Wie Wachs in deinen Händen

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Wie ein Hurrikan stürmte einst der attraktive Polo-Star Rocco Hermida in Francescas Leben und hinterließ im Herzen der jungen Irin nichts als Sehnsucht. Doch so verheerend diese Erfahrung für sie auch war, jetzt ist Frankie eine stolze Geschäftsfrau, die in Buenos Aires nur einen Zwischenstopp einlegt, um einen wichtigen Termin wahrzunehmen. Als ihr plötzlich Rocco überraschend gegenübersteht, zeigt sie ihm die kalte Schulter … bis er sie in seine Arme zieht und Frankie erneut wie Wachs in seinen Händen schmilzt! Nur steht diesmal mehr zwischen ihnen als ihre süße Unschuld …


  • Erscheinungstag 13.09.2016
  • Bandnummer 0019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733707002
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es war einer jener glühend heißen Sommernachmittage in Buenos Aires, als Rocco Hermida aus seinem Helikopter auf den perfekt geschnittenen Rasen des Campo Argentino de Polo trat. Von ihrem Platz in der Zuschauermenge aus spürte Francesca, wie sich alles in ihr anspannte. Fast ehrfürchtig blickten die Männer auf dem Spielfeld ihrem Halbgott entgegen. Selbst die Poloponys trampelten auf der Stelle und schnaubten aufgeregt. Frankie hingegen hatte mit lange verdrängten Gefühlen von Schmerz, Demütigung und – zur Hölle mit ihm – Scham zu kämpfen.

Mit jedem Schritt, den er auf dem grünen Gras auf sie zu machte, wurden seine attraktiven Umrisse schärfer. Er wirkte irgendwie größer, oder war er muskulöser? War sein Haar länger? Damals, vor all den Jahren, war es ihr so wild und ungebändigt erschienen. Mittlerweile war es zu seinem Markenzeichen geworden. Er war der ganze Stolz einer Nation. Argentiniens feinster Export.

Um sie herum bauschten sich die seidenen Röcke der Damen im Wind, die Männer griffen nach ihren Hüten, damit sie ihnen nicht vom Kopf wehten. Die Menge jubelte, und für einen kurzen Moment war ihr die Sicht versperrt. Dann sah sie ihn wieder, wie er näher und näher kam. Der Anblick seiner maskulinen Schönheit ließ ihr das Herz bis zum Hals klopfen. Er schaffte es noch immer, sie aus der Fassung zu bringen – und das nach all den Jahren.

Auf den Videoleinwänden um das Spielfeld herum zeigten sie sein Gesicht in Nahaufnahme. Die Narbe durch seine Augenbraue und die leicht gebogene Nase – alles war noch da. Als wäre es erst gestern gewesen. Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Es war sein Bruder Dante, der ihm irgendetwas ins Ohr schrie. Dante war mit seinem blonden Haar das absolute Gegenteil von Rocco. Unwillkürlich kam ihr der Gedanke an Zwillinge des Lichts und der Dunkelheit.

Sie waren wirklich umwerfend attraktiv. Geballte Männlichkeit hatten sie es in den Hochglanzmagazinen genannt. Nur dass sie in der Realität noch viel maskuliner wirkten. Ihr vertrauter Umgang miteinander und das siegessichere Lächeln auf ihren Lippen angesichts des bevorstehenden Spiels vor der jubelnden Menge machte sie unwiderstehlich.

Wie sollte sie nur die nächsten vier Stunden überstehen? Die große Heldenfeier nach dem Spiel? Wo sich alles nur um den Mann drehte, der sie um den Finger gewickelt und dann ihr Herz gebrochen hatte.

Es würde schon nicht allzu schwer werden. Zumindest hoffte sie das. Sie würde sich das Polospiel ansehen, ein wenig Champagner trinken und sich im Hintergrund halten.

Mit ihrer viel zu großen Sonnenbrille auf der zierlichen Nase setzte sie sich auf ihren Logenplatz, schlug die Beine übereinander und versuchte, sich zu beruhigen. Vielleicht hätte sie besser nicht kommen sollen. Eigentlich hätte sie diesen kurzen Stopover in Buenos Aires auch ohne den Besuch des Polospiels planen können. Schließlich war es nicht so, dass sie an Polo brennend interessiert war. Jedenfalls nicht mehr so wie früher.

Sicher, in ihrer Kindheit hatte sie mehr Zeit im Stall verbracht als im Haus. Und mit sechzehn war es ihr größter Traum gewesen, Polospielerin zu werden. Aber damals war sie noch naiv gewesen. Naiv genug zu glauben, ihr Vater machte Witze, als er ihr eröffnete, sie müsse wohl darauf hoffen, einen reichen Mann zu finden, damit sie versorgt war. Oder zumindest die Sekretärin eines reichen Mannes zu werden. Schließlich sei sie zu nichts anderem zu gebrauchen.

Noch naiver war sie gewesen, als sie sich blindlings in die Arme eines höchst attraktiven Mannes geworfen und ihn fast angefleht hatte, mit ihr ins Bett zu gehen.

Fast angefleht? Das war mächtig untertrieben.

Wenigstens war sie nach zehn Jahren endlich über den Punkt hinweg, wo sie Herzrasen und feuchte Hände bekam, wenn sie nur an ihn dachte.

Nachdenklich blickte sie auf den Silberring an ihrer blassen Hand, die an ihre irische Herkunft erinnerte. Er trug die Gravur Ipanema. Der Ring war ein Geschenk zu ihrem vierzehnten Geburtstag gewesen. Seit diesem Tag hatte sie ihn nicht mehr abgenommen. Sie vermisste das Pony noch immer sehr. Und sie hasste den Mann, der es ihr weggenommen hatte.

Wenigstens hatte Rocco Hermida mit Ipanema große Zuchterfolge verzeichnen können. Die Stute hatte mittlerweile zwei quicklebendige Fohlen zur Welt gebracht. Sie waren die Lieblinge von Rocco Hermida. Daraus machte er vor der Presse keinen Hehl. Und gleich würden genau diese beiden Pferde ihn auf dem Spielfeld unter ihr zum großen Sieg bei diesem Wohltätigkeitsturnier führen. Daran bestand kein Zweifel. Alle Zuschauer hier wussten, dass Argentiniens Liebling mit Leichtigkeit über das Palm-Beach-Team triumphieren würde, das stand außer Frage. Und mit seinem Bruder an seiner Seite würden die beiden begehrtesten Männer Südamerikas dem Publikum einen wahren Augenschmaus bieten.

Frankie Ryan jedoch schüttelte bloß den Kopf. Sowohl über sich selbst und ihre heftige Reaktion auf den Mann als auch über all die flirtbereiten Polo-Groupies um sie herum.

Die Tatsache, dass Rocco Hermida hier war und spielte, hatte sie gar nicht weiter zu interessieren. Wahrscheinlich erinnerte er sich nicht einmal an sie …

Was im Grunde das Schlimmste war.

Sie war damals vor Scham fast im Boden versunken. Und dann hatte sie vor Wut geschäumt, als sie erfuhr, dass er Ipanema gekauft hatte. Wie aus heiterem Himmel war er in ihrem Leben aufgetaucht, um dann ebenso schnell wieder zu verschwinden, eine Spur der Verwüstung hinter sich lassend. Seitdem hatte sie nie wieder von ihm gehört. Er hatte ihr alles genommen. Ihren Stolz und ihre Lebensfreude. Aber sie hatte daraus gelernt. So leicht würde sie sich nicht wieder von ihren Gefühlen überrumpeln lassen.

Es war absolut legitim, dass sie jetzt hier war. Es hatte definitiv nichts mit Rocco Hermida zu tun. Auch wenn sie heute wie ein Tourist aussah – es waren rein geschäftliche Gründe, die sie hierher geführt hatten. Sie hatte ihr großes Ziel erreicht und war nun als Managerin für Produktentwicklung bei Evaña tätig. Damit hatte sie es ihrem Vater so richtig gezeigt!

In welchem Job durfte man schon in die Dominikanische Republik und nach Argentinien reisen, um die perfekte Aloe-Vera-Plantage zu finden? Sie konnte sich Unangenehmeres vorstellen, als einen kleinen Zwischenstopp in Buenos Aires auf ihrer Geschäftsreise einzulegen, um das Polospiel mitzunehmen und anschließend das Wochenende mit ihrer Freundin Esme in Punta del Este am Strand zu verbringen.

Das Leben meinte es gut mit ihr.

Sie beschloss, sich einen weiteren Drink zu genehmigen – warum auch nicht? Solange sie morgen frisch genug war, um an ihrer Präsentation zu arbeiten, konnte sie sich heute ein wenig Entspannung gönnen. Es würde ihr gut tun, schließlich hatte sie noch einige Reisen vor sich. Dennoch blieb ihr ausreichend Zeit bis zu dem langen Rückflug nach Hause und ihrem großen Auftritt in der Vorstandsetage.

Es hatte sie unendlich viel Überzeugungskraft gekostet, bis die Geschäftsführer endlich eingesehen hatten, dass sie die Möglichkeit nutzen und im Ausland nach biologischen Inhaltsstoffen suchen mussten. Nur so würden ihre Produkte für die Kunden wirklich einzigartig sein. Darum war Frankie jetzt hier. Und sie würde es nicht zulassen, dass ihre Mission wegen eines gewissen Rocco Hermida gefährdet wurde.

Langsam begann sie, sich durch die Mischung aus Einheimischen und glamourös gekleideten internationalen Zuschauern einen Weg zu bahnen, um zu den weißen Cateringzelten am Ende des Spielfelds zu gelangen. Esme würde in einem der Zelte sein und Hostess spielen. Das hieß unablässig zu lächeln und mit den Gästen für Fotos zu posieren. Als Ehefrau des Palm-Beach-Kapitäns wurde das von ihr erwartet. Frankie konnte sich gerade nichts Anstrengenderes vorstellen.

In diesem Moment dröhnte eine weitere Ansage aus den riesigen Lautsprechern über dem Feld. Wieder wurde Rocco auf der Leinwand gezeigt. Jetzt hatte er seinen berühmt berüchtigten finsteren Blick aufgesetzt, der seine Gegner wohl einschüchtern sollte. Das dunkle wellige Haar fiel ihm ins Gesicht. Er trug die Farben seines Teams. Dunkelrot und Schwarz. Dazu weiße Reithosen und schwarze Lederreitstiefel. Als die Kamera näher heranzoomte, blickte sie instinktiv auf seine Oberschenkel. Frankie wusste, wie hart sie unter dem hellen Stoff der Reithose waren. Wie muskulös. Von dunklen Härchen bedeckt. Sie erinnerte sich noch zu gut daran. Weil sie sie geküsst hatte.

Einen Augenblick lang fühlte sie sich wie benommen. Verloren im Nebel ihrer mädchenhaft verträumten Erinnerungen. Er war ihr erster großer Schwarm gewesen. Der erste Mann, den sie geküsst hatte. Der erste Mann, der ihr das Herz gebrochen hatte.

Und auf einmal war sie sehr wütend. Sie wusste selbst nicht so richtig, warum. Mit gerunzelter Stirn sah sie zurück auf die Leinwand und unterdrückte ein Fluchen. Um sie herum war es sehr leise geworden. Die erste Spielrunde hatte begonnen. Alle schienen erwartungsvoll den Atem anzuhalten. Am besten, sie jubelte für Palm Beach. Auch wenn zwei seiner Ponys von Ipanema stammten. Dieser Rocco Hermida da auf den Bildschirmen war nicht mehr als das Produkt ihrer Einbildung. Eine Illusion aus den Träumen eines Teenagers. Sie schuldete ihm gar nichts. Sie musste seinem Team nicht die Daumen drücken.

Wenn es doch nur so einfach wäre.

Er war nun einmal unwiderstehlich.

Jede einzelne Spielrunde war dramatischer als die letzte. Frankie konnte gar nicht den Blick abwenden, so fasziniert war sie. Er galoppierte wie der Teufel, sein Pferd schaffte selbst die engsten Wendungen. Die Kamera erhaschte den Ausdruck völliger Konzentration in seinem Gesicht. Und mit jedem Tor – er erzielte ganze zehn Tore – blitzten bei seinem Lächeln die weißen Zähne auf, und die Menge jubelte mit ihm.

Und dann war da natürlich noch Dante. Gemeinsam leisteten sie perfekte Teamarbeit, flogen schneller als der Wind über das Spielfeld, sodass Frankie völlig hingerissen war. Verdammt!

Natürlich gewannen sie. Wie hätte es auch anders sein können. Als die flatternden Fahnen Argentiniens gehisst wurden, und die Menge Siegesgesänge anstimmte, beeilte sie sich, dem Trubel zu entkommen. Mit gesenktem Kopf eilte sie schnurstracks zu den Ponys, dem eigentlichen Grund für ihren Besuch hier.

Die Stallburschen waren gerade dabei, die letzten Pferde mit Wasserschläuchen abzuspritzen, als Frankie unauffällig unter den Absperrungsbändern hindurchschlüpfte. Sofort legte sich ein Schleier aus Wasserdampf auf ihre Haut und winzige Regenbögen tanzten vor ihren Augen. Während sie herumschlenderte und sich umsah, wurde ihr mit einem Mal bewusst, wie sehr sie die Pferde in ihrem Leben vermisste. Der Gedanke erfüllte sie mit unerwartetem Schmerz. Am besten beeilte sie sich, einen Blick auf die beiden Ponys zu werfen, deretwegen sie hier war, um dann so schnell wie möglich zurück ins Hotel zu fahren. Und ein genüssliches Bad in der winzigen Badewanne ihres Hotelzimmers zu nehmen. Dann konnte sie auch gleich die Werbegeschenke von der letzten Plantage verwerten: Ätherisches Öl zur Entspannung und Kräutertee zum Einschlafen. Das hatte sie sich verdient. Immerhin war sie seit vierundzwanzig Stunden auf den Beinen.

Und selbst wenn sie sich doch noch zur Party schleppen sollte, wovon ihre Freundin Esme sicherlich ausging, würde sie zumindest dafür sorgen, dass sie nicht allzu lange blieb.

Niemand beachtete sie. So klein und unauffällig wie sie war, konnte sie es den beschäftigten Stallburschen nicht einmal verübeln. Sie war es gewohnt, übersehen zu werden. Ganz im Gegensatz zu den Polo-Groupies, die sie ein wenig an die Poloponys erinnerten mit ihren perfekten Zähnen, langen Beinen und dem auf Hochglanz polierten Äußeren. Sie selbst war lange Zeit mehr Junge als Mädchen gewesen. Hatte mit ihren Brüdern gespielt, war geritten wie der Teufel und wie ein kleiner Strolch über das gesamte Farmgelände ihrer Eltern gestromert. Bis zu dem Tag, an dem ihr klar geworden war, dass es viel mehr Spaß machte, ein Mädchen zu sein. Das war der Tag gewesen, an dem sie Rocco Hermida zum ersten Mal begegnet war.

Diesen Moment würde sie niemals vergessen.

Sie kam um die Stallecke geschlendert, und dann sah sie ihn, wie er dort auf der schlammigen Hofzufahrt stand. Strahlend wie ein Sonnenstrahl nach einem Gewitter. Abrupt blieb sie stehen und konnte ihn nur anstarren. Sie hatte noch nie in ihrem Leben einen attraktiveren und zugleich furchteinflößenderen Mann gesehen.

Ihr entging nicht, wie er sie kurz und abschätzig musterte. Dann wandte er sich wieder an ihre Brüder Mark und Danny. Von Weitem hörte sie, wie er sie mit seinen vielen Fragen in akzentlastigem Englisch geradezu bombardierte.

Von diesem Tag an hatte er ihr Leben auf den Kopf gestellt. Mittlerweile betrieb er eine weltweit erfolgreiche Pferdezucht, die auf der ganzen Welt für Aufsehen sorgte. Daneben zeichnete er noch für eine Reihe weiterer Geschäfte verantwortlich.

Das Polospiel jedoch war seine große Leidenschaft. Sein überdimensionaler Luxuspferdetransporter mit der Aufschrift „Hermanos Hermida“ parkte neben den Pferdeboxen und wirkte fast wie ein Wahrzeichen und Beweis dafür, welche Priorität seine Pferde für ihn hatten.

Wo waren nur ihre beiden Mädels? Sie war so gespannt, die beiden Stuten von Ipanema zu sehen – eine Mischung aus Vollblut und Argentinischem Polopferd, trainiert bis auf Weltklasseniveau. Sie wusste, sie würde sie sofort erkennen.

„Qué estás haciendo aquí?“

Die Stimme ertönte direkt hinter ihr. Frankie erstarrte.

„Du hast richtig gehört. Was hast du hier zu suchen?“

Ohne sich umzudrehen, antwortete sie, bemüht, ruhig zu bleiben. „Ich gucke nur.“

„Dreh dich um.“

Auf gar keinen Fall. Das würde sie nicht über sich bringen.

„Ich sagte, dreh dich um.“

Ihr war, als ginge ein Stromstoß durch ihren Körper. Seine Stimme hatte sich über all die Jahre nicht verändert. Sie klang so vertraut, als sei es erst gestern gewesen.

Eines der Ponys wandte den Kopf und blickte sie aus seinen großen braunen Augen an. Ihr Herz raste, ihre Knie drohten, unter ihr nachzugeben. Bis sie einen inneren Impuls verspürte. Ein Gefühl von Protest. Sie war doch kein kleines Mädchen mehr, das sich von diesem Angeber hier einschüchtern ließ. Auch wenn er ein mächtiger, berühmter Mann war. Die Zeiten waren vorbei. Sie war zu einer selbstbewussten Frau herangereift und würde für sich einstehen.

Energisch wandte sie sich um, das Kinn stolz in die Höhe gereckt.

Seine Augen weiteten sich, als er sie erkannte.

„Ich wusste sofort, dass du es bist …“

Angestrengt zwang sie sich, seinem Blick standzuhalten, auch wenn der Klang seiner vertrauten tiefen Stimme ihr fast den Verstand raubte.

Er trug noch immer seine Turnierkleidung. Sein Gesicht war gerötet und leicht verschwitzt, die Haare waren von der Reitkappe zerzaust. Sein maskuliner Duft stieg Frankie in die Nase, und sie schaffte es kaum, Haltung zu bewahren.

„Ich wollte mir Ipanemas Stuten ansehen“, erklärte sie und räusperte sich. Ihre Stimme war vor Aufregung und Anspannung leicht heiser. Hinter ihr stampfte eines der Ponys lautstark mit dem Huf auf.

„Du wolltest mich sehen.“

Frankie gab einen entrüsteten Laut von sich und lachte. „Machst du Witze?“

Er trat einen kleinen Schritt zurück, um sie besser mustern zu können. Sein Blick sprach Bände. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein, warum?“

Wie arrogant er war. Sein Ego war so groß, dass er wohl glaubte, es drehte sich alles immer nur um ihn.

„Weißt du was? Glaub doch, was du willst! Ich hatte schon mit sechzehn genug von dir. Ich bin wegen der Pferde zu dem Spiel gekommen, nicht deinetwegen.“

In seinen Augen flackerte etwas auf. Etwas Gefährliches und zugleich Wundersames. Dann legte er seine Hand auf ihre Schulter, und seine warme Berührung ging ihr durch und durch. Er zog sie nicht zu sich heran. Das brauchte er gar nicht. Seine magnetische Anziehungskraft sorgte von ganz allein dafür, dass sie sich ihm näher fühlte, als ihr lieb war.

„Ich hatte eher den Eindruck, du hättest gern noch viel mehr von mir gehabt.“ Spöttisch verzog er die Lippen, die nachtschwarzen Augen unverwandt auf sie gerichtet.

Frankie wagte es nicht zu antworten. Sie würde keinen Ton herausbekommen. Also schwieg sie. Und erwiderte seinen Blick möglichst unbeeindruckt. Sie musste ganz schnell hier weg.

Doch er ließ seine Hand weiter hinauf zu ihrem Hals wandern. Ihr war, als hinterließe jede seiner Berührungen eine brennende Spur auf ihrer Haut.

„Frankie … Meine kleine Frankie“, murmelte er und strich mit der Hand durch ihr Haar, doch sie entzog sich ihm.

„Was willst du?“, giftete sie, während er sie anlächelte.

„Ganz erwachsen geworden bist du.“

Er machte einen Schritt auf sie zu, und das in roter Seide gestickte Logo seines Teams sprang ihr ins Auge: Zwei Bälle, zwei Schläger und die Buchstaben HH. Unter seinem Hemd sah sie die festen Muskeln seines Oberkörpers, die dunklen krausen Härchen, die sich durch den V-Ausschnitt drängten. Sie sah seine gebräunte Haut, den kräftigen Hals und die dunklen Bartstoppeln an seinem Kinn. Seine vollen Lippen, die gebogene Nase, seine stechend dunklen Augen und den fragenden Blick. Er duftete nach Mann.

„Ja, das bin ich“, stieß sie ein wenig atemlos hervor. „Und ich muss jetzt gehen.“ Sie wollte einen Schritt zurück machen, doch er griff sie leicht am Arm und sah sie intensiv an. Ihr entging nicht, wie er jedes kleine Merkmal ihres Gesichts in sich aufsog, wie er ihre großen heißblütigen Augen bewunderte, die für ihr kleines Gesicht fast zu groß schienen, die schmale Nase, die rosigen Lippen, das spitze Kinn. Es schien ihm zu gefallen, was er sah, denn er kam noch einen Schritt näher auf sie zu und schüttelte den Kopf.

„Gleich. In welchem Hotel wohnst du?“

Sie zögerte. Vor ihrem geistigen Auge spielte sich eine kleine Szene ab. Er in ihrem süßen kleinen Hotel, mit ihr in dem winzigen Zimmer. Allein bei der Vorstellung strömte das Blut heiß durch ihre Adern.

„Das spielt keine Rolle. Ich bin sowieso nur für einen Tag hier.“

Er schien zu überlegen, während sie den Blick verlegen senkte und in ihr fast leeres Glas starrte, das sie zu ihrer Verwunderung noch immer in der Hand hielt. Bloß nicht ihm in die Augen sehen.

„Warum bleibst du nicht ein bisschen länger? Wir hätten uns sicher eine Menge zu erzählen.“

Frankie nahm gar nicht mehr wahr, was um sie herum passierte. Es gab nur noch ihn. Vor zehn Jahren hatte sie von diesem Moment geträumt. Sich danach gesehnt, Rocco wiederzusehen. Jetzt würde sie lieber sterben, als ihm zu zeigen, dass er sie noch immer berührte.

„Worüber willst du reden? Ich habe keinerlei Bedürfnis danach, alte Geschichten aufzuwärmen.“

„Haben wir eine gemeinsame Geschichte? Du meinst damals, in dem kleinen Bett auf deiner Farm?“

Seine Stimme wurde rau.

„Du weißt gar nicht, Querida, wie gern ich da noch einen Schritt weiter mit dir gegangen wäre.“

Lächelnd streckte er die Hand aus und spielte mit einer ihrer Haarsträhnen, sodass Frankie zurückzuckte. Sie würde sich verraten, wenn sie es erneut zuließ, dass er sie berührte.

„Wie gern ich jetzt einen Schritt weiter gehen würde …“

Der hungrige Ausdruck in seinen Augen war nicht zu übersehen. Ihr Herz begann wild zu pochen.

„Vergiss es!“, zischte sie arrogant.

Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen. Dann ging ein Ausdruck des Bedauerns über sein Gesicht, und er schüttelte den Kopf.

Frankie hatte genug. Energisch stieß sie ihn von sich.

Er lachte bloß, trat jedoch zur Seite.

Sein Tonfall hatte sich geändert, als er wieder sprach. „Deine Ponys haben heute ihr Bestes gegeben. Sie stehen in den Boxen am anderen Ende der Stallgasse. Schau sie dir ruhig an.“

Ohne ein weiteres Wort drängte sie an ihm vorbei und wollte nur noch Distanz zwischen sie beide bringen. Nur weg von diesem Mann. Nach wenigen Schritten hielt sie jedoch inne und schluckte.

„Danke.“

„Ich danke auch, Frankie.“ Er flüsterte, und es klang fast wie eine Drohung. „Wir sehen uns bald wieder.“

Damit wandte er sich um und ging. Sie nahm es kaum wahr. Was sie dagegen bemerkte, war, wie sich die Atmosphäre um sie herum sofort veränderte, kaum, dass er weg war. Sie konnte wieder durchatmen. Die Ponys um sie herum beäugten sie neugierig. Sicher hatten sie Mitleid mit ihr. Ein Mann mit einer solchen Präsenz nahm einem schlicht die Luft zum Atmen.

Endlich fand sie die Stuten, die sie gesucht hatte. Sie lächelte, als sie die irischen Namen – Roisin und Orla – an ihren Boxentüren sah und die hübschen weißen Blessen, die sie als Ipanemas Nachkommen kennzeichneten. Insgeheim war sie stolz darauf, was Rocco aus ihnen gemacht hatte. All die Liebe und Mühen, die er in seine Zucht steckte. Er war eine Legende, und es gab absolut nichts, was sie an seinem Umgang mit den Pferden auszusetzen hatte. Und dass es ausgerechnet Ipanemas Fohlen waren, die nun zu den weltweit besten Poloponys gehörten! Wenn doch nur Ipanema noch lebte …

Ihr Bruder Mark würde sich freuen, wenn sie ihm berichtete, wie toll die beiden sich gemacht hatten. Er hatte bereits selbst große Zuchterfolge errungen und das Familiengestüt über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht. Frankie wusste, dass er mit Rocco regelmäßig Kontakt hatte, um sich über neueste Erkenntnisse auszutauschen. Ihr Vater ärgerte sich jedes Mal, wenn er nur Roccos Namen hörte. Sein Verdacht hatte sich nie bestätigt, aber ihr Vater sorgte dafür, dass sie wusste, dass er etwas ahnte. Damals hatte er sie bestraft, indem er sie in ein Kloster schickte. Damit sie lernte, sich zu benehmen, wie er meinte.

Mittlerweile lebte sie seit fünf Jahren nicht mehr in Irland. Sie hatte sich ein neues Leben aufgebaut. Ein eigenes Leben. Madrid war ihre neue Heimat. Evaña war ihre Welt. Ihr Vater hatte die Leitung des Gestüts ihrem Bruder Mark übertragen. Sie selbst hatte traurigerweise gar keinen Kontakt zu Pferden mehr, abgesehen von den unregelmäßigen Besuchen in ihrer Heimat.

Zum Abschied küsste sie die beiden weichen Nasen der Pferde, und sie wieherten freudig. Das glänzende Fell zwischen ihren Fingern, als sie die Tiere streichelte, beruhigte ihr erregtes Gemüt.

Irgendwie war es mit Tieren einfacher als mit Menschen. Sie hatten auch ihre Launen und Eigenheiten, natürlich. Aber sie urteilten nicht. Niemals. Sie gaben ihr nie das Gefühl, irgendwie seltsam zu sein, anders als die anderen, zu jungenhaft. Was auch immer. So wie es die Menschen eben mit ihr machten. Zu Ipanema hatte sie ein besonders inniges Verhältnis gehabt. Sie hatte das Pferd als Fohlen bekommen und musste es mit der Flasche aufziehen. Diese Erfahrung hatte ihr Leben verändert.

Sie hatte das Pferd geliebt wie ihr eigenes Kind, und Ipanema hatte sie zurückgeliebt. Als sie an Rocco verkauft worden war, hatte es ihr das Herz gebrochen.

Nachdenklich trat sie hinaus in die warme Nachmittagssonne. Der Lärm der Zuschauermenge von den Tribünen war verebbt, doch die Siegesfeiern standen noch bevor. Am Abend würde es eine Party im Molina Lario Hotel geben, die von den Champagner-Sponsoren veranstaltet wurde. Esme hatte ihr gesagt, dass sie sich später dort treffen sollten.

Es ist die beste Party in der ganzen Poloszene! Du musst unbedingt kommen – und dann feiern wir mal so richtig. Das Leben besteht doch nicht nur aus Arbeit!

Das Problem war nur, dass Rocco da sein würde. Und sie hatte für eine weitere Begegnung mit ihm einfach keine Energie mehr. Vielleicht sollte sie den Abend besser in ihrem Hotelzimmer verbringen, es sich in ihrem Bett gemütlich machen. Sie brauchte keine neuen Komplikationen in ihrem Leben.

Leider hatte sie sich zu früh gefreut. Kaum hatte sie sich auf den Weg zu den weißen Cateringzelten gemacht, sah sie die vier groß gewachsenen Männer auf der Leinwand. Zwei von ihnen trugen Rot, Schwarz und Weiß, die anderen beiden Blau und Gelb. Die Siegerehrung! Alle Augen waren auf sie gerichtet. Als Rocco der Pokal überreicht wurde, ging ein jubelndes Tosen durch die Menge.

Nach einer ausgiebigen Champagnerdusche stiegen sie von dem Podest und hinab in die Menge, die sie bereits erwartete. Es waren fast nur Frauen, bemerkte Frankie. Und sie himmelten Rocco und Dante an wie Stars. Die beiden Brüder schienen die Aufmerksamkeit zu genießen und ließen sich bereitwillig für Fotos ablichten, gaben Autogramme und verteilten Küsschen.

Natürlich hatte sie das alles schon einmal gesehen. In den Klatschmagazinen und im Internet. Dennoch ließ es sie nicht ganz kalt. Und vor allem ärgerte sie sich über sich selbst. Dass sie überhaupt immer noch hier war. Dass sie schon wieder völlig gebannt auf die Leinwand gestarrt hatte. Sie war jetzt eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Kein dummes verliebtes kleines Mädchen!

Energisch wandte sie sich um und beeilte sich, zur Straße zu gelangen, um ein Taxi anzuhalten.

In ihren flachen Sandaletten und dem leichten Baumwollkleid kam sie auf dem weichen Gras des Poloplatzes gut voran. Die Party im Molina Lario erschien ihr in diesem Moment immer weniger interessant. Wollte sie wirklich noch einmal dabei zusehen, wie Rocco von allen Frauen umschwärmt wurde? Nein, danke. Esme würde Verständnis haben. Sie wusste, dass Frankie den arroganten Rocco auf den Tod nicht ausstehen konnte. Den wahren Grund dafür kannte sie jedoch nicht.

Niemand wusste davon.

Autor

Bella Frances
Im Alter von zwölf Jahren entdeckte Bella Frances ihre Leidenschaft für romantische Geschichten – zwischen Strickmusterbögen und Rezepten in den Zeitschriften ihrer Großmutter. Ganz und gar mitgerissen aber war sie erst, als sie in einem langen, heißen Sommer nach ihrem ersten Abschluss in englischer Literatur die Romane von Mills &...
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