Wiedersehen auf Bali

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Der reiche Bauunternehmer Richard Fielding will nur eins: Emma vergessen! Aber als er seine Exfrau auf Bali wiedersieht, vergisst er alle Vorsätze. Sie ist einfach hinreißend und ihre tiefgrünen Augen verzaubern ihn so sehr, dass sich Richard sehnlichst wünscht, Emma erneut erobern zu können...


  • Erscheinungstag 01.07.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778798
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Der Hotelbus fuhr durch die üppige grüne Landschaft Balis, die in Emma wehmütige Erinnerungen wachrief. Die indonesische Insel war noch immer so magisch und exotisch wie zu der Zeit, als Emma hier ihre Flitterwochen verbracht hatte.

Die grünen Wedel der Kokospalmen bewegten sich sanft im Südwind, aufgescheuchte Affen flüchteten sich auf die moosüberwucherten Mauern der Steintempel, Mädchen in bunt gefärbten Wickelröcken und Blusen balancierten Körbe mit Früchten auf den Köpfen. Einmal musste der Busfahrer anhalten, weil eine Schar aufgeregt schnatternder Enten quer über die Straße watschelte und den Weg versperrte. Als er die Tür öffnete und sich lautstark beim Besitzer der Enten beschwerte, drang ein warmer Luftzug in den kühlen, klimatisierten Bus ein. Plötzlich duftete es nach Meer, Jasmin und fernöstlichen Gewürzen.

Emma holte tief Luft und schloss die Augen. Sie sehnte sich nach Richard, und für einen Moment war die Erinnerung an ihn so lebhaft, als säße er neben ihr wie neun Jahre zuvor. Aber diesmal fühlte sie keinen warmen, muskulösen Schenkel an ihrem. Keine große, raue Hand streichelte ihre Finger, keine tiefe männliche Stimme sprach neben ihr. Als Emma die Augen öffnete und auf den Platz neben sich schaute, war er leer. Die Türen des Busses schlossen sich mit leisem Zischen.

Sie seufzte und fragte sich, warum sie nach Bali zurückgekommen war. Warum quälte sie sich mit alten Erinnerungen herum? Es war einfach dumm.

Sie betrachtete die anderen Fahrgäste, aber dabei fühlte sie sich noch unwohler. Vor ihr saßen zwei ältere, glücklich lächelnde Paare, die aussahen, als würden sie nach vierzig Jahren ihre zweiten Flitterwochen verbringen. Hinter ihr saß eine Gruppe aufgeregter junger Leute, die bereits die ersten Freundschaften schlossen. Und neben ihr bot sich ein besonders qualvoller Anblick: ein junges Paar auf Hochzeitsreise. Die Frau hatte noch immer Reste von Konfetti im langen rotbraunen Haar und himmelte ihren Mann an, der sich seinerseits nur für ihre glänzenden braunen Augen zu interessieren schien. Es gab Emma einen Stich ins Herz. Sie war mit ihren achtundzwanzig Jahren kaum älter als die beiden, aber im Gegensatz zu ihnen lagen viele Jahre qualvoller Erfahrungen hinter ihr.

Seufzend schlug sie ihren Reiseführer auf und versuchte, ein wenig darin zu lesen. Es hatte keinen Sinn, alten Zeiten nachzutrauern. Sie musste sich damit abfinden, dass sie allein lebte.

Doch die Erinnerungen ließen Emma nicht los. Als sie dem Gepäckträger wenig später ins Hotel folgte, hörte sie ein Gamelanorchester indonesische Volksmusik spielen. Die seltsamen rhythmischen Klänge der Trommeln, Zimbeln und Bronzeglocken waren ihr sofort vertraut. Auch neun Jahre zuvor hatte ein Gamelanorchester gespielt, als Richard und sie an der Rezeption die Anmeldeformulare ausgefüllt hatten. Damals hatte sie zum ersten Mal mit ihrem neuen Nachnamen unterschrieben, wobei ihr vor Aufregung die Finger gezittert hatten. Auch jetzt zitterte ihre Hand ein wenig, so dass Emmas Unterschrift kaum lesbar war.

Emma Fielding – der Name kam ihr plötzlich seltsam vor. Irgendetwas hatte sie davon abgehalten, Richard in den acht Jahren ihrer Trennung um Scheidung zu bitten. Sie hatte sich zwar immer wieder gesagt, dass sie ihn hasste und verachtete, dennoch wärmte sie sich manchmal an der vagen, unbegründeten Hoffnung, dass sie eines fernen Tages wieder zusammenfinden würden. In Wirklichkeit wäre Richard wohl eher zum Mond geflogen, als jemals zu ihr zurückzukommen.

„Sie sehen so unglücklich aus“, meinte der Hotelangestellte an der Rezeption besorgt. „Kann ich Ihnen helfen?“

„Nein, es ist alles in Ordnung“, versicherte Emma ihm. Außer, dass mein Mann mich hasst, dass ich zwanzig Millionen Dollar Schulden habe und dass ich mich miserabel fühle, fügte sie im Stillen hinzu.

Der Mann lächelte, so dass Emma seine strahlend weißen, gleichmäßigen Zähne sah.

„Ach, Sie reisen allein. Vielleicht fühlen Sie sich ein wenig einsam. Darf ich Ihnen etwas empfehlen? Wir haben jeden Abend eine Veranstaltung mit balinesischen Tänzen. Dabei geht es sehr ungezwungen zu, und unter den Zuschauern sind viele junge Leute. Möchten Sie, dass ich Ihnen einen Platz an einem Tisch mit anderen Touristen reserviere, damit Sie Bekanntschaften schließen können?“

Emma fand den Gedanken unerträglich, mit völlig unbekannten, gut gelaunten Urlaubern an einem Tisch zu sitzen. Aber da die Hilfsbereitschaft des Hotelangestellten aufrichtig zu sein schien, fand Emma, dass sie ihm eine Erklärung schuldig war.

„Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, aber ich bin ein wenig müde von der Reise und werde nicht lange allein sein. Mein Mann kommt heute Abend nach. Ich möchte lieber in meinem Zimmer bleiben und auf ihn warten.“

„Natürlich, Madame, ich verstehe. Ich werde Sie verständigen, wenn er angekommen ist.“

Darauf kann er lange warten, dachte sie traurig, während er ihr den Zimmerschlüssel überreichte. Ein Hoteldiener in schwarzem Sarong, einem buntgemusterten Hemd und einem Batikturban auf dem Kopf nahm ihren Koffer, und als sie dem jungen Mann durch die blitzsauberen teakgetäfelten Korridore folgte, war ihr ein wenig wohler zu Mute. Die Sorgen der Monate zuvor kamen ihr plötzlich nicht mehr ganz so drückend vor. Vielleicht war es trotz allem doch keine so schlechte Idee gewesen, nach Bali zu kommen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass es ihr erster Urlaub seit der Trennung von Richard war.

Als sie das Hauptgebäude verließen und eine lange, schattige Veranda betraten, empfing sie die warme, nach Blüten duftende Tropenluft. Die Sandalen des Hoteldieners klatschten leise auf dem Boden des gepflasterten Weges, der durch einen sehr gepflegten Garten führte. Neben den sorgfältig geschnittenen Hecken fielen Emma die vielen blühenden Tropenpflanzen auf, insbesondere Jasmin und Hibiskus.

Schließlich blieb der junge Mann vor einem Häuschen stehen.

„Das ist Ihr Bungalow, Madame. Der nächste Swimmingpool ist gleich hinter dem Torbogen rechts.“

Im Gegensatz zu normalen Hotelbungalows war dieses Häuschen zweistöckig und im traditionellen balinesischen Stil gebaut, das Dach mit dem hohen Giebel mit orangefarbenen Lehmziegeln gedeckt. Auch die Wände waren orangefarben, abgesehen von eingelassenen verzierten Säulen aus grauem Sandstein. Emma freute sich schon darauf, auf einem der bequem aussehenden Bambussessel auf der Veranda zu sitzen und in aller Ruhe einen eisgekühlten Fruchtsaft zu trinken.

Im Inneren des Bungalows war es dank der leise summenden Klimaanlage angenehm kühl. An den schlichten weißen Wänden hingen bunte Gemälde mit Landschaftsmotiven und Szenen aus balinesischen Göttersagen. Über dem mit Schnitzereien verzierten Getränkeschrank aus Teakholz grinste eine traditionelle Dämonenmaske mit goldfarbenen Ohren, riesigen hervorstehenden Augen und großen Zähnen. Es gab nur verhältnismäßig wenige, aber geschmackvolle Möbel im Raum: eine Sitzgarnitur mit grünem Batikbezug, einen Bambustisch und einen Esstisch mit Stühlen, ebenfalls aus Bambus. Außerdem gab es eine kleine, gut ausgestattete Küche.

Der Anblick des Zimmers im oberen Stockwerk erweckte quälende Erinnerungen. Alles sah genau wie früher aus: die beiden großen Betten mit den bunten Bettbezügen, die Gemälde mit den balzenden Reihern, die mit Schnitzereien verzierten Schränke und Kommoden. Sogar das Bad mit den vergoldeten Hähnen und dem grünen Marmorbecken war gleich.

Emma bemühte sich zu lächeln, als der Hoteldiener ihren Koffer abstellte. Sie bestellte einen eisgekühlten Fruchtsaft und einen Obstteller. Als der Hoteldiener ging, war sie froh, endlich mit ihren Erinnerungen allein zu sein.

Nachdem sie ihre Schuhe ausgezogen hatte, löste sie ihre Frisur und strich das lange Haare mit den Händen aus. Dann öffnete sie den Koffer und holte einige Kleidungsstücke heraus: das teure französische Kleid mit der goldenen Brosche am Revers, Unterwäsche, eine Perlenkette und dazu passende Perlenstecker. Anschließend nahm sie das lange blaue Batikkleid heraus, das Richard ihr auf der Hochzeitsreise gekauft hatte. Es war von der Hüfte an rückenfrei und wurde am Nacken durch einen schmalen Träger gehalten. An der Vorderseite des weit geschnittenen unteren Teils befanden sich rote Punkte, die sich zur Mitte hin verdichteten und wie ein explodierender Stern aussahen. Emma hatte es seit ihrer Hochzeitsreise in einer Sandelholzkiste aufbewahrt, deren Duft sich auf das Kleid übertragen hatte.

Sie zog es an, kämmte sich das Haar und ging zum Schminktisch, wo sie sich wehmütig lächelnd im Spiegel betrachtete.

„Du hast dich kaum verändert, Emma“, sagte sie leise zu sich selbst.

Aber dann bemerkte sie den bitteren Ausdruck um ihre Mundwinkel. Sie hatte sich doch verändert. Was das dunkle, wellige Haar und die schlanke Figur betraf, sah sie noch immer aus wie das neunzehnjährige Mädchen, das Richard einst geheiratet hatte. Die helle weiche Haut war noch immer glatt, und die Brüste zeichneten sich mit sanften Rundungen unter dem dünnen Stoff des Kleids ab. Doch andererseits war sie eine reife Frau geworden – eine verbitterte Frau. Sie betrachtete ihre dunkelgrünen Augen mit den kleinen gelben Punkten im Zentrum der Iris.

„Warum bin ich zurückgekommen?“, fragte sie sich. „Warum tue ich mir das an?“

Sie ging ins Bad, wo sie das dünne balinesische Kleid auszog und auf den Boden warf. Vielleicht brächte Duschen sie auf andere Gedanken. Sie war schließlich nach Bali gekommen, um sich zu erholen, bevor sie sich der unvermeidlichen erniedrigenden Bankrotterklärung stellen musste.

Das kalte Wasser tat ihr gut, und sie beschloss, nicht mehr an Richard zu denken. Sie wollte die Sonne und das Land genießen, um Kraft für die unangenehmen Aufgaben zu sammeln, die auf sie zukamen.

Nach ausgiebigem Duschen trocknete sie sich mit einem dicken, weichen Handtuch ab. Als sie ihr langes Haar auswrang, hörte sie im Erdgeschoss eine Tür schlagen. Sie nahm an, dass der Hoteldiener die bestellten Früchte brachte, und zog sich eilig an. Dann ging sie ins Schlafzimmer. Was sie dort sah, war so unglaublich, dass sie dachte, ihr Herz würde aussetzen.

„Richard“, flüsterte sie.

Es war keine Einbildung, kein Trugbild übersteigerter Fantasie. Er stand wirklich in Fleisch und Blut vor ihr – groß und breitschultrig wie damals; blond, gebräunt und mit auffallend blauen Augen. Dennoch hatte sich irgendetwas an ihm verändert. Er sah noch immer atemberaubend gut aus, wirkte aber härter als in seinen jüngeren Jahren und hatte eine Ausstrahlung von Macht und Autorität. Auch er trug, was er auf der Hochzeitsreise angehabt hatte – eine kurzärmelige beigefarbene Safarijacke mit braunem Batikdesign und beigefarbene Shorts, so dass seine muskulösen Beine und Unterarme unbedeckt waren. Doch abgesehen von der vertrauten Kleidung wirkte er auf Emma wie ein Fremder. Er stand zwischen den beiden großen Betten und schaute sie grimmig, fast feindselig an. Was, in aller Welt, hatte er hier zu suchen?

„Hallo Emma.“ Seine Stimme klang tief und rau wie damals.

Emma bekam weiche Knie und stützte sich an den Türrahmen.

„Was willst du hier?“, fragte sie leise.

„Das erkläre ich dir später“, antwortete er ruhig. „Hast du Lust, mit mir eine Kleinigkeit zu essen?“ Er benahm sich, als sei er nur zehn Minuten fort gewesen, um ein wenig frische Luft zu schnappen.

Sie folgte ihm ins Erdgeschoss und glaubte noch immer zu träumen. Aber das feste Geländer unter ihren Fingern war ebenso real wie die Karaffe mit Fruchtsaft, die auf dem Tisch stand.

Sie ließ sich in einem der Sessel nieder. Richard reichte ihr ein Glas Saft, das sie mit leicht zitternden Fingern an die Lippen setzte. Der süße, fruchtige Geschmack von Ananas, Kokosnuss, Eis und Milch war sehr erfrischend. Nein, sie träumte nicht. Doch die unvermutete Ankunft ihres Manns nach so vielen Jahren hatte ihre Gefühle und Gedanken völlig durcheinander gebracht. Eine Reihe Fragen schwirrten in ihrem Kopf herum wie bunte Schmetterlinge. Warum war er gekommen?

„Woher wusstest du, dass ich hier bin?“, erkundigte sie sich schließlich.

Richard zuckte die Schultern und lächelte, als sei nichts leichter gewesen, als ihren Aufenthaltsort herauszufinden. Dabei hatte Emma sich bemüht, ihr Reiseziel geheim zu halten.

Er nahm sein Glas und setzte sich ebenfalls.

„Deine Sekretärin sagte es mir“, teilte er ihr mit.

„Miss Matty?“, fragte Emma ungläubig. „Sie war immer sehr diskret, und ich habe ihr ausdrücklich aufgetragen, niemandem etwas zu verraten.“

Richard prostete ihr mit ironischer Geste zu.

„Vielleicht dachte sie, dass sie bei deinem Ehemann eine Ausnahme machen könne“, erwiderte er kühl. „Außerdem erklärte ich ihr, dass ich dir einen wichtigen Vorschlag zu machen habe.“

„Was für einen Vorschlag?“, hakte Emma misstrauisch nach.

„Nicht so eilig, Emma. Es gibt genug anderes, über das wir uns unterhalten können. Wir haben uns schließlich lange nicht mehr gesehen.“

Mit zitternder Hand stellte sie das Glas auf den Tisch. Für einen Moment war Emma froh über das Wiedersehen mit Richard, aber sein eigenartiger Blick kühlte ihre Freude schnell ab. Sie hätte ihn gern gefragt, wie es ihm in all den Jahren seit ihrer Trennung ergangen war, hielt es jedoch für klüger, sich zurückzuhalten. Und im Grunde wusste sie es ja schon. Illustrierte und Wirtschaftsjournale hatten ausgiebig über seine steile Karriere berichtet. Zudem wusste sie Bescheid über die attraktiven Frauen, mit denen er seinen neuen Reichtum genossen hatte.

Plötzlich bereute sie, ihn verlassen zu haben. Wäre sie bei ihm geblieben, hätte sie sich viel Kummer erspart. Sie hatte immer bedauert, dass sie an seinem Aufstieg nicht hatte teilhaben können, und immer gefürchtet, er würde eine neue Liebe finden.

Ob Richard die Berichte über das Schicksal ihres Vaters, ihre Karriere und ihr angebliches Liebesleben wohl ebenso aufmerksam verfolgt hatte? Seine nächsten Worte bewiesen, dass es so war.

„Ich bin nicht so heuchlerisch zu behaupten, der Tod deines Vaters hätte mich besonders berührt“, sagte er unverblümt. „Aber ich hoffe, dass es am Ende nicht allzu qualvoll für ihn gewesen ist.“

Sie dachte traurig an die fürchterlichen Wochen, die sie in der Privatklinik am Bett ihres Vaters verbracht hatte. Damals hätte sie alles dafür gegeben, Richards tröstende Hand auf der Schulter zu spüren.

„Es war qualvoll“, flüsterte Emma mit heiserer Stimme.

„Das tut mir Leid. Leberkrebs ist eine schreckliche Krankheit. Aber du bist auf bewundernswerte Weise mit allem fertig geworden. Ich weiß, was dein Vater dir bedeutete. Es muss die Hölle für dich gewesen sein, ihn langsam dahinsiechen zu sehen. Und du hast Erstaunliches geleistet, seit du mit einundzwanzig Jahren das Bauunternehmen übernahmst.“

Das unerwartete Lob tat ihr gut. Sie errötete ein wenig, und ihre Miene hellte sich auf. „Danke.“

„Aber die Wirtschaftskrise hat dir dann sicher sehr zu schaffen gemacht“, fuhr Richard fort und sah sie prüfend an. „Für Bauunternehmen sind schwere Zeiten angebrochen – vor allem, wenn sie große Bürohochhäuser im Geschäftszentrum besitzen. Laufen deine Geschäfte zu deiner Zufriedenheit, Emma?“

Die Frage machte Emma betroffen. Im ersten Moment dachte sie daran, ihm die Wahrheit zu sagen, aber ihr Stolz hielt sie zurück.

„Es ist nicht leicht“, erwiderte sie ausweichend. „Aber im Großen und Ganzen gehen die Geschäfte gut.“

Richard stand auf. Er ging um den Tisch herum, stellte sein Glas ab, beugte sich zu Emma hinunter und strich ihr über die Wangen. Dabei lächelte er geheimnisvoll.

„Du bist eine schamlose Lügnerin, Liebling“, sagte er mit weicher Stimme.

Für Emma war es wie ein tätlicher Angriff. Die sanfte Berührung einerseits und seine verletzenden Worte andererseits waren zu viel für sie. Sie wurde blass, und ihr Herz pochte schneller. Zwei Mal wollte sie etwas sagen, doch es gelang ihr nicht.

„Du weißt es?“, fragte sie schließlich gepresst.

„Ja.“

Emma schüttelte müde den Kopf und schaute Richard gequält an.

„Dann ist wohl anzunehmen, dass Sydneys ganze Geschäftswelt Bescheid weiß“, meinte sie.

„Nein. Du hast die Probleme gut verborgen, und ich muss sagen, dass du wirklich hart gearbeitet hast, um die Firma zu retten. Wenn die Sawford Bank nicht Pleite gegangen wäre, hättest du dein Unternehmen wahrscheinlich aus der Krise retten können. Aber ich glaube, jetzt bist du am Ende, nicht wahr?“

„Ja“, gab sie zögernd zu.

Richard griff wieder nach seinem Glas und strich mit dem Zeigefinger über den Rand. Die Bewegung war so sinnlich, als striche er über den Hals einer schönen Frau.

„Mich würde nur interessieren, warum du dir einen teuren Urlaub leistest, obwohl du kurz vor dem Ruin stehst, Emma. Gibt es für diese Reise einen Grund, oder ist es nur die Laune eines verwöhnten kleinen Mädchens?“

Der verächtliche Unterton seiner Stimme ärgerte Emma. Sie stand abrupt auf und sah Richard wütend an.

„Bist du nur hergekommen, um mich zu beleidigen?“, rief sie erbost. Sie wollte sich vom Tisch entfernen, um eine möglichst große Distanz zu Richard zu gewinnen.

„Bleib hier, Emma. Wir sind noch nicht fertig“, dröhnte seine Stimme durch den Raum.

„Was mich betrifft, bin ich fertig mit dir“, fuhr sie ihn an. „Du hast schon früher immer bissige Kommentare abgegeben, wenn ich Geld ausgab. Wahrscheinlich ist es dir völlig egal, ob ich gute Gründe für meinen Urlaub habe.“

„Nenn mir einen.“

Sollte sie ihm etwa die Wahrheit sagen? Sollte sie zugeben, dass sie nur zurückgekommen war, weil dies der einzige Platz auf der Welt war, wo sie wirkliches Glück erlebt hatte? Und dass sie dieses Glück insbesondere ihm verdankte? Nein, das durfte er auf keinen Fall wissen.

„Ich glaube nicht, dass es dich etwas angeht“, antwortete sie schließlich. „Aber wenn es dich tröstet: Ich habe wirklich ein schlechtes Gewissen, weil ich so viel Geld für den Urlaub ausgebe. Dabei wären die paar tausend Dollar im Vergleich zu den Verlusten, die in nächster Zeit auf mich zukommen werden, nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber ich bezahle den Urlaub nicht selbst, meine Mutter bezahlt ihn. Es war auch nicht meine Idee, hierher zu kommen, sondern ihre.“

„Deine Mutter?“, fragte Richard überrascht. „Heißt das, dass du dich mit ihr getroffen hast? Ich dachte, dein lieber Daddy hätte es dir seinerzeit ein für alle Mal verboten.“

„Sprich nicht so verächtlich von meinem Vater“, erwiderte Emma empört. „Ich war einundzwanzig, als er starb. Ich weiß, dass er und meine Mutter nach der Scheidung auf Kriegsfuß standen, aber als erwachsener Mensch traf ich meine eigenen Entscheidungen.“

„Das freut mich“, meinte Richard sarkastisch. „Schade, dass du dich nicht auch in anderer Hinsicht gegen deinen Vater durchgesetzt hast. Damals standest du ziemlich unter seiner Fuchtel.“

„Das stimmt nicht“, widersprach Emma wütend.

„Wirklich nicht? Da bin ich aber anderer Meinung. Ich dachte eigentlich immer, dass dein Vater dich dazu brachte, mit Nigel Wellings ins Bett zu gehen, obwohl du mit mir verheiratet warst.“

Beim Gedanken an die verhängnisvollen Ereignisse in der Vergangenheit fröstelte es Emma.

„Du Lump“, zischte sie ihn an. „Du weißt ganz genau, dass alles ganz anders war. Ich lasse mich nicht von dir beleidigen. Würdest du jetzt bitte gehen?“

„Nein.“

„Dann lasse ich dich hinauswerfen“, drohte sie.

„Wirklich?“ Er lachte. „Das würde sicher lustig werden. Immerhin bin ich dein Ehemann, und du hast dem Angestellten an der Rezeption gesagt, dass du mich heute Abend erwartest. Ich habe es von ihm erfahren. Alles in allem wäre es eine ziemlich peinliche Situation, wenn du mich unter diesen Umständen hinauswerfen ließest.“

Emma sah ein, dass er Recht hatte.

Bevor sie etwas erwidern konnte, fuhr Richard mit täuschend weicher Stimme fort: „Du hast also einen Liebhaber, ja? Eigentlich überrascht es mich nicht. Ich kenne dich schließlich gut genug. Aber ich habe etwas dagegen, dass du ihn unter meinem Namen hier hereinschmuggeln willst. Wer ist denn der Glückliche?“

„Niemand“, erwiderte Emma empört. „Ich sagte nur, dass ich meinen Mann erwarte, weil der Hotelangestellte an der Rezeption mich mit irgendwelchen anderen Touristen zusammenbringen wollte. Ich will meine Ruhe haben.“

„Wie ich schon sagte – du bist eine schamlose Lügnerin. Ich glaube dir kein Wort.“

„Von mir aus kannst du glauben, was du willst!“, fuhr sie ihn böse an. „Zwischen uns ist alles aus, oder? Und jetzt verschwinde gefälligst.“

„Ich denke nicht daran.“ Richard lächelte zynisch. „Erst hörst du dir meinen Vorschlag an. Weißt du, Emma, vielleicht könnte ich dich vor der Pleite retten.“

Emma war innerlich plötzlich ganz ruhig.

„Das würdest du tun?“, fragte sie ungläubig. „Aber warum? Ich dachte, du hasst mich.“

„Vielleicht tue ich das, ich habe jedoch meine Gründe. Wir können uns beim Abendessen darüber unterhalten.“ Er schaute sie durchdringend an. „Natürlich gibt es Bedingungen.“

„Welche Bedingungen?“ Sie hatte plötzlich ein ungutes Gefühl.

„Bedingungen, die dir wahrscheinlich nicht gefallen werden. Aber die Reichen geben immer den Ton an, nicht wahr? Sicher erinnerst du dich noch an die Zeit, als du die Macht dazu hattest. Aber genug davon. Wir reden später darüber. Ich würde sagen, ich hole dich um neunzehn Uhr zum Essen ab. Zieh dir etwas Hübsches an.“

Richard ging.

Emma ließ sich in einen der Korbsessel sinken. Ihr war, als hätte sie alles nur geträumt. Sie hatte sich so oft vorgestellt, dass Richard eines Tages zu ihr kommen würde, um sich mit ihr auszusprechen, sich ausgemalt, wie sie sich wieder ineinander verlieben würden. Aber an so etwas, wie es gerade geschehen war, hätte sie nie und nimmer gedacht.

Das völlig unerwartete Wiedersehen mit ihm hatte alte Wunden aufgerissen, von denen Emma geglaubt hatte, sie seien längst verheilt. Außerdem fühlte sie sich verletzt, weil er sie offenbar noch immer hasste. Doch andererseits hatte irgendetwas im Ausdruck seiner Augen ihr gesagt, dass er sie noch immer begehrte. So, wie auch sie ihn begehrte. Bereits sein Anblick hatte genügt, um ihren Puls in die Höhe zu treiben. Wäre er nicht voller Hass, sondern in Liebe zurückgekommen, würden sie vermutlich längst nackt im großen Bett liegen.

Warum war er nur zurückgekommen? Aus welchem Grund wollte er ihre Firma vor dem Bankrott retten? Wenn er sie, Emma, hasste, brauchte er doch nur mit hämischem Genuss zuzusehen, wie sie sich langsam dem Ruin näherte. Das Ganze war äußerst rätselhaft.

So sehr Emma sich auch den Kopf zerbrach, sie fand keine Erklärung.

Schließlich beschloss sie, sich vor dem Abendessen noch ein wenig zu entspannen. Sie holte einen smaragdgrünen Bikini, Sandalen und eine Flasche Sonnenöl aus dem Koffer. Dann zog sie sich um und machte sich auf den Weg zum Swimmingpool.

Hätte Richards unerwartetes Erscheinen sie nicht noch immer beschäftigt, hätte sie beim Anblick der Szenerie wahrscheinlich all ihre Sorgen vergessen. Es gab mehrere durch gewundene Wasserläufe verbundene Swimmingpools in den idyllischen Gartenanlagen, außerdem kleine Bambushütten zum Umziehen, die ein wenig Schatten spendeten. Hier und da standen steinerne Elefanten am Rand der Pools, aus deren aufgerichteten Rüsseln Wasserfontänen spritzten. Hinter der Anlage bewegten sich die gefiederten Palmwedel von Kokospalmen wie grüne Windmühlen im Seewind.

Emma glitt in das weiche, warme Wasser. Sie genoss es, sich auf dem Rücken liegend an der Oberfläche treiben zu lassen und zum wolkenlosen blauen Himmel zu schauen. Hätte Richard das Paradies nicht gestört, hätte sie hier trotz allem sicherlich eine herrliche Zeit verbringen können. Ob sie es wohl schaffen würde, ihn dazu zu überreden, sie in Ruhe zu lassen? Sein Vorschlag, ihr Unternehmen zu retten, musste mit einem hohen Preis verbunden sein. Und sie wusste nicht, ob sie bereit sein sollte, den Preis zu zahlen.

Punkt neunzehn Uhr holte Richard Emma zum Abendessen ab. Er sah ausgesprochen gut aus in dem weißen Jackett, dem weißen Hemd und der schwarzen Hose. Auch Emma hatte sich elegant angezogen – nicht etwa, weil Richard sie darum gebeten hatte, sondern weil sie sich dadurch selbstsicherer fühlte. Sie hatte ihr Haar zu einem Chignon gebunden, trug ein scharlachrotes Chiffonkleid und eine Goldkette mit Perlanhänger. Gelbbrauner Lidschatten betonte die kleinen gelben Punkte im Zentrum ihrer Augen, und dezent aufgetragenes Rouge überdeckte die Blässe der Wangen. Für die Lippen hatte Emma zum Kleid passendes Scharlachrot gewählt.

„Sehr hübsch“, sagte Richard anerkennend, nachdem sie ihm die Tür geöffnet hatte.

„Danke“, erwiderte sie kühl. „Können wir gehen?“

Das Restaurant befand sich in der fünften Etage des Hotelgebäudes, von wo man eine wundervolle Aussicht auf den Ozean hatte. An jeder Seite des Eingangs stand eine Steinfigur in Form eines indonesischen Kriegers. Die Figuren wurden von unten dezent angestrahlt, die Gesichter schienen deswegen etwas Furchterregendes zu haben.

Eine lächelnde junge Frau führte Emma und Richard zum reservierten Tisch. Mit vollendeter Höflichkeit rückte Richard Emma den Stuhl zurecht. Dann setzte er sich ebenfalls. Nachdem die Kellnerin jedem von ihnen eine große rote Serviette auf den Schoß gelegt hatte, reichte sie ihnen die Speisekarten.

„Möchten Sie exotische Aperitifs bestellen, Sir?“

Richard sah Emma fragend an.

Normalerweise probierte sie gern exotische Spezialitäten aus, aber an diesem Tag war sie dazu viel zu aufgeregt.

„Ein Glas Gin Tonic, bitte“, sagte sie.

„Ich nehme den Arrakcocktail.“ Richard hob tadelnd die Augenbrauen. „Hoffentlich zeigst du bei der Wahl des Essens mehr Fantasie, Liebling.“

Liebling? Das hat er wohl wegen der Kellnerin gesagt, dachte Emma. Aber warum verhielt Richard sich so? Wollte er die Feindseligkeit zwischen ihnen mit guten Manieren überspielen, oder steckte mehr dahinter?

Wegen der großartigen nächtlichen Aussicht war das Restaurant nur spärlich beleuchtet. Im Hintergrund spielte eine Tanzband westliche Musik, und wieder kam Emma die ganze Atmosphäre seltsam unwirklich vor. Sie hätten ebenso gut auf ihrer zweiten Hochzeitsreise sein können. Dies Gefühl nahm noch zu, als Richard während der Essensbestellung sanft ihre Hand berührte. Gleichzeitig lächelte er die Kellnerin charmant an, und Emma erinnerte sich, dass sie früher bei diesem Lächeln immer schwache Knie bekommen hatte.

„Als Vorspeise Satayspießchen, Emma? Wir lieben doch beide gegrillte Hühnchenbruststückchen mit Erdnusssoße.“

„Okay.“

„Danach nehmen wir eine Reistafel für zwei Personen und hinterher eine Platte mit Käse und tropischen Früchten. Außerdem hätten wir gern eine Flasche Champagner“, sagte Richard, noch immer lächelnd, zu der Kellnerin.

Doch als die ging, erstarb das Lächeln auf seinen Lippen. Er lehnte sich zurück und blickte Emma durchdringend an. Mit den Fingern trommelte er auf die Tischplatte.

„Wie ich hörte, wurde Nigel Wellings arbeitslos, nachdem er dich verlassen hatte“, sagte er.

Emma wollte empört einwenden, dass nicht Nigel sich von ihr, sondern sie sich von ihm getrennt hatte. Allerdings wusste sie nicht, was das für einen Unterschied gemacht hätte. Nigel hatte im Laufe ihrer Beziehung immer häufiger seinen wahren Charakter gezeigt. Er war bösartig und gemein. Als, sie, Emma ihm nach einigen Monaten erklärte, sie habe ihre Gefühle für ihn falsch eingeschätzt und liebe ihn nicht, reagierte er sehr wütend.

Bis dahin war er leitender Manager bei Prero’s, dem von Emmas Vater gegründeten Bauunternehmen, gewesen. Am Todestag ihres Vaters sprach sie ihm die Kündigung aus.

Nigel verzieh ihr das nicht. Er sagte ihr unverblümt, er sei vor allem an ihrem Geld interessiert.

Autor

Angela Devine
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