Wilde Küsse des Casanovas

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Nach einer Notlandung mitten im Winter ist Serena in einer einsamen Hütte gefangen – mit dem ungehobelten Kane! Aber schon in ihrer ersten Nacht in der kalten Unterkunft schmilzt das Eis …


  • Erscheinungstag 04.04.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529259
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ich fahre zu der Hochzeitsmodenschau“, verkündete Serena James. „Nach Seattle wollte ich nämlich immer schon mal.“

Dabei war ihr das Ziel eigentlich egal. Hauptsache, raus aus der Stadt!

Ihre vier Kolleginnen von „Wedding Belles“, der Firma, die von Boston aus Hochzeitsfeierlichkeiten im ganzen Land ausrichtete, warfen ihr überraschte Blicke zu.

„Das heißt, wenn sonst niemand fahren will“, fügte sie hastig hinzu.

„Aber Schätzchen“, sagte Belle Mackenzie, die Eigentümerin von „Wedding Belles“. Sie war eine aparte Frau mit silbernen Haaren, einem einnehmenden Lächeln und einem unüberhörbaren Südstaatenakzent. Außerdem hatte sie die Angewohnheit, jeden zu umarmen. „Dieses Angebot ist ganz lieb von dir. Nach dem Fiasko mit der Vandiver-Hochzeit können wir jede Menge positive PR gebrauchen. Die Sponsoren der Show wären überglücklich, wenn sie eine vielversprechende Designerin wie dich begrüßen könnten.“

Es funktionierte also. Niemand schöpfte Verdacht. Serena war zufrieden.

„Aber du gehst doch sonst jeder Hochzeitsmodenschau aus dem Weg“, fuhr Belle fort. „Bist du sicher, dass du dir das antun willst?“

„Auf jeden Fall.“ Serena hoffte, entschlossen und selbstbewusst zu klingen. „Außerdem gibt es doch sonst niemanden.“

„Na ja, wer auch immer nach Seattle fährt, sollte mein Hochzeitskleid mit zur Modenschau nehmen“, meldete sich Callie Underwood zu Wort. Bei den „Wedding Belles“ war sie für den Blumenschmuck zuständig.

Den anderen Frauen blieb der Mund offen stehen.

„Du heiratest doch in ein paar Wochen“, gab Belle zu bedenken.

„Am 22. November. Jared erinnert mich jeden Tag daran. Aber wir sollten den Besucherinnen der Modenschau beweisen, dass ‚Wedding Belles‘ immer noch der beste Hochzeitsplaner im ganzen Land ist“, erklärte Callie. „Da müssen wir mit unseren Stärken punkten – Natalies köstliche Hochzeitskuchen ebenso wie Serenas wundervolle Modelle. Serenas Frühlingslinie ist zwar toll, doch das Brautkleid, das sie für mich entworfen hat, ist einfach einzigartig.“

„Aber es ist dein Hochzeitskleid“, wandte Serena ein. „Ich habe es dir auf den Leib geschneidert und nicht irgendeinem Model mit Größe 34. Außerdem möchte ich nicht riskieren, dass die Seide schmutzig wird.“

„Du könntest es doch auf einer Modepuppe in einem Schaukasten präsentieren.“

„Und wenn mit dem Kleid etwas passiert?“, meldete sich Regina O’Ryan, die Fotografin, zu Wort.

„Es wird schon nichts passieren.“ Callie zwinkerte Serena zu. „Stimmt doch, oder?“

„Nicht, wenn ich es mit nach Seattle nehme.“ Serena wusste den Vertrauensbeweis ihrer Freundin zu schätzen. Sie würde Callie nicht enttäuschen.

„Seattle liegt auf der anderen Seite des Kontinents.“ Regina neigte sich vertrauensvoll zu ihr. „Habt ihr am Wochenende denn nichts vor – du und Rupert?“

Bei der Erwähnung des Namens ihres Freundes – oder besser: Exfreundes – biss Serena die Zähne zusammen. Doch sie ließ sich nichts anmerken. „Er ist selbst viel unterwegs. Es wird ihm nichts ausmachen.“

Überhaupt nichts.

Seit Monaten hatte sie nicht mehr mit ihm gesprochen, nachdem er im April mit ihr Schluss gemacht hatte. Noch immer wusste sie nicht so recht, wie sie es den anderen erklären sollte.

So etwas passierte ihr einfach nicht. Normalerweise bekam sie, was sie wollte. Sie wollte heiraten und eine Familie gründen. Und sie hatte geglaubt, den Richtigen gefunden zu haben. Tja …

„Du hast den letzten anständigen Mann abbekommen“, seufzte Natalie Thompson sehnsüchtig, eine junge blonde Witwe mit Zwillingen – zwei übermütigen achtjährigen Mädchen. „Abgesehen von Julie, Callie und Regina. Demnächst werden wir eine weitere Hochzeit planen müssen. Ich weiß auch schon, welchen Kuchen du dir wünschst – Schokolade mit Orangenfüllung.“

Natalie war eine fantastische Bäckerin. Jedes Mal, wenn Natalie einen neuen Kuchen kreiert hatte, mussten ihre Kolleginnen als Versuchskaninchen herhalten. Dass Natalie sich noch an ihren Lieblingskuchen erinnerte, versetzte Serena einen Stich.

„Und ich kenne die Blumen.“ In Callies grünen Augen blitzte es verschmitzt. „Weiße Orchideen, grüne Rosen sowie weiße und grüne Papageientulpen.“

Kuchen. Blumen. Serenas Freundinnen hatten präzise Vorstellungen von einem perfekten Hochzeitsarrangement. Das Einzige, was noch fehlte, war – der Bräutigam.

Plötzlich wurde Serena das Herz ganz schwer. Sie musste an das fast fertige Brautkleid denken, das in ihrem Schrank hing. Natürlich hatte sie das Schicksal herausgefordert, als sie mit dem Kleid begonnen hatte, ehe sie einen Ring bekommen hatte.

Aber ihre Beziehung mit Rupert Collier war von Anfang an perfekt gewesen. Sie waren ein Jahr lang miteinander ausgegangen, hatten ihre Familien kennengelernt und eifrig Zukunftspläne geschmiedet. Kurz danach hatte Serena mit ihrem Hochzeitskleid begonnen, denn sie wollte auf keinen Fall in Zeitnot geraten.

Das Material und den Entwurf hatte sie mit der gleichen Sorgfalt gewählt wie Rupert Collier. Er war nicht nur klug, charmant und wohlhabend, sondern der geborene Ehemann und Vater. Er war ihr Idealbild von einem Mann – und der Schwiegersohn, den sich ihre Eltern immer schon gewünscht hatten.

Eines Tages hielt sie es nicht länger aus – und erwähnte das Wort Hochzeit. Und auf einmal behauptete ihr vollkommener Verlobter, noch nicht reif für die Ehe zu sein. Er warf ihr vor, egoistisch und sich ihrer Sache zu sicher zu sein.

Seine letzten Worte hallten immer noch in ihren Ohren nach.

Du brauchst mich nicht, Serena. Du brauchst überhaupt niemanden.

In den Monaten nach der Trennung war ihr klar geworden, dass er recht hatte. Sie brauchte ihn tatsächlich nicht. Sie hatte ihn nicht richtig geliebt, aber gewollt, weil er ausgezeichnet in ihren Plan passte. Er war perfekt – genauso wie ihr Kleid sein sollte. Und ihr ganzes Leben.

Sie holte tief Luft. Ein Rückschlag, ja. Aber keine Katastrophe. Eine Serena James scheiterte niemals.

Regina, die Fotografin, lächelte. „Rupert wird seine Geschäftsreisen einschränken müssen, wenn ihr erst einmal verheiratet seid.“

Serena verkrampfte sich. Eigentlich wollte sie niemals Geheimnisse vor den Frauen haben, die ihr am meisten auf der ganzen Welt bedeuteten. Aber was hätte sie tun können?

Julie war ganz aufgeregt gewesen, als sie sich verlobt hatte. Die anderen hatten sich fest vorgenommen, eine Traumhochzeit für sie auszurichten. Da wollte Serena ihnen die Vorfreude mit der Nachricht vom Ende ihrer eigenen Beziehung nicht verderben. Kurz darauf hatte Callie sich mit Jared verlobt, und wieder war Serena der Zeitpunkt ungünstig vorgekommen. Und seit Regina und Dell nach ihrer Traumhochzeit eine Traumbeziehung führten, wollte Serena erst recht nicht gestehen, dass sie sitzen gelassen worden war.

Und jetzt war wieder nicht der richtige Zeitpunkt!

Serena ließ sich nichts anmerken und hielt weiterhin Ausschau nach ihrem Märchenprinzen. „Was nun diese Brautmodenschau angeht …“ Sie lehnte sich zurück. „Muss ich außer den Brautkleidern sonst noch etwas mitnehmen?“

Kane Wiley duckte sich unter den Tragflächen seines Businessjets und verstaute seine Reisetaschen im Heck der Maschine. Sein Atem bildete weiße Wölkchen in der kühlen Novemberluft.

„Mehr hast du nicht?“, staunte Charlie, sein Vater.

„Nö.“ Alles, was Kane brauchte, passte in zwei Taschen.

„Ich bin dir sehr dankbar, dass du für mich fliegst.“ Man sah Charlie seine sechsundfünfzig Jahre trotz der grauen Haare nicht an.

„Kein Problem. Halt dich einfach nur an die Abmachung.“

„Das mache ich.“ Charlie griff nach einer Kühlbox mit Soda, Wasser, Eis, Sandwiches, Keksen und Brownies. „Ich lasse dich in Ruhe. Keine Fragen. Und ich werde dich auch nicht mit der Bitte nerven, wieder nach Hause zu kommen.“

Nach Hause! Fast hätte Kane gelacht. Für ihn gab es kein wirkliches Zuhause mehr, seit seine Mutter vor drei Jahren plötzlich nach einem Herzinfarkt gestorben war und sein Vater Hals über Kopf wieder geheiratet hatte – und kurz danach wieder geschieden worden war. Und jetzt deutete alles darauf hin, dass sein Vater den gleichen Fehler noch einmal machen würde.

Charlie verstaute die Box im Gepäckraum. „Aber ich erwarte wenigstens eine Karte oder eine E-Mail zu Weihnachten.“

„Das lässt sich einrichten.“ Auch zu Ostern und zum Vatertag. Kane würde alles tun, um Boston so schnell wie möglich den Rücken zu kehren und nie mehr wiederzukommen.

„Vergiss nicht, mein Sohn: Ich bin immer für dich da. Egal, was du brauchst, du bekommst es.“

Kane nickte kurz, während er auf seine Uhr schaute. Verflucht. „Wo bleibt sie denn?“

„Belle?“, fragte Charlie.

Kane bemühte sich, bei der Erwähnung des Namens der neuesten „Freundin“ seines Vaters nicht zusammenzuzucken. „Die Frau, die ich nach Seattle fliegen soll.“

„Serena muss jeden Augenblick hier sein. Um diese Zeit ist immer viel Verkehr.“

Der Flughafen von Norwood lag fünfundzwanzig Meilen nördlich von Boston. Es konnte also tatsächlich spät werden. Kane wollte endlich starten.

„Lächle, Sohn“, ermunterte Charlie ihn. „Vielleicht wird es ja ein vergnüglicher Trip. Serena James ist eine sehr schöne junge Frau.“

„Da draußen gibt es eine Menge schöner junger Frauen. Man muss sich nicht auf eine beschränken.“

Charlie schüttelte den Kopf. „Dir ist die Richtige eben noch nicht begegnet.“

„Mir sind schon viele begegnet“, grinste Charlie. „Und ich habe sie alle geliebt.“

Charlie runzelte die Stirn. „Ich meine ewige Liebe. So wie zwischen deiner Mutter und mir.“

Und zwischen ihm und seiner zweiten Frau.

Und zwischen ihm und dieser – wie hieß sie noch gleich? Belle.

Ewig war wirklich ein Witz. Und Liebe – die Art, von der sein Vater sprach – bedeutete nicht mehr als angenehmen Sex und eine unverbindliche Beziehung.

Hupend passierte ein weißer Van das Tor zum Flugfeld.

Charlie drehte sich um. „Da bist du ja.“

Eine lächelnde Frau mit weißblondem Haar saß am Steuer. Sie winkte ihnen zu. Ihre Beifahrerin hielt ihr Handy am Ohr und trug eine riesige Sonnenbrille, die viel von ihrem Gesicht verdeckte.

Der Wagen kam zum Stehen. Die ältere Frau, gekleidet in eine braune Hose und eine farbenfrohe Jacke, stieg aus.

„Guten Morgen.“ Sie begrüßte Charlie mit Handschlag. Mit ausgestrecktem Arm wandte sie sich an Kane. „Sie müssen Kane sein.“

Kane ergriff ihre Hand. Er spürte die Wärme und die Energie. Sie war ganz anders als seine Mutter und seine Exstiefmutter. Älter. Vielleicht sogar älter als sein Vater. Das überraschte Kane. „Und Sie müssen Belle sein.“

„Richtig.“ Ihre Stimme klang angenehm. „Ich finde es sehr nett, dass Sie Serena nach Seattle fliegen.“

Klar. Schließlich übernahm sein Vater sämtliche Kosten.

„Kane macht das gern“, versicherte Charlie ihr. „Nicht wahr, Sohn?“

Kane nickte. Er war froh, wenn er diesen Flug hinter sich hatte und endlich weg von hier konnte.

„Dann sollten wir mal loslegen.“ Belle öffnete die Türen des Vans und zog eine Kiste hervor. „Wir müssen einiges an Gepäck verstauen. Broschüren, Muster und Kataloge. Dazu Stoffproben, Blumenarrangements, einen Kuchen und Brautkleider.“

Belles Hilfsbereitschaft überraschte Kane. „Okay …“

„Sie müssen noch Serena James kennenlernen, unsere Brautmodendesignerin. Sie telefoniert gerade. Bestimmt redet sie mit Rupert.“

Kane runzelte die Stirn. „Rupert?“

„Ihr Verlobter.“

So viel zu einer kleinen Romanze in Seattle. Ob mit Ring oder ohne: Frauen in festen Beziehungen waren für Kane tabu.

Die Beifahrertür wurde geöffnet. Erwartungsvoll betrachtete er die Frau, die aus dem Wagen stieg. Sie war atemberaubend. Lange blonde Locken fielen ihr in die Stirn. Im Nacken trug sie das Haar so kurz geschnitten, dass es ihr nicht bis zum Kragen der Jacke reichte.

Sie war nicht besonders groß – höchstens einen Meter sechzig, wenn man die hohen Absätze ihrer braunen Lederstiefel nicht berücksichtigte. Selbst unter ihrem langen Wollmantel konnte man erkennen, dass ihre Kurven an den richtigen Stellen saßen.

Sie war genau sein Typ. Ehemaliger Typ, korrigierte Kane sich. Mit Blondinen hatte er nichts mehr am Hut.

Ihre Haarfarbe erinnerte ihn an eine frühere Freundin. Amber Wallersby war verdammt sexy gewesen, aber auch eine verwöhnte Prinzessin. Sie wollte, dass er seinen Vater nicht länger im Privatjet durch die Welt flog, sondern einen langweiligen Schreibtischjob in der Firma ihres Vaters annahm, sodass er ihr jederzeit zur Verfügung stand. Um ein Haar hätte Kane sich überreden lassen, bis er merkte, dass hinter der schönen Fassade eine ziemlich hohle Person steckte.

War Serena James genauso?

„Hallo“, begrüßte er sie. „Ich bin Ihr Pilot.“

Serena reichte ihm nicht die Hand. Stattdessen nahm sie ihre Sonnenbrille ab und schaute ihn an. Helle, blaue Augen. Ein offener, intelligenter Blick.

„Sie sind Kane Wiley?“ Serena klang überrascht – so, als passte es ihr nicht. „Charlies Sohn?“

„Genau der.“

„Sehen wir uns nicht ähnlich?“, wollte Charlie wissen.

Sie schaute zwischen den beiden Männern hin und her. „Nicht wirklich.“

„Ich finde schon“, schaltete Belle sich ein. „Wie der Vater, so der Sohn. Beide sehen sehr gut aus.“

Charlie strahlte.

Kane zuckte zusammen. Er war ganz anders als sein Vater. Und er brauchte keine Frau in seinem Leben – jedenfalls keine auf Dauer. Im Gegensatz zu seinem Vater war es nicht leicht, sein Vertrauen zu gewinnen. Andererseits musste schon sehr viel geschehen, ehe er jemanden fallen ließ.

„Die Augen sind die gleichen“, gab Serena schließlich zu. „Vielleicht auch die Kinnpartien.“

Unter den Blicken der beiden Frauen fühlte Kane sich unbehaglich. „Wir sind spät dran. Laden wir Ihre Sachen ein.“

Serena warf Belle einen Blick zu.

„Stimmt irgendwas nicht?“, fragte die Frau. „Hast du dich nicht lange genug von Rupert verabschieden können?“

„N…nein.“

Serenas Wangen färbten sich rosig.

Interessant. Kane hätte nicht gedacht, dass sie zu den Frauen gehörte, die schnell rot wurden. Sie schien so kühl und selbstbewusst zu sein.

„Hätten Sie etwas dagegen, wenn die Kleider in der Kabine transportiert werden, Mr. Wiley?“, fragte sie.

„Kane, bitte. Nein, ich habe nichts dagegen.“

Die Erleichterung war ihr in den Augen abzulesen. „Dann bringe ich sie in die Kabine.“

„Lassen Sie mich das machen.“

„Ich erledige das gern für Sie.“

„Schon in Ordnung. Aber ich tu’s lieber selbst.“

Misstrauisch sah Serena ihn an. Er wartete auf ihren Widerspruch. Doch zu seiner Überraschung blieb sie stumm. „Wenn Sie wollen, können Sie das Essen in die Bordküche stellen“, schlug er vor. „Es ist in einer Kiste neben der Tür.“

„Gern.“

Ganz und gar nicht gern, ihren zusammengepressten Lippen nach zu urteilen. Wenigstens schmollte sie nicht wie Amber. Obwohl Kane überzeugt war, dass sie mit diesen Lippen noch ganz andere Dinge anstellen konnte.

Während er die sperrigen Kleiderkisten aus dem Van holte, hörte er seinen Vater sagen: „Kane nimmt die Dinge gern selbst in die Hand.“

„Genau wie Serena“, echote Belle. „Sie kontrolliert auch lieber alles selbst.“

„Dann sollten die beiden ja gut miteinander auskommen.“

Von wegen, dachte Kane. Wenn zwei Kapitäne im Cockpit saßen, die sich die Kontrolle nicht aus der Hand nehmen ließen, war die Katastrophe unvermeidbar.

Serena hatte sich immer ausgemalt, wie ihr Märchenprinz sein sollte: höflich, aufmerksam, kommunikativ und intelligent. Alles Eigenschaften, über die Rupert im Übermaß verfügte.

Alles Eigenschaften, die Kane Wiley nicht besaß.

Sie ging ins Heck der Maschine, wo er die Brautkleider untergebracht hatte.

Jeden Kleidersack kontrollierte sie. Drei sortierte sie um.

Sie dachte an Kane. Er war arrogant und ungehobelt – ganz das Gegenteil seines freundlichen und großzügigen Vaters. Wäre es nicht der günstige Flug gewesen – kostenlos dank Charlie, hätte sie einen anderen Weg gefunden, um nach Seattle zu kommen.

Aber nach dem Desaster mit der Absage der Vandiver-Hochzeit – und der negativen Publicity – musste die Firma auf jeden Cent achten und konnte nicht wählerisch sein. Außerdem hatten sie sich vorgenommen, Julies Hochzeitsvorbereitungen finanziell zu unterstützen.

Sie dachte an Julie und Matt. Irgendwann würde auch Serena eine so glückliche Beziehung haben. Sie musste nur noch den Richtigen finden.

Beim Blick aus dem Kabinenfenster bemerkte sie Kane, der einen letzten Kontrollgang um das Flugzeug machte. Sein hellbraunes Haar, das ihm über den Kragen seiner dunklen Lederjacke fiel, leuchtete. Die Jacke betonte seine breiten Schultern.

Ganz und gar nicht mein Typ.

Einige Frauen fanden ihn bestimmt gut aussehend – wenn sie auf große Männer mit kantigen Kinnpartien, markanten Gesichtszügen, nicht zu großen Nasen und braunen Augen standen.

Dagegen hatte Serena gar nichts. Sie bevorzugte allerdings Männer in Anzug und Krawatte, mit kurzem Haarschnitt und ohne Bartschatten.

Er schaute auf. Ihre Blicke trafen sich. Die Farbe seiner Augen, genauso braun wie ihre Lieblingsschokolade, ließ ihr Herz schneller schlagen.

Sie eilte zu ihrem Platz zurück und ließ sich in den bequemen Ledersitz sinken. Die Temperatur in der Kabine schien anzusteigen, obwohl die Tür noch offen stand. Ehe sie sich anschnallte, zog sie den Mantel aus. Dann griff sie zu ihrem Zeichenblock und fächelte sich Luft zu.

„Heiß?“

Der Zeichenblock fiel ihr auf den Schoß. Sie blickte auf.

Kane stand an der Flugzeugtür. Plötzlich schien das Innere der Maschine zu schrumpfen. Er dagegen wirkte größer.

„Ich …“ Irgendetwas an ihm verwirrte sie, sodass sie kein vernünftiges Wort hervorbrachte. „Mir ist ein bisschen warm.“

„Ich kümmere mich darum.“ Kane schloss die Tür und verriegelte sie. „Ist mit Ihren Kleidern alles in Ordnung?“

„Jetzt schon.“

Sein durchbohrender Blick jagte ihr eine Hitzewelle durch die Adern.

„Sind Sie angeschnallt?“

Da sie ihrer Stimme nicht traute, nickte sie nur.

„Auf diesem Flug gelten die gleichen Regeln wie auf einem normalen Passagierflug“, erklärte Kane. „Wenn wir unsere Flughöhe erreichen, können Sie auf die Toilette gehen oder sich etwas aus der Bordküche holen.“

„Keine Stewardess?“

„Nur, wenn Sie die Maschine fliegen wollen, während ich Ihnen das Essen serviere.“ Er zeigte auf die Ausgänge und die Fächer, hinter denen die Sauerstoffmasken verborgen waren. „Wenn der Luftdruck in der Kabine sinkt, ziehen Sie die Maske über Nase und Mund und atmen normal weiter. Haben Sie einen Laptop dabei?“

„Nein. Nur mein Handy. Aber ich weiß, dass man es während des Flugs nicht benutzen darf.“

„Werden Sie Ihren Freund nicht vermissen?“

Fast wäre sie zusammengezuckt. Die Vorstellung, einen vollkommen Fremden zu belügen, verursachte ihr einen bitteren Geschmack auf der Zunge. „Kein Problem.“

„Was – das Handy nicht benutzen oder Ihren Freund vermissen?“

„Sowohl als auch.“

Wenigstens das war nicht gelogen.

2. KAPITEL

„Die Türen werden in zehn Minuten geöffnet“, verkündete eine Frauenstimme durch die Lautsprecher des Messecenters.

Zehn Minuten? Ob die Organisatoren wirklich so pünktlich waren? Kane ließ seinen Blick durch die riesige Halle wandern, während er die in goldenes Papier eingewickelte Schachtel in den Händen trug, die er Serena zu bringen versprochen hatte.

Serena hatte sehr verärgert geklungen, als sie ihn angerufen und gefragt hatte, ob diese Schachtel noch im Flugzeug war. Als Kane sie schließlich im hintersten Teil des Flugzeugs gefunden hatte und bereits auf dem Weg zu ihr war, hatte sie ihm mitgeteilt, dass die Schau gleich beginnen würde.

Insgeheim würde er die Blondine gern mal in Aktion sehen. Deshalb war er bereit, ihr die Schachtel persönlich vorbeizubringen.

Das tat ihm jetzt leid. Dieses ganze Hochzeitsgetue machte ihn noch wahnsinnig.

Auf jedem der Messestände prangte irgendwo das Wort „Hochzeit“. Kane hatte längst die Orientierung verloren.

„Kane.“ Als er sich umdrehte, winkte Serena ihm zu. „Hierher!“

Erleichtert lief er quer über den Gang zu ihrem Stand. Trotz der Panik in ihrer Stimme wirkte sie frisch und ausgeruht. Ihr Make-up war perfekt.

Was guckst du sie so an? Sie ist doch überhaupt nicht dein Typ!

Aber in diesem Kleid sah sie verdammt gut aus.

Fast dankbar schaute sie ihn an. „Sie haben es tatsächlich geschafft.“

„Haben Sie mir das etwa nicht zugetraut?“ Kane tat entrüstet. „Hatten Sie sich schon Sorgen gemacht?“

Serena nahm ihm die Kiste ab. „Ich habe mir keine Sorgen gemacht. Ich war nur etwas ungeduldig.“

„Geduld ist wohl nicht Ihre Stärke?“

„Wenn man auf jemanden wartet, kann das schon nerven.“

„Manchmal.“

Gerade jetzt hätte er nichts dagegen gehabt, eine Weile in ihrer Nähe zu warten. Welcher Mann hätte das nicht gern getan? Das braun-blaue Kleid schmiegte sich eng an ihren Körper, endete knapp oberhalb ihres Knies, und die hohen Absätze ließen ihre Beine noch länger und attraktiver erscheinen.

Sollte er diesen Rupert beneiden oder bedauern? Serena James wusste bestimmt genau, wie man einen Mann um den Finger wickelt. Etwas, das Kane überhaupt nicht mochte. Er würde keiner Frau hinterherlaufen – egal, wie umwerfend sie mit High Heels aussah.

„Danke, dass Sie es mir gebracht haben.“

Ihre Dankbarkeit klang echt. „Gern geschehen.“

Der Schwung ihrer Hüften und die Art, wie der Stoff ihres Kleides ihre Knie umspielte, faszinierten ihn. Der blumige Duft ihres Parfüms stieg ihm in die Nase.

Autor

Melissa Mc Clone
<p>Melissa war schon immer ein Fan von Märchen und Geschichten mit Happy End. Doch bis ihre Englischlehrerin Liebesromane im Unterricht thematisierte, hatte sie das Genre noch nicht für sich entdeckt. Aber danach hatte sie eine neue Leidenschaft. Überflüssig zu sagen, dass sie ihrer Lehrerin auf ewig dafür dankbar ist. Nach...
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