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Schneesturm, alle Flüge sind gestrichen! Kim und Rick versuchen gemeinsam, nach Phoenix zu kommen. Das Wetter zwingt sie, nicht nur Bus und Bahn, sondern auch das Bett zu teilen … Es wird eine höchst erotische Traumreise durch Amerika! Doch bald naht der Abschied …


  • Erscheinungstag 15.06.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747305
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sie war ein wandelnder Gepäckkarren.

Kim Grant zog ihren vollgepackten Rollenkoffer mit einer Hand hinter sich her und trug in der anderen einen alten Hartschalenkoffer vom Trödelmarkt. Alle paar Schritte rutschten ihr die Träger ihres Matchbeutels von der Schulter, und die Umhängetasche mit den Flugtickets, die sie sich um den Hals gehängt hatte, schlug gegen ihre Brust.

Ein freundlicher Nachbar, Ben, hatte sie durch das morgendliche Schneegestöber zum Flughafen gefahren und sie vor den Ticketschaltern des Flughafens von Detroit um sechs Uhr früh abgesetzt. Kim lächelte und dachte an den süßen Abschiedskuss. Fast hätte sie sich gewünscht, dass sie nicht fliegen würde, und tatsächlich sah es ganz so aus, als würde ihr Flug ausfallen. Ben war schon lange fort, als sie erfuhr, dass ihr Flugzeug nicht starten würde. Der eisige Wind hatte Schnee auf die Rollbahnen geweht, und deshalb waren alle Flüge abgesagt worden.

Und da sie nun auf dem Weg nach Phoenix, ihrer Heimatstadt, war, war dieser Aufschub doppelt ärgerlich. Ihre Wohnung in Detroit war leer, ihre Möbel aus dem Trödelladen verkauft oder verschenkt, und der Schlüssel war wieder beim Vermieter. Es gab für sie nichts mehr in dieser Stadt zu tun, außer dass sie versuchte, nach Arizona zu kommen.

Sie musste so schnell wie möglich zu ihrer Schwester. Es war das erste Mal, dass Jane sie wirklich brauchte. Luke Stanton, Janes Mann, war in Afrika, um den Bau einer Niederlassung der Sportartikelfirma zu überwachen, die er für seinen Großvater leitete. Er war nur widerwillig gefahren, denn Jane war zum zweiten Mal schwanger; dieses Mal erwartete sie Zwillinge – Mädchen. Kim war sich sicher, dass Luke so schnell wie möglich nach Hause kommen würde, wenn er von Janes Problemen bei der Schwangerschaft wüsste. Aber Jane war zu starrköpfig, um Lukes Reise zu unterbrechen, indem sie etwas sagte.

Nur hatte sie leider Kim erzählt, dass der Arzt ihr viel Ruhe verschrieben hatte. Jane hatte eine Haushälterin, aber sich um den vierjährigen Peter zu kümmern war schon ein echter Liebesdienst. Kim betete ihren Neffen an, obwohl er mehr oder weniger wie ein Klon des wilden Mannes wirkte, der sein Vater gewesen war, ehe die Liebe ihn gezähmt hatte. Der kleine Teufelskerl kletterte so leicht auf Bäume, wie er Treppen stieg, und er nahm das Wort „nein“ als persönliche Herausforderung.

Es machte Kim nichts aus, ihren Job als Leiterin von Computerkursen aufzugeben. Sie vermisste Phoenix mit seiner goldenen Sonne und dem trockenen Wüstenklima, aber vor allem wollte sie näher bei ihrer Schwester sein. Deshalb war es die reine Freude für sie, dass sie endlich etwas für ihre Schwester tun konnte. Jane hatte sie nach dem frühen Tod ihrer Eltern aufgezogen und ihr durch sämtliche Krisen geholfen, die ein Teenager durchzustehen hat, und sie hatte dafür gesorgt, dass sie den Abschluss auf dem College machte.

Kim sehnte sich danach, Peter wiederzusehen, auch wenn er beim letzten Besuch Sand in ihren Koffer geworfen oder mit ihrem Lippenstift den Badezimmerspiegel beschmiert hatte. Nun war sie auf solche Streiche vorbereitet. Mit ihrer Hilfe würde Jane die Ruhe bekommen, die sie brauchte, und sie, Kim, würde das Vergnügen haben, Lukes Sohn zu zähmen.

Aber erst einmal musste sie nach Phoenix kommen. Es gab nur eine Möglichkeit, eine Maschine dorthin zu kriegen: Sie musste zu einem anderen Flugplatz.

Die Rolltreppe lag vor ihr und war zum Glück gerade frei, sodass Kim genug Zeit hatte, ihre Koffer auf die abwärts fahrenden Stufen zu stellen. Sie stellte den Rollkoffer auf eine der sich bewegenden Stufen und lud den anderen Koffer obenauf, drückte die Umhängetasche an sich und hüpfte etwas zu spät auf die Stufe hinter ihrem Gepäck. Sie schaffte es nicht, mit beiden hochhackigen schwarzen Lederstiefeln auf eine einzige Stufe zu gelangen, und zudem wickelte sich ihr langer Rock um ihre Knöchel. Kim fiel nach vorne und fasste instinktiv mit der Hand, die den alten Koffer in der Balance hielt, nach dem Handlauf der Rolltreppe.

„Oh nein!“, rief sie.

Der alte Koffer fiel von seinem schwankenden Posten und sprang beim zweiten Aufprall auf, sodass der gesamte Inhalt herausfiel. Kim sah, wie ihre Seidenwäsche in einem weiten Bogen auf die Stufen segelte.

Sie konnte nichts tun; ihr großer Rollenkoffer stand ihr im Weg. Ihre Dessous folgten dem verflixten anderen Koffer – dem vom Flohmarkt – und sammelten sich am Fuß der Rolltreppe zu einem kleinen Berg an.

Kim wäre beinahe gestürzt, als sie hastig versuchte, ihre Unterwäsche aufzuheben, konnte sich aber gerade noch festhalten. Sie schob den Rollenkoffer mit einem Tritt beiseite, ging auf die Knie und war so intensiv mit der Rettung ihrer Habe beschäftigt, dass sie um ein Haar ein Paar langer Beine übersehen hätte, die in khakifarbenen Jeans steckten.

„Darf ich Ihnen helfen?“, fragte die zu den Beinen gehörende Stimme.

Kim stopfte gerade einen pfirsichfarbenen Slip in ihre Jackentasche und war viel zu verlegen, um den Mann mit der tiefen Stimme anzuschauen, von dem dieses Angebot stammte. Er stand auf einem silbern schimmernden BH, den Kim unter seinen Stiefeln wegzupfte.

„Danke, aber ich schaffe es schon alleine.“ Sie hielt ihr Gesicht abgewandt und fragte sich, was in sie gefahren war, als sie sich den schwarz-weiß gestreiften Slip gekauft hatte.

„Keine Ursache. Es wäre zu schade, wenn die Leute auf Ihren Sachen herumtrampeln würden.“

Sie folgte seinem Blick zum oberen Ende der Rolltreppe, wo bereits mehrere Leute standen. Ihr Retter nahm den lädierten Flohmarktkoffer und stopfte Kims Dessous hinein. Es sprach für ihn, dass er sie nicht allzu genau betrachtete, außer als er ihr schwarzes Spitzenhemdchen zu falten versuchte.

„Es ist zum Schlafen“, sagte Kim hochrot.

Die Leute waren die Treppe schon halb hinabgefahren. Kim griff verzweifelt nach den restlichen Kleidungsstücken und konnte gerade noch rechtzeitig zur Seite treten, als drei grölende junge Männer in schwarzroten Jacken über die letzte Stufe sprangen. Kim wandte ihnen den Rücken zu und überhörte ein anerkennendes Pfeifen, bis sie endlich in ein Paar elektrisierende blaue Augen sah. Ihr Retter in der Not war wirklich ein toller Mann!

Von seinem Finger hing ein feuerroter G-String, den er wie eine heiße Kartoffel fallen ließ und dabei den Koffer verfehlte, als Kim ihn ansah. Sie schnappte sich das Teil vom Boden und knüllte es zusammen, weil sie es in die Tasche stecken wollte. Sie überlegte es sich aber anders und warf es mit den restlichen Sachen in den Koffer. Zu ihrer Erleichterung hielt der altmodische Verschluss, nachdem sie den Deckel zugeklappt hatte.

„Ich kann Ihnen gar nicht genug danken“, sagte sie und versuchte, die Sache herunterzuspielen, obwohl ihr das Ganze ausgesprochen peinlich war.

„Kein Problem. Kann ich Ihnen bei dem Gepäck helfen?“

Der Fremde schob sich eine Strähne seines dunkelblonden Haares aus der Stirn, wodurch Kim sein ausgesprochen hübsches Gesicht mit dem markanten Kinn sah.

Immer boten ihr die Männer Hilfe an. Ihre Schwester meinte, es wäre, weil sie so verletzlich aussah, aber Kim wusste, dass sie nicht hilflos war. Sie hatte nur die unglückliche Tendenz zu stolpern, zu stürzen und auszurutschen. Sie arbeitete daran, das zu ändern, aber manchmal ging es noch schief. Wie eben heute.

„Tausend Dank, aber ich reise nie mit mehr Gepäck, als ich selber tragen kann.“

Natürlich wäre etwas Hilfe ganz nett, aber wie konnte sie ihren Koffer einem Mann geben, der gerade ihre Unterwäsche in der Hand gehabt hatte? Im Moment war Kim viel zu sehr damit beschäftigt, seine von langen Wimpern umgebenen Augen zu mustern, die sie skeptisch ansahen.

„Okay, aber Sie werden doch wohl nicht dieses Ding da hinter sich herziehen wollen.“ Er zeigte auf ihre dunkelblaue Strumpfhose, die aus dem Koffer quoll.

Dann ging er und ließ Kim zurück; noch einmal öffnete sie den Koffer und stopfte die Strumpfhose in das Durcheinander, damit sie sich nicht wieder verfangen würde. Kim hatte nicht die Nerven, um die vielen Reisenden anzusehen, die in alle Richtungen davoneilten, und um sich zu fragen, wie viele von ihnen die öffentliche Zurschaustellung ihrer ausgefallenen Unterwäsche mitbekommen hätten.

Vollkommen erschlagen von ihren Gepäck, ging sie zu den Schaltern der Autovermietungen. Wenn sie jetzt schnell loskäme und die Straßen frei wären, könnte sie nach Chicago fahren und den letzten Flug nach Phoenix nehmen.

Am ersten Schalter gab es keine Warteschlange, weshalb Kim sich dort anstellte. Leider verkündete ein Schild, dass zurzeit keine Fahrzeuge zur Verfügung standen.

Beim zweiten Schalter war ihr breitschultriger Retter zwei Plätze vor ihr in einer langen Schlange. Da die Straßen vermutlich vereist sein würden und mit weiterem Schneefall zu rechnen war, wollte sie das bestmögliche Auto.

Zum Glück bekam sie mit, wie die Person ganz vorn in der Schlange mit dem Hinweis weggeschickt wurde, hier gäbe es nur reservierte Wagen. Kim lief zum letzten Schalter.

Unterwegs sah sie über ihre Schulter und bekam mit, wie ihr Retter gleichfalls zum Schalter der Econo-Cars ging. Hätte er vorhin nicht angehalten, um ihr zu helfen, hätte er vielleicht längst einen Wagen bekommen und wäre schon unterwegs. Kims Gewissen sagte ihr, dass sie ihn eigentlich vorlassen sollte, aber es war ihre letzte Chance, eine der billigen Kisten zu mieten. Sie musste einfach nach Phoenix. Ihre große Schwester brauchte sie.

Himmel, war der Typ schnell! Kim lief, so schnell sie konnte, ihre Umhängetasche schlug ihr gegen die Brust, und der Riemen schnitt in ihren Hals; der Koffer mit den wackeligen Rollen schwankte hinter ihr her.

Kim konnte gerade noch einen Zusammenstoß mit dem Gepäckkarren vermeiden, den ein Kind vor sich herschob. Der Kleine hatte hellblonde Haare wie Peter, und wieder sehnte Kim sich danach, ihren Neffen zu sehen.

Von dem kleinen Kerl abgelenkt, hatte sie den Abstand zwischen sich und ihrem Mitbewerber schrumpfen lassen. Sie vergaß, dass er vorhin bei ihr den barmherzigen Samariter gespielt hatte, und lief zum Schalter, wo sie gleichzeitig mit ihm ankam.

„Ich war zuerst da“, keuchte sie, nestelte den Gurt ihrer Umhängetasche aus dem Haar und knallte die schwere Tasche auf den Tresen. „Hier ist meine Kreditkarte.“ Sie suchte noch danach, als ihr attraktiver Retter von vorhin dazwischenfuhr.

„Ich war vor Ihnen da“, sagte er, „Aber wenn Sie es so eilig haben, lasse ich Sie gern vor.“

„Sir, wir haben leider nur noch einen Wagen“, erklärte die Frau hinter dem Schalter.

„Ich nehme ihn“, sagte der Kerl mit einem Lächeln, das diese Frau bezirzen sollte, ihm den Schlüssel zu geben.

„Warten Sie!“ Kim hielt ihm ihre Tasche vor das Gesicht. „Ich war zuerst da. Ich stand hier schon am Schalter, als er noch einen Schritt entfernt war.“

„Tut mir wirklich leid“, meinte die Blondine. „Dieser Herr hat sich bereits für unseren letzen Wagen entschieden.“

„Rufen Sie bitte Ihren Vorgesetzten“, sagte Kim, die keine Lust hatte, mit einer Frau zu diskutieren, die ihren männlichen Kunden mit riesengroßen Augen ansah.

„Das wird auch nichts ändern.“ Miss Supersüß hörte sich an, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.

„Vielleicht rufen Sie ihn doch, damit es hier vorangeht“, schaltete sich Kims Konkurrent ein. „Ich muss eine Verbindung in Chicago kriegen, ehe der Sturm alle Inlandsflüge unmöglich macht.“

„Chicago! Dahin will ich auch. Vielleicht können wir uns zusammentun“, schlug Kim vor, ohne zu bedenken, dass der Mann ja auch ein Serienmörder, ein Betrüger oder ein mieser Fahrer sein könnte.

„Das glaube ich nicht.“

„Ich zahle auch die Hälfte–nein alles. Bitte, ich muss dringend nach Phoenix. Meine Schwester erwartet Zwillinge und …“

„Jetzt erzählen Sie mir bloß nicht, sie erwartet, dass Sie die Kinder zur Welt bringen!“, meinte er, zeigte seine Kreditkarte und klappte die Brieftasche wieder zu.

Er ging aufs Ganze. Kim senkte ihre Lider und bedachte ihn mit dem Blick eines verwundeten Vogels, was normalerweise Wirkung stets zeigte. Darauf war sie nicht gerade stolz, aber in ihrer Verzweiflung wusste sie sich nicht anders zu helfen.

Er übersah Kims Anstrengung, so bemitleidenswert wie möglich auszusehen, und wandte ihr die Schulter zu.

„Miss, ich bestehe darauf, dass Sie Ihren Chef holen“, sagte Kim. Sie hatte angeboten, sich den Wagen zu teilen. Was konnte sie sonst noch tun?

Ein rundlicher Mann mit metallgefasster Brille und Doppelkinn kam aus einer Tür, an der ein Schild mit der Aufschrift „Geschlossen“ hing.

„Sir“, sprudelte Kim los, „hier liegt leider ein Missverständnis vor. Ich hasse es, Ihnen Umstände zu machen, aber ich war wirklich zuerst am Schalter. Mir steht der letzte Wagen zu.“ Sie stockte, denn das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber sie brauchte diesen Wagen dringend.

„Haben Sie gesehen, wer zuerst am Schalter war, Miss Wheeler?“, fragte der Vorgesetzte. Sein Kinn wabbelte und verdeckte den Knoten seiner Firmenkrawatte, als er Kim von Kopf bis Fuß musterte. Sein Blick blieb die gewohnten Extrasekunden auf ihren spektakulären Brüsten, die unter der offenen schwarzen Regenjacke zu ahnen waren.

„Ich muss dringend nach Chicago und meinen Anschlussflug nach Phoenix erreichen. Meine Schwester ist schwanger, und sie muss viel liegen, damit sie keine Frühgeburt erleidet. Ihr Mann ist nicht da, und ich muss mich um ihren kleinen Jungen kümmern und aufpassen, dass sie sich schont.“

Kim erzählte ihre Geschichte in einem wahren Wortschwall und musste dabei tief Luft holen, sodass ihr rosa Kaschmirpullover über ihren Brüsten spannte.

„Dieser Herr war zuerst da“, beharrte Miss Wheeler, wobei sie mit ihren silbern geschminkten Augenlidern klimperte.

„Unsere Devise ist, wer zuerst kommt, wird zuerst bedient“, entgegnete Mr. Doppelkinn bedauernd.

„Es war ein Rennen ohne Sieger, würde ich mal sagen“, meinte Kims Mitbewerber. Er schob ihre Tasche zur Seite und legte seine Kreditkarte in die begierig wartenden Finger mit den roten Nägeln. „Sie können mit mir fahren“

„Wunderbar! Ich danke Ihnen! Ich nehme den Betrag auf meine Karte.“ Wieder kramte Kim in ihrer Tasche.

„Lassen Sie. Sie können ja das Frühstück bezahlen, wenn wir aus dem Sturm heraus sind. Wir müssen uns beeilen. So wie es jetzt schneit, werden sie bald den Interstate Highway 94 sperren.“

Kim seufzte erleichtert. Sie würde wie versprochen zu ihrer Schwester kommen.

Der Schreibkram schien ewig zu dauern, und Rick wusste, dass Geduld keine Eigenschaft der Taylors war. Er musste dringend nach Phoenix, aber der Schnee und die durcheinander gepurzelte Unterwäsche hatten sich verschworen, um ihn aufzuhalten. Jetzt hatte er eine alte Kiste gemietet, bei der es fraglich war, ob sie es bis nach Chicago schaffte. Und noch schlimmer, er hatte eine wandelnde Katastrophe als Reisegefährtin dabei.

Er lächelte automatisch die Frau hinter dem Schalter an und widerstand dem Drang, ihr das Formular wegzunehmen und es selber auszufüllen. Vielleicht eine Überreaktion, aber sein Bruder hatte schon eine Katastrophen-Ehe hinter sich. Nun rauschte Brian geradewegs in eine Zweite, als hätte er nichts aus der kostspieligen Scheidung und den beiden strapaziösen Affären gelernt, die danach gekommen waren.

Rick kam fast um vor Ungeduld. Er zog seinen Führerschein heraus und übersah die ziemlich plumpe Anmache der Angestellten. Wann würde sein Bruder endlich begreifen, dass es kein immerwährendes Glück gab? Ihre Eltern waren ein Paradebeispiel: sie hatten zehn Anläufe gemacht, und das Spielchen ging immer noch weiter.

Rick trat von einem Fuß auf den anderen; er platzte vor Ungeduld, versuchte aber, ruhig zu bleiben. Wieso hatten sie die Einladungen zur Hochzeit nicht früher verschickt? Vielleicht hatte Brian sie ja absichtlich zurückgehalten, damit der große Bruder keine Zeit mehr hätte, dem glücklichen Paar Vernunft zu predigen. Sturm hin oder her, er musste noch vor der Zeremonie in Phoenix sein und Brian die Hochzeit ausreden. Wenn Brian die Hochzeit dann nicht absagte, so würde Rick zumindest doch darauf achten, dass sein Bruder einen Ehevertrag abschloss, ehe er sich trauen ließ. Rick hatte sogar schon einen Anwalt aufgesucht, der den Vertrag aufgesetzt hatte.

Jedenfalls musste er vor der Hochzeit in Phoenix sein.

Sobald die Formalitäten erledigt waren, legte Rick sich den Riemen seiner Reisetasche über die Schulter, und schnappte sich den Matchbeutel seiner Reisegefährtin. Widerwillig griff er auch nach dem Koffer, der die Rolltreppe hinuntergepoltert war.

„Kommt mir jetzt gleich eine Ladung Unterwäsche entgegen?“ Er besah den Koffer voller Misstrauen und dachte daran, wie die weiche, sexy Unterwäsche herausgefallen war.

„Nein, das Schloss ist nicht kaputt, aber ich kann mein Gepäck selber …“

„Ich habe es eilig, Miss – wie heißen Sie eigentlich?“

„Kim Grant.“

„Ich bin Rick Taylor.“

Er strebte dem Parkplatz zu. Hoffentlich würde die Karre, die er gerade gemietet hatte, die dreihundert Meilen zum O’Hare Airport in Chicago schaffen.

Rick hatte keine Mühe, den Wagen zu finden. Es war der Einzige, der auf dem Parkplatz stand.

Ricks unerwünschte Begleiterin lachte angesichts des lavendelfarbenen Dinosauriers. „Es ist ein schwerer Wagen. Nicht schlecht auf dem Highway“, meinte sie.

„Stimmt, es war ein guter Gebrauchtwagen, als mein Vater so einen wie den da für seine zweite Frau gekauft hat. Jetzt ist er bei Ehefrau Nummer fünf.“ Er öffnete die Heckklappe, froh, den Koffer mit den Spitzenslips und Seiden-BHs außer Sichtweite zu haben – und hoffentlich auch aus dem Kopf. Vorhin, als er Kim beim Einsammeln der Sachen half, war ihm ganz schön heiß geworden.

„Du liebe Güte, fünf Frauen! Welche davon war denn Ihre Mutter?“

Taktgefühl war nicht Kims starke Seite, wie Rick feststellte. „Jeder braucht ein Hobby.“ Es war seine übliche Antwort auf die Kommentare zum Frauenverschleiß seines Vaters. „Meine Mutter war Nummer eins. Haben Sie denn keine Angst, mit einem fremden Mann zu fahren?“

Er schlug den Kofferraumdeckel zu und sah die aufregende, aber nervige Frau an, die ihn dazu gebracht hatte, dass er sie mitnahm. Waren ihre Augen wirklich grün? Wohl nur ein Trick der Beleuchtung, aber an ihrem dichten schwarzen Haar und der frechen Stupsnase konnte er nichts aussetzen. Eigentlich entsprach sie äußerlich genau dem Typ, der ihn anzog, wenn er Zeit für Frauen hatte. Leider erwartete sie vermutlich, Mr. Right zu ehelichen und mit ihm auf ewig glücklich zu werden. Solche Frauen mied er, wo er konnte.

„Sind Sie ein Axtmörder?“, fragte sie und wartete, dass er endlich die Beifahrertür öffnete.

„Möglich.“

„Na ja, ich habe ein paar Kurse Selbstverteidigung gemacht, und das hier sind tödliche Waffen.“ Sie machte einige Bewegungen mit ihren zarten Händen, die in Lederhandschuhen steckten.

Rick hatte fast die ganze Nacht wach gelegen und sich wegen Brian aufgeregt. Um vier war er wegen eines Fluges aufgestanden, der dann abgesagt worden war. Danach hatte er für eine Frau den Kavalier gespielt, die auf der Rolltreppe ihre Unterwäsche verstreut und danach versucht hatte, ihm den letzten Mietwagen zu stehlen. Es reichte jetzt. Mit einem schnellen Griff fasste er Kim um die Schenkel und hob sie sich auf die Schulter, was ihm einen kleinen Protestschrei ihrerseits einbrachte.

„Sagen Sie mir, wenn Sie gefährlich werden“, spottete er und hoffte, dass sie davon Abstand nehmen würde, mit ihm zu fahren.

„Lassen Sie mich runter!“

„Wie heißt das Zauberwort?“

„Bitte.“

Langsam ließ er sie heruntergleiten und genoss den engen Körperkontakt mehr, als für seinen Seelenfrieden gut war.

„Es ist eine ganz schlechte Idee, mit fremden Männern zu fahren. Soll ich Ihr Gepäck wieder ausladen?“

„Nein. Und ich fahre zuerst.“

„Danke – nein.“

„Okay, dann fahren Sie bis zum Highway. Aber wir wechseln uns ab.“

„Ich fahre. Steigen Sie ein. Wir haben schon genug Zeit verschwendet.“

Er schloss die Beifahrertür, nachdem sie auf den roten Ledersitz geklettert war. Er holte tief Luft und setzte sich ans Steuer.

„Sie erwarten also, dass ich Ihren Fahrkünsten vertraue, aber meinen trauen Sie nicht?“

Sie hörte sich beleidigt an. Das war gut. Wenn sie schmollte, würde er sich kaum vorstellen können, wie sie in dem rosa Slip oder dem schwarzen Spitzenhemd aussehen würde.

In der kurzen Zeit, die sie brauchten, um auf den Highway zu kommen, merkte Rick, dass Kim das geringste seiner Probleme sein würde. Es war nämlich ein ziemlicher Sturm, und Rick war an die Winter im Norden nicht gewöhnt. Ein Sattelschlepper überholte ihn; dem Fahrer schien weder die glatte Fahrbahn noch der Schnee etwas auszumachen, der über die Straße wehte. Rick und Kims lavendelfarbener Dinosaurier vibrierte, hielt aber die Spur, und Rick war froh, dass er keinen leichten Kleinwagen fuhr.

„Wo ist eigentlich Ihr Wagen?“, fragte Kim.

„Mein Wagen?“ Gerade wollte Rick einen Lieferwagen überholen, aber ein weiterer Sattelschlepper näherte sich ziemlich schnell auf der linken Spur.

„Sind Sie denn nicht mit Ihrem Wagen zum Flughafen gefahren?“, fragte sie.

„Ich habe den Fahrdienst vom Hotel in Anspruch genommen.“

„Ach, Sie wohnen wohl nicht hier?“

„Brillante Schlussfolgerung.“ Okay, er war schlecht gelaunt, aber er musste sich aufs Fahren konzentrieren.

„Geht mich ja auch nichts an.“ Sie war verletzt.

„Tut mir leid. Das ist einfach nicht mein Wetter. Ich lebe nämlich unten in Phoenix.“

„Da bin ich aufgewachsen. Ich habe nur zwei Jahre in Detroit gelebt und gehe nach Phoenix zurück. Meine Schwester wohnt da. Ihr Mann ist ein Prachtstück. Anfangs dachte ich, er wäre zu wild für sie. Man kann sagen, dass sie ihn gezähmt hat.“

„Das bezweifle ich.“ Rick nagte an der Unterlippe und wechselte die Spur, um den allzu ängstlichen Fahrer vor ihnen zu überholen.

„Sie glauben nicht, dass sie ihn gezähmt hat?“

„Nein, aber der arme Kerl hat meine Sympathie, falls es doch gelungen ist. Ich glaube nicht an die Zähmung der männlichen Spezies.“

Ein Lastwagen war direkt hinter ihm, und Rick fuhr erleichtert wieder auf die rechte Spur.

„Glauben Sie nicht an die Ehe?“

„Nein.“

„Sie kann aber wundervoll sein. Meine Schwester und ihr Mann könnten gar nicht glücklicher sein.“

„Sind Sie auf der Suche nach einem Mann?“

„Nein … nicht direkt. Ich glaube, dass man nicht zu jung heiraten sollte. Ich bin sechsundzwanzig und noch Single, aber meine Schwester ist der lebende Beweis, dass die Ehe etwas Wunderbares sein kann. Zwei Menschen, die zusammenarbeiten, eine Familie aufziehen …“

„Sich betrügen, sich scheiden lassen, wieder heiraten und die Kinder wie Figuren auf einem Schachbrett hin- und herschieben.“

„Falls Sie doch ein Mörder sind, dann aber wohl ein mürrischer. Sollten Sie nicht eher charmant sein und mich in falscher Sicherheit wiegen?“

„Haben Sie denn keine Angst vor diesem Schneesturm?“ Ihre Lässigkeit machte ihn gereizt. Er wollte nicht die Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen, und er wollte auch nicht, dass sie so vertrauensvoll war.

„Das wird eine ganz schön lange Fahrt, oder?“, meinte Kim nur und sah auf die Fahrbahn.

„Ja. Eine sehr lange Fahrt.“

2. KAPITEL

„Ich kann kaum glauben, dass wir es geschafft haben.“ Dankbar strich Kim über das Armaturenbrett des in die Jahre gekommenen Straßenkreuzers.

Wieder tippte der Ehemuffel eine Nummer in sein Handy, während er die Zufahrtsstraße zum Flughafen von Chicago entlangfuhr.

„Ich bin auf der Warteliste, aber … Nein, ich bin jetzt am Flughafen. Sobald ich diese Mühle geparkt habe … Brian, ein Tag mehr macht doch wirklich nichts aus.“

„Ich wäre eine ganz schön unglückliche Braut, wenn meine Hochzeit verschoben würde“, meinte Kim.

„Morgen heiraten sie auf seinem Landsitz – nur die Familie. Der Empfang findet erst am kommenden Wochenende statt“, erklärte Rick ihr leise, bevor er ihr wieder in den Hörer sprach. „Ich habe gerade mit der Frau geredet, die mit mir fährt. Nein, sie kommt nicht mit zur Hochzeit. Ich habe dir doch gesagt, dass wir uns den letzten Wagen teilen, den die Autovermietung hatte. Ich komme erst spät heute Nacht an … Sonntag wäre um einiges besser.“

Kim gähnte; sie freute sich schon darauf, während des Fluges nach Denver zu schlafen. Achterbahnfahrten waren entspannend im Vergleich zu diesem Rennen im Schneesturm quer durch Michigan. Dazu noch mit einem Mann, den sie gar nicht kannte.

„Sprich zumindest mit Carlisle“, drängte Rick seinen Bruder. „Heutzutage macht jeder einen Ehevertrag. Kein Grund, dass ihre Gefühle dadurch verletzt werden … Ich verstehe, keine Versprechungen. Aber versuch doch, eine Verschiebung um einen Tag herauszuholen.“

„Wissen Sie, wo wir hinmüssen?“, fragte Kim, nachdem Rick das Handy ausgeschaltet hatte. Sie war erst ein Mal auf dem Chicago O’Hare Airport gewesen.

„Ich gehe direkt zum Schalter, sobald ich diese Antiquität geparkt habe. Wenn Sie mit mir mitzockeln wollen, müssen Sie sich beeilen.“

Mitzockeln! Wie verächtlich das klang. „Ich habe es auch eilig. Und ich stehe auch auf der Warteliste“, erinnerte sie ihn.

Er sah sie finster an. „Falls es nur noch einen Platz gibt, gehört er mir. Mein Bruder hat versprochen, dass er die Hochzeit bis Sonntag zu verschieben versucht, aber wenn er verliebt ist, schlägt er sogar Saltos rückwärts für die Frau.“

„Keine Braut will, dass ihre Hochzeit verschoben wird. Haben Sie denn gar keinen Sinn für Romantik?“

„Ich hatte die Idee, ein Computerprogramm zu entwickeln, das berechnen soll, wie gut die Partner zusammenpassen.“

Rick hatte Kim während der Fahrt einiges von sich erzählt. Er war Software-Entwickler, besaß eine eigene Firma und war häufig geschäftlich unterwegs. Kim hatte aber mehr mitbekommen, als er berichtet hatte. Er sorgte sich zu sehr um seinen jüngeren Bruder und das Familienvermögen. Nach einem halben Dutzend Anrufen von seinem Handy war es deutlich, dass er gewohnt war, die Dinge unter Kontrolle zu haben. Wenn er es nicht so lief, wie er wollte, biss er sich auf die Unterlippe. Und er hatte ein tiefes, warmes Lachen, das Kim allerdings nicht oft gehört hatte.

Rick seinerseits nahm nicht an, dass Kim besonders lustig wäre, nicht einmal, als sie beschrieb, wie Peter sämtliche Kleidungsstücke aus seiner Kommode geholt und in einen Müllsack gepackt hatte, um mit seinem Vater nach Afrika zu fahren.

Als Rick den Parkplatz von Econo-Cars gefunden hatte, tat es Kim fast leid, das lavendelfarbene Fossil zu verlassen. Die Heizung arbeitete zwar recht sprunghaft und ermöglichte nur tropische Hitze oder arktische Kälte, und ein Pärchen hatte auf sie gezeigt und über ihre Art zu reisen gekichert, als sie zu einer kurzen Rast angehalten hatten. Aber der Wagen war mit der Würde des Alters weitergefahren und hatte Kim näher zu Jane und Peter gebracht.

Rick verhielt sich wie angekündigt. Er packte ihren Matchbeutel und den Koffer und spurtete zum Terminal, womit er Kim zwang, mitsamt dem schwankenden Rollenkoffer gleichfalls zu laufen. Dann ging es langsam voran. Dem allgemeinen Gedränge nach zu urteilen, schien sich ganz Chicago auf dem Flughafen eingefunden zu haben.

„Mist!“ Rick blieb unvermittelt stehen, sodass Kim gegen seinen Rücken prallte und der Rollenkoffer gegen ihre Beine knallte.

„Da sehen Sie, die Verspätungen.“ Rick wies auf eine Reihe von Monitoren, die an der Decke montiert waren. „St. Louis, Omaha, Denver, L. A. Von Westen her kommt keine Maschine mehr rein.“

Autor

Jennifer Drew
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