Wie verführe ich einen Scheich?

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Lass die Finger von meiner Schwester! Nur zu gern würde Scheich Rafe seinem Freund Cord diesen Gefallen tun. Aber Brianna, unerfahren und süß, setzt alles daran, ihn zu verführen. Wie lange kann er ihr noch widerstehen?


  • Erscheinungstag 16.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733737535
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Brianna Taylor sah ihn im Schatten stehen und hielt den Atem an. Niemals wäre sie zur Scheune gegangen, wenn sie geahnt hätte, dass Scheich Rafe Bahram sich dort aufhielt.

Regungslos beobachtete sie, was er tat. Vor einer Woche war er wutentbrannt angereist, jetzt machte er einen ruhigen, friedfertigen Eindruck. Er hatte den dunklen Kopf vorgebeugt und murmelte etwas, was sie nicht verstehen konnte. Nur der Klang seiner Stimme drang zu ihr. Leise, tröstlich, hypnotisierend, als würde er einer Frau Liebesschwüre ins Ohr flüstern.

Der Gedanke verwirrte sie. Mit wem sprach er? Außer ihr war niemand hier. Seit Allies Abreise war Brianna sowieso die einzige Frau auf der Ranch. Wieder hörte sie seine schmeichelnde Stimme, und er beugte sich hinunter. Fasziniert trat sie einen Schritt vor und erkannte plötzlich, dass er mit Magic Carpet sprach, dem jüngsten Fohlen auf der Flying Ace Ranch. Das Tier war erst vor zwei Wochen zur Welt gekommen.

Glücklicherweise hatte Rafe sie nicht gesehen. Noch war es nicht zu spät, unbemerkt zum Haus zurückzulaufen. Niemand war dort. Cord und Rafes Schwester, Allie, waren in die Flitterwochen aufgebrochen. Der Gedanke, dass ihr Bruder jetzt verheiratet war, stimmte Brianna melancholisch.

Nicht, dass sie sich für ihn nicht freute. Sie war wirklich glücklich, dass Cord eine Frau wie Allie gefunden hatte. Sie passte perfekt zu ihm. Aber Brianna hatte ihren Bruder erst vor einem Jahr ausfindig gemacht und genoss das Gefühl, dass es einen Menschen gab, dem sie wichtig war und der sie nicht als Belastung empfand.

Rafe richtete sich wieder auf, und Brianna blieb wie angewurzelt stehen. Sie fürchtete, durch eine Bewegung seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er drehte sich in ihre Richtung, und unwillkürlich duckte sie sich.

Was sie sofort bedauerte.

Wie dumm. Sie hätte einfach winken und dann gehen können. Doch dazu war es zu spät, und sie konnte nur hoffen …

„Was machst du da?“

Rafe stand kaum einen halben Meter von ihr entfernt. Sie blickte auf, verlor die Balance und landete mit dem Po auf dem harten Boden.

„Brianna?“ Er beugte sich vor, um ihr auf die Beine zu helfen, doch sie wich ihm aus.

Ihre Wangen brannten. „Ich suche nach meinem Ohrring. Den habe ich verloren. Gestern.“

„Gestern?“

Sie nickte und suchte den mit Heu bedeckten Boden ab.

„Genau an dieser Stelle?“

Wieder nickte sie. Erst danach wurde ihr die Belustigung in seiner Stimme bewusst, und sie sah ihn an. Der Anflug eines Lächelns umspielte seinen Mund. Es war das erste Mal, dass sie ihn überhaupt lächeln sah.

„Na ja, ich bin mir nicht sicher. Wenn ich es wüsste, müsste ich nicht lange suchen.“ Wie gereizt ihre Worte klangen. Sie senkte wieder den Blick.

Er lachte leise und ging neben ihr in die Hocke. „Ich helfe dir suchen.“

„Nein.“ Sie schluckte, als sein Knie ihren Schenkel streifte. „Das ist nicht nötig.“

Rafe war nach Bridle gekommen, um seine Schwester Allie zurück nach Munir zu holen, die es mit einem Trick geschafft hatte, in Texas zu bleiben. Brianna bewunderte deren Mut. Sie selbst hätte nie die Nerven gehabt, so etwas zu tun. Wie auch immer, Rafe musste erfahren, dass Allie und Cord heiraten wollten. Zähneknirschend gab er nach und blieb bis zur Hochzeit.

„Vier Augen sehen mehr als zwei, oder?“, entgegnete er.

„Du hast bestimmt Wichtigeres zu tun“, murmelte sie.

„Was könnte wichtiger sein, als einer Lady in einer Notlage zu helfen?“

Brianna blickte auf und sah ihn herausfordernd an. „Wo ich herkomme, betrachtet man es kaum als Katastrophe, einen Ohrring zu verlieren.“

„Und wo ich herkomme, verliert eine Lady manchmal etwas, um die Aufmerksamkeit eines Mannes zu erregen. Vielleicht mit der Absicht, eine … Freundschaft zu beginnen.“

Brianna starrte ihn ungläubig an. „So ein Unsinn.“

Er lächelte. „Ich stimme dir zu.“

„Das solltest du häufiger tun.“

„Was?“

„Egal.“

„Ich möchte es gern wissen.“

Sie zuckte mit den Schultern und sah weg. „Du solltest häufiger lächeln.“

„Aha.“ Ihm war nicht anzumerken, ob ihre Beobachtung ihn überraschte. „Gefalle ich dir besser, wenn ich lächle?“

„Darum geht es nicht“, entgegnete sie schnell. „Ich finde nur, du solltest nicht mehr wütend sein auf Allie. Du hast doch gesehen, wie glücklich sie ist, wie verliebt die beiden sind.“ Sie seufzte. „Jemanden zu haben, der einen so liebt, ist …“ Sie hielt inne und wurde rot.

„Sprich weiter. Wie ist das?“

„Ich habe von Allie und Cord gesprochen.“ Oje, sie wollte nur noch so schnell wie möglich von hier verschwinden. Zum See, wo sie von niemandem gestört wurde, wo sie sitzen, auf das ruhige Wasser blicken und von einem perfekten Leben träumen konnte.

„Oh, da ist er ja.“ Sie schloss die Hand um etwas Heu und tat, als würde sie den vermeintlich verlorenen Ohrring in ihre Hosentasche stecken. Schnell sprang sie auf. „Wir sehen uns später.“

„Warte.“ Rafe richtete sich ebenfalls auf und hielt sie am Arm fest. Brianna erstarrte. „Du bist sauer. Warum?“

Sie wich seinem Blick aus. „Bin ich nicht.“

„Dann sieh mich an.“

Widerstrebend tat sie es. Die Art, wie Rafe sie schweigend betrachtete, machte sie nervös. „Was ist?“

„Du hast außergewöhnliche Augen.“

„Ach was, nein.“

Sie blinzelte und wünschte sich, sie wäre geistesgegenwärtig genug, um das Richtige zu entgegnen. „Ich muss jetzt wirklich gehen.“

„Erst möchte ich etwas wissen. Warum ärgert es dich so, dass ich hiergeblieben bin, während Cord und Aliah auf Hochzeitsreise sind?“

„Weil ich kein Kindermädchen brauche. Es war unmöglich von Cord, dich darum zu bitten.“

Rafe zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, er wollte dich foppen. Er wusste, die Geburt des Fohlens auf Desert Rose stand bevor, das ich von den Colemans gekauft habe, und ich wollte unbedingt dabei sein.“

Brianna zwang sich, seinen Blick zu erwidern. „Musst du nicht zurück nach Munir?“

„Das klingt, als wolltest du mich loswerden.“

Wieder errötete sie. Verdammt. „Ich dachte, du seiest ein viel beschäftigter Mann. Allie hat gesagt, du …“ Sie sprach nicht weiter.

„Was hat meine Schwester gesagt?“

„Nicht so wichtig.“ Sie klopfte sich den Staub von den Händen. „Ich muss mich jetzt um das Abendessen kümmern.“

„Warte, Brianna.“

Er blickte auf seine dominante Art auf sie hinab, und sie konnte nicht anders, als ihm weiter zuzuhören.

„Ich hoffe, du hast kein Problem damit, dass wir allein im Haus sind.“

„Natürlich nicht.“ Ihre Tante Elaine wäre entsetzt, wie glatt ihr mittlerweile die Lügen über die Lippen gingen.

„Wenn doch, dann nehme ich mir ein Hotelzimmer in Bridle.“

„Du könntest bestimmt auch drüben auf der Desert Rose Ranch wohnen.“

„Also ist es dir doch unangenehm, wenn wir hier allein sind.“

„Unsinn. Ich dachte nur, dann bist du näher dran, wenn die Geburt losgeht …“ Belustigt sah er sie an. „Ich muss jetzt wirklich das Abendessen machen.“

„Hat Aliah nichts vorbereitet?“

„Wie sollte sie? Die beiden sind gestern früh abgereist.“ Brianna stöhnte laut auf. „Es sei denn, sie hat für uns Pizza bestellt.“

„Pizza?“ Er lächelte. „Ach ja. Als ich an der Universität war, war es das Lieblingsessen vieler Studenten.“

„In Munir?“

„Nein, Harvard.“

„Du warst in Harvard? Hier, in den Vereinigten Staaten?“

Er zog die Augenbrauen hoch. „Wieso nicht?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich wusste, dass Allie einen Privatlehrer aus England hatte. Irgendwie bin ich einfach davon ausgegangen … Ach, ich weiß nicht.“

„Frauen werden in unserem Land anders behandelt.“

„Wahrscheinlich ist Allie deshalb fortgelaufen.“ Sie schlug sich erschreckt die Hand auf den Mund. Allie hatte sich darüber beklagt, dass Frauen in ihrem Land kaum mehr waren als das Accessoire eines Mannes. „Tut mir leid. Ich wollte nicht … Ich gehe jetzt besser.“

Er verzog das Gesicht. „Die veralteten Ansichten in meinem Land kenne ich sehr wohl. Jetzt habe ich dich aber lange genug aufgehalten. Bitte entschuldige mich.“

Brianna sagte nichts, als er zurück zu Magic Carpets Box schlenderte. Sie hatte ihn nicht beleidigen wollen. Allie hatte wundervolle Dinge von ihrem Bruder erzählt und ein schlechtes Gewissen gehabt, als sie Rafe mit Hilfe ihrer Hofdame ausgetrickst hatte. Doch es war für sie die einzige Möglichkeit gewesen, in Amerika zu bleiben und dem königlichen goldenen Käfig zu entkommen.

Rafe war nicht wie ihre Eltern, hatte Allie Brianna anvertraut, oder wie der Rest der königlichen Familie. Er respektierte das Recht einer Frau auf Unabhängigkeit und setzte sich für die Modernisierung des Landes ein, obwohl er damit eine unpopuläre politische Position einnahm.

Brianna verstand das alles nicht, doch sie mochte und respektierte Allie. Und wenn Allie so positiv von ihrem Bruder sprach, dann musste er nett sein. Das war bei Männern, die so außergewöhnlich und mächtig waren wie Rafe, sicherlich nicht immer der Fall. Nicht, dass Brianna je einen Scheich kennengelernt hätte …

Oder überhaupt einen Mann wie Rafe. Schon bei seinem Anblick bekam sie weiche Knie. Er war so anders als die Rancharbeiter. Selbst Chuck, der Neue, der mit seinen sandfarbenen Haaren und den zwinkernden blauen Augen ziemlich süß aussah, konnte nicht mit ihm mithalten.

Rafe gehörte in eine ganz besondere Kategorie Mann. Er hatte schwarze Haare, dunkle, hypnotisierende Augen und war groß und schlank. Größer als die anderen Männer auf der Ranch.

Brianna wartete, bis er wieder in Magic Carpets Box verschwunden war, dann lief sie in Richtung Haus. Sie wollte sich in die Buchhaltung stürzen. Bloß nicht an Rafe denken oder daran, dass er nur drei Zimmer von ihr entfernt schlief. Die Arbeit würde sie ablenken. Außerdem wollte sie Cord beweisen, dass sie fähig war, ihn während seiner Abwesenheit kompetent zu vertreten.

Er war so lieb zu ihr gewesen, hatte sie von New Hampshire nach Bridle geholt. Sie hatten denselben Vater, doch Brianna war nur das Produkt einer kurzen Affäre, die Gerald Brannigan mit ihrer Mutter in Dallas gehabt hatte. Brianna hatte ihn nie kennengelernt. Selbst ihre Mutter kannte sie kaum. Tante Elaine, die ältere Schwester ihrer Mutter, hatte sie großgezogen.

Das alles kümmerte Cord nicht. Er hatte Brianna klar zu verstehen gegeben, die Ranch sei genauso ihr Zuhause wie seins. Deshalb ärgerte sie sich darüber, dass er nicht vorher mit ihr abgesprochen hatte, ob Rafe bleiben sollte. Ihr selbst würde es niemals einfallen, einen Gast einzuladen, ohne vorher Cord zu fragen. Andererseits war Rafe jetzt Cords Schwager. Insofern war er natürlich jederzeit willkommen.

Ihr Pulsschlag beschleunigte sich, und das hatte nichts damit zu tun, dass sie zum Haus gerannt war. Der Gedanke, Rafe könnte jetzt häufig zu Gast sein, ließ ihr Herz schneller schlagen. Nicht, dass sie glaubte, zwischen ihnen könnte irgendetwas passieren. Auch wenn Allie sie im Spaß gewarnt hatte, dass Rafe eine Vorliebe für Blondinen hatte. Und obwohl er ihre Augen außergewöhnlich fand …

Sie betrat das Haus durch die Küche, ging aber nicht wie geplant in Cords Büro, sondern in ihr eigenes Zimmer. Der Spiegel über ihrer Kommode war verschmiert, also rieb sie mit dem Ärmel darüber, dann starrte sie ihr Spiegelbild an.

Alles, was sie entdecken konnte, waren ganz normale blaue Augen. Ein Hauch Grün war das Einzige, das vielleicht interessant an ihnen war.

Sie sah genauer hin. Vielleicht half ein wenig Make-up. Bisher benutzte sie nur Wimperntusche. Tante Elaine hielt nichts von Eitelkeit und hätte zur Peitsche gegriffen, wenn Brianna sich jemals das Gesicht angemalt hätte. Doch Allie und Briannas Freundin Jessica Coleman schminkten sich, und das machte sie noch lange nicht zu Flittchen.

Seufzend nahm Brianna ihren Pferdeschwanz und hielt sich die Haare hoch. Dann drehte sie den Kopf und betrachtete ihr Profil. Mit dieser Frisur sah sie ein wenig älter aus, und alles, was sie älter als zweiundzwanzig machte, war gut.

Vielleicht würde sie später noch ein wenig experimentieren, nach dem Abendessen.

Verdammt! Sie hatte das Essen vergessen. Rafe hatte sie zu sehr abgelenkt. Es würde ihm nur recht geschehen, wenn Allie Pizza für sie bestellt hätte … obwohl Brianna das bezweifelte. Allie war nicht der Typ, der sich am Abend vor der Abreise in die Flitterwochen um irgendetwas kümmerte.

Ehrlich gesagt war Brianna ganz froh, dass Allie nicht die perfekte Hausfrau war. Vielleicht wurde sie selbst dann doch im Haus gebraucht, oder?

Wütend schob sie den schmerzenden Gedanken beiseite. Seit einer Woche hatte sie nichts anderes im Kopf. Manchmal war sie davon überzeugt, dass es das Beste wäre, zu gehen und das frisch verheiratete Paar allein zu lassen.

Im nächsten Moment kam sie zu dem Schluss, Cords Heirat bedeutete nicht, dass sie die Ranch verlassen musste. Sie hatte eine wichtige Aufgabe. Cord kümmerte sich nicht gern um die Buchhaltung, sie dagegen hatte Spaß daran. Und sie erledigte ihren Job gut. Die Kosten für das Getreide waren gesunken, seit sie einen anderen Lieferanten gefunden hatte – einen, der nicht mit dem Aufseher verwandt war.

Man musste Tante Elaine anrechnen, dass sie Brianna dazu angehalten hatte, viel zu lernen. Ihre Tante, die nie geheiratet hatte, hatte ihr immer wieder vorgehalten, Brianna müsse in der Lage sein, für sich selbst zu sorgen, um nicht wie ihre Mutter zu enden, die sich hatte schwängern lassen und dann ihre Tochter der Barmherzigkeit der Familie überlassen hatte.

Zuerst hatte Brianna schweigend rebelliert, doch dann hatte sie entdeckt, dass ihr die Schule nicht nur die Möglichkeit bot, von Tante Elaine wegzukommen, sondern auch Spaß machte. Sie lernte leicht und gut und hätte auch ihren Universitätsabschluss gemacht, wenn sie das Studium beendet hätte. Doch die Verlockung, ihren Bruder kennenzulernen, war zu groß gewesen.

Ihr Magen knurrte und erinnerte sie daran, dass sie sich endlich um das Essen kümmern musste. Vielleicht Sandwiches. Und wenn Seiner Königlichen Hoheit das nicht gefiel, konnte er ja nach Bridle ins Restaurant gehen. Dann hätten die Leute endlich mal wieder etwas zu sehen.

Lächelnd schlenderte Brianna in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Nichts. Die Reste hatten sie gestern aufgegessen, und sie hatte nichts aus dem Gefrierschrank genommen. Selbst die Wurst aus dem Feinkostgeschäft reizte sie nicht.

Pizza klang also gar nicht so schlecht. Seit Allie vor einer Woche ihre Vorliebe dafür entdeckt hatte, hatten sie viermal Pizza gegessen.

Brianna überlegte gerade, ob sie welche bestellen sollte, als sie ein zusammengefaltetes Stück Papier unter einem Magneten an der Seite des Kühlschranks entdeckte. Cord hinterließ Notizen für sie normalerweise auf ihrem Schreibtisch.

Die Nachricht stammte von Allie. Sie hatte ein Abendessen bestellt. Es sollte um sieben Uhr geliefert werden. Rafe hatte also recht gehabt.

Ihr Blick fiel auf den kurzen Nachsatz von Cord. Allie und er hatten beschlossen, auf dem Rückweg einen Stopp in Dallas einzulegen, und würden einen Tag später kommen als geplant.

Keine große Sache. Was war schon ein Tag?

Brianna legte die Notiz zur Seite. Dies war eine weitere Veränderung in ihrem Leben. In der Vergangenheit hatte Cord sie immer über seine Pläne informiert, und wenn es nur um eine Fahrt zur Bank ging. Jetzt hatte er Allie.

Brianna ärgerte sich über diesen Eifersuchtsanfall. Er war völlig überflüssig. Cords Heirat änderte nichts an der Beziehung zu seiner Schwester. Das hatte er ihr immer wieder versichert.

Und dass Allie sich um ihr Abendessen gekümmert hatte, war eine nette Geste. So musste Brianna sich keine Gedanken machen und konnte sich der Buchhaltung widmen. Sie nahm ein Sixpack Cola aus der Vorratskammer und stellte ihn auf den Kühlschrank. Warum war sie trotzdem so unzufrieden?

Gerade wollte sie ins Büro gehen, als ihr Blick auf die Zeitung fiel, die auf dem Küchentisch lag. Die Seite mit den Mietangeboten war aufgeschlagen.

War das ein Wink des Schicksals?

2. KAPITEL

Rafe blieb an der Bar im Wohnzimmer stehen und schenkte sich ein Glas von dem Scotch ein, den sein Schwager ihm dorthin gestellt hatte. Pur. Ohne Eis. So liebte er ihn. Ein Scotch gehörte zu den seltenen Genüssen, die er sich nur auf Auslandsreisen erlaubte. In seinem eigenen Land trank er nie Alkohol. Er tat nie etwas, was jemand als unangebracht betrachten könnte. Dafür hatte er viel zu viel zu verlieren.

Er trank einen Schluck und nahm das Glas mit in das Wohnzimmer, von wo aus er einen Blick auf den Brunnen im Garten hatte. Im Haus war es ruhig, doch er wusste, dass Brianna sich irgendwo aufhielt. Er hatte ihr vom Stall aus nachgesehen, als sie vor über einer Stunde über den Rasen zurück zum Haus gegangen war.

In seinen Augen war sie eine bemerkenswert anmutige Frau. Groß und schlank und selbst in verwaschenen Jeans elegant. Eine natürliche Schönheit, aber ungewöhnlich reserviert. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass Frauen, die so schön waren, mit ihren Attributen prahlten und eine besondere Behandlung erwarteten. Brianna dagegen war ausgesprochen still.

Cord hatte nur wenig von seiner sehr schüchternen jüngeren Schwester erzählt. Wenn sie nicht arbeitete, ging sie schwimmen oder reiten. Ihr Bruder machte sich Sorgen, weil sie oft allein in einem nahe gelegenen See schwimmen ging, doch Rafe hatte ihm versichert, dass er auf sie aufpassen würde.

Diskret natürlich. Leider hatte Brianna das Gespräch zwischen den beiden Männern mitbekommen. Rafe musste lächeln, als er an ihre Reaktion dachte. Wütend hatte sie ihren Bruder darauf aufmerksam gemacht, sie sei fast dreiundzwanzig und brauche keinen Aufpasser.

„Entschuldige, ich wusste nicht, dass du hier bist“, hörte Rafe jetzt plötzlich ihre Stimme hinter sich.

Er drehte sich um. „Ist es in Texas unschicklich, wenn wir uns beide in demselben Zimmer aufhalten?“

Sie verzog das Gesicht. „Ich meinte nur, dass ich dich nicht stören will.“

„Ach so.“ Er deutete auf einen Sessel. „Komm, setz dich zu mir.“

Sie sah zur Tür, als suche sie eine Fluchtmöglichkeit. „Ich bin im Moment ziemlich beschäftigt.“

„Natürlich.“ Er trank seinen Scotch und überlegte, ob er sich einen zweiten holen sollte.

Brianna starrte ihn an. Als sich ihre Blicke trafen, sah sie schnell weg und wurde rot. „Du hattest recht, was das Abendessen betrifft. Allie hat etwas bestellt. Es wird um sieben geliefert.“

Rafe kannte die Geschichte der Familie Brannigan nicht. Er wusste nur, dass Brianna nicht in Bridle aufgewachsen war, sondern ein behütetes Leben in einer kleinen Stadt in New England geführt hatte. Möglicherweise war das der Grund für ihre Schüchternheit. Vielleicht war es auch das, was ihn an ihr reizte. „Möchtest du etwas trinken?“, fragte er, bevor sie gehen konnte.

Sie runzelte leicht die Stirn.

„Du bist doch alt genug, oder?“

Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Fast dreiundzwanzig.“

„So alt?“

„Sehr witzig“, entgegnete sie und setzte sich. „Allie ist auch nicht viel älter, und sie ist schon eine verheiratete Frau.“

Seine Stimmung verdüsterte sich, als er daran erinnert wurde. Er mochte und respektierte Cord, aber Aliahs Eheschließung hatte größere Probleme verursacht. „Jetzt ja. Doch solange stand sie unter meinem Patronat.“

Brianna lachte. „Patronat?“

Er nickte.

„Das klingt ziemlich veraltet.“

„In Munir ist es üblich, dass ein Bruder für seine Schwester verantwortlich ist.“

Sie hob das Kinn. „Glücklicherweise lebe ich nicht dort.“

Rafe hielt sich zurück, obwohl er versucht war, darauf hinzuweisen, dass sie unter Cords Schutz lebte und ihre Kulturen sich in vielen Aspekten ähnelten.

„Ich weiß nicht, ob ich zum Essen hier sein werde“, kündigte sie nach kurzem Schweigen an. „Vielleicht treffe ich mich mit Freunden in Bridle.“

„In Ordnung.“ Er glaubte ihr nicht. Sie testete ihn nur. „Ich habe noch einiges für mein Meeting in Dallas zu erledigen. Natürlich hätte ich mich über deine Gesellschaft gefreut, aber ich verstehe das.“

Sie schien sich zu entspannen. „Ich habe nicht gesagt, dass ich auf jeden Fall gehe.“ Dann blickte sie auf sein leeres Glas. „Möchtest du noch einen Drink?“

Er reichte es ihr, ihre Finger berührten sich dabei. „Einen Scotch, bitte. Aber nur einen kleinen. Ich will nüchtern bleiben. Wer weiß, wozu es gut ist.“ Dabei lächelte er sie vielsagend an.

Brianna stand schnell auf. Sie war froh, einen Grund zu haben, das Zimmer zu verlassen. Rafe machte sie so verdammt nervös und ließ sie die verrücktesten Dinge denken.

Er war ein Casanova, so viel wusste sie von Allie. Die Frauen flogen auf sein Aussehen und seine Macht. Auch Brianna fühlte sich verwirrend stark zu ihm hingezogen. Das Gefühl war ihr völlig fremd und ein wenig beängstigend.

Nicht, dass sie vor Rafe Angst hätte. Sie hatte beobachtet, wie er Allie behandelte. Obwohl er wegen der Hochzeit immer noch wütend auf seine Schwester war, hatte er sie liebevoll in die Flitterwochen verabschiedet. Brianna wurde wehmütig bei dem Gedanken daran.

Rafe und Allie hatten eine beeindruckende gemeinsame Vergangenheit. Anders als Cord und sie. Wenn Brianna plötzlich zurückging nach New Hampshire, würde Cord sie sicherlich vermissen, aber er wäre nicht am Boden zerstört.

Sie schenkte ihm einen Scotch ein und spielte mit dem Gedanken, sich selbst ein Glas Wein zu nehmen. Doch sie hatte noch so viel Papierkram zu erledigen …

In Wahrheit hatte sie einfach Angst, Alkohol zu trinken. Wer weiß, was sie alles ausplauderte, wenn sie sich zu sehr entspannte. Also entschied sie sich für eine Cola. Als sie sich umdrehte, trat sie fast auf Mittens.

Allies Katze jaulte auf, und Brianna hätte beinahe Rafes Drink fallen lassen, als sie zurückwich. „Oh, du armes Ding. Tut mir leid.“ Brianna stellte das Glas und die Cola auf die Bar und bückte sich, um das Tier zu streicheln, doch die Katze huschte aus dem Raum.

„Alles in Ordnung?“ Rafe legte die Hand an Briannas Arm und blickte sie besorgt an.

„Sicher.“ Sie räusperte sich. „Es war nur Mittens. Wir haben uns gegenseitig einen Schreck eingejagt.“

Er hielt sie am Arm fest und musterte ihr Gesicht.

„Was ist?“ Brianna versuchte, einen Schritt zurückzuweichen.

„Bist du jemals allein gewesen?“

Sie musste lachen. „Natürlich, und zwar viel, das kannst du mir glauben. Außerdem bist du doch hier, oder?“

„Ja. Und wenn du Hilfe brauchst …“

„Brauche ich nicht.“

Sicher, sie hatte noch nie eine Ranch geleitet, doch zwei der Arbeiter waren schon so lange hier, dass sie allein zurechtkamen. Ty Thomas und Joe Piedmont hatten hier angefangen, kurz nachdem Cords Vater die Ranch gekauft hatte.

Ihr Vater. Obwohl Cord von ihm erzählt und ihr Fotos gezeigt hatte, konnte sie an Gerald Brannigan noch nicht als an ihren Vater denken. Trotzdem wünschte sie, sie hätte ihn kennengelernt. Er war gestorben, ohne überhaupt von ihrer Existenz zu wissen.

Sie nahm ihre Cola und ging zur Tür.

„Wohin willst du?“

„In mein Büro. Ich habe noch viel zu tun.“

„Brianna. Warte.“

Sie zögerte, hin- und hergerissen zwischen Neugierde und dem Wunsch zu verschwinden.

„Brianna?“

Die Neugierde siegte. Sie drehte sich zu ihm.

„Willst du die ganze Woche vor mir weglaufen?“

Autor

Debbi Rawlins
Endlich daheim – so fühlt Debbi Rawlins sich, seit sie mit ihrem Mann in Las Vegas, Nevada, lebt. Nach viel zu vielen Umzügen beabsichtigt sie nicht, noch ein einziges Mal den Wohnort zu wechseln. Debbie Rawlins stammt ursprünglich aus Hawaii, heiratete in Maui und lebte danach u.a. in Cincinnati, Chicago,...
Mehr erfahren