Wie ein Licht in dunkler Nacht

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Es ist so wunderschön, mit Devlin Macafferty zusammenzusein, zu fühlen, wie sehr er sie liebt, und die süßen Worte zu hören, die ihr eine gemeinsame Zukunft versprechen - als seine Frau, als Mutter seines kleinen Sohnes Dominic. Und alles begann damit, dass Devlin sein Flugzeug ausgerechnet auf Maggies einsamer Insel notlanden musste, wo sie zusammen mit ihrem Großvater eine Farm betreibt. Doch trotz der Aussicht, als Mrs. Macafferty ein erfülltes und glückliches Leben an der Seite ihrer großen Liebe zu führen, zögert Maggie, Devlins Heiratsantrag anzunehmen. Schon einmal war sie verheiratet, und was so schön anfing, endete mit einer Trennung. Bevor sie sich jedoch zu einer Antwort durchringen kann, tobt über Listall Island ein Orkan, der ihr neues Glück um ein Haar zerstört...


  • Erscheinungstag 20.11.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728373
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ernestine zeigte ihr, dass irgendetwas nicht stimmte. Die Ziege war immer die Erste, die sich überall einmischte, und nun hob sie den Kopf und blickte in die Ferne, statt weiter Seetang für sie zu stibitzen.

Das Flugzeug hatte offenbar einen Motorschaden und verlor über dem Meer bedenklich an Höhe. Der Pilot muss landen, dachte Maggie ungläubig, doch es gab hier keinen sicheren Landeplatz. Listall Island war zwei Meilen lang und eine Meile breit und landschaftlich sehr schön, hatte jedoch keine ebene Fläche.

„Sie werden umkommen“, stieß sie hervor, als das Flugzeug in die Querlage ging, anschließend zur anderen Seite kippte – und dann nach unten stürzte und aus ihrem Blickfeld verschwand.

Sie hörte keinen Aufprall, aber vielleicht war sie zu weit entfernt. Möglicherweise hätte sie das Flugzeug überhaupt nicht gesehen, wenn Ernestine nicht in seine Richtung gesehen hätte.

Nachdem Ernestine noch eine Sekunde nach oben geblickt hatte, widmete sie sich wieder dem Seetang.

Maggie beachtete sie nicht. Mit ihrem Hund an der Seite lief sie los. Noch nie zuvor hatte sie sich so allein gefühlt.

Der Motorschaden war die letzte in einer Reihe von Katastrophen. Dev Macafferty konnte es einfach nicht fassen.

Zuerst hatte er Probleme mit seinen beiden Tanten gehabt. Dass sie sich zur Ruhe gesetzt hatten, um sich „um den lieben Devlin zu kümmern“, war von Anfang an ein Desaster gewesen.

Er war gerade dabei gewesen, es zu klären, als seine Exfrau ihn angerufen hatte. „Ich fliege morgen in die USA, Devlin, und Dominic wurde von der Schule verwiesen. Er wird uns auf keinen Fall begleiten. Du kannst dich jetzt also um das Balg kümmern. Das hast du ja immer gewollt.“

Das Balg. Dominic. Sein Sohn, den er seit dessen Geburt kaum zu Gesicht bekommen hatte. Sein Sohn, nach dem er sich so gesehnt hatte …

Außerdem hatte er ein Problem mit seiner Firma gehabt. Der australische Dollar verlor an Wert, die Finanzen mussten neu strukturiert werden, und die Wirtschaftsprüfer rauften sich die Haare. Allerdings war das nicht so wichtig. Dominic brauchte ihn …

Daher beschwichtigte er seine Tanten und nahm den ersten Flug nach Sydney, um herauszufinden, dass man Dominic nicht von der Schule gefeuert hatte. Der Direktor wollte lediglich, dass er ging.

„Wir haben das Gefühl, dass ein Internat für Ihren Sohn nicht das Richtige ist“, erklärte er. „Wir nehmen Kinder in seinem Alter gern auf, wenn sie anpassungsfähig sind und es einen guten Grund gibt, sie aufs Internat zu schicken. Aber Dominic ist mit seinen acht Jahren anders als seine Altersgenossen. Sein einziger Freund scheint sein Computer zu sein. Offenbar wurde er stark vernachlässigt, und es ist Ihre Aufgabe, es wieder gutzumachen, nicht unsere.“

Dev zuckte zusammen, war jedoch nicht in der Lage, sich zu verteidigen. Er schaffte es allerdings, ruhig zu bleiben, und mit Dom zum Flughafen zu fahren. Doms ganze Habseligkeiten hatten in einen Koffer gepasst.

Dev wusste nicht, was er tun sollte. Am besten war es, wenn er Dom sofort nach Tasmanien zurückbrachte. Vielleicht konnten seine Tanten ihm helfen …

Dann trat das nächste Problem auf. Als sie ins Flughafengebäude kamen, stellte Dev fest, dass wegen eines Pilotenstreiks alle Flüge gestrichen waren.

Nun geriet alles außer Kontrolle. Sein Handy klingelte ununterbrochen, und seine Mitarbeiter wollten wissen, wo er steckte.

Es gab jedoch einen Silberstreifen am Horizont. Er hatte einen Pilotenschein. Allerdings musste er stundenlang verhandeln und seinen Einfluss geltend machen, um ein Flugzeug chartern zu können.

„Es dauert nicht mehr lange“, versprach er Dominic zwischen zwei Anrufen, aber dieser wirkte völlig gleichgültig.

„Warum fliegen wir überhaupt nach Tasmanien?“, fragte er mürrisch, während er seinen Ranzen wie einen Rettungsring umklammerte. „Ich wette, da gibt es nicht mal Internetanschluss.“

Benommen betrachtete Dev seinen Sohn, der ihm mit seinem dunklen Schopf sehr ähnelte. Das hier war sein Sohn, und er, Dev, wusste gar nichts über ihn! Was hatte der Direktor gesagt? Man habe ihn vernachlässigt. Inwiefern?

Schließlich hatte er ein Flugzeug bekommen, und sie waren gestartet. Dominic hatte die ganze Zeit geschwiegen und gleichgültig geradeaus geblickt. Vergeblich hatte er, Dev, versucht, ihn in ein Gespräch zu verwickeln.

Und nun …

All seine Probleme erschienen ihm auf einmal bedeutungslos. Sie waren hundert Meilen vom Festland entfernt, der erste Motor war ausgefallen, und der zweite stotterte.

„Was ist los?“, erkundigte sich Dominic in dem typischen Tonfall eines Kindes, das wusste, dass es sich keine Sorgen zu machen brauchte, weil die Erwachsenen sich um alles kümmern würden.

Dev betrachtete ihn, und sein Herz krampfte sich zusammen.

Er durfte das Flugzeug nicht abstürzen lassen. Nicht jetzt, nachdem er die Chance bekommen hatte, bei seinem Sohn die Vaterrolle zu übernehmen …

Plötzlich tauchte eine Insel auf, und er atmete erleichtert aus. Er hatte Listall Island ganz vergessen. Schnell nahm er Funkkontakt zum Tower auf, wurde aber enttäuscht.

„Es gibt keine Landebahn auf Listall“, informierte ihn der Fluglotse, „nicht einmal eine Straße. Die nächste Landebahn befindet sich auf King Island …“

Der Motor stotterte erneut, und das Flugzeug verlor an Höhe. Dev schaffte es, den Motor wieder richtig zum Laufen zu bringen und das Flugzeug hochzureißen, doch dann ging dasselbe von vorn los.

„Es hat keinen Zweck“, sagte er grimmig ins Mikrofon. „Ich gehe runter.“

„Das geht nicht.“ Der Fluglotse klang jetzt genauso panisch wie er. „Ich verweigere Ihnen die Landeerlaubnis. Es gibt keine …“

„Dominic, leg den Kopf zwischen die Knie und die Arme darüber“, rief Dev. „Wir haben keine Wahl. Ich muss landen!“

Maggie umrundete den letzten Felsvorsprung und blieb abrupt stehen. Das Flugzeug war am anderen Ende des Strandes gelandet. Die tiefen Reifenspuren deuteten darauf hin, dass es über den Sand gerutscht war und dabei stark geschlingert hatte. Wenn der Strand ungefähr zehn Meter länger gewesen wäre, hätte der Pilot es vielleicht geschafft, es rechtzeitig zu stoppen, doch so war es gegen den Felsvorsprung geprallt.

Das Cockpit war allerdings fast unbeschädigt. Während Maggie wie gelähmt dastand, kletterte ein Junge auf der anderen Seite heraus. Er war ungefähr acht Jahre alt und trug eine Schuluniform. Er hatte schwarzes, lockiges Haar, und sein Gesicht war aschfahl. Nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte, ging sie auf ihn zu. Aus dem Flugzeug stieg Rauch auf, der immer stärker wurde.

„Schnell weg hier“, sagte sie und zog ihn mit sich. Wenn das Flugzeug gleich explodierte … „Wer ist noch drinnen?“, fragte sie.

„Nur … mein Computer und …“

„Mein … mein Vater ist drinnen“, erwiderte der Kleine erstaunlich energisch. „Sein Name ist Devlin Macafferty“, fügte er mit einem stolzen Unterton hinzu. „Ich bin Dominic Macafferty.“

Maggie blinzelte. „Dein Vater ist der Pilot?“

„Ja.“

„Sind noch mehr Passagiere in dem Flugzeug, Dominic?“ Sie lief weiter und zog ihn hinter den Felsvorsprung.

„N… nein.“

„Bist du sicher? Nur du und dein Dad?“

„Ja.“

„Braver Junge.“ Kurzerhand drückte sie ihn in den Sand. „Rühr dich nicht von der Stelle. Lucy, bleib hier!“, wies sie dann ihren schwarz-weißen Collie an. Dann rannte sie zum Flugzeug zurück.

Der Rauch war inzwischen so stark, dass sie kaum etwas sehen konnte. Bitte lass es nicht explodieren, flehte sie stumm.

Die Tür auf der Seite des Piloten war eingeklemmt und ließ sich nicht öffnen. Schnell lief Maggie auf die andere Seite und kletterte von dort ins Cockpit.

Offenbar war Devlin Macafferty beim Aufprall bewusstlos geworden, doch er kam gerade wieder zu sich. Benommen öffnete er die Augen und blickte nach oben.

Die Ähnlichkeit zwischen ihm und dem Jungen war beinah unheimlich. Er hatte einen Schnitt auf der Stirn, und in seinen Augen lag ein gequälter Ausdruck.

„Sie müssen hier raus“, drängte Maggie und hustete. Zum Glück ließ sich der Sicherheitsgurt sofort öffnen. „Sofort.“

„Ich kann nicht …“

Sie vergewisserte sich, dass seine Beine nicht eingeklemmt waren.

„Wer sind Sie?“, brachte der Mann hervor.

„Sie müssen hier raus!“, erwiderte sie scharf. Als er die Augen wieder schloss, rief sie: „Nein, nicht die Augen zumachen. Sie steigen jetzt aus!“ Kurzerhand umfasste sie seinen Arm und versuchte, ihn aus dem Cockpit zu ziehen – vergeblich. Solange er nicht mithalf, würde sie es nicht schaffen.

„Das Flugzeug fliegt gleich in die Luft!“, schrie sie. „Los, bewegen Sie sich.“ Wieder atmete sie Rauch ein. „Kommen Sie endlich!“

„Meine …“ Mühsam öffnete er die Augen.

Bewegen Sie sich!“ Er war gar nicht richtig bei Bewusstsein. Maggie legte ihm die Arme um die Brust. „Ziehen Sie die Beine hoch! Helfen Sie mir!“

Schließlich schien sie zu ihm durchzudringen, und er riss die Beine hoch.

Nun konnte sie ihn aus dem Cockpit zerren, und er landete mit dem Kopf zuerst auf ihr im Sand.

Sofort rappelte sie sich wieder auf und zog ihn mit sich. „Sie sind noch nicht in Sicherheit!“, rief sie. „Kommen Sie, los!“

„Mein Sohn!“, stieß Devlin Macafferty entsetzt hervor. Dann hustete er und versuchte, sie wegzustoßen. „Dominic … Er ist im …“

„Ihr Sohn ist in Sicherheit. Aber Sie werden uns beide umbringen, wenn Sie hier bleiben.“ Sie schob die Hand unter seinem Arm. „Sie müssen laufen!“ Vielleicht hat er sich beide Beine gebrochen, dachte sie. Aber es spielte keine Rolle. Er musste sich bewegen!

Schließlich rappelte er sich auf, und sie schaffte es, mit ihm hinter den Felsvorsprung zu gelangen.

Sekunden später explodierte das Flugzeug in einem Feuerball.

Eine Weile herrschte Schweigen. Devlin Macafferty sank in den Sand, und auch Maggie konnte sich nicht mehr aufrecht halten. Sie hatten es gerade noch geschafft. Der Geruch von brennendem Treibstoff lag in der Luft.

Nach einer Weile hatte Maggie sich so weit erholt, dass sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Das Flugzeug brannte so lichterloh, dass das Feuer bald ausgehen musste. Sie stand auf, um zu Dominic zu gehen. Wie gebannt blickte der Kleine in die Flammen, und sie legte ihm den Arm um die Schultern.

„Es ist alles in Ordnung, Dominic“, brachte sie hervor und zog ihn an sich, doch er blieb stocksteif, und sein Gesicht war immer noch aschfahl. „Dir ist nichts passiert und deinem Dad auch nicht.“ Sie drehte sich zu seinem Vater um. Er lag im Sand und hatte die Augen wieder geschlossen. Aber offenbar war er unverletzt.

„Dominic, bist du sicher, dass sonst niemand an Bord war?“, erkundigte sie sich sanft und hielt angespannt den Atem an.

„Ja.“ Der Junge schluckte und kämpfte mit den Tränen. „Aber mein Laptop war in meinem Ranzen.“

„Oh … Ach du meine Güte!“ Nur mit Mühe konnte sie ein hysterisches Lachen unterdrücken. Wenn das alles war, was die beiden verloren hatten …

„Es würde mich nicht überraschen, wenn das Flugzeug versichert wäre“, sagte Maggie mit bebender Stimme. „Dann kannst du dir einen neuen Laptop kaufen.“

„Aber ich hab grade Flight Warrior bekommen. Sam Craigiburn hat es mir kopiert.“

O verdammt, dachte sie.

„Ich … ich sehe mal nach deinem Vater“, erklärte sie und überließ ihn schweren Herzens seinem Kummer.

Devlin Macafferty lag nach wie vor im Sand, und zum ersten Mal betrachtete sie ihn genauer. Er schien Mitte dreißig zu sein und war wie sein Sohn groß und schlank, allerdings sehr muskulös. Er hatte einen dunklen Teint, markante Züge und dichtes, welliges schwarzes Haar.

Im Cockpit hatte sie festgestellt, dass er braune Augen hatte – ein weiteres Merkmal, das er mit seinem Sohn gemeinsam hatte.

Unbehaglich warf Maggie einen Blick in Dominics Richtung. Der Junge hatte mit unverkennbarem Stolz von seinem Vater gesprochen, doch er schien sich mehr Sorgen um seinen Computer zu machen als um ihn. Das passte nicht zusammen.

Erneut öffnete Devlin langsam die Augen. Er war also bei Bewusstsein, hatte aber offenbar eine schwere Gehirnerschütterung. Die Beule um den Schnitt herum wurde zusehends größer.

Vielleicht hat er innere Verletzungen, überlegte Maggie entsetzt.

Schnell verdrängte sie diesen Gedanken wieder. Sie strich Devlin eine Strähne aus der Stirn und lächelte ihn gespielt zuversichtlich an.

„Alles in Ordnung“, sagte sie leise und merkte, wie er zusammenzuckte. „Machen Sie die Augen ruhig zu, wenn Sie wollen. Dominic ist nichts passiert.“

Entsetzt sah er sie an. „Das Flugzeug …“

„Das Flugzeug ist gleich nur noch ein Haufen Asche.“

„Wenn Sie nicht gekommen wären …“

„Sie haben Glück gehabt, nicht?“ Maggie zwinkerte ihm zu. „Ernestine hat mir zu verstehen gegeben, dass es Probleme gibt. Sie haben es also ihr zu verdanken, nicht mir.“

„Wer ist Ernestine?“

„Eine Ziege. Apropos …“ Das Geräusch herabfallender Steine veranlasste sie, nach oben zu blicken, und sie lächelte. „Da kommt die Kavallerie.“ Drei Meter über ihnen auf dem Felsvorsprung stand Ernestine mit der übrigen Herde, dreißig Ziegen.

Das ist die Kavallerie?“, erkundigte Devlin sich matt.

„Ja. Commander Ernestine und ihre Truppen auf Ausschau nach etwas Essbarem. He, Sie müssen nicht aufstehen. Meine Ziegen werden Sie schon in Ruhe lassen.“

Er stand allerdings auf, und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte er Schmerzen. Offenbar hatte er nicht nur Kopfverletzungen davongetragen, wie Maggie feststellte. Hatte sein Bein auch etwas abbekommen?

Devlin warf einen flüchtigen Seitenblick auf Dominic, der noch immer die Einäscherung seines Computers verfolgte.

Er schüttelte ihr die Hand. „Ich bin Devlin Macafferty, und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr es mich freut, Sie kennenzulernen.“ Nachdem er einen Moment gezögert hatte, fügte er hinzu: „Vor fünfzehn Minuten dachte ich noch, ich würde nie wieder jemanden kennenlernen.“

„Es war keine gute Idee, hier zu landen“, bestätigte sie und lächelte. Sein Händedruck war fest, und als sie Devlin in die Augen sah, verspürte sie ein seltsames Prickeln … Sie blinzelte und riss sich zusammen. „Mit Landebahnen kann ich … können wir hier nicht dienen.“

„Das habe ich gemerkt.“ Er ist nicht so abgebrüht, wie er tut, ging es ihr durch den Kopf. Das Beben seiner Stimme war ihr nicht entgangen. „Aber ich hatte keine Wahl.“

„Das dachte ich mir schon.“ Der gequälte Ausdruck in seinen Augen machte ihr Sorgen. Noch immer hielt Devlin ihre Hand, als wäre es ihm nicht bewusst – oder als bräuchte er den Körperkontakt. „Sie haben sich am Kopf verletzt. Und vielleicht sonst noch irgendwo anders? Es sieht so aus, als hätten Sie Schmerzen.“

„Ich werde es überleben.“ Er lächelte flüchtig und verstärkte seinen Griff. „Dank Ihnen. Darf ich fragen, wer Sie sind?“

„Ich bin Maggie Cray.“ Sie entzog ihm die Hand und schob sie in die Tasche ihrer Jeans – eine ebenso defensive wie alberne Geste, die Maggie selbst nicht verstand. „Mein Hund heißt Lucy und meine Leitziege Ernestine. Die anderen Tiere stelle ich Ihnen später vor – aber wir freuen uns alle, dass Sie einigermaßen unversehrt geblieben sind, auch wenn Sie unseren Strand verschandelt haben.“

Ich rede viel zu schnell, dachte sie und entfernte sich einige Schritte, um den Strand entlangzublicken – und um Devlin nicht ansehen und die seltsamen Gefühle bekämpfen zu müssen, die sein Lächeln in ihr weckte. „Sie haben ziemlich viel Seetang ruiniert.“

„Wie bitte?“

„Wir sammeln Seetang“, erklärte sie. Erst jetzt wurde ihr das Ausmaß dessen, was geschehen war, richtig bewusst. Trotz der Windjacke, die sie trug, fröstelte Maggie, und sie mied Devlins Blick. Plötzlich stellte sie sich vor, was hätte geschehen können, wenn sie nicht so schnell gelaufen wäre, und ihr wurde übel. Wenn sie nicht gekommen wäre …

Doch sie war gekommen. Das allein zählte. Also rede von etwas anderem, sagte sie sich. Der Seetang …

„Jetzt ist der Seetang mit Treibstoff und Asche versetzt und wertlos“, brachte sie hervor.

„Wofür benutzen Sie ihn?“, erkundigte Devlin sich in einem Tonfall, der sie lächeln ließ. Offenbar glaubte er, sie würde ihn essen.

„Für alte Hexenrituale“, erwiderte sie. „Sie wissen schon, diese Dinge, die man um Mitternacht bei Vollmond macht, mit toten Katzen, Weihrauch und Totenschädeln.“ Sein verwirrter Blick veranlasste sie nachzugeben. Devlin hatte dem Tod ins Auge gesehen … „Also, wir trocknen ihn und beliefern damit einen Pharmakonzern in Schottland, der ihn zur Herstellung von Medikamenten verwendet. Ich behalte nur ein bisschen für Rituale – zum Beispiel zum Beseitigen von Warzen und um Menschen in Frösche zu verwandeln.“

Dann wandte Maggie sich an Dominic, der immer noch stocksteif dasaß und in die Flammen blickte. „Wenn Sie laufen können, sollten wir jetzt ins Haus gehen“, sagte sie zu seinem Vater. „Fühlen Sie sich dazu in der Lage …?“ Sie deutete auf Dominic.

Devlin nickte. Er ging zu seinem Sohn, und sie beobachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen. Sein Bein war tatsächlich verletzt.

„Dom?“, fragte er.

Keine Antwort.

„Dominic, wir bringen dich jetzt ins Haus“, meinte Devlin sanft. „Das hier ist Maggie, und sie wird uns helfen.“

„Mein Computer ist verbrannt.“

„Ich kaufe dir einen neuen.“

„Es war mein Computer“, erklärte Dominic heftig und drehte sich wütend zu ihm um. „Ich hab ihn gewonnen, und er gehört mir!“

„Das verstehe ich.“ Devlin legte ihm den Arm um die Schultern, doch Dominic schüttelte ihn ab.

„Lass mich in Ruhe. Du hast meinen Computer verbrannt.“

„Dominic, lass uns zum Haus gehen.“

„Nein. Lass mich in Ruhe.“

„Wir müssen gehen, Dom …“

Maggie hielt den Atem an und sah vom Vater zum Sohn. Beide wirkten unnachgiebig.

Bei Devlin macht sich der Schock bemerkbar, dachte sie. Er war am Ende seiner Kräfte und schien keine Ahnung zu haben, wie er seinen Sohn behandeln sollte.

Vielleicht konnte sie ihm helfen. Schließlich wusste sie, wie man sich Kindern gegenüber verhielt, die unter Schock standen. Sie schnippte mit den Fingern, um Lucy herbeizurufen, und führte sie zu Dominic.

„Dominic, ich bin Maggie“, sagte sie sanft. „Und das ist meine beste Freundin Lucy. Lucy, gib Pfote.“

Lucy blickte fragend zu Dominic auf.

„Gib Pfote, Lucy“, wiederholte Maggie.

Der Collie legte den Kopf zur Seite, setzte sich dann gehorsam und hob die Pfote.

Die meisten Kinder konnten dieser Geste nicht widerstehen. Auch sie hatte es nie gekonnt, obwohl Lucy und sie es ungefähr fünfzig Mal am Tag taten. Dominic hingegen versuchte es. Eine Minute lang stand er reglos da, und sein Vater sah hilflos zu.

Dominic betrachtete Lucy und versuchte schließlich, den Blick abzuwenden, doch diese ließ es nicht zu. Sie blieb vor ihm sitzen, die Pfote erhoben, und wedelte mit dem Schwanz.

Dev sah sie an, aber Maggie schüttelte den Kopf. Mischen Sie sich nicht ein, gab sie ihm zu verstehen. Dominic ließ den Blick erneut zu Lucy schweifen, dann sah er weg, anschließend wieder zu ihr …

Sie wedelte weiter mit dem Schwanz.

Nach einer Weile streckte er die Hand aus und ergriff ihre Pfote. Lucy wedelte noch freudiger mit dem Schwanz, als er ihr die Pfote schüttelte – und dann tat sie das, womit Maggie gerechnet und was sie ihr vergeblich abzugewöhnen versucht hatte. Sie stellte sich auf die Hinterbeine, legte die Vorderpfoten auf seine Schultern und leckte ihm das Gesicht ab.

Dominic erschauerte heftig, umarmte sie und brach in Tränen aus.

Irgendwie schafften sie es zurück zum Haus. Devlin hatte sich auf sie gestützt, und Maggie hielt Dominics Hand. Lucy trottete neben Dominic her, und die dreißig Ziegen folgten ihnen.

Als sie das Haus erreichten, war Devlin aschfahl vor Schmerzen. Er nahm seine Umgebung kaum war und sank im hinteren Schlafzimmer aufs Bett, als würde er nie wieder aufstehen.

Maggie war sehr erleichtert darüber, denn sie machte sich große Sorgen wegen seiner Kopfverletzung.

„Ich werde mich über Funk mit dem Tower in Melbourne in Verbindung setzen und Bescheid sagen, dass Sie hier sind“, erklärte sie. „Die Fluglotsen müssen wissen, dass Sie gelandet sind.“

„Ja“, erwiderte er matt. Seine Wunde blutete immer noch, doch er schien es gar nicht mehr zu merken. „Danke. Ich hatte sie schon darüber informiert, dass ich in Schwierigkeiten bin. Bestimmt machen sie sich Sorgen …“

„Ich teile ihnen mit, dass wir ärztliche Hilfe brauchen, dann werden sie einen Hubschrauber herschicken. Sie müssen geröntgt werden für den Fall, dass Sie innere Blutungen haben …“

„He, ich habe äußerlich schon genug geblutet“, meinte er. „Ich habe keine inneren Blutungen.“

„Das wissen wir erst, wenn man Sie untersucht hat.“

Devlin lächelte seinem Sohn zu, der immer noch sehr blass war und mit Lucy an der Tür stand. „Hör nicht auf sie, Dominic. Wenn ich innere Verletzungen hätte, würden meine Kopfschmerzen schlimmer werden statt besser. Ich sehe wahrscheinlich schrecklich aus, aber ich werde es überleben.“

Dominic blickte ihn ausdruckslos an, als wäre es ihm egal.

„Ich setze mich jetzt mit dem Tower in Verbindung“, verkündete Maggie. „Dann komme ich zurück, bringe Sie ins Bett und verarzte Ihre Wunde. Aber wenn ich mich nicht beeile, werden die ‚Air Sea Rescue‘-Flugzeuge vom Festland kommen, obwohl wir nur einen Hubschrauber brauchen.“

„Ich brauche mich nicht ins Bett zu legen – und ich brauche auch keinen Hubschrauber“, entgegnete Devlin. „Sagen Sie ihnen, wir haben eine Bruchlandung gehabt, doch es geht uns gut.“

„Ich möchte, dass Ihr Kopf geröntgt wird“, beharrte sie.

„Ich nicht“, widersprach er. „Und es ist mein Kopf.“

„Ich habe ihn gerettet“, sagte sie kampflustig. „Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre er inzwischen gegrillt.“

„Und das gibt Ihnen das Recht, ihn ablichten zu lassen?“

„Ja.“ Sie hob das Kinn und entlockte ihm damit ein Lächeln.

„Dann hätten Sie es sich schriftlich von mir geben lassen sollen, bevor Sie mich gerettet haben.“ Devlin stöhnte gequält auf und schloss die Augen. „Ehrlich, Miss Cray, Sie brauchen nicht so viel Aufhebens zu machen. Ich weiß, dass ich schrecklich aussehe, aber es ist nur Blut. Ich hänge am Leben, und ich möchte nicht, dass die Leute von der ‚Air Sea Rescue‘ meinetwegen ausrücken. Also, wenn Sie so etwas wie einen Eisbeutel, Schmerztabletten und Pflaster haben, wäre ich Ihnen ewig dankbar. Und wenn Sie sich um Dominic kümmern könnten, während ich mich sammle, würde ich es auch zu schätzen wissen. Ansonsten lassen Sie mich bitte einfach in Ruhe.“

Er hatte den Blick fest auf sie gerichtet. Maggie blinzelte. Sie war eine starke Persönlichkeit, doch dieser Mann war noch stärker. Er war es gewohnt, Befehle zu erteilen – gewohnt, seinen Willen durchzusetzen.

Na ja, es ist sein Kopf, sagte sie sich hilflos. Wenn er unbedingt sterben wollte …

„Wenn ich in den nächsten vierundzwanzig Stunden sterbe, springt bei meiner Lebensversicherung genug für einen neuen Computer für Dominic raus“, fügte er grimmig hinzu, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Das ist das einzig Wichtige, und sonst wird mich niemand vermissen. Aber ich habe nicht die Absicht zu sterben, Miss Cray. Geben Sie mir einfach den Eisbeutel, und lassen Sie mich in Ruhe.“

Maggie senkte den Blick.

„Kommen Sie, Maggie“, meinte er leise. „Ich bin ein erwachsener Mann. Geben Sie mir eine Schmerztablette, und lassen Sie mich schlafen. Kümmern Sie sich um Dominic. Er braucht Sie. Ich nicht.“

2. KAPITEL

Als Dev aufwachte, war es dunkel. Zuerst hatte er keine Ahnung, wo er war. Mit geschlossenen Augen lag er da, während er sich erinnerte, was an diesem Tag geschehen war. Dann riskierte er es, die Augen zu öffnen.

Es war nicht ganz dunkel, denn auf der Fensterbank stand eine Kerze. In ihrem schwachen Schein saß eine junge Frau.

Maggie …

Er erinnerte sich gern an ihren Namen, und der Schmerz in seinem Kopf und seinem Bein ließ sofort ein wenig nach. Das hier war Maggie – die Frau, die ihm das Leben gerettet hatte.

Sie ist anders als die Frauen, die mir bisher begegnet sind, dachte Dev benommen. Am Nachmittag hatte sie eine Windjacke und zerrissene Jeans getragen, und ihr lockiges braunes Haar war locker aufgesteckt gewesen. Mit den vielen Sommersprossen, der Stupsnase und den strahlenden grünen Augen hatte sie wie ein Teenager ausgesehen.

Jetzt allerdings … jetzt sah sie nicht wie ein Teenager aus. Sie sah erwachsen aus und ganz bezaubernd.

Bezaubernd? Ja, das ist das richtige Wort, überlegte Dev. Aber sie war bezaubernd auf eine Art, die er so nicht kannte. Die Frauen, mit denen er normalerweise seine Zeit verbrachte, waren weltgewandt und teuer gekleidet. Maggie hingegen trug eine cremefarbene Bluse und dazu einen fließenden, knöchellangen dunkelroten Rock.

„Es ist unhöflich, jemand so anzustarren“, sagte Maggie leise, und sofort war der Zauber verflogen.

„Ich dachte, ich wäre gestorben und einige Jahrhunderte zurückversetzt worden.“ Er lächelte, als sie aufstand und aufs Bett zukam. „Sie sehen aus, als wären Sie Jane Eyre entsprungen.“

Erstaunlicherweise wirkte sie nicht im Mindesten verlegen. „Gefällt Ihnen mein Rock?“ Sie blieb stehen und drehte sich herum. „Ich habe die Wolle selbst gesponnen und ihn gewebt, und ich bin so stolz darauf.“

„Er ist toll“, sagte er ausdruckslos, und sie lächelte schalkhaft.

„Na ja, so toll wahrscheinlich auch wieder nicht. Bei Kerzenlicht sieht man die Mängel nicht, und ich trage ihn nur abends. Hier hat man nicht viel Gesellschaft. Wie fühlen Sie sich?“

Dev dachte einen Moment nach. „Miserabel“, erwiderte er schließlich.

Autor

Trisha David
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