Wie zähmt man einen Playboy-Prinzen?

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Prinz Hafiz ist Laceys absoluter Traummann und der zärtlichste Liebhaber der Welt. Aber was empfindet er wirklich für sie? Seit Lacey ihm aus den USA in sein fernes Wüstenreich gefolgt ist, hält er ihre Beziehung geheim. Vielleicht braucht sie einfach noch ein bisschen Geduld, bis er sie der Öffentlichkeit vorstellt? Doch Laceys Traum von einer gemeinsamen Zukunft zerplatzt jäh, als sie erfährt, dass Hafiz heiraten wird. Eine andere! Lacey bleibt nur noch eine allerletzte Nacht in seinen Armen, bevor er endgültig seiner Pflicht als Thronfolger gehorchen muss …


  • Erscheinungstag 08.12.2015
  • Bandnummer 2209
  • ISBN / Artikelnummer 9783733707231
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Das Foto ihres Liebhabers prangte auf jeder Titelseite der Zeitschriften, die in dem kleinen Kiosk ausgestellt waren.

Lacey rückte ihre Sonnenbrille mit den dunklen Gläsern zurecht, die ihre hellblauen Augen verbargen, und starrte auf die Zeitung im Ständer. Obwohl die Schlagzeile in großen arabischen Buchstaben verfasst war, wusste sie, dass etwas Wichtiges passiert sein musste, was auch die ausgelassene Stimmung auf dem Marktplatz erklären würde. Zweifellos hatte Prinz Hafiz seine Landsleute wieder einmal stolz gemacht.

Sie überlegte, was er wohl diesmal getan hatte, als sie in gebrochenem Arabisch nach der englischen Tageszeitung fragte. Ob er die königlichen Schatztruhen noch mehr gefüllt hatte? Oder ein weiteres Industrieunternehmen davon überzeugt hatte, das Sultanat von Rudaynah zum Hauptgeschäftssitz zu machen? Vielleicht hatte er auch einen Preis gewonnen?

Sie entschloss sich zu warten, bis sie zu Hause war, um dann die Zeitung zu lesen. Erneut warf sie einen Blick auf die anderen Titelblätter. Auch wenn Hafiz’ Blick ernst wirkte, prickelte ihre erhitzte Haut. Es ärgerte sie, dass selbst ein Foto von Hafiz eine solche Reaktion bei ihr auslösen konnte.

Ein offizielles Foto, wie der Palast es der Presse bereitstellte. Obwohl jeder das Bild kannte, erregte es doch immer wieder die Aufmerksamkeit des Lesers. Niemand konnte Prinz Hafiz’ geheimnisvollen dunklen Augen widerstehen. Er war unglaublich attraktiv mit seinem dichten schwarzen Haar und seiner blendenden Figur, und die Frauen beteten ihn wegen seiner männlichen Schönheit an.

Vielleicht spürten sie aber auch die rohe Kraft hinter seinem kultivierten Verhalten. Lacey jedenfalls hatte sofort gemerkt, dass hinter seiner Zurückhaltung wildes Verlangen verborgen lag. Seine Distanziertheit war eine stumme Warnung, die die meisten Frauen ernst nahmen. Lacey hingegen fühlte sich dadurch noch mehr von ihm angezogen.

Sie hatte Hafiz’ rücksichtslose Selbstdisziplin als faszinierende Herausforderung empfunden. Schon als sie sich kennenlernten, war sie versucht gewesen, ihm seinen maßgeschneiderten Nadelstreifenanzug auszuziehen, um seine sinnlichsten Geheimnisse zu erforschen.

Allein der Gedanke daran trieb sie jetzt voller Ungeduld nach Hause. Sie musste zurück sein, ehe Hafiz kam. Obwohl er ein enormes Arbeitspensum bewältigte, schaffte er es immer, Lacey am Abend zu besuchen.

Die Sonne ging langsam über dem Wüstenhimmel unter, und Lacey wollte gar nicht erst darüber nachdenken, wie Hafiz reagieren würde, wenn sie nicht zu Hause war.

Stirnrunzelnd dachte sie daran, dass er nie danach fragte, was sie tagsüber machte. Zunächst hatte sie sich wegen seines mangelnden Interesses Gedanken gemacht. Ob er glaubte, die Zeit würde für sie stillstehen, bis er auftauchte?

Es gab Momente, wo sie ihre Pläne und Ideen mit ihm teilen und sogar mit ihm über ihren Tag sprechen wollte, aber sie hielt sich immer zurück. Sie war nicht bereit, ihm von ihrer Arbeit zu erzählen. Noch nicht. Aber eines Tages würde Lacey ihm zeigen, wozu sie in der Lage war. Wie sie etwas beisteuern konnte. Er sollte sehen, dass sie bereit war, das Sultanat zu ihrem ständigen Zuhause zu machen.

Es war nicht einfach gewesen. Denn es gab Tage oder Wochen, in denen sie krank vor Heimweh war. Sie hatte sich allein gefühlt und gelangweilt. Hatte all ihre Freunde vermisst, das schillernde Nachtleben – und sich nach ein bisschen Komfort gesehnt.

Es war ärgerlich, aber nichts Neues, dass die Zeitung ihr heute nicht in ihrem Penthouse-Apartment zugestellt worden war. Obwohl sie bereits seit einem halben Jahr in dem kleinen arabischen Land lebte, hatte Lacey sich immer noch nicht daran gewöhnt, dass gelegentlich der Strom ausfiel, der Service manchmal zu wünschen übrig ließ und Handwerker erst dann erschienen, wenn es ihnen gerade passte.

Auch das Kommunikationssystem gab immer wieder seinen Geist auf, so wie heute. Wenn es mal funktionierte, war es jedoch heillos überlastet.

In St. Louis war ihr Leben ganz anders verlaufen. Nicht dass sie sich beschweren wollte. Vielmehr war sie bereit, auf viele Annehmlichkeiten zu verzichten, für das eine, was sie in den Staaten nicht haben würde: Hafiz.

Lacey gab dem Zeitungsjungen das Geld und bedankte sich. Sie hatte Arabisch geübt und fühlte sich bestärkt, da der junge Mann sie verstanden hatte. Nachdenklich zupfte sie an dem Schal in hellem Orange, den sie um den Kopf geschlungen hatte, und schob eine verirrte Haarsträhne unter den Stoff.

Vielleicht war sie jetzt doch schon in der Lage, Hafiz zu zeigen, was sie in den vergangenen Monaten gelernt hatte. Auch wenn sie noch nicht fließend sprechen konnte und noch nicht alles über die Kultur wusste, wurde sie langsam ungeduldig und wollte endlich seine Familie und seine Freunde kennenlernen.

Trotzdem fühlte sie sich unwohl bei dem Gedanken, diese Forderung an ihn zu stellen. Deshalb hatte sie bisher gezögert. Nicht weil seine Familie von königlichem Geblüt war, sondern weil sie Angst hatte, ihn zu früh damit zu bedrängen.

Lacey wollte ihm kein Ultimatum stellen. Als sie das letzte Mal Stellung bezogen hatte, hatte sie alles verloren. Und sie wollte Hafiz nicht verlieren. Im Gegensatz zu ihren Eltern, denen es nichts ausgemacht hatte, sie allein zu lassen, um ihre Träume zu verfolgen, hatte Hafiz es nicht ertragen können, sie in St. Louis zurückzulassen, und sie deshalb mit in seine Heimat genommen. Sein Zuhause war für sie jedoch tabu.

Auch wenn sie sich noch so sehr wünschte, Teil seines Lebens zu werden, musste sie geduldig sein. Sie musste darauf vertrauen, dass Hafiz wusste, was er tat. Lacey seufzte schwer. Sie war es nicht gewöhnt, jemand anderem die Verantwortung zu überlassen.

Aber nun lebte sie in einem Land, in dem andere Regeln galten. Und sie hatte sich in einen Prinzen verliebt, ohne viel über das königliche Leben zu wissen.

Lacey war verwundert, dass Hafiz bei all den Regeln und Bestimmungen überhaupt noch Luft bekam. Doch er hatte sich noch nie beschwert, dass ihm die Last, die er zu tragen hatte, zu schwer war. Vielmehr war er getrieben, jede Herausforderung anzugehen und jedes Ziel zu erreichen. Und seine Verpflichtungen vergaß er nur, wenn er mit ihr im Bett war. Dann blieb die Welt stehen, und sie erfüllten sich all die Fantasien, nach denen ihre Körper sich sehnten.

Lacey stopfte die englische Tageszeitung in ihre Tasche zu den anderen Einkäufen und den roten Blumen, während sie unter ihrem steifen schwarzen Kaftan aufsteigende Lust verspürte. Sie hoffte, dass in dem Artikel gute Neuigkeiten standen, obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, dass die Presse etwas anderes als schmeichelhafte Worte über Hafiz verlieren würde.

Eilig trat sie auf die Straße, doch als sie die kreischende Hupe eines verschmutzten Trucks hörte, sprang sie zurück auf den Gehsteig. Rötliche Staubwolken wirbelten von der Straße hoch und legten sich in einer feinen Schicht auf ihre schwarzen Stiefel aus weichem Leder.

Sie wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum und blinzelte gegen den Staub an. Ein beißender Gestank nach Tieren, Autoabgasen und faulem Abwasser hing in der Luft, und Lacey rümpfte die Nase. Sie wusste, dass das kleine Land erst kürzlich zu Wohlstand gekommen war, und war froh, nicht vorher hier gewesen zu sein, als das Land noch keine Fortschritte gemacht hatte.

Ihr fiel ein, was Hafiz über seine Heimat gesagt hatte, als sie sich kennenlernten. Voller Stolz und Liebe hatte er über das reiche Erbe und die Romantik der Wüste gesprochen. Er hatte ihr von der Stammesmusik erzählt und den exotischen Düften, die die Sternennacht erfüllten. Und davon, dass das Sultanat nach der ersten Sultana benannt worden war. Damals hatte Lacey angenommen, Rudaynah müsse ein romantisches Paradies sein.

Vertrau nie der Vorstellung eines Mannes über Romantik, entschied Lacey, als sie sich entschlossen durch den Verkehr schlängelte, gefolgt von dem hohen Kreischen der Fahrradklingeln. Sie wich einem gelangweilten Esel aus, der einen Karren zog, mit irgendeinem stinkenden Abfall beladen. Als ein Bus an ihr vorbeiwischte, schlug ihre Tasche gegen einen der Fahrgäste, die aus dem überfüllten Fahrzeug hingen.

Eilig hastete Lacey zu ihrem Apartment. Die Schatten wurden länger, als sich die Sonne langsam dem Horizont näherte. Grüßend nickte sie den Wachmännern zu, die vor den Toren zu dem Wohnkomplex standen. Ohne sich in ihrer Unterhaltung stören zu lassen, winkten die Männer in den olivgrünen Uniformen und mit den buschigen Schnurbärten sie durch.

Sie lief über den leeren Innenhof und blieb nur stehen, als ein großes Insekt mit gefährlich klingendem Summen vor ihrem Gesicht vorbeiflog. Schaudernd biss sie die Zähne zusammen und eilte um die Ecke zu dem Privataufzug, der sie direkt in ihr Penthouse bringen würde.

Abrupt blieb sie stehen, als sie sah, dass ein Mann vor dem Aufzug wartete. Er trug einen weißen fließenden Kaftan. Eine goldene Kordel war um den weißen Turban, die Keffiyeh, geschlungen, der seine Haare bedeckte. Auch ohne das Gesicht des Mannes zu sehen, spürte sie dessen undurchdringliche Wand aus männlicher Arroganz, Macht und Privileg. Es gab nur einen Mann, der sich eines Lebens erfreute, in dem es keine Grenzen oder Unmögliches gab.

„Hafiz?“, flüsterte sie.

Prinz Hafiz ibn Yusuf Qadi wirbelte herum. „Lacey?“ Er starrte sie an. Dann blinzelte er und runzelte die Stirn. Seine ansonsten glamouröse sexy Geliebte trug einen unförmigen Kaftan und einen scheußlichen Schal. Nur ein Hauch von Make-up war auf ihrem blassen Gesicht zu sehen, aber sie war trotzdem eine atemberaubende Schönheit.

„Was machst du hier unten?“ Prinz Hafiz zog ihr die Sonnenbrille herunter, denn er musste ihre Augen sehen. An ihrem strahlend blauen Blick konnte er immer ablesen, was sie dachte oder fühlte.

Nachdem er ihr die Sonnenbrille abgenommen hatte, zog er den Schal von ihrem Kopf und wurde belohnt mit einer Flut kupferroter Locken. Er spannte die Finger an, denn er wollte ihre Haare berühren, die Strähnen ausbreiten, damit die letzten Sonnenstrahlen sich darin verfangen konnten. Er wollte seine Finger in der weichen Haarflut vergraben, während er sie leidenschaftlich küsste.

Stattdessen ließ er langsam und widerwillig seine Hand fallen. Fest umklammerte er ihre Sonnenbrille. Er durfte Lacey nicht berühren. Nicht hier, in der Öffentlichkeit. Wenn er nur ein einziges Mal ihre Haut berührte, würde er sich nicht mehr zurückhalten können.

Dass Lacey ihn mit einem Kuss begrüßen wollte, machte ihm die Sache nicht eben leichter. Der Anblick ihrer geschlossenen Augen und leicht geöffneten Lippen trug ihn zu der Zeit zurück, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte. In dieser schicksalhaften Nacht, als er das luxuriöse Hotel betrat, das in der Nähe des Hafens von St. Louis lag.

Die Lobby war voller Menschen gewesen, seitlich daneben befand sich eine Pianobar. Getragene Musik erregte seine Aufmerksamkeit, doch erst ihr Gesang brachte ihn dazu, sich umzudrehen. Ihre Stimme klang weich und klar, und sie war so voll und samtig, dass sie seine Fantasie erweckte.

Als er sie dann sah, hämmerte sein Herz gegen die Rippen. Lacey war eine faszinierende Mischung aus Gegensätzen. Sie sah wie ein unschuldiges Mädchen aus, doch ihre Stimme sprach von einem Schatz an Erfahrung. Wie ein Schleier fielen die roten Haare über ihre Schultern und das einfache blaue Abendkleid. Eigentlich war es ein dezentes Kleid, das sie von ihrem zarten Hals bis zu den schlanken Fesseln bedeckte, und doch umschmeichelte es verführerisch ihre Kurven.

Hafiz wusste, dass er mit ihr ein Problem bekommen würde, doch das hatte ihn nicht davon abgehalten, zum Klavier zu gehen, während sie den Tasten einen sehnsüchtigen Ton entlockte.

Sie hatte ihn nicht kommen sehen, da sie die Augen geschlossen hatte und hinweggetragen wurde von der Musik. Und er hatte zugelassen, dass sie ihn mitnahm.

Hafiz zwang sich in die Gegenwart zurück, fort von der verwirrenden Vergangenheit. Sein Blick schweifte über das voluminöse schwarze Gewand, das ihren Körper verhüllte. Aus einem unbestimmten Grund ärgerte ihn ihre Aufmachung. „Was trägst du da eigentlich?“

Sie öffnete die Augen und runzelte die Stirn, ehe sie ihre Hände in die Hüften stemmte. „Das Gleiche könnte ich dich fragen“, gab sie zurück und ließ ihren Blick ebenfalls über ihn schweifen. „Ich habe dich noch nie so gesehen.“

Laceys Stimme klang tief und heiser, und in ihrem Blick schimmerte Verlangen. Ihm wurde heiß, wenn sie ihn auf diese Weise ansah. Wie schaffte es diese Frau, ihn so schnell derart zu erregen, ohne ihn auch nur angefasst zu haben?

Tief atmete er die heiße Wüstenluft ein. Er könnte Lacey in dieser versteckten Ecke nehmen und ihre Lustschreie mit seinem Mund ersticken … Hafiz schüttelte den Kopf. Was für ein Gedanke? Dass der Sultan herausfand, dass seine Geliebte im Schatten des Palastes wohnte, war das Letzte, was er brauchte.

„Das ist eine dishdasha“, erklärte er grimmig und versuchte, das Verlangen zu bezwingen, das sein Blut zum Kochen brachte. „Ich trage sie bei offiziellen Anlässen. Und jetzt erklär mir, was du allein hier draußen zu suchen hast.“

Sie hielt ihre Tasche hoch. „Ich war einkaufen.“

„Einkaufen“, wiederholte er dumpf.

„Ja, und ich ziehe dieses Gewand immer an, wenn ich das Apartment verlasse.“ Sie strich über den schlichten Kaftan aus Gabardine. „Ich weiß, dass man hier in Rudaynah nur die Touristen bittet, sich züchtig zu kleiden, aber ich habe keine Ahnung, ob ich in diese Kategorie falle. Ich bin zwar eigentlich keine Touristin, aber ich gehöre auch noch nicht richtig hierher, oder nicht? Jedenfalls wollte ich kein Risiko eingehen.“

Hafiz hatte ihre Frage kaum gehört. Immer, wenn ich das Apartment verlasse? Sie hatte es also schon mehr als einmal getan? Vielleicht ständig? Wohin ging sie? Und mit wem?

Ein Mann konnte es nicht sein. Er wusste, dass er Lacey vertrauen konnte. Sie hatte sich in dieser ersten Nacht in ihn verliebt und sah keinen Grund, es zu leugnen.

Aber es gefiel ihr nicht, dass sie getrennt von ihm lebte. Er war der Mittelpunkt ihrer Welt, und er wollte nicht, dass sich daran etwas änderte. „Immer wenn du gehst?“, fragte er, die Brauen hochgezogen. „Wie oft gehst du denn aus?“

„Du musst dir meinetwegen keine Sorgen machen.“ Laceys Lächeln verblasste. „Oder hast du Angst, einer deiner Freunde oder Verwandten könnte mich sehen?“

Hafiz hörte den scharfen Unterton und spürte ihre Ungeduld. Er gab dem Verlangen nach, sie zu berühren, und vergrub die Hände in ihren Haaren. Schließlich hob er ihr Gesicht an. „Ich dachte, du verbringst deine Zeit damit, deine Musik zu spielen“, murmelte er zerstreut.

„Und damit, von dir zu träumen?“

„Natürlich“, erwiderte er mit schiefem Lächeln.

Sie hob eine Braue und dachte über seine Antwort nach. „Ich kann auch beim Einkaufen an dich denken.“

„Nein.“ Sein scharfer Ton erstickte jede Widerrede. „Keine Ausflüge mehr. Du kennst die Sprache dieses Landes doch gar nicht.“

„Wie soll ich sie denn lernen, wenn ich nicht herauskomme und …“

„Du hast Bedienstete, die für dich einkaufen gehen können.“ Er machte eine abwehrende Handbewegung, als sie ihn unterbrechen wollte. „Ja, ich weiß. Das hast du mir bereits gesagt. Du fühlst dich nicht wohl bei dem Gedanken, dass dich jemand bedient. Aber sie sind hier, um sich um dich zu kümmern.“

„Du kannst mich nicht die ganze Zeit im Haus verstecken“, beharrte sie, während sie ihre Hand gegen seine Wange presste, sodass sein Herz bei dieser Berührung schneller schlug. „Ich bin nicht Rapunzel.“

„Ich weiß“, entgegnete er resigniert. Das europäische Märchen hatte sie schon oft erwähnt und ihm die Grundzüge erzählt. Doch eines Tages würde er es ganz lesen müssen, für den Fall, dass er mehr darüber wissen müsste.

Seufzend lehnte Lacey sich gegen die Wand. Hafiz legte seine Hände neben ihren Kopf, während ihre Sonnenbrille an seinem Finger baumelte. Er starrte auf ihren Mund, und seine Lippen prickelten vor Sehnsucht nach einem Kuss.

Aber mehr konnte er sich nicht erlauben. Wenn er ihrer Weichheit nachgeben würde, könnte er sich nicht mehr zurückhalten.

Mit der Zungenspitze fuhr sie sich über die Unterlippe. „Wir sind nicht allein, Hafiz“, erinnerte sie ihn. „Du solltest mir nicht so nahe kommen.“

Das wusste er, und trotzdem konnte er nicht anders. Sie war sein einziges Laster, dem er aus freien Stücken verfallen war. Er hatte bereits alles riskiert, um mit ihr zusammen zu sein. Jeden Tag entschied er sich, alles für sie aufs Spiel zu setzen. Doch jetzt war ihm diese Möglichkeit genommen worden, und all das würde ein Ende haben.

Er beugte den Kopf, hielt jedoch abrupt inne. Er sollte sich zurückziehen. Reglos blieb Hafiz stehen und starrte auf ihren Mund. Ihr unregelmäßiger Atem klang laut in seinen Ohren. Ein Kuss konnte ihm Frieden bringen oder ihn in Flammen setzen. Ein Kuss würde zum nächsten führen.

Wie in Trance strich Hafiz mit den Fingerspitzen über ihre Braue. Er liebkoste ihre Wange und wünschte sich, mit seinem Mund ihre Lippen zu berühren. Ihre Haut zu schmecken …

Er sollte nicht bei ihr sein. Nein, es war mehr als das. Er sollte nicht bei ihr sein wollen. Lacey Maxwell war für ihn streng verboten.

Lacey zu wollen verstieß gegen alles, was man ihn gelehrt hatte. Er durfte nur ehrenwerte und unberührte Frauen aus dem Sultanat attraktiv finden. Und doch war Lacey die einzige Frau, zu der er sich hingezogen fühlte.

Sie war mutig und wunderschön. Statt ihre Kurven zu verstecken, zeigte sie ihren Körper. Sie kannte keine Scham in ihrem Verlangen nach ihm. Und statt zu versuchen, ihn zu zähmen, ermutigte Lacey ihn noch in seiner Wildheit, die er jahrelang abzutöten versucht hatte.

Sein Herz hämmerte laut in seinen Ohren, als er über Laceys Wange strich. Sie legte den Kopf zurück und bot ihm ihren schlanken Hals dar. Er wollte mit seinen Fingern darüberfahren, seine Hand dann unter ihren Kaftan stehlen. Wollte hören, wie ihr Atem sich in Stöhnen verwandelte.

Aber das war unmöglich. Stattdessen fuhr er mit dem Daumen über ihre Lippen, zeichnete immer wieder die Konturen ihres Mundes nach, bis ihr Duft an seiner Haut haftete.

Als Lacey das Gesicht abwandte, umfasste er ihr Kinn und hielt sie zurück. Mit einem ergebenen Stöhnen beugte er sich herunter und eroberte ihren Mund.

„Hafiz“, flüsterte sie aufgebracht. „Man wird uns sehen.“

Die Warnung war dazu angetan, sein kochendes Blut in Eis zu verwandeln. Seine Brust hob und senkte sich, während er sein pulsierendes Verlangen zügelte und sich sehr unwillig von ihr löste.

„Wir sollten gehen, bevor einer der Nachbarn mich entdeckt“, sagte Lacey zitternd und zog den Schal wieder über ihren Kopf.

Enttäuschung machte sich in ihm breit, als ihr wunderschönes Haar jetzt darunter verschwand. „Ich mag es nicht, wenn du dich so bedeckst.“ Er hatte nie darüber nachgedacht, wie es für ihn sein würde, wenn diese Frau verschleiert war, aber es fühlte sich grundlegend falsch an, Laceys bezwingende Schönheit und ihren Charakter zu verbergen.

„Glaub mir, ich trage das nicht gern.“ Sie griff nach ihrer Sonnenbrille. „Unter diesen Sachen ist es unfassbar heiß, aber sie machen mich unsichtbar, und das ist alles, was zählt.“

Er warf ihr einen ungläubigen Blick zu. „Du könntest nie unsichtbar sein, Lacey.“

Ihr Lächeln war umwerfend, und sie errötete vor Freude, als hätte er ihr das größte Kompliment gemacht.

„Zieh den Schal ab“, flüsterte er heiser. „Niemand wird dich sehen, denn alle sind beim Gebet.“ Hafiz fragte sich, warum er sich so sehr über den Schal und die Sonnenbrille ärgerte, dass er sogar die Möglichkeit in Kauf nahm, entdeckt zu werden. Er griff nach ihrem Arm und zog sie näher.

„Sei dir nicht zu sicher. Die meisten Leute sahen so aus, als ob sie heute Abend feiern wollen. Ich weiß allerdings nicht, warum …“ Die Tasche rutschte von ihrem Handgelenk. Sie beugte sich herunter, um den Einkauf wieder zu verstauen, doch ihr scharfer Aufschrei ließ ihn zusammenfahren.

„Lacey. Was ist denn?“ Er starrte auf den rissigen Betonboden und die roten Blumen, die dort unversehrt lagen. Fast hätte er die englische Zeitung übersehen, mit seinem Foto auf dem Titelblatt. Die Schlagzeile raubte ihm den Atem und stürzte ihn in tiefe Verzweiflung.

Prinz Hafiz wird heiraten.

2. KAPITEL

Fassungslos starrte Lacey auf die Schlagzeile, die Hafiz’ Verlobung ankündigte. Doch ihr Verstand weigerte sich zu verstehen. „Heiraten?“, flüsterte sie, und ihr Blick flog zu Hafiz. „Du wirst heiraten?“

Wie gelähmt stand sie da, als er sich zu seiner vollen Größe aufrichtete. Nun wirkte er sehr imposant und einschüchternd. Beinahe wie ein Fremder.

Lacey merkte nicht einmal, dass sie den Atem anhielt, bis er antwortete. „Ja.“

Alles begann sich um sie herum zu drehen. „Ich … ich wusste nicht …“ Wieder starrte sie auf die Schlagzeile, doch der Schmerz war zu intensiv, und sie steckte hastig Blumen und Zeitung zurück in die Tasche.

Ihre Hände zitterten, als Wut in ihr aufstieg und etwas, das sich wie Angst anfühlte. Angst davor, alles zu verlieren. Wut, wenn sie an Hafiz mit einer anderen Frau dachte. Und die Wut drohte sie zu überwältigen. Sie wollte aufschreien angesichts dieser Ungerechtigkeit, wollte ihren Anspruch geltend machen. Hafiz gehörte ihr.

„Du bist mit einer anderen Frau zusammen gewesen.“ Sie konnte es nicht glauben. „Die ganze Zeit warst du mit einer anderen zusammen.“

Bei ihren anklagenden Worten verengte Hafiz die Augen. „Nein. Du bist die einzige Frau in meinem Leben, seit ich dich vor einem Jahr in St. Louis kennengelernt habe.“

Sie war die einzige Frau, und trotzdem heiratete er eine andere? Zitternd nahm Lacey ihre Sonnenbrille ab und verstaute sie in ihrer Tasche. „Wie kannst du dann …? Ich verstehe das nicht.“

Breitbeinig stellte er sich hin, verschränkte die Hände hinter dem Rücken und wappnete sich für den Kampf. „Ich habe die Braut heute getroffen, und sie hat zugestimmt.“

Entgeistert sah Lacey ihn an. „Du hast sie erst heute kennengelernt?“ Sie klammerte sich an den kleinen Hoffnungsschimmer. „Also ist es eine arrangierte Ehe.“

Hafiz stieß ein freudloses Lachen aus. „Natürlich.“

„Wo ist dann das Problem?“ Sie schwankte leicht, und ihre Arme und Beine zitterten. „Sag, dass du nicht heiraten wirst.“

Er wandte den Blick ab. „Das kann ich nicht.“ Bedauern färbte seine Stimme.

Lacey wollte aufstampfen und eine andere Antwort von ihm erzwingen, aber sie wusste, dass sie nichts anderes von ihm hören würde, das zeigte ihr seine abweisende Miene und das arrogant vorgereckte Kinn. „Du bist doch nicht der Kronprinz“, hielt sie ihm entgegen, „Obwohl ich es nicht verstehe, weil du doch der älteste Sohn bist. Aber du hast doch mehr Freiheiten.“

Einen kurzen Moment schloss Hafiz erschöpft die Augen. „Der Sultan hat den Nächsten in der Erbfolge für den Thron ausgewählt. Er hat sich für meinen Bruder entschieden. Trotzdem habe ich keine Freiheiten, obwohl ich nie regieren werde. Ich habe sogar weniger Freiheiten.“

Sie wollte all das nicht hören, da ihre Gefühle ihr sowieso schon den Atem nahmen. „Du hättest der Ehe mit dieser Frau niemals zustimmen dürfen“, sagte sie mit zitternder Stimme.

Hafiz sah sie wieder an. „Ich habe mein Einverständnis gegeben“, erklärte er leise. „Ich kann es nicht zurücknehmen.“

Und was war mit den Versprechen, die er ihr zuvor gegeben hatte? Dass sie zusammen sein würden. Spielte das denn gar keine Rolle? Spielte sie keine Rolle?

„Warum hast du überhaupt zugestimmt?“ Fest presste sie die Tasche gegen ihre Brust. Lieber würde sie sich an etwas Starkes klammern, so wie Hafiz, bis der Gefühlsaufruhr vorbei war, auch wenn sie danach mit gebrochenem Herzen zurückbleiben würde. Aber zumindest würde er sie festhalten, damit sie nicht zusammenbrach vor Schmerz. „Du hättest dich weigern sollen.“

„Diesmal konnte ich nicht.“ Hafiz zuckte zusammen, da er zu viel verraten hatte. Sein Mund wurde zu einer schmalen Linie.

Misstrauisch starrte Lacey ihn an. „Diesmal?“, wiederholte sie. „Wie lange suchst du denn schon nach einer Frau?“

„Wir sollten nicht hier darüber streiten“, meinte er knapp. „Lass uns nach oben gehen.“ Er geleitete sie zum Aufzug und legte eine Hand auf ihren Arm, da sie immer noch zitterte. Als er auf den Knopf drückte, starrte sie darauf, als hinge ihr Leben davon ab.

„Heiraten“, wiederholte sie und schüttelte den Kopf. „Ich kann das nicht glauben. Warum hast du mir nichts gesagt?“

„Das tue ich ja jetzt.“ Sein Blick war auf die Anzeige am Aufzug gerichtet.

„Jetzt, ja, nachdem alles beschlossen ist.“ Dass ihre Stimme vorwurfsvoll klang, war ihr egal.

Kurz warf er ihr einen Blick zu. „Noch nicht ganz, aber seit heute Morgen ist es offiziell. Ich wollte es dir sagen, bevor du es aus einer anderen Quelle erfährst.“

Was erklärte, warum ihr an diesem Morgen keine Zeitung geliefert worden war. „Wie rücksichtsvoll.“ Sie merkte, dass ihr verbitterter Sarkasmus ihn überraschte, aber das kümmerte sie nicht. Hafiz würde heiraten. Eine andere. Die Erkenntnis traf sie mitten ins Herz. Es war ein Wunder, dass sie unter dem unerträglichen Schmerz nicht zusammenbrach. „Wann findet die Hochzeit denn statt?“

„Nach Eid al-Fitr.“ Seine Antwort wurde beinahe von dem Rattern des Aufzugs verschluckt, der gerade unten ankam.

Eid al-Fitr. Wenn sie sich richtig erinnerte, war das der Feiertag, der auf den Fastenmonat Ramadan folgte. In der Zeitung wurde etwas darüber erwähnt. „In drei Monaten?“, vermutete sie.

Er hielt die Tür des Aufzugs für sie auf. „Mehr oder weniger.“

Lacey betrat den Aufzug, während sich in ihrem Kopf alles drehte. Drei Monate. Ihr blieben nur noch drei Monate mit Hafiz.

Was hatte sie da eben gedacht? Ihr blieb keine Zeit mehr. Oh Gott. Sie würde nicht stark genug sein, um damit umgehen zu können. Der Schmerz würde sie zerstören. Hafiz war verlobt. Und damit tabu. Von alldem hatte sie nichts gewusst. Ihr Mund wurde trocken, als sie verzweifelt versuchte, ihr Schluchzen zu unterdrücken. „Du hättest mir sagen sollen, dass du nach einer Frau suchst.“

Autor

Susanna Carr
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