Wilde Rosen, süße Küsse

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Endlich hat Dana ihr Traumschloss gefunden - und ihren Märchenprinzen gleich dazu! Das romantische, von wilden Rosen überrankte Château Belles Fleurs im idyllischen Loiretal ist die ideale Filmkulisse, die sie gesucht hat. Und der gut aussehende Schlossbesitzer Alex Martin genau der Mann, den sie sich immer gewünscht hat. Seine Küsse im Rosengarten sind süß und voller Verheißung. Sehnsüchtig träumt Dana davon, für immer bei Alex in Frankreich zu bleiben. Doch der hat anscheinend ganz andere Pläne, in denen sie als Schlossherrin keine Rolle spielt …


  • Erscheinungstag 15.01.2011
  • Bandnummer 1879
  • ISBN / Artikelnummer 9783863494339
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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IMPRESSUM

ROMANA erscheint 14-täglich im CORA Verlag GmbH & Co. KG,

20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

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Anzeigen:

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Es gilt die aktuelle Anzeigenpreisliste.

 

© 2009 Rebecca Winters

Originaltitel: „Cinderella On His Doorstep“

erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London

in der Reihe: ROMANCE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe: ROMANA

Band 1879 (4/1) 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Übersetzung: Bettina von Bülow

Fotos: Bokelberg.com

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

ISBN-13: 978-3-86349-433-9

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

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Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

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Rebecca Winters

Wilde Rosen, süße Küsse

1. KAPITEL

Sanur, Bali – 2. Juni

„Martin?“

Über das Rauschen des Regens hinweg hörte Alex Martin jemanden seinen Namen rufen. Ohne seine Koffer abzusetzen, blieb er einen Augenblick lang an der Haustür stehen. Er hatte die Stimme seines Hausboys erkannt, der auf der anderen Straßenseite stand. Der Junge war ihm mit großer Anhänglichkeit zugetan, nannte ihn aber immer beim Nachnamen, den er obendrein französisch aussprach.

„Hey, Sapto, ich dachte nicht, dass ich dich noch einmal sehe.“ Alex wartete auf das Taxi, das ihn zum Sanur Airport von Bali bringen sollte.

William Martin, sein Vater, der ein alter australischer Haudegen gewesen war, hätte Sapto zurechtgewiesen. „Unser Familienname lautet Martin! Mar-TIN!“ Doch William war vor wenigen Monaten bei einem Autounfall ums Leben gekommen.

Sapto hatte sich immer hartnäckig geweigert, seine Aussprache zu ändern. Vor kurzem war seine Mutter bei einer Flutkatastrophe gestorben, und da er wusste, dass Alex vor einigen Jahren seine Mutter, eine Französin, durch eine schwere Infektionskrankheit verloren hatte, empfand er eine Art Verbundenheit zwischen ihnen beiden. Alex war berührt von der Empfindsamkeit des Jungen und hatte nie versucht, ihn zu korrigieren.

„Nehmen Sie mich mit nach Hause zu Ihnen.“ Saptos dunkle Augen blickten flehentlich. „Ich war noch nie in Frankreich.“

Nach Hause? Merkwürdig, dass Sapto so etwas sagte. Obwohl Alex beide Staatsangehörigkeiten besaß und zweisprachig aufgewachsen war, war er bislang niemals in Frankreich gewesen. Und Sapto war in seinem ganzen fünfzehnjährigen Leben wahrscheinlich noch nie weiter als zwanzig Meilen über seine Heimatstadt Sanur hinausgekommen.

Alex’ Familie war immer dorthin gezogen, wo sein Vater als Maschinenbauingenieur gerade gebraucht wurde. Zuerst Australien, dann Afrika und später Indonesien. Nachdem seine Eltern nun beide tot waren, gab es so etwas wie Heimat für ihn nicht. Er hatte seinen Vater in Australien, an der Seite seiner Ehefrau, begraben und empfand jetzt eine Leere in sich, die es ihm unmöglich machte, eine emotionale Bindung an irgendeinen Ort zu entwickeln.

„Ich wünschte, ich könnte dich mitnehmen, Sapto, doch ich weiß überhaupt noch nicht, was die Zukunft mir bringen wird.“

„Aber Sie haben gesagt, dass Ihr Großvater Ihnen ein Haus vererbt hat. Ich könnte da wohnen und es sauber halten.“

Alex verzog bedauernd das Gesicht. „Er hat es nicht mir hinterlassen.“ Der Brief, der eigentlich an seine Mutter adressiert war, war zwei Jahre zu spät eingetroffen. Über die Firma, für die er arbeitete, war ihm der Brief schließlich zugestellt worden.

Der Anwalt, der ihn geschrieben hatte, teilte darin mit, dass in der Testamentsache Fleury am 5. Juni in Angers ein Termin anberaumt worden sei. Dies sei der letzte Bescheid. Wenn Genevieve Fleury als einziges lebendes Mitglied der Familie Fleury nicht erscheinen würde, ginge das Anwesen im Loire-Tal in den Besitz der französischen Regierung über.

Als Alex den Anwalt daraufhin anrief und ihm sagte, wer er war, teilte er ihm mit, dass das Haus seit über vierzig Jahren vernachlässigt und praktisch eine unrettbare Ruine war. Obendrein sei die ausstehende Grundsteuer zu einem immensen Berg angewachsen.

Das mochte alles so sein, aber Alex wurde den Eindruck nicht los, dass der Anwalt den Wert des Hauses aus irgendeinem Grund herunterspielte. Allein das Grundstück musste schon einen gewissen Wert haben. Zudem hatte der Mann am anderen Ende der Leitung seinen Schock nicht verbergen können, als er erfuhr, dass Genevieves Sohn am Apparat war.

Irgendetwas stimmte da nicht.

Alex verspürte den Wunsch, das Heimatland seiner Mutter einmal kennenzulernen und das Geheimnis um das mysteriöse Haus zu lüften. Danach plante er, sich in den Vereinigten Staaten niederzulassen und dort eine eigene Firma zu gründen.

Eben fuhr das Taxi vor. Sapto lud das Gepäck für ihn in den Kofferraum. In seinen Augen glänzten Tränen. „Werden Sie mir schreiben, ja?“

„Ich verspreche dir, ich schreibe dir eine Postkarte.“ Er ließ einen Geldschein in die Hand des Jungen gleiten. „Danke für all deine Hilfe. Ich werde es nicht vergessen. Pass auf dich auf.“

„Wiedersehen!“, rief Sapto und rannte dem Taxi hinterher, bis es um die Ecke verschwunden war.

Hollywood, Kalifornien – 2. August

„Mittagspause! Punkt zwei Uhr geht es weiter. Keine Entschuldigungen!“

In der Sekunde, als diese seit über einer Stunde sehnlich erwartete Ansage in dem starken schwedischen Akzent kam, verließen die Schauspieler und Kameraleute fluchtartig den Set.

Als Dana die gerunzelte Stirn sah, wusste sie, dass ihr genialer Vater in einer seiner besonderen Stimmungen war. Die meiste Zeit war Jan Lofgren, der schwedischstämmige Regisseur, so in die Geschichte vertieft, die er gerade inszenierte, dass er in anderen Gefilden lebte und mit menschlichen Schwächen und anderen Unvollkommenheiten sehr schnell die Geduld verlor. Besonders mit ihren.

Für ihn, sein einziges Kind, war sie eine Enttäuschung. Er hatte sich einen brillanten Sohn gewünscht. Stattdessen bekam er eine durchschnittliche Tochter, deren mittelmäßige Intelligenz und Aussehen sie niemals reich machen würden. Als sie ein kleines Mädchen war, hatte ihre Mutter sie gewarnt. „Dein Vater liebt dich, aber erwarte nicht, dass er wie andere Väter ist. Es ist schwer, einen Menschen mit seinem Ego zu lieben. Du musst lernen, ihn so zu nehmen, wie er ist, oder du wirst leiden.“

Die Wahrheit war heute genauso hart wie damals. Seit ihre Mutter vor fünf Jahren gestorben war, trauerte Dana tief, doch sie hatte gelernt, diese Gefühle für sich zu behalten. Besonders in letzter Zeit, seit ihr Vater Probleme mit seiner derzeitigen Freundin Saskia Brusse hatte – ein Fotomodell aus den Niederlanden, das Schauspielambitionen hegte. Nun spielte sie die Hauptrolle in diesem Film. Dana wusste, sie war nicht viel älter als sie, sechsundzwanzig, und in jeder erdenklichen Hinsicht das genaue Gegenteil von ihrer Mutter.

Persönlich schmerzte und befremdete Dana das Liebesleben ihres Vaters, doch sie hätte es nie gewagt, ihren Unmut zu artikulieren. Das Gleiche konnte man von ihm nicht sagen. Er hatte nicht hinter dem Berg gehalten mit seiner Meinung über Neal Robeson. Es war ein kurzes und katastrophales Verhältnis gewesen, weil der junge Schauspieler in Wahrheit weniger den Kontakt mit ihr als mit dem berühmten Regisseur gesucht hatte. Sie aber hatte geglaubt, ihrer großen Liebe begegnet zu sein. Ihr Fehler. Es war eine Lektion in Demütigung, die sie nie in ihrem Leben wieder vergessen würde.

„Ich habe dir Kaffee und belegte Brote mitgebracht.“

Tief in Gedanken versunken, nahm Jan Lofgren den Thermosbecher entgegen und begann, die heiße Flüssigkeit zu trinken. Nachdem er einen ausgiebigen Schluck genommen hatte, sagte er: „Ich habe mich entschieden, den Rest an Originalschauplätzen zu drehen. Der Film wird dadurch um einiges gewinnen.“

Ihr Vater brauchte die Atmosphäre von realen Schauplätzen, dieses besondere Flair, das die Kulissen des Studiosets nicht liefern konnten. Er bedachte Dana mit einem nachdenklichen Blick. „Es ist alles im Kasten, bis auf die wichtigsten Szenen in Frankreich. Ich bin mit unseren Optionen bislang nicht zufrieden. Ich will etwas anderes.“

Das hatte sie schon geahnt und war bereit. Seit der Beerdigung ihrer Mutter war es ihr Hauptjob, die richtigen Drehorte zu finden – neben ihrer Tätigkeit als Köchin und Mädchen für alles für ihren jähzornigen Vater. Sie musste zwar zugeben, dass die Bezahlung stimmte, doch das Wissen, dass sie in seinen Augen unsichtbar war, verletzte sie tief.

Wenn er gerade keinen seiner preisgekrönten Filme drehte, steckte er seine Nase in Biografien. Sie war ebenso wie ihr Vater eine unersättliche Leserin und hatte seine Vorliebe für historische Texte und Augenzeugenberichte geerbt.

„Ich bin im Internet auf etwas gestoßen, das vielversprechend klingt, aber ich muss es erst checken. Gib mir ein paar Tage.“ Wenn sie dieses Problem für ihn löste, würde er sich vielleicht daran erinnern, dass er eine Tochter hatte, die sich nach seiner Aufmerksamkeit sehnte. Es tat weh, in seinen Augen als ein Niemand zu gelten, wo sie doch sein eigen Fleisch und Blut war.

„Das ist zu lang.“

„Einen Tag brauche ich schon, um nach Paris zu kommen, aber wenn ich erst einmal dort bin, kann ich die verlorene Zeit wieder aufholen. Morgen Abend wirst du von mir hören.“

„Wohin fährst du von Paris aus?“

„Das würde ich lieber noch nicht sagen.“ Auch wenn sie hoffte, dass es die Spannung zwischen ihnen ein wenig lösen würde, wenn sie den Drehort fand, nach dem er suchte, so zweifelte sie doch am Ergebnis, denn ihre Mutter war der einzige Mensch gewesen, der wusste, wie er zu besänftigen war. Seit sie tot war, schien niemand mehr für ihn zu existieren, schon gar nicht sein einziges Kind.

Hinter der Flussbiegung überquerte Dana eine Steinbrücke und entdeckte das Hinweisschild nach Rably-sur-Layon. Die grüne Landschaft um sie herum gab ihr das Gefühl, mitten hinein in ein Gemälde von Monet zu fahren, in eines seiner Bilder aus Giverny, so als wäre sie ein Teil davon geworden. Die wie an einer Perlenschnur aufgereihten Dörfer, die so typisch waren für diese Landschaft des Anjou, schmiegten sich an den Nebenfluss der Loire und verströmten die Aura zeitloser Beschaulichkeit.

Ihr Magen knurrte laut und vernehmlich. Ihr leerer Bauch und die langen Schatten, die die untergehende Sonne warf, erinnerten sie daran, dass sie in dem letzten Dorf, durch das sie gefahren war, besser zu Abend gegessen und übernachtet hätte und am nächsten Morgen in aller Ruhe zu ihrem Ziel gefahren wäre. Nun, ganz umsonst war sie auch nicht die Tochter ihres Vaters. Sie neigte dazu, sinnvolle Grenzen zu ignorieren und stattdessen ihren Impulsen zu folgen. Dafür bezahlte sie allerdings oft einen hohen Preis.

Egal. Sie wollte den Schein des verblassenden Abendlichts auf den Mauern des Château Belles Fleurs sehen. Ein Blick, und sie würde wissen, ob dieser Ort genau die einzigartige Atmosphäre besaß, die ihr Vater suchte.

Dana folgte der Wegbeschreibung, die sie ausgedruckt hatte, nahm die zweite Abbiegung nach der Brücke rechts und fuhr durch ein offenes Gittertor. Von dort ging es weiter bis zu einer Weggabelung und schließlich auf den rechts abzweigenden Weg. Nun befand sie sich auf dem Anwesen, doch anders als die sorgsam gepflegten Grundstücke der vielen Schlösser, die sie auf dem Weg hierher gesehen hatte, war dieses hier überwuchert und vernachlässigt. Ohne genaue Beschreibungen hätte sie niemals von der Existenz dieses Besitzes erfahren, und niemals wäre sie durch Zufall darauf gestoßen.

Ein wenig weiter noch und ein Turm der Schlossbastion ragte mit seiner kegelförmigen Spitze über den Bäumen hervor. Dichte Büsche wuchernder Wildrosen in der Farbe reifer Zwetschgen waren in eine Hecke hineingewachsen, die seit langem dem Wildwuchs überlassen worden war und ihre Form verloren hatte.

Dana hielt und stieg aus dem Wagen aus. Als sie zu Fuß tiefer ins Gebüsch drang, konnte sie hie und da durch die Blätter hindurchschauen, doch sie vermochte nichts wirklich zu erkennen.

Ein Gefühl der Einsamkeit beschlich sie. Seit Jahren hatte hier niemand mehr gelebt. Das Anwesen strahlte etwas Unberührtes aus. Geheimnisse. Sie wusste genau, dass diese schwer zu fassenden Momente ihren Vater reizen würden. Sie hätte das ganze Loire-Tal durchkämmen können und keinen perfekteren Drehort gefunden. Und Jan Lofgren verlangte Perfektion.

Puis-je vous aider, Madame?“, erklang auf einmal eine tiefe, männliche Stimme.

Erschrocken wirbelte Dana herum. „Oh!“, rief sie beim Anblick des gebräunten, dunkelhaarigen Mannes. „Ich wusste nicht, dass jemand hier ist.“ Ihr holpriges Französisch half ihr in dieser Situation nicht besonders viel weiter, aber nach seiner nächsten Bemerkung zu urteilen, musste sie sich darüber keine Sorgen machen.

„Ich auch nicht.“ Sein Englisch klang so akzentfrei wie sein Französisch, aber sie konnte die Sprachmelodie nicht zuordnen. Sein Ton war ziemlich aggressiv.

Die Hände hatte er hinten in die Taschen seiner abgetragenen, eng an den Schenkeln anliegenden Jeans gesteckt. Sie schätzte ihn auf Mitte dreißig, musterte die langen, muskulösen Beine und den trainierten Oberkörper, der unter dem fleckigen T-Shirt zu erkennen war. Er war sicher eins neunzig groß.

„Der Ort sieht so verwaist aus. Sind Sie hier der Verwalter?“

Er warf ihr ein leicht spöttisches Lächeln zu. „In gewisser Weise. Haben Sie sich verfahren?“ Sie hatte das Gefühl, dass er nur darauf wartete, dort weitermachen zu können, wo er aufgehört hatte, als sie ohne Ankündigung den Besitz betreten hatte. Im Zwielicht verschwammen seine regelmäßigen Gesichtszüge.

„Nein, ich hatte eigentlich vor, erst morgen früh herzukommen, aber meine Neugierde war stärker.“

Der Blick seiner dunkel bewimperten Augen lag mit fast peinlicher Intensität auf ihr. Sie wünschte sich, einmal nur eine hochgewachsene, hübsche Dunkelhaarige zu sein, so wie ihre Mutter. Nicht mittelblond mit gewöhnlichen blauen Augen, ihr Erbteil aus dem Lofgren-Genpool.

„Wenn Sie eine Anwältin im Auftrag eines amerikanischen Klienten sind, dann tut es mir leid. Der Besitz steht nicht zum Verkauf.“

„Nein, ich bin aus einem anderen Grund hier. Das ist doch das Château Belles Fleurs, nicht wahr?“

Er nickte beinahe unmerklich und zog damit ihre Aufmerksamkeit auf sein langes, dunkles Haar, für das ihr glatzköpfiger Vater, so wettete sie mit sich selbst, töten würde.

„Ich würde sehr gern den Besitzer kennenlernen, Monsieur Alexandre Fleury Martin.“

Nach einigen merkwürdigen Momenten des Schweigens sagte er: „Sie sprechen gerade mit ihm.“

„Oh, entschuldigen Sie bitte. Das wusste ich nicht.“

Er verschränkte seine muskulösen Arme, was ihr auf einmal seine starke männliche Ausstrahlung zu Bewusstsein brachte. „Woher kennen Sie meinen Namen?“

„Ich bin über einen Link auf Ihre Anzeige im Internet gestoßen.“

Bei ihrer Erklärung schien sich sein durchtrainierter Körper ein wenig zu entspannen. „Bedauerlicherweise haben allzu viele Touristen diese Anzeige gelesen und kurzerhand beschlossen, auf ihrem Sieben-Tages-Trip durch Europa das Schloss in ihr Programm aufzunehmen.“

Oha. Ihre ungebetene Gegenwart hat einen empfindlichen Nerv getroffen. Sie hob ihr Kinn um eine Spur. „Vielleicht sollten Sie sich einen Wachhund zulegen oder das Tor verschließen und ein Schild ‚Durchgang verboten‘ dranhängen.“

„Glauben Sie mir, ich habe bereits über beide Möglichkeiten nachgedacht.“

Sie biss sich auf die Lippe. „Schauen Sie – das hat alles ganz falsch angefangen, und es ist meine Schuld.“ Als er darauf nichts antwortete, fuhr sie fort: „Mein Name ist Dana Lofgren. Wenn Sie ein Kinofan sind, haben Sie vielleicht ‚Die belgische Connection‘ gesehen, das ist einer der Filme, die mein Vater gedreht hat.“

Ganz unbewusst massierte er sich die Schläfen. „Ich wusste nicht, dass Jan Lofgren eine Tochter hat.“

Die wenigsten Leute taten das, mit Ausnahme einiger Kollegen aus dem Filmgeschäft, die mit ihrem Vater arbeiteten. Wäre ich mit einem Körper und einem Gesicht gesegnet, die die Aufmerksamkeit auf mich ziehen, sähe das anders aus, dachte Dana nicht zum ersten Mal.

Sie lächelte. Seit langem hatte sie sich mit der Tatsache abgefunden, dass sie zu den Menschen gehörte, die man vergaß. „Woher sollten Sie? Ich unterstütze meinen Vater hinter den Kulissen. Als ich die Anzeige sah, bin ich sofort von Los Angeles hierher geflogen, um mir den Besitz anzuschauen. Mein Vater arbeitet gerade an einem Film, aber er ist mit den französischen Locations, die wir auf der Liste haben, nicht zufrieden.“

Dana hörte, wie er tief Luft holte. „Sie hätten mir per E-Mail Ihre Ankunft mitteilen sollen, dann hätte ich Sie in Angers abgeholt. Heute ist es zu spät für einen Rundgang.“

„Ich hatte eigentlich vor, Sie morgen anzurufen“, antwortete sie und merkte, dass sie ihn, ohne es zu wollen, verärgert hatte. „Bitte entschuldigen Sie, dass ich mich ohne Erlaubnis hier umgeschaut habe, aber ich wollte im Abendlicht ein Gefühl für den Ort bekommen.“

„Und? Ist Ihnen das gelungen?“, schoss er wie aus der Pistole zurück. Das war keine rhetorisch gemeinte Frage.

„Ja.“

Das leichte Zittern in ihrer Stimme musste ihre Erregung über diese Entdeckung verraten haben, denn er schlug vor: „Lassen Sie uns beim Abendessen darüber reden. Wo werden Sie übernachten?“

„Ich habe im Hermitage in Chanzeaux reserviert.“

„Gut. Das ist nicht weit von hier. Ich ziehe mir etwas anderes an und fahre Ihnen in meinem Wagen nach. Warten Sie doch in Ihrem Auto auf mich, und verriegeln Sie die Türen.“

Der rätselhafte Schlossherr begleitete sie zu ihrem Mietwagen, und als er ihr die Tür öffnete, berührten sich ihre Arme kurz. Ein überraschender Wärmeschauer durchlief ihren Körper.

„Es dauert nicht lange.“

Sie sah ihm nach, wie er um die Hecke herum verschwand. Offensichtlich gab es einen Trampelpfad, den sie nicht bemerkt hatte. Sie hatte auf zu vieles gleichzeitig geachtet.

Nun gab es in diesem Suchbild zusätzlich ein unerwartetes menschliches Element. Es verwirrte sie, dass sie das Nachbeben der flüchtigen Berührung immer noch spürte. Dabei hatte sie gedacht, sie hätte ihre Lektion über Männer gelernt.

Alex winkte dem Kellner. „Bringen Sie uns bitte noch eine Flasche von Ihrem besten Hauswein.“

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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