, der in Flammen aufging, sehen konnte und seine Hilflosigkeit nicht wie ein Schraubstock seine Brust umklammerte.

Sie fragte nicht weiter, obwohl er Neugierde in ihren Augen aufblitzen sah. Stattdessen lächelte sie. „Willkommen in Colorado. Es tut mir leid, dass Sie vor mir hier waren.“ Sie bückte sich, um ihre Einkäufe aufzusammeln. „Man hat mir gesagt, dass Sie erst später am Nachmittag ankommen würden.“

Ihr Lächeln überrumpelte ihn genauso wie ihre direkte offene Art. „Ich habe einen früheren Flug genommen.“

Nachdem sie die Einkaufstüte auf den Tresen gestellt hatte, kam sie auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. „Ich bin April Sanders. Ich werde dafür sorgen, dass Sie sich hier wohlfühlen.“

„Ich möchte, dass die Kinder wieder gehen.“ Obwohl es unhöflich war, ergriff er nicht ihre Hand. Sie war hochgewachsen, aber immer noch mindestens zehn Zentimeter kleiner als er. Ihr langes Haar trug sie im Nacken zusammengebunden, und er konnte die zarte blasse Haust ihres Halses über dem Kragen ihrer Daunenjacke sehen. Das Licht in ihren Augen erlosch, als sie die Hand fallen ließ.

„Ich weiß nicht, was Sie meinen.“

„Ich habe Sie kommen sehen“, erklärte er und zeigte aus dem Fenster zur Einfahrt. „Sind das Ihre Töchter?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Sie können nicht hierbleiben.“

„Sie bleiben nicht hier. Sie werden mit mir im Nachbarhaus wohnen.“

„Das spielt keine Rolle.“ Als die Mädchen aus dem Geländewagen gestiegen waren, waren ihre Stimmen zu ihm herübergeweht. Die Ältere, deren dunkelblondes Haar zu einem Zopf geflochten war, hatte mit hochgezogenen Schultern und verschränkten Armen den Wald um das Haus betrachtet. Connor hatte ungewollt Sympathie für das Mädchen empfunden. Offensichtlich wollte sie genauso wenig in dieser idyllischen Winterwelt gefangen sein wie er selbst.

Es war das jüngere Mädchen mit dem Lockenschopf, das unerwartete Erinnerungen in ihm hervorrief. Sie hatte einen begeisterten Laut von sich gegeben, als ein einzelnes Streifenhörnchen am Geländewagen vorbeilief. Ihr hohes kindliches Lachen hatte sich in Connors Gehirn gefräst, am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten, um das Geräusch auszusperren. Nichts war schmerzhafter als die Erinnerungen, die dieses Lachen in ihm hervorrief.

Dieses unschuldige Mädchen war gefährlich und bedrohte seine Stabilität. „Ich bin hier, um zu arbeiten.“ Er hielt den Blick weiter auf das Fenster gerichtet. „Ich brauche meine Privatsphäre.“

„Ich werde dafür sorgen, dass Sie sie haben.“

„Die habe ich nicht, wenn Kinder um mich sind.“

Sie hatte sich so leise bewegt, dass er April Sanders erst bemerkte, als sie fast neben ihm stand. Im Licht der Nachmittagssonne sah sie jung und unschuldig aus. Er hatte noch nie etwas Zarteres als ihre Haut gesehen, und er verspürte den plötzlichen Wunsch, mit dem Finger über ihre Wange zu streichen.

Es war ein lächerlicher Gedanke. Connor berührte nie Menschen, wenn er es vermeiden konnte. Zumindest nicht in den letzten drei Jahren. Seit er die kalifornische Küste entlanggefahren und die Hand seiner Frau das letzte Mal gehalten hatte.

Obwohl er wusste, dass es nicht stimmte, hatte er sich selbst davon überzeugt, dass er die Erinnerung an seine Frau und seinen Sohn am ehesten am Leben erhalten könnte, wenn er jeden physischen Kontakt mit anderen Menschen mied. So einen Impuls wie eben hatte er seit Jahren nicht mehr gespürt.

Die Tatsache, dass diese Frau – diese Fremde – in ihm den Wunsch auslöste, sich zu ändern, machte ihm fast so viel Angst wie die Deadline für sein Buch, die wie ein Damoklesschwert über seinem Kopf hing. Er trat einen Schritt vor.

„Sie können sonst nirgendwohin.“ Ihr Tonfall blieb ruhig, aber der verzweifelte Ausdruck in ihren Augen verriet sie. „Ich verspreche Ihnen, dass sie Sie nicht stören werden.“

Connor lief um April herum, griff nach dem Zettel, der auf dem Tisch lag, und holte sein Handy hervor. „Ich werde Sara Travers anrufen.“

„Nein.“ April riss ihm das Papier mit den Kontaktinformationen der Crimson Ranch aus der Hand. „Das dürfen Sie nicht.“ Die Unverschämtheit ihrer Aktion ließ ihn für einen Moment erstarren.

„Wollen Sie mich gegen meinen Willen hier festhalten?“ Bei diesem Gedanken hätte er fast gelacht, aber sein Lachen war ebenfalls eingerostet. „Ich werde meinen Verleger anrufen, der kann dann Sara kontaktieren. Ich nehme an, sie ist Ihre Chefin?“

„Bitte nicht.“ Ihre Stimme zitterte, und in Connor begannen Alarmglocken zu schrillen.

„Sie werden doch jetzt nicht weinen, oder?“

Sie holte tief Luft und blinzelte einige Male. „Auf der Ranch ist Sara meine Chefin, aber sie ist auch meine Freundin. Sie und Josh sind in Urlaub gefahren und ich will nicht, dass sie sich Sorgen machen.“ Aprils Stimme war ruhiger geworden, fast resigniert. „Sie weiß nicht, dass Ranie und Shay hier sind. Wenn Sie es ihr sagen …“

„Wird Sie sie auffordern, die Kinder wieder loszuwerden?“, fragte er mit einem Anflug von Triumph.

„Im Gegenteil. Sie würde wollen, dass ich sie behalte.“

Jetzt wurde er gegen seinen Willen neugierig. „Wer sind diese Mädchen?“ Als April ihn nur anstarrte, legte Connor sein Handy auf den Tisch. „Sagen Sie mir, warum ich die Mädchen dulden sollte?“, forderte er April auf – und konnte selbst nicht glauben, dass er diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zog.

2. KAPITEL

Aprils Gedanken wirbelten wild durcheinander, während Connor die Arme vor der Brust verschränkte. Seine Bizepse wölbten sich unter dem grauen Berkeley T-Shirt. Er war ganz und gar nicht der Mann, den sie erwartet hatte.

Connor Pierce war ein bekannter Schriftsteller – nicht ganz so berühmt wie John Grisham, aber nach den Reviews und Lobeshymnen seiner ersten beiden Bücher zu schließen, könnte er es schaffen, in dessen Fußstapfen zu treten. Sie hatte sich seine Website angesehen, nachdem Sara sie gefragt hatte, ob sie ihr den Gefallen tun könnte, zwei Wochen nach dem Schriftsteller zu sehen.

April hatte Vollzeit auf der Crimson Ranch gearbeitet, als sie und Sara zuerst nach Colorado gekommen waren. Seit dem letzten Jahr nahmen allerdings die Yoga-Kurse, die sie im Gemeindezentrum und in einem Studio auf halbem Weg zwischen Crimson und Aspen gab, den Großteil ihrer Zeit in Anspruch. Da Connor Pierce sich jedoch sehr gesundheitsbewusst ernährte, hatte Sara April gebeten, für ihn zu kochen, da sie neben ihrer Tätigkeit als Yogalehrerin auch diplomierte Ernährungsberaterin war. Bevor ihr Leben in Kalifornien in die Brüche ging, hatte sie Starlets und Stars in Diäten und gesunder Ernährung unterwiesen.

Auf dem Foto seiner Website hatte Connor übergewichtig gewirkt und sie hatte sich gefragt, warum so ein Mann derart spezifische Vorschriften für sein Essen haben würde. Jetzt, wo der Mann vor ihr stand, wurde diese Frage überflüssig. Er war mindestens ein Meter neunzig groß, hatte dunkles Haar, ausdrucksstarke grüne Augen und ein attraktives Gesicht mit scharfen Gesichtszügen. Soweit sie es beurteilen konnte, besaß er kein Gramm Fett am Körper und war in etwa so freundlich wie ein Grizzlybär, der gerade aus seinem Winterschlaf erwacht war.

„Ranie und Shay haben letzten Monat ihre Mutter verloren. Zu ihrem Dad hatten sie nie groß Kontakt. Ihre Mutter Jill war eine langjährige Freundin von mir und hat mir das Sorgerecht übertragen, bevor sie starb.“ Sie atmete tief durch. Sie fühlte sich unbehaglich, etwas so Persönliches mit diesem gefühllosen Mann zu teilen. „Ich kann sie zwar nicht aufziehen, aber …“

„Warum nicht?“

„Sie stellen viele Fragen“, murmelte sie.

Als Antwort zog er nur eine Augenbraue hoch.

Sie nahm die Einkaufstüte und ging zu den Schränken und zum Kühlschrank hinüber, um die Nahrungsmittel zu verstauen. „Die Mädchen haben Verwandtschaft in Kalifornien, bei der sie auf Dauer bleiben sollten. Ich bin nicht die richtige Wahl für sie.“

Sie ignorierte ihre bebenden Finger und fuhr mit ihrer Arbeit fort. „Sie bleiben über die Feiertage bei mir. Ich kann sie nicht wegschicken. Wenn sie solch ein Problem für Sie darstellen, gehen wir wieder. Ich helfe Ihnen sich einzurichten, und Sara wird dann …“

„Sie können bleiben.“

April war gerade dabei, eine Tüte Karotten in das Gemüsefach des Kühlschranks zu legen, hielt bei seinen Worten jedoch inne. Connor stand immer noch mit verschränkten Armen auf der anderen Seite der Küche. Seine grünen Augen gaben keine Gefühle preis.

„Warum?“ Sie schloss die Kühlschranktür und trat zwei Schritte auf Connor zu. „Warum haben Sie Ihre Meinung geändert?“

„Jetzt sind Sie es, die zu viele Fragen stellt!“ Er fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes Haar. „Sorgen Sie nur dafür, dass die Mädchen ruhig sind und nicht in meine Nähe kommen. Ich bin bereits sieben Monate hinter meiner vorgesehenen Deadline für mein nächstes Buch. Ich habe ich nur noch bis Anfang Januar Zeit, das Manuskript abzuliefern. Wenn ich es nicht schaffe, kündigen sie mir den Vertrag und …“

„Und?“

„Ich bin hier, um zu arbeiten“, wich er aus. „Ich muss mich konzentrieren können.“

Sie nickte. Sie wollte ihr Glück mit diesem rätselhaften Mann nicht herausfordern. „Die Nahrungsmittel, die sie sich gewünscht haben, befinden sich im Vorratsschrank und im Kühlschrank. Das Handynetz weist hier oben oft Lücken auf, aber Ihr und mein Haus haben einen Festnetzanschluss. Wenn Sie nicht anrufen und etwas anderes wünschen, steht das Abendessen um 18 Uhr für Sie bereit. Sie werden noch nicht einmal mitbekommen, dass wir hier sind.“ Sie nahm die leere Stofftasche von der Theke und wollte an ihm vorbeigehen. Doch er hielt sie zurück. Sie schaute auf seine Finger, die ihr Handgelenk umschlossen. Es war seltsam, dass die Berührung eines derart kühlen Mannes sie fast zu verbrennen schien.

„Ich werde wissen, dass Sie da sind“, stieß er hervor. „Halten Sie einfach nur die Mädchen von mir fern.“

„Das werde ich“, versprach sie. Etwas in seiner Stimme sagte ihr, dass mehr hinter seiner Forderung steckte als die Ruhe, die er für seine Arbeit benötigte.

Eine Sekunde später ließ er sie los. Sie verließ das Haus, und die kalte Winterluft schlug ihr entgegen. Sie atmete mehrere Male tief durch, um ihre flatternden Nerven zu beruhigen. Sie würde Sara von Ranie und Shay erzählen müssen, aber noch nicht jetzt. Sie fühlte sich noch zu mitgenommen von ihrem Verlust. Sie würde noch eine Weile brauchen, um darüber reden zu können.

Sie lief über die schneebedeckte Einfahrt und machte sich Sorgen, dass sie die Kinder so lange allein gelassen hatte. In dem Häuschen war es ruhig, als sie es durch die Seitentür betrat.

Die Hütte, die für das Personal vorgesehen war, war sehr viel kleiner als Cloud Cabin. Das Gästehaus war für Familienzusammenkünfte oder größere Gästegruppen gebaut worden, die sich einmal abgeschieden in der wilden Natur Colorados erholen wollten. Zu der riesigen Wohnküche standen Connor noch fünf Schlafzimmer, zwei davon Suiten, ein Wohnzimmer sowie ein Fernseh- und Spielzimmer zur Verfügung. Hinzu kamen ein Fitnessraum, ein Dampfbad und eine Sauna im Untergeschoss. Hinter dem Haus befand sich eine große Terrasse mit Feuerstelle und Whirlpool. Allerdings hatte April Schwierigkeiten, sich Connor entspannt im heißen, blubbernden Wasser vorzustellen. Außerdem war es besser, sich ihn nicht mit nacktem Oberkörper vorzustellen, denn trotz seines schroffen Verhaltens fühlte sie sich seltsamerweise zu Connor Pierce hingezogen. Das war eine unheilvolle Kombination.

Die Mädchen waren nicht in der Küche, also ging April die Treppe hoch ins obere Stockwerk. In dem kleinen Haus gab es nur zwei Schlafzimmer, die sich auf dem schmalen Flur gegenüberlagen.

Die Häuser waren Ende des Sommers fertiggestellt worden und hatten im Herbst erst wenige Menschen beherbergt. Man hatte eigentlich keine Gäste im Winter erwartet. Bei den hiesigen Schneeverhältnissen war es nicht einfach, hier hinaufzugelangen. Aber wahrscheinlich war es gerade dieser Umstand gewesen, der Connor reizvoll erschienen war – oder zumindest kam die Abgeschiedenheit seinem Verleger ganz gelegen, der unbedingt sein Buch wollte. April wusste, dass Connors erstes Buch bereits verfilmt wurde, und sie konnte sich vorstellen, wie viel Druck auf dem Verleger wie auch dem Schriftsteller lastete, einen weiteren Bestseller zu produzieren.

Die Tür des zweiten Schlafzimmers war geschlossen, und sie musste ihr Ohr an das Holz pressen, um die Stimmen dahinter wahrzunehmen. Beide Mädchen schauten auf, als sie nach kurzem Klopfen eintrat. „Ihr wart so ruhig, dass ich schon geglaubt habe, ihr würdet schlafen.“

Ranie rollte mit den Augen. „Ich bin zwölf. Ich mach doch keine Nickerchen mehr.“

Shay lächelte. „Ich schon manchmal, aber nicht heute. Mommy hat immer viel geschlafen.“

April erinnerte sich, wie sehr die Chemotherapie ihre Freundin mitgenommen hatte. „Was macht ihr?“

Shay hielt ein seltsames Gebilde aus Wolle hoch. „Ich stricke mit den Fingern. Ich kann dir einen Schal machen, wenn du willst.“

„Oh gern.“ April setzte sich auf den Rand des Doppelbettes. „Wer hat euch das Stricken beigebracht?“

„Mommy hat es Ranie beigebracht, und Ranie hat es mir gezeigt.“ Shay wies auf ihre Schwester. „Sie ist gut. Sie kann auch mit Nadeln stricken.“

April legte sanft eine Hand auf Ranies Knie. „Darf ich es sehen?“

Das Mädchen erhob sich abrupt und schob, was sie in der Hand gehalten hatte, rasch in ihre Reisetasche. „So gut bin ich auch wieder nicht. Meine Reihen sehen nicht ordentlich aus. Es war nur etwas, das ich gemacht habe, wenn ich Mom Gesellschaft geleistet habe.“

Die ständige Zurückweisung des Mädchens verletzte April, aber sie gab sich Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen. Erschwerend kam hinzu, dass Ranie Jill so ähnlich sah. „Eure Mom hat mir einmal einen Pullover zu Weihnachten geschenkt“, erzählte sie Shay. Sie wusste, dass auch Ranie zuhörte, auch wenn diese so tat, als würde sie sie ignorieren. „Ich habe ihn hier, falls ihr ihn mal sehen wollt.“

„Mommy machte die besten Pullover.“ Shay zog die Finger aus ihrem Machwerk. „Ich mach noch so viel falsch.“

Autor

Michelle Major
<p>Die USA-Today-Bestsellerautorin Michelle Major liebt Geschichten über Neuanfänge, zweite Chancen - und natürlich mit Happy End. Als passionierte Bergsteigerin lebt sie im Schatten der Rocky Mountains, zusammen mit ihrem Mann, zwei Teenagern und einer bunten Mischung an verwöhnten Haustieren. Mehr über Michelle Major auf www.michellemajor.com.</p>
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