Wind, Wellen - wildes Verlangen

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Vier Monate sind Jennas Zwillinge alt, und noch immer weiß ihr Daddy nichts von ihnen! Kurzentschlossen bucht Jenna eine Kreuzfahrt auf Nick Falcos Luxus-Liner. Zwischen Wind und Wellen will sie dem Millionär mit dem Playboyruf die Folgen ihrer kurzen Affäre gestehen


  • Erscheinungstag 01.07.2013
  • Bandnummer 314
  • ISBN / Artikelnummer 9783954466443
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Au!“ Jenna Baker verzog vor Schmerz das Gesicht, hüpfte auf einem Bein umher und hielt sich dabei die malträtierten Zehen ihres linken Fußes. Sie warf einen zornigen Blick auf den am Boden ihrer winzigen Kabine verschraubten Tisch, an dem sie sich gerade heftig gestoßen hatte. Der Raum war so winzig, dass sie froh sein konnte, nicht an Platzangst zu leiden, ansonsten wäre sie bei der Enge eingegangen. Allerdings rammte sie andauernd irgendein Möbelstück. Während sie sich die pochenden Zehen rieb, musste sie unwillkürlich an den Mann denken, der der Grund für diese schreckliche Kreuzfahrt war.

Nick Falco.

Sein Gesicht erschien vor ihrem geistigen Auge, und für einen Moment wurde ihr heiß, wie immer, wenn sie an ihn dachte. Zu dieser unwillkommenen körperlichen Reaktion gesellte sich zum Glück sofort kalte Wut.

Sie tat gut daran, sich auf dieses Gefühl zu konzentrieren, denn im Gegensatz zu den übrigen Passagieren auf der Falcon’s Pride war sie nicht an Bord, um Urlaub zu machen. Sie war aus einem anderen Grund hier.

Vorsichtig setzte sie den angeschlagenen Fuß auf und legte den kurzen Weg zum schmalen Kleiderschrank zurück. Sie hatte ihre Sachen schon eingeräumt und auf die Bügel gehängt. Obwohl sie nicht viel mitgenommen hatte, quoll das schmale Möbelstück bereits über. Sie nahm eine gelbe Bluse, schlüpfte hinein und ging ins Bad. Auch dafür war kaum mehr als ein Schritt nötig.

Der Waschraum erinnerte stark an eine Flugzeugtoilette. Allerdings gab es hier eine Duschkabine, in der sich jedoch höchstens ein sechsjähriges Kind bequem aufhalten konnte. Jenna hingegen musste sich seitwärts durch die Schiebetür quetschen und stieß fortwährend gegen Wände oder Armaturen.

„Wirklich entzückend, Nick“, murmelte sie vor sich hin.„Als du diesen alten Kahn umgebaut hast, hättest du auch an die Leute denken sollen, die sich keine Kabine auf dem Oberdeck leisten können. Immerhin hast du das hier zu deinem Flaggschiff erklärt.“

Die Tatsache, dass Nick keinen Gedanken an Menschen mit schmalem Geldbeutel verschwendete, war jedoch nicht verwunderlich. Diese Einstellung passte zu ihm. Noch bevor sie ihn an jenem lauen Sommerabend vor einem Jahr kennengelernt hatte, war ihr klar gewesen, was für ein Mann er war. Er war davon besessen, seine Kreuzfahrtlinie zur weltweit führenden zu machen. Dafür tat er alles, was er für nötig erachtete, ohne Rücksicht zu nehmen oder sich jemals für irgendetwas zu entschuldigen.

Als sie ihm zum ersten Mal begegnet war, hatte sie für ihn gearbeitet. Sie war die Assistentin des Servicemanagers auf einem anderen Schiff der Falcon-Flotte gewesen und hatte diesen Job sehr gern gemacht. Es gefiel ihr, ständig auf Reisen zu sein, aber dann hatte sie sich dummerweise in ihren obersten Boss verliebt. Daran waren ein romantisches Dinner bei Kerzenlicht schuld und Nicks unwiderstehlicher Charme.

Als der unerhört attraktive Eigner der Kreuzfahrtflotte auf dem Promenadendeck versehentlich mit ihr zusammengestoßen war, hatte er sie für eine Passagierin gehalten. Ihr war bewusst gewesen, dass Nick Falco sich niemals mit einer Angestellten einlassen würde, deshalb hatte sie seinen Irrtum nicht richtiggestellt. Das war ein Fehler gewesen, und sie wusste das. Sein markantes Kinn, die eisblauen Augen, das dichte schwarze Haar und sein muskulöser Körper hatten sie jedoch so sehr fasziniert, dass sie keinen klaren Gedanken hatte fassen können. Die Wahrheit hätte ihre Chancen gleich zu Anfang zunichtegemacht.

Jenna seufzte leise und stützte sich auf das Waschbecken, das die Größe einer Seifenschale hatte. Sie erinnerte sich nur allzu gut an seine erste Berührung. Das war ein magischer Moment gewesen. Das Prickeln auf ihrer Haut, das Hämmern ihres Herzschlags und das Aussetzen ihres Atems waren ihr so gegenwärtig, als wäre es erst gestern passiert. Nick hatte sie an jenem Abend in die Arme gezogen und mit ihr zu den Klängen sanfter Musik aus einer der nahe gelegenen Bars getanzt. Der sternenklare Himmel und die sanfte hawaiianische Brise taten ein Übriges, um ihren Verstand vorübergehend außer Betrieb zu setzen.

Dem ersten Tanz folgte ein zweiter. Es war wundervoll, in seinen Armen zu liegen. Der Zauber des Augenblicks verführte sie zu einer Lüge, deren Folgen nicht lange auf sich warten ließen.

Es kam, wie es kommen musste. Sie ließ sich auf eine Affäre mit Nick ein. Eine heiße, aufregende und unvergessliche Affäre, die ihr Herz und ihre Seele nicht unberührt ließ.

Schon nach einer Woche erfuhr er von irgendjemandem, dass sie seine Angestellte war. Er zögerte keinen Moment und brach die Beziehung zu ihr sofort ab. Er wollte sich nicht einmal anhören, was sie dazu zu sagen hatte. Sobald sie in den Heimathafen eingelaufen waren, hatte er ihr fristlos gekündigt.

Bei der Erinnerung an dieses demütigende Ende verspürte Jenna nach wie vor einen scharfen Stich.

„Lieber Himmel, was tue ich eigentlich hier?“ Sie rieb sich den Bauch, da ihr Magen sich vor Nervosität schmerzhaft zusammengezogen hatte. Liebend gern hätte sie auf diese Reise verzichtet, wenn es eine andere Möglichkeit gegeben hätte, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Sie freute sich nicht gerade auf ein Wiedersehen mit Nick.

Es gab aber keine andere Möglichkeit, deshalb biss sie die Zähne zusammen, hob das Kinn und wandte sich abrupt um. Dabei stieß sie sich den Ellbogen am Türrahmen.

„Na, das war ja klar“, murmelte sie und wartete, bis der Schmerz abgeklungen war. Nachdenklich betrachtete sie ihr Gesicht in dem winzigen Spiegel, der neben der Kabinentür hing. „Du bist hier, weil es richtig ist. Es bleibt dir nichts anderes übrig. Er lässt dir keine Wahl“, erklärte sie ihrem Spiegelbild.

Sie musste unbedingt mit Nick reden und es war ausgesprochen schwer, ihn zu treffen. Da er meistens an Bord seines Flaggschiffs wohnte, gab es kaum Gelegenheit, ihn an Land um ein Gespräch zu bitten. Wenn er sich gelegentlich im Heimathafen der Falcon’s Pride in San Pedro bei Los Angeles in Kalifornien aufhielt, verschanzte er sich in seinem Apartment. Dort waren die Sicherheitsvorkehrungen vermutlich schärfer als im Weißen Haus.

Da sie keine Chance sah, ihm persönlich gegenüberzutreten, hatte sie versucht, ihn telefonisch zu erreichen. Als das scheiterte, hatte sie es mit E-Mails probiert. Während der vergangenen sechs Monate hatte sie ihm mindestens zwei pro Woche geschickt. Auch das war erfolglos geblieben. Vermutlich löschte er ihre E-Mails, ohne sie zu lesen. Dieser Mann war unmöglich. Jenna hatte sich nicht mehr anders zu helfen gewusst, als eine Reise auf der Falcon’s Pride zu buchen, obwohl sie diese Kreuzfahrt nicht wollte, ganz abgesehen davon, dass sie sie sich auch nicht leisten konnte.

Seit mehr als einem Jahr war sie nicht mehr an Bord eines Schiffes gewesen. Das sachte Schaukeln des großen Kreuzfahrtdampfers verursachte ihr weiche Knie. Sie musste sich erst wieder an den Seegang gewöhnen.

Früher hatte sie den Aufenthalt auf dem Wasser uneingeschränkt genießen können. Sie hatte ihre abwechslungsreiche Arbeit gemocht. Kein Tag war wie der andere gewesen, und es hatte ihr jeden Morgen Vergnügen bereitet, aufzustehen und sich an der Aussicht zu erfreuen.

„Damals hatte meine Kabine wenigstens ein Bullauge“, sagte sie kopfschüttelnd.

Jetzt befand sich ihre Unterkunft so weit unten im Schiff, dass es nicht das kleinste Fenster gab. Es war die billigste Kabine, die sie hatte bekommen können, dementsprechend war sie ausgestattet. Das Licht musste immer brennen, und Jenna fühlte sich wie eingekerkert. Die Enge und die Dunkelheit zerrten an ihren Nerven.

Wenn sie wenigstens einigermaßen hätte schlafen können, dann würde sie sich vielleicht besser fühlen, aber sie war in der vergangenen Nacht von schrecklichem Gepolter und Gejaule aus dem Schlaf geschreckt worden. Es hatte sich angehört, als ob das gesamte Schiff auseinanderbrechen würde. Sie hatte eine Weile gebraucht, bis sie die Geräusche einordnen konnte. Zweifellos handelte es sich um die Kette des Ankers, der gehoben wurde. Obwohl sie eine Erklärung für die unheimlichen Geräusche gefunden hatte, war es ihr nicht gelungen, wieder einzuschlafen, selbst nachdem der Lärm verstummt war.

„Und alles nur wegen Nick.“ Sie seufzte und nickte ihrem Spiegelbild zu. „Viel zu beschäftigt damit, Millionen zu scheffeln. Keine Zeit, um seine E-Mails zu lesen.“

Ob er sich wohl an sie erinnerte? Oder hatte er ihren Namen gelesen und sich gefragt, wer zum Teufel ihm da geschrieben haben mochte?

Jenna schüttelte energisch den Kopf. „Nein. Er hat bestimmt nichts vergessen. Er weiß ganz genau, wer ich bin. Er hat meine Mails absichtlich nicht gelesen. Nur um mich zu ärgern. Er kann unsere gemeinsame Woche nicht vergessen haben.“

Obwohl die Geschichte in einem Fiasko endete, hatte die eine Woche mit Nick Falco ihr Leben völlig aus den Angeln gehoben. Es schien ihr einfach unmöglich, dass es nur ihr allein so ergangen sein sollte.

„Wahrscheinlich bezaubert er gerade irgendeine andere Frau mit seinem unerhörten Charme. Eine Frau, die so dumm ist wie ich und viel zu spät merkt, dass er nicht der Traummann ist, für den sie ihn hält.“

Wieder seufzte Jenna. Das war eine glatte Lüge. Nick Falco war ein Traummann. Groß, attraktiv und sexy. Mit seinem schwarzen Haar und dem hinreißenden Lächeln konnte er jede Frau betören, und zwar noch bevor sie erlebte, was für ein wundervoller Liebhaber er war.

Jenna lehnte die Stirn an den kühlen Spiegel. „Vielleicht war das hier doch keine so gute Idee“, flüsterte sie, denn sie bekam allein schon bei der Erinnerung an die Nächte mit Nick Herzrasen.

Sie schloss die Augen und wehrte sich nicht länger gegen die Bilder, die sich ihr aufdrängten. Der Tanz mit Nick auf dem Promenadendeck unter sternklarem Himmel. Das nächtliche Picknick mit ihm im Bug des Schiffes. Das Abendessen auf dem Aussichtsbalkon seiner Suite. Sie hatten Champagner getrunken. Sie hatte ein wenig davon verschüttet, und Nick hatte die Tropfen aus der Mulde zwischen ihren Brüsten geleckt. Schließlich sein breites Bett, auf dem sie in seinen Armen gelegen hatte. Seine leidenschaftlichen Küsse und die zärtlich geflüsterten Worte.

Allein die Erinnerung an diesen Mann jagte ihr nach mehr als einem Jahr noch Schauer über den Rücken. Was hatte das zu bedeuten? Nach einem Moment der Unsicherheit kam sie mit sich überein, dass sie die Antwort auf diese Frage eigentlich gar nicht wissen wollte. Sie war nicht an Bord dieses Schiffes, um in Erinnerungen zu schwelgen oder an die Vergangenheit anzuknüpfen. Sie war hier, um für ihre Zukunft zu kämpfen. Entschlossen öffnete sie die Augen, vertrieb die erotischen Bilder aus ihrem Kopf und wappnete sich für das, was sie tun musste.

Ihr Leben hatte sich von Grund auf geändert. Sie war nicht mehr unbeschwert und auf der Suche nach Abenteuern. Mittlerweile hatte sie gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Sie war hier, um ein ganz bestimmtes Ziel zu erreichen. Nick würde ihr zuhören müssen, ob er wollte oder nicht.

„Zu beschäftigt, um meine E-Mails zu beantworten?“, murmelte sie. „Du denkst wohl, wenn du mich nur lange genug ignorierst, werde ich schon von selbst verschwinden. Na warte, ich habe eine große Überraschung für dich.“

Jenna putzte sich die Zähne, legte etwas Make-up auf und bürstete sich das lange hellbraune Haar. Dann flocht sie es zu einem einfachen Zopf, der ihr geschmeidig und glänzend über den Rücken hing. Schließlich quetschte sie sich seitwärts durch die schmale Badezimmertür und öffnete den Kleiderschrank. Sie entnahm ihm weiße Shorts, zog sie an und steckte den Saum ihrer gelben Bluse in den Bund. Nachdem sie in ein Paar Sandalen geschlüpft war, vergewisserte sie sich, dass sich der kleine hellblaue Umschlag noch in ihrer Handtasche befand. Sie hängte sich die Tasche über die Schulter und legte die zwei Schritte zur Kabinentür zurück.

Als sie auf den stickigen, dämmrigen Flur hinausgetreten war, prallte sie mit einem Steward zusammen.

„Oh, Entschuldigung“, rief sie erschrocken.

„Mein Fehler“, sagte er und hob das Tablett in seinen Händen hoch über ihren Kopf, damit sie an ihm vorbeigehen konnte. „Diese Flure hier unten sind nicht gerade geeignet für mehr als eine Person. Selbst nach dem Umbau des Schiffes gibt es hier noch Bereiche, die …“

Er brach abrupt ab, als erinnerte er sich plötzlich daran, dass er Angestellter der Falcon-Linie war und das Schiff vor Passagieren nicht schlechtmachen sollte. Verlegen lächelnd ließ er das Tablett sinken.

„Da haben Sie wohl recht.“ Jenna erwiderte sein Lächeln. Der Steward mochte so um die zwanzig sein, und seine Augen glänzten vor Aufregung. Sie wäre jede Wette eingegangen, dass dies seine erste Kreuzfahrt war. „Gefällt Ihnen Ihr Job?“

Er zuckte mit den Schultern. „Heute ist mein erster Tag. Ich denke schon. Aber …“

Er blickte sich nervös in dem schummrigen Korridor um, als wollte er sich vergewissern, dass niemand das Gespräch belauschte. Jenna wusste, wie unnötig seine Sorge war. Hier, mitten im Bauch des Schiffes, gab es nur fünf Kabinen. Außer ihrer war nur die gegenüberliegende belegt.

„Aber was?“, ermunterte sie ihn.

„Es ist ein bisschen unheimlich hier unten, finden Sie nicht? Ich meine, man kann die Wellen gegen die Schiffswand schlagen hören. Und es ist so dunkel.“

Noch vor wenigen Augenblicken hatte sie genau dasselbe gedacht. Dennoch war sie plötzlich entschlossen, die Falcon’s Pride zu verteidigen. „Aber es ist doch bestimmt besser als die Mannschaftsunterkünfte, oder nicht? Ich habe auch mal auf Kreuzfahrtschiffen gearbeitet. Die Crew war immer im untersten Deck untergebracht.“

„Wir nicht“, antwortete er. „Hier sind die Mannschaftsunterkünfte ein Deck über diesem.“

„Na prima“, sagte sie gepresst. Sogar die Menschen, die für Nick Falco arbeiteten, bekamen auf diesem Schiff mehr Schlaf als sie. Dabei hatte sie für die Reise bezahlt. Nicht sehr viel, aber immerhin.

Die Tür der gegenüberliegenden Kabine öffnete sich einen Spalt. Eine mit einem Bademantel bekleidete Frau in den Vierzigern steckte den blonden Kopf heraus und lächelte erleichtert. „Dem Himmel sei Dank. Ich habe Stimmen gehört und dachte schon, auf diesem Schiff spukt es.“

„Aber nein, Madame. Wir sind ganz harmlos“, sagte der Steward und warf Jenna einen belustigten Blick zu. „Hier ist Frühstück für zwei Personen. Wie Sie bestellt haben.“

„Wunderbar“, erwiderte die Blonde und öffnete die Tür ein Stück weiter. „Es ist nur … Ich habe keine Ahnung, wo Sie das Tablett abstellen wollen. Suchen Sie sich einfach einen Platz, okay?“

Der Steward nickte und verschwand in der Kabine. Die blonde Frau streckte Jenna eine Hand entgegen. „Hallo, ich heiße Mary Curran. Mein Mann Joe und ich machen hier Urlaub.“

Jenna ergriff ihre Hand und schüttelte sie. „Jenna Baker. Freut mich, Sie kennenzulernen. Vielleicht treffen wir uns ja mal an Deck.“

„Also, hier unten werde ich mich so wenig wie möglich aufhalten, das kann ich Ihnen schon sagen“, erklärte Mary und zog schaudernd den Bademantel enger um ihren Körper. „Ich finde es hier sehr unheimlich, aber schließlich müssen wir in der Kabine nur schlafen.“

„Das sage ich mir auch die ganze Zeit“, erwiderte Jenna lächelnd. Dann überließ sie Mary ihrem Frühstück und eilte zum Lift, der sie aus der Dunkelheit ans Licht des Tages befördern würde. Sie nahm den blauen Umschlag, den sie Nick überbringen lassen wollte. Dann holte sie tief Luft und versuchte, dem vor ihr liegenden Tag so gelassen wie möglich entgegenzublicken.

Während der Fahrstuhl sich behäbig in Bewegung setzte, trat Jenna unruhig von einem Bein auf das andere. Sie brauchte unbedingt frische Luft und Sonnenschein. Außerdem eine große Portion Kaffee mit einem Stück Kuchen oder zwei. Später, nachdem Nick ihren Brief gelesen hatte, würde sie ihm so gefasst wie möglich begegnen. Sie würde in seine eisblauen Augen sehen und fordern, dass er das Richtige tat.

„Er wird bezahlen müssen“, sagte sie entschlossen, während die Fahrstuhltüren aufglitten und sie ins Sonnenlicht trat.

„Das Soundsystem für die Bühne auf dem Calypso-Deck hat einen Defekt, aber die Techniker sagen, sie kriegen es bis zur Show wieder hin.“

„Gut.“ Nick Falco saß in einem braunen Lederstuhl und lauschte dem Tagesbericht seiner Assistentin Teresa Hogan. Trotz der frühen Uhrzeit hatten sie gemeinsam bereits ein halbes Dutzend Krisen bewältigt.

„Ich will größere Pannen unbedingt vermeiden“, sagte er. „Das ist unsere erste Fahrt mit diesem Schiff, aber die Passagiere sollen sich auf keinen Fall wie Versuchskaninchen fühlen.“

„Das werden sie auch nicht“, beruhigte Teresa ihn. „Das Schiff ist in ausgezeichnetem Zustand, und das wissen Sie genau. Wir haben ein paar kleine Probleme, aber ich sehe nichts, womit wir nicht fertig werden können. Wenn wir wirklich Schwierigkeiten hätten, wären wir wohl kaum gestern Abend ausgelaufen.“

„Ich weiß“, stimmte Nick ihr zu und blickte über die Schulter auf die weißen Schaumkronen des Ozeans. „Sorgen Sie nur dafür, dass wir eventuellen Pannen immer einen Schritt voraus sind.“

„Tue ich das nicht immer?“

„Ja“, erwiderte er und nickte anerkennend. „Das tun Sie allerdings.“

Teresa war Ende fünfzig, hatte kurzes dunkles Haar, durchdringende grüne Augen und das Organisationstalent eines Frontgenerals. Sie ließ sich von niemandem etwas vormachen, auch nicht von Nick. Darüber hinaus besaß sie die Loyalität und die Hartnäckigkeit eines Schäferhundes. Sie arbeitete seit acht Jahren für ihn. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie eine Aufgabe gesucht, die ihr sowohl Ablenkung als auch Abwechslung bot. Mit ihrem Job als Nicks Assistentin hatte sie diese Aufgabe gefunden. Es hatte nicht lange gedauert, bis sie seine rechte Hand geworden war.

„Der Küchenchef auf dem Paradise-Deck beklagt sich über die neuen Herde“, erklärte sie, wobei sie auf die Unterlagen auf dem Klemmbrett blickte, das zu ihrem ständigen Begleiter geworden war.

Nick gab entrüstet ein Schnauben von sich. „Er hat die teuersten Herde, die man für Geld kaufen kann. Was stimmt damit nicht?“

Teresa gluckste. „Laut Chef Michele werden die Kochstellen nicht heiß genug.“

Er seufzte. Noch nicht einmal einen ganzen Tag auf See, und schon beschwerte sich der ebenso temperamentvolle wie hoch dotierte Sternekoch über die Arbeitsbedingungen. „Sagen Sie ihm, solange die Kochstellen heiß werden, soll er gefälligst tun, wofür ich ihn bezahle.“

„Ist schon geschehen.“

Nick hob die Augenbrauen. „Und warum erzählen Sie es mir dann?“

„Weil Sie der Chef sind“, erwiderte Teresa und lächelte übermütig.

„Nett von Ihnen, mich ab und an daran zu erinnern.“ Nick beugte sich vor und rollte mit dem Stuhl näher an seinen Schreibtisch heran. Auf der rechten Seite lag ein Stapel persönlicher Post, dem er sich gleich widmen würde.

Teresa blätterte ungerührt in ihren Papieren. „Der Kapitän sagt, die Wetteraussichten sind gut. Wir werden in Rekordzeit in Cabo sein, voraussichtlich um zehn Uhr morgen früh.“

„Das ist gut“, sagte Nick zerstreut und nahm den obersten Umschlag vom Poststapel. Rhythmisch klopfte er mit der Kante des Briefes auf den Tisch, als Teresa mit ihrem Bericht fortfuhr. Während er der Auflistung von Problemen, Beschwerden und erfreulicherweise auch Komplimenten lauschte, ließ er den Blick durch sein Büro schweifen. Es befand sich auf dem Splendor-Deck direkt unter der Brücke. Die Aussicht war überwältigend. Aus diesem Grund hatte er sich dieses Deck für sein Büro und auch für seine Privaträume ausgesucht. Er hatte große Panoramafenster einbauen lassen, denn er liebte den ungehinderten Blick auf den Ozean. Das gab ihm auch während der Arbeit ein Gefühl von Freiheit.

Das Büro war mit bequemen Stühlen, mehreren niedrigen Tischen und einer gut bestückten Bar ausgestattet. An den marineblau gestrichenen Wänden hingen einige farbenprächtige Gemälde. Das auf Hochglanz polierte Parkett reflektierte das einfallende Sonnenlicht.

Dies war die erste Fahrt, seit er die Falcon’s Pride erworben hatte. Das Schiff war also sozusagen auf der Jungfernfahrt. Er hatte es einem Konkurrenten abgekauft, der sich zur Ruhe setzen wollte. In den vergangenen sechs Monaten war es komplett überholt und umgebaut worden, damit es als Flaggschiff der Falcon-Linie alle Ehre machte.

Seine Angestellten hatten ihm von den ersten Reaktionen der Passagiere berichtet. Die meist noch jungen Gäste waren am gestrigen Tag in San Pedro, dem Hafen von Los Angeles, an Bord gegangen. Sie hatten sich sehr beeindruckt von der aufwendigen Ausstattung und dem luxuriösen Gesamteindruck des Schiffes gezeigt.

Sein erstes Schiff hatte Nick vor zehn Jahren gekauft. Er hatte nicht lange gebraucht, um die Falcon-Linie zu einer der führenden Partyadressen zu machen. Seine Passagiere waren in der Regel junge Menschen, die im Urlaub vor allem feiern wollten. Ihnen stand der Sinn nach Spaß, Spannung und Partys, die zwei Wochen lang dauerten. Sie wurden nicht enttäuscht, denn er sorgte dafür, dass seine Gäste bekamen, was sie wollten. Die Falcon’s Pride sollte die Königin seiner Partyflotte werden.

Dafür hatte er keine Kosten und Mühen gescheut. Er hatte nur die besten Köche engagiert, die angesagtesten Bands unter Vertrag genommen und für spektakuläre Bühnenauftritte gesorgt. Seine Angestellten waren fast ausnahmslos jung und attraktiv. Bei diesem Gedanken drifteten seine Erinnerungen unwillkürlich zu einer ganz bestimmten Angestellten. Eine junge Frau, die ihm unter die Haut gegangen war, bis er entdeckte, dass sie ihn belogen hatte. Seitdem hatte er sie weder gesehen noch gesprochen. Er war in Hinblick auf seine Affären seither sehr viel vorsichtiger geworden.

„Hören Sie mir überhaupt noch zu?“, fragte Teresa in seine Gedanken hinein.

Nick kehrte augenblicklich in die Gegenwart zurück. Allerdings konnte er ein Gefühl der Verwirrung nicht ganz abschütteln. Es machte ihm zu schaffen, dass Jenna Baker nach über einem Jahr immer noch in seinem Kopf herumspukte.

Er lächelte Teresa entschuldigend an. „Warum erledigen wir den Rest nicht nach dem Mittagessen?“

„In Ordnung“, erwiderte sie und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Ich habe jetzt sowieso einen Termin auf dem Veranda-Deck. Die Karaoke-Anlage macht Probleme.“

„Gut. Sehen Sie zu, dass der Fehler behoben wird.“ Nick wandte seine Aufmerksamkeit dem Poststapel zu. Er unterdrückte ein Seufzen. Es verging keine Kreuzfahrt, auf der er nicht Dutzende von Einladungen erhielt. Natürlich kamen sie ausnahmslos von Frauen, die anfragten, ob er nicht mit ihnen zu Abend essen oder einen Drink in der Bar mit ihnen nehmen wollte.

„Natürlich.“ Teresa wandte sich zum Gehen und hielt dann inne. Sie reichte ihm einen hellblauen Umschlag. „Einer der Stewards hat ihn mir auf dem Weg hierher gegeben. Wahrscheinlich noch eine einsame Frau, die sich nach männlicher Gesellschaft sehnt. Wie es scheint, stehen Sie bei der gesamten Weiblichkeit nach wie vor hoch im Kurs.“

Ihm war klar, dass Teresa ihn nur necken wollte. Dennoch versetzten ihm ihre Worte einen Stich. Unbehaglich rückte er seinen Stuhl zurecht und überlegte, warum das so war. Er lebte nicht gerade wie ein Mönch, zugegeben. Über die Jahre hatte er viele dieser Einladungen angenommen, wenn sie von Frauen kamen, denen es nur um Spaß und unverbindlichen Sex ging. In letzter Zeit zeigte er aber immer weniger Interesse an solchen Verabredungen. Die Umschläge und Karten lagen seit dem frühen Morgen auf seinem Tisch, ohne dass er sie angerührt hätte. Er wusste genau, was er vorfinden würde, wenn er seine Post durchsah.

Seidenslips, Kabinenschlüssel und höchst verführerische Fotos. Nichts davon hatte auch nur die geringste Bedeutung für ihn.

Was mochte das über ihn aussagen? Nick unterdrückte ein bitteres Lachen und beschloss, das gar nicht so genau wissen zu wollen. Vielleicht hatte er in den letzten Wochen einfach nur zu viel gearbeitet, und möglicherweise war eine Verabredung mit einer dieser Frauen genau das, was er jetzt brauchte. Es war wahrscheinlich keine schlechte Idee, sich die Einladungen einfach anzusehen, die verheißungsvollste davon zu beantworten und ein paar entspannende Stunden mit einer attraktiven Frau zu verbringen.

Teresa hielt immer noch den hellblauen Umschlag in der ausgestreckten Hand und blickte Nick leicht verunsichert an. Er wollte auf keinen Fall, dass sie ihm irgendwelche Fragen stellte, nahm ihr rasch den Umschlag ab und öffnete ihn, indem er den Zeigefinger unter die nur nachlässig zugeklebte Lasche schob.

„Glauben Sie vielleicht, es ist einfach, der Traum von Millionen Frauen zu sein?“, fragte er breit grinsend.

Sie schnaubte nur, schüttelte gespielt missbilligend den Kopf und verließ sein Büro. Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, lehnte Nick sich zurück und betrachtete nachdenklich den Briefumschlag in seiner Hand. Hellblaues Papier. Eine enge, energisch wirkende Handschrift. Der Umschlag war entschieden zu klein, um einen Seidenslip zu enthalten. Vermutlich die Schlüsselkarte zu einer Kabine.

„Also gut“, sagte er leise. „Dann wollen wir mal sehen, wer mir da Avancen macht. Hoffentlich ist ein Foto drin. Ich hasse Blind Dates.“

Autor

Maureen Child
<p>Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
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