Wo heiß die Sonne brennt

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Smaragdgrün funkelt das Meer, blau strahlt der Himmel. Andrea erlebt in der Ägäis das Paradies auf Erden! Dabei hat sie nur ein pikanter Deal auf die Luxusjacht des Unternehmers Nikos Vassilis gebracht. Denn ihre Ehe besteht lediglich zum Schein. Was Andrea jedoch mit jedem Blick in seine schwarzen Augen, jeder zärtlichen Berührung, jedem heißen Kuss mehr bedauert …


  • Erscheinungstag 22.08.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535373
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

„Ich soll was tun?“, fragte Nikos Vassilis und sah den alten Herrn am Schreibtisch stirnrunzelnd an.

Yiorgos Coustakis ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Auch mit achtundsiebzig Jahren war er immer noch ein beeindruckender Mann und sein Blick noch genauso durchdringend wie in seinen Jugendtagen. Er war kalt, berechnend und rücksichtslos und glaubte, dass alles seinen Preis hätte … ganz besonders die Menschen. „Sie haben mich genau verstanden. Wenn Sie meine Enkelin heiraten, werde ich einer Fusion nicht im Wege stehen.“

„Das soll ich Ihnen glauben?“, antwortete Nikos ruhig.

Der alte Grieche zuckte die Schultern. „Das sollten Sie besser, denn so lautet die Bedingung für das Geschäft. Und Sie wollen doch eins abschließen, stimmt’s? Oder sind Sie viertausend Meilen nur zum Spaß hierher geflogen?“

Sein Besucher betrachtete ihn ausdruckslos. In Yiorgos Coustakis’ Gegenwart Gefühle zu zeigen war ein schwerer Fehler – egal, worum es auch ging. Nikos würde ihm nie verraten, wie aufgebracht er gewesen war, als der Aufsichtsratsvorsitzende des Coustakis-Firmenimperiums ihn mitten in der Nacht angerufen und ihm praktisch die Pistole auf die Brust gesetzt hatte. Wenn er das Geschäft zum Abschluss bringen wollte, hatte er sich einen Tag später um neun Uhr morgens in Athen einzufinden!

Was für eine Unverschämtheit! Wenn es nicht Yiorgos Coustakis gewesen wäre, hätte er, Nikos, einen Wutanfall bekommen, denn zum Zeitpunkt des Anrufs hatte er gerade mit Esme Vandersee im Bett gelegen, und sie hatten ganz bestimmt nicht geschlafen! Aber der alte Grieche hatte nun einmal Vorzüge, mit denen sogar Esme, die Königin des Laufstegs, nicht mithalten konnte.

Aber die Bedingung war hart. Sollte er wirklich seine Freiheit aufgeben und eine Frau heiraten, die er noch nicht einmal kannte? War es das wert?

Nachdenklich sah er aus dem Fenster, aber er hatte keinen Blick für die atemberaubende Aussicht auf die Stadt Athen. Er kannte diesen lauten, verschmutzten Moloch nur zu gut, denn er war dort aufgewachsen und durch eine harte Schule gegangen.

Er hatte seinen Vater nie kennengelernt und mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen gelebt. Doch er hatte nie aufgegeben und seinen Weg gemacht. Jetzt, mit vierunddreißig Jahren, hatte er es geschafft. Der Kampf war erbarmungslos und lang gewesen, aber der Triumph dafür umso süßer.

Nun konnte er dem Ganzen noch die Krone aufsetzen … und zwar, indem er bei Coustakis Industries Fuß fasste.

„Ich hatte an einen Aktientausch gedacht“, sagte er schließlich gelassen.

Er hatte es schon von langer Hand geplant. Eigentlich war es ganz einfach: Er würde seine Firma Vassilis Inc. in das wesentlich größere Coustakis-Imperium eingliedern und im Gegenzug dafür Aktien erhalten. Dafür müsste er dem alten Mann finanziell natürlich sehr entgegenkommen, aber auch damit hatte Nikos gerechnet. Er wusste nämlich, dass Yiorgos Coustakis gern verkaufen würde, da es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten stand – was er allerdings offiziell nie zugeben würde. Ein für ihn vorteilhaftes Millionendollargeschäft kam da natürlich gerade recht, damit er sein Gesicht wahren konnte.

Doch die Enkelin hatte er, Nikos, nun gar nicht auf der Rechnung gehabt. Ganz im Gegenteil: Er hatte noch nicht einmal eine Ahnung gehabt, dass der alte Mann überhaupt eine hatte!

Eins zu null für dich, dachte Nikos bewundernd. Sein Gegner mochte zwar angeschlagen sein, aber er konnte seinem Rivalen immer noch das Wasser reichen!

„Ich bin mit dem Aktientausch einverstanden“, sagte Yiorgos Coustakis kühl, „und ich werde an Ihrem Hochzeitstag alles in die Wege leiten.“

Nikos’ Gedanken rasten. Was sollte er tun?

„Also?“, fragte der alte Grieche ungeduldig.

„Ich werde es mir überlegen“, erwiderte Nikos, stand auf und ging zur Tür.

„Wenn Sie jetzt mein Büro verlassen, ist das Geschäft gestorben.“

Nikos hielt inne und wandte sich um. Eins wusste er genau: Yiorgos Coustakis bluffte niemals. Einen Moment lang blickten sich die beiden Männer in die Augen, und dann ging Nikos langsam zum Schreibtisch, nahm den goldenen Füller, den Yiorgos Coustakis ihm reichte, und unterzeichnete den Vorvertrag.

Schweigend drehte er sich dann um und verließ das Büro.

1. KAPITEL

Andrea hörte, wie ihre Mutter gequält hustete, als sie in der Küche das Frühstück zubereitete, und sie zuckte zusammen. Die Bronchitis wurde anscheinend immer schlimmer, was auch kein Wunder war, denn ihre Mutter war Asthmatikerin, und ihre Lungen waren sowieso schon sehr geschwächt.

Der Arzt hatte auch nicht viel tun können. Er hatte Kim Medikamente verschrieben und ihr geraten, den Winter irgendwo im warmen Süden zu verbringen. Andrea hatte nur den Kopf geschüttelt. Sie hatten schon jetzt kaum genügend Geld, um die Miete und die Heizkosten bezahlen zu können – wie sollten sie da noch eine Reise ins Ausland unternehmen!

In diesem Moment hörte sie, wie die Post durch den Briefschlitz an ihrer Haustür geschoben wurde. Schnell sammelte sie die Umschläge auf, die auf dem verschlissenen Teppich lagen, denn sie wollte nicht, dass ihre Mutter sich noch mehr aufregte. Meistens waren es nämlich Rechnungen, die ihnen ins Haus flatterten, und auch diesmal hatte Andrea sich nicht getäuscht … doch halt, was war das? Ein cremefarbener Umschlag, auf dem ihr Name stand! Konnte das eine Mahnung oder sogar ein Zwangsräumungsbeschluss sein?

Verzagt öffnete sie ihn und betrachtete verblüfft das teure Wasserzeichenpapier mit dem Firmenbriefkopf. Stirnrunzelnd las Andrea das Schreiben und zerknüllte es dann zu einem Ball, den sie an die Wand warf. „Verdammt soll er sein!“, flüsterte sie und ballte die Hände zu Fäusten.

Doch dann dachte sie an ihre Mutter. Schnell hob sie das Papier wieder auf, glättete es und las die Zeilen noch einmal durch.

Sehr geehrte Miss Fraser,

Mr. Coustakis wünscht, Sie Ende nächster Woche in Athen zu sehen. Ein auf Ihren Namen ausgestelltes Ticket liegt Freitagmorgen am Flughafen Heathrow für Sie bereit. Als Anlage finden Sie einen Reiseplan, in dem auch Ihre Check-in-Zeit vermerkt ist. Man wird Sie in Athen auf dem Flughafen abholen. Rufen Sie bitte die oben angeführte Telefonnummer an, und bestätigen Sie den Erhalt dieses Schreibens.

Die Unterschrift lautete: „Im Auftrag von Mr. Coustakis“.

Andrea hätte am liebsten laut geschrien. Mr. Coustakis – alias Yiorgos Coustakis, Gründer und Besitzer von Coustakis Industries und Inhaber eines geschätzten Vermögens von vielen Millionen Pfund … und ein Mann, den sie bis an ihr Lebensende hassen würde.

Ihr Großvater, der nichts von ihr wissen wollte.

Vor zehn Jahren hatte er ihrer Mutter Kim Fraser einen Brief geschrieben und ihr jeden weiteren Kontakt untersagt. Er hatte sogar gedroht, sie zu verklagen. Nein, Yiorgos Coustakis hatte ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass seine Enkelin für ihn nicht existierte.

Warum, zum Teufel, wollte er sie jetzt plötzlich treffen?

Andrea presste die Lippen zusammen. Er glaubte doch wohl nicht, dass sie ihm einfach so gehorchen würde? Nur über ihre Leiche! Energisch steckte sie den Brief in ihre Handtasche, konnte ihn aber trotzdem nie ganz aus ihren Gedanken verbannen.

Zwei Tage später kam ein weiteres Schreiben von Coustakis Industries, und diesmal war der Tonfall schon schärfer:

Sehr geehrte Miss Fraser,

Sie haben sich auf unser Schreiben, das Ihnen am 24. d. M. zugesandt wurde, nicht gemeldet. Bitte nehmen Sie unverzüglich Kontakt mit uns auf.

Auch diesen Brief nahm Andrea mit zur Arbeit, damit ihre Mutter ihn nicht zu Gesicht bekam. Kim hatte vom Vater des Mannes, den sie von ganzem Herzen geliebt hatte, schon sehr viel erdulden müssen, und sie sollte nicht noch mehr leiden. Das hatte sie nicht verdient!

Diese Belästigungen mussten ein Ende haben! Andrea schrieb eine kurze, unfreundliche Antwort.

Ich beziehe mich auf Ihre beiden Schreiben und weise Sie darauf hin, dass ich nicht gewillt bin, nach Athen zu reisen. Alle weiteren Briefe werden von mir ungeöffnet vernichtet.

Sie druckte die kurze Notiz aus und unterschrieb sie dann, ohne zu zögern.

„Wann lerne ich meine Braut denn nun endlich kennen?“, fragte Nikos Vassilis und schwenkte den teuren Rotwein im Kristallglas hin und her. Er hatte mit seinem zukünftigen Geschäftspartner in dessen großem, prunkvollem Haus in einem Vorort von Athen zu Abend gegessen und wartete jetzt gespannt auf die Antwort des alten Mannes.

„Nächste Woche“, erwiderte sein Gastgeber kurz angebunden.

Er sah nicht gut aus, das hatte Nikos schon bei seiner Ankunft bemerkt. Sein Gesicht war aschfahl, und es schien, als hätte er Schmerzen. „Wann soll die Hochzeit stattfinden?“, fragte er kühl.

Der alte Grieche lachte hämisch. „Sie können es wohl gar nicht erwarten, was? Und das, obwohl Sie nicht einmal wissen, wie sie aussieht!“

Nikos zuckte die Schultern. „Das ist mir egal.“

Yiorgos Coustakis lachte wieder, gemeiner diesmal. „Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Machen Sie das Licht aus, bevor Sie sie ins Bett holen. Bei ihrer Großmutter musste ich das auch machen.“

Nikos runzelte die Stirn. Dieser Mann war wirklich abscheulich. Jeder in Athen wusste, wie er zu seiner Frau gekommen war. Er hatte das reiche, aus der High Society stammende Mädchen so für sich eingenommen, dass sie ihn am helllichten Tag in seiner Wohnung besucht hatte. Natürlich hatte er vorher dafür gesorgt, dass Marinas Vater davon erfuhr. Dieser konnte zwar gerade noch rechtzeitig verhindern, dass Yiorgos mit der unscheinbaren, langweiligen Marina schlief – was für eine Qual! –, aber ihr guter Ruf war für immer dahin … und Yiorgos Coustakis hatte eine wohlhabende Frau für sich gewonnen.

Bin ich eigentlich verrückt geworden?, dachte Nikos. Warum heiratete er eine ihm völlig unbekannte Frau, nur weil sie eine Coustakis war? Und was war mit dem Mädchen? Wie stand sie zu der ganzen Sache? Wahrscheinlich aber war es ihr egal. In der Welt der Reichen waren Vernunftehen ganz normal. Seine Zukünftige war sicher von klein auf darauf vorbereitet worden, ein Pfand für ihren Großvater zu sein. Wahrscheinlich war sie ein verwöhntes Püppchen, das nur ein Talent hatte: das Geld ihres Ehemannes für Kleidung, Juwelen und andere unwichtige Dinge aus dem Fenster zu werfen.

Nikos blickte sich schweigend in dem überfrachtet wirkenden Esszimmer um. Sollte sie doch! Sobald er Coustakis Industries übernommen hatte, würde sein Einkommen um das Zehnfache höher sein als jetzt, und seine Zukünftige konnte es ruhig ausgeben.

Wenn er verheiratet war, musste er allerdings in Liebesdingen etwas kürzertreten. Er kannte viele Männer, die sich mit ihrer Geliebten in der Öffentlichkeit zeigten, doch er hielt davon nichts. Deswegen musste er aber noch lange nicht auf entspannenden und leidenschaftlichen Sex mit attraktiven Frauen verzichten. Sobald es irgendwie ging, würde er sich von dem alten Mann verabschieden, nach Hause fahren und Xanthe Palloupis anrufen. Es war zwar schon drei Monate her, denn in der Zwischenzeit war er mit Esme Vandersee zusammen gewesen, doch Xanthe würde nur zu gern in seine Arme zurückkehren. Sie wusste ja auch ganz genau, dass er ihr am nächsten Morgen erlauben würde, sich bei einem Juwelier ein kleines, aber teures Andenken an seinen Besuch zu kaufen.

Würde er sich weiter mit ihr treffen, wenn er Yiorgos Coustakis’ Enkelin geheiratet hatte? Xanthe hatte natürlich neben ihm auch andere Liebhaber, doch das störte ihn nicht im Geringsten. Auch Esme tröstete sich wahrscheinlich in diesem Moment mit einem ihrer vielen Verehrer, denn als Topmodel lagen ihr die Männer zu Füßen. Nikos wusste aber auch, dass sie sofort zu ihm kommen würde, wenn er mit den Fingern schnippte.

Nur widerwillig dachte er an seine Braut. Auf jeden Fall musste er noch guten Sex haben, bevor er mit ihr ins Bett ging! Sie war sicher noch unschuldig, und mit ihr zu schlafen war nur eine lästige Pflicht. Trotzdem würde er so sanft mit ihr sein wie nur irgend möglich.

Wie sah sie wohl aus? Wahrscheinlich war sie furchtbar hässlich, denn Yiorgos Coustakis’ hämische Miene war ihm nicht entgangen. Was hatte der alte Mann noch gesagt? Machen Sie das Licht aus, bevor Sie sie ins Bett holen. Das fand er wohl auch noch lustig! Immerhin war er, Nikos, bekannt für seinen guten Geschmack in Bezug auf Frauen. Nur die attraktivsten durften sich an seiner Seite zeigen. Bald war er gefesselt an ein verwöhntes Mädchen, das ihm nur eins zu bieten hatte: die Kontrolle über Coustakis Industries. Wahrscheinlich lachte sich Yiorgos Coustakis jetzt schon halb tot, wenn er nur an die Ehe dachte.

Woher kam diese unbekannte Enkelin überhaupt? Soweit Nikos bekannt war, gab es keine Erben für das Firmenimperium. Yiorgos Coustakis’ einziger Sohn war bei einem Autounfall ums Leben gekommen, und Marina, die Frau des alten Mannes, hatte irgendwann einmal einen Schlaganfall gehabt, war danach zum Pflegefall geworden und erst vor Kurzem gestorben. Damit war Yiorgos Coustakis der Weg zu einer neuen Ehe versperrt gewesen, und es gab also keine neuen Erben. Was aber war mit seinem verstorbenen Sohn? War er vielleicht doch verheiratet gewesen und hatte eine Tochter gezeugt? Wahrscheinlich hatte seine Witwe wieder geheiratet und war in der Versenkung verschwunden, und der alte Mann hatte seine Enkelin irgendwo versteckt, bis er sie gewinnbringend einsetzen konnte.

Nikos konnte nur hoffen, dass die Kleine wirklich eine mustergültige griechische Braut war, denn das würde alles sehr erleichtern. Ihr war sicher bewusst, wie die Rollen verteilt waren: Sie war die pflichtbewusste Ehefrau, eine hervorragende Gastgeberin und liebevolle Mutter, und er war nach außen hin ihr Mann, würde sich aber weiterhin seine Geliebten halten. Das war doch auch ganz normal, oder?

Nikos trank einen Schluck Wein und hörte nur halb hin, als Yiorgos Coustakis ihm von einer Fusion erzählte, die er vor einigen Jahren in die Wege geleitet und die seinen Konkurrenten in den Bankrott getrieben hatte. Diese Geschichte interessierte ihn überhaupt nicht, denn er fragte sich gerade, wie es wohl war, Vater zu sein.

Yiorgos Coustakis hatte nicht mehr lange zu leben, und er wollte einen Erben, koste es, was es wolle. Ja, dachte Nikos, genau darum geht es. Und was war mit ihm? Wie stand er zu einem Kind? Er hatte keine Ahnung. Sein Vater hatte sich aus dem Staub gemacht, als seine Mutter mit ihm, Nikos, schwanger gewesen war, und er hatte ihn nie wiedergesehen. Seine Kindheit war freudlos gewesen, denn seine Mutter hatte in einer Bar gearbeitet und sich so gut wie nie um ihren Sohn gekümmert. Als er dann irgendwann zu Hause ausgezogen war, hatte sie es auch nicht sonderlich interessiert. Nachdem er zu Geld gekommen war, hatte er sie unterstützt, aber sie hatte ihm nie dafür gedankt. Vor zwölf Jahren war sie dann von einem Taxi überfahren worden und hatte nicht mehr miterlebt, wie ihr Sohn zu einem der führenden Geschäftsmänner Griechenlands aufgestiegen war.

Er trank noch etwas Wein. Es war ein sehr guter Jahrgang, das war ihm schon nach dem ersten Schluck klar geworden. Auch das hatte er mit den Jahren gelernt … er schätzte Wein und alle anderen schönen Dinge, und sobald er Coustakis Industries leitete, konnte er sich alles leisten, was sein Herz begehrte. Endlich war er am Ziel seiner Träume angekommen: Er war nicht nur wohlhabend, sondern gehörte zu den Superreichen dieser Welt. Wenn er dafür Yiorgos Coustakis’ Enkelin schwängern musste, war das nur ein kleiner Preis für das, was auf ihn wartete.

Und deshalb war es ihm egal, wie sie aussah.

Andrea hob die Post auf und betrachtete stirnrunzelnd den dicken Umschlag. Er war nicht von Coustakis Industries, sondern von einem der bekanntesten Kaufhäuser Londons. Mit zitternden Fingern öffnete sie ihn und zog eine goldene Kundenkarte heraus. Das beiliegende Schreiben informierte sie darüber, dass ihr ein Kredit von fünftausend Pfund eingeräumt worden war und dass ihre Rechnungen von Mr. Yiorgos Coustakis’ Büro bezahlt würden. Schnell öffnete sie den zweiten Umschlag – diesmal kam der Brief von Coustakis Industries – und las die Anweisungen. Sie sollte die Kundenkarte dafür benutzen, um sich für den Besuch in der darauf folgenden Woche bei Mr. Yiorgos Coustakis einzukleiden. Außerdem wurde sie noch einmal eindringlich gebeten, sich im Londoner Büro von Coustakis Industries zu melden und den Erhalt des Schreibens zu bestätigen.

Es ist nicht zu fassen!, dachte Andrea aufgebracht. Was hatte dieser Unmensch denn nun wieder vor? Warum konnte er sie nicht in Ruhe lassen? Die ganze Angelegenheit gefiel ihr überhaupt nicht.

Sie könnte die goldene Kundenkarte natürlich zerschneiden und sie ihrem Großvater mit einigen geharnischten Worten zurückschicken. Vielleicht verstand er dann, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte.

Wahrscheinlich aber nicht, denn Yiorgos Coustakis hatte schon immer seinen Kopf durchgesetzt. So, wie es aussah, schien er etwas von ihr zu wollen, denn er hatte sich bis jetzt noch nie um sie gekümmert. Es war also mehr als verdächtig, dass er sich plötzlich bei ihr meldete und ihr sogar einen Kredit zur Verfügung stellte. Dieser Mann hatte Geld und scheute sich nicht, es für seine Zwecke einzusetzen.

Nun, bei ihr und ihrer Mutter war nichts zu holen. Sie hatten Schulden, die nicht so einfach aus der Welt zu schaffen waren und sie sehr belasteten. Deshalb arbeiteten sie unentwegt und zahlten jeden Monat kleinere Beträge ab, doch es würde sicher noch Jahre dauern, bis alles getilgt war. Und das auch nur, wenn sie beide einen Job hatten, doch Kim ging es immer schlechter …

Nicht zum ersten Mal spürte Andrea, wie die Angst übermächtig wurde. Sie hätte ihrer Mutter so gern geholfen, denn diese hatte Schweres mitmachen müssen. Nur einmal im Leben, mit zwanzig, war sie richtig glücklich gewesen. Doch leider hatte das Schicksal nach nur wenigen Wochen alles zunichtegemacht. Trotzdem war Kim vierundzwanzig Jahre lang eine liebevolle Mutter gewesen, die alles für ihre Tochter getan hatte.

Ich wünschte nur, wir könnten hier ausziehen, dachte Andrea zum millionsten Mal. Das Hochhaus, in dem sie wohnten, gehörte der Stadt und war mehr als reparaturbedürftig. Andrea konnte verstehen, dass die Behörde nicht die knappen Steuergelder dafür verwenden wollte, Wände zu streichen, die, noch bevor die Farbe getrocknet war, wieder mit Graffiti beschmutzt waren. Die Apartments waren feucht, und Schimmel hatte sich im Badezimmer und in der Küche festgesetzt. All das war Gift für Kims Asthma.

Einen Moment lang dachte Andrea an den unbeschreiblichen Reichtum ihres Großvaters, doch gleich darauf schüttelte sie den Kopf. Sie wollte keinen Penny von ihm. Er konnte ihr gestohlen bleiben.

2. KAPITEL

Nikos blickte ungeduldig auf seine goldene Armbanduhr. Warum hatte der Alte ihn herbestellt? Er wartete jetzt schon seit zehn Minuten auf der Terrasse – und das war eine lange Zeit für einen viel beschäftigten Mann! Was bildete sich Yiorgos Coustakis eigentlich ein?

Ein Bediensteter kam aus dem Haus und fragte ihn höflich, ob er noch etwas zu trinken wünschte. Nikos schüttelte ungehalten den Kopf und fragte zum wiederholten Mal, wann Mr. Coustakis ihn empfangen würde. Der Mann in der Livree versprach, sich zu erkundigen, und ging leise davon.

Aufgebracht wandte Nikos sich ab und betrachtete die große Gartenanlage, die sich unter ihm erstreckte. Auch hier war alles darauf ausgelegt, den Besucher zu beeindrucken. Es war kein Ort, wo man gern spazieren ging, um sich zu entspannen. Nikos stellte sich vor, wie sich ein kleiner Junge wohl fühlen musste, wenn er hier spielen wollte. Es gab nichts als kostbare Pflanzen und penibel geharkte Wege und Beete. Nikos’ Miene wurde finster. So sollte sein Sohn nicht aufwachsen!

Was ihn wieder zum Thema brachte. Er sollte Yiorgos Coustakis’ Enkelin heiraten, ein nichtssagendes, verwöhntes Mädchen, das er noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Sollte er es wirklich tun? War die Kontrolle über Coustakis Industries solch ein Opfer wert?

Natürlich!, dachte er energisch und schob die Bedenken beiseite. Der alte Mann würde sowieso in einigen Jahren tot sein, und dann konnte er, Nikos, sich ja wieder scheiden lassen – in gegenseitigem Einvernehmen natürlich.

Und was wird dein Sohn davon halten?, fragte eine innere Stimme.

Er zuckte die Schultern. Woher sollte er das wissen?

Plötzlich hörte er Schritte, wandte sich um und glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können.

Eine ihm unbekannte Frau hatte die Terrasse betreten. Theos, was für ein Anblick! Sie hatte langes, gewelltes rotes Haar, helle Haut, eine kleine Nase und einen vollen Mund. Ihre Augen waren braun wie Kastanien und ihre Wimpern unbeschreiblich lang.

Sein Körper reagierte sofort, als er diese auferstandene Aphrodite näher betrachtete. Ihre Brüste waren voll und fest und zeichneten sich unter ihrer engen Bluse deutlich ab. Sie hatte eine Wespentaille, sanft gerundete Hüften und lange Beine.

Aber sie trug Hosen! Nikos runzelte die Stirn. Bei dieser Figur hätte sie einen Rock tragen müssen, der sanft ihre Formen umschmeichelte.

Wer, zur Hölle, war diese Frau?

Gute Frage, dachte er und riss sich von diesem verführerischen Anblick los. Was tat dieses atemberaubend weibliche Wesen in Yiorgos Coustakis’ Haus?

Na, was wohl? Die Antwort lag doch auf der Hand. Sie war von ihm persönlich eingeladen worden – ganz persönlich. Jeder in Athen wusste, dass der alte Mann sich schon seit Ewigkeiten einen Harem hielt, und das schon lange bevor seine Frau zum Pflegefall geworden war. So, wie es aussah, hatte er sein „Hobby“ sogar mit achtundsiebzig Jahren noch nicht aufgegeben.

Autor

Julia James
<p>Julia James lebt in England. Als Teenager las sie die Bücher von Mills &amp; Boon und kam zum ersten Mal in Berührung mit Georgette Heyer und Daphne du Maurier. Seitdem ist sie ihnen verfallen. Sie liebt die englische Countryside mit ihren Cottages und altehrwürdigen Schlössern aus den unterschiedlichsten historischen Perioden...
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