Wo immer du bist ...

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

"Du hast mich belogen. Warum hast du mich geheiratet? Versuch nicht, mich zu finden." Weinend zieht Anna sich den Goldring vom Finger. Sie muss weg von Connor Storm, diesem Lügner! Er ist kein Rancher, sondern Privatdetektiv. Bestimmt haben ihre Blitzhochzeit in Las Vegas, die Flitterwochen in dem Luxushotel und die wundervollen Liebesnächte zu seinem durchtriebenen Plan gehört … Für ihren Ehemann war sie offenbar nur ein Auftrag! Anna beschließt, neu anzufangen - ohne zu wissen, wie stark ihre Liebe zu Connor ist und dass sie alle Grenzen überwindet.


  • Erscheinungstag 11.04.2010
  • Bandnummer 1611
  • ISBN / Artikelnummer 9783862955862
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Albuquerque, New Mexico

Connor Storm, ein großer und muskulöser Mann, beobachtete voller Anspannung die Frau, die sich Anna Barton nannte – und die es geschafft hatte, seinem besten Ermittler zu entwischen.

Gerade hatte sie sich am Kiosk einen Kaffee geholt, den sie nun genüsslich in kleinen Schlucken trank. Sorgsam achtete Connor darauf, dass ein Pfeiler den Blick auf ihn verdeckte. In wenigen Minuten würde der Flug aufgerufen werden …

Das zarte Gesicht der jungen Frau war von glänzenden dunkelblonden Haaren umrahmt, die ihr bis auf die Schultern fielen. Ihr langes Haar gefiel Connor. Ohne es zu wollen, stellte er sich vor, in die dichte Mähne zu greifen und die Frau an sich zu ziehen.

Verdammt, seit Linda war ihm das nicht mehr passiert. Schluss mit dem Träumen, befahl er sich.

Das hier ist nur ein Job, den ich für Leo erledige. Ich bin es meinem großen Bruder schuldig. Es gibt genug andere schöne Frauen auf der Welt …

Sie war fast einen Meter fünfundsiebzig groß, schlank und außergewöhnlich attraktiv.

Nur jetzt nicht an so etwas denken.

Wegen der schlechten Witterung hatte ihr Flug über eine Stunde Verspätung. Ungeduldig sah Connor auf seine Armbanduhr und zum wiederholten Male aus dem Fenster. Immerhin hatte es aufgehört zu schneien, und man konnte das Ende der Landebahn erkennen.

Plötzlich erklang aus dem Lautsprecher eine Durchsage: Das Flugzeug wurde nicht an Gate zehn, sondern an Gate vierzehn erwartet. Nach und nach erhoben sich die Passagiere, um mit ihren Aktentaschen und Notebooks den Wartebereich zu wechseln. Auch Anna Barton verließ eilig ihren Platz vor dem Kiosk.

Nun hieß es dranbleiben …

Connor setzte den Cowboyhut auf und folgte ihr entschlossen. Dabei hallten seine Stiefelabsätze so laut auf dem glatten Boden wider, dass Anna sich umdrehte. In ihren braunen Augen lag ein ängstlicher Ausdruck.

Sicher wegen ihres unangenehmen Exfreundes, der sie verfolgt und belästigt hatte …

„Hallo Miss!“, rief er. „Ohne das hier kommen Sie nicht an Bord.“

Wie viel Mühe hatte es ihn gekostet, diese Frau ausfindig zu machen! Als sie vor ihm stehen blieb, stockte Connor der Atem, so gut sah sie aus.

Misstrauisch musterte sie ihn von oben bis unten. Und mit einem Mal war Connor froh, dass er Sam Guerra den Auftrag entzogen hatte und selbst hierhergekommen war.

Ihr schlanker Körper spannte sich vor Aufregung. Es war unübersehbar, dass große breitschultrige Männer ihr Angst einflößten. Ihr Exfreund, Dwight Crawford, war vermutlich ein noch schlimmerer Kerl, als aus den Ermittlungsakten hervorging.

Connor versuchte, sein freundlichstes Lächeln zu zeigen, und schob mit einem leichten Tippen an die Krempe seinen Hut ein Stück aus der Stirn.

Anna erstarrte.

Noch immer lächelnd, wedelte Connor mit ihrer Bordkarte. Unbemerkt hatte er sie ihr aus der Handtasche gezogen, während sie ihren Kaffee bezahlt hatte.

„Ich stand hinter Ihnen in der Schlange und habe zufällig gesehen, wie Sie die Karte verloren haben“, log er – wobei sich sein schlechtes Gewissen in Grenzen hielt.

Schließlich war er Privatdetektiv und tat nur seine Pflicht. In seinem Beruf war man auf … Halbwahrheiten wie diese geradezu angewiesen.

Ihr Gesicht blieb verschlossen, in ihren Augen lag ein wachsamer Ausdruck.

Eine Zeit lang war Connors Mitarbeiter hinter ihr her gewesen, doch immer wieder war sie ihm entwischt, indem sie eine andere Identität angenommen hatte.

Wie samtweich ihre helle Haut wirkte! Wirklich, ihre Schönheit wurde Connor allmählich zum Problem.

Wieder ermahnte er sich, dass es nur ein Job war. Leo zuliebe.

Mit ihren großen, leicht schräg stehenden Augen wirkte sie so verletzlich, dass Connor nicht übel Lust verspürte, diesen Ex-freund ausfindig zu machen. Um ihm eine Lektion zu erteilen, die er so schnell nicht wieder vergessen würde.

Nach allem, was diese Frau seit ihrer Kindheit durchgemacht hatte, verdiente sie es wahrhaftig nicht, von einem üblen Zeitgenossen wie diesem Crawford schikaniert zu werden.

Die junge Frau hob den Kopf. Selbstbewusst stand sie vor Connor. Bei ihrer Herkunft hatte er auch nichts anderes erwartet. In Texas galten alle, die etwas mit „Golden Spurs“, dem mächtigen Ranch-Imperium, zu tun hatten, fast als Aristokraten.

Wie auch immer, Connors Aufgabe war es, diese Frau zurückzubringen. Punktum.

Komisch, dass sie ihr Haar genau wie Abby offen trug. Irgendwo hatte er gelesen, dass so etwas bei Zwillingen, die getrennt aufgewachsen waren, vorkam. Auf jeden Fall glich sie durch diese Frisur Leos Frau auf geradezu unglaubliche Weise. Connor atmete tief durch. Ohne Zweifel war sie Abbys vor langer Zeit entführte Zwillingsschwester.

Warum er aber so intensiv auf sie reagierte, konnte Connor sich nicht erklären. Beim Blick in die Augen seiner Schwägerin hatte er noch nie solche Gefühle empfunden …

„Becky“, flüsterte er. Er hatte die Erbin der „Golden Spurs“ gefunden.

Als sie ihren Namen hörte, erbebte Anna, und ihre Augen wirkten noch ängstlicher und größer als zuvor.

„Wie bitte? Becky?“, sagte sie. „Sie müssen mich verwechseln.“

„Bitte entschuldigen Sie. Einen Moment haben Sie mich an eine Frau erinnert, die ich gut kenne.“

Sie hob den Kopf noch ein bisschen höher.

„Sie sind Anna Barton. Und ohne ihre Bordkarte kommen Sie hier nicht weg.“

Als ob sie ihn nicht verstanden oder gehört hätte, wandte sie sich um und ging rasch auf das Gate zu.

„Anna Barton!“, rief er ihr nach.

Als sie schneller lief, begann Connor zu rennen und holte sie nach wenigen Schritten ein.

„Anna! Anna Barton!“ Als sie noch immer nicht stehen blieb, fasste er sie am Arm. – Vielleicht etwas zu fest, denn als er sie zu sich drehte, taumelte sie gegen ihn, und der Pappbecher mit Kaffee entglitt ihren Händen.

„Lassen Sie mich sofort los!“, stieß Anna hervor.

Neugierig blickten einige Mitreisende zu ihnen herüber. Zu Connors Glück befand sich gerade kein Sicherheitspersonal in der Nähe.

„Tut mir leid“, entschuldigte er sich. „Sie haben einen Kaffee bei mir gut.“

Es dauerte nur wenige Sekunden, in denen er die Frau im Arm hielt, aber das reichte aus, deutlich die angenehme Wärme ihrer Haut zu spüren. Er nahm den Blütenduft ihres Parfums wahr und den Geruch ihres Shampoos. Die Haare, die sein Kinn berührten, fühlten sich weich wie Seide an. Noch intensiver als vorhin wünschte sich Connor, das Haar zu streicheln und die Frau an sich zu ziehen.

Nur ein paar Zentimeter lagen zwischen seinem Mund und ihrem. Als er ihre Lippen betrachtete, schlug sein Herz schneller. „Also, sind Sie Anna Barton?“, fragte er mit heiserer Stimme und hielt ihr die Bordkarte hin.

Nachdem Anna ihren Namen darauf gelesen hatte, sah sie Connor vorwurfsvoll an. Dann nahm sie ihm blitzschnell die Karte weg und steckte sie in ihre Handtasche.

„Warum haben Sie mich Becky genannt?“, wollte sie wissen.

„Möchten Sie sich nicht bei mir bedanken?“

„Ich habe Sie etwas gefragt“, beharrte sie.

„Wie ich schon sagte: Sie gleichen einer guten Bekannten.“

„Mag sein. Aber ich habe Sie noch nie zuvor gesehen. Und es gehört nicht zu meinen Gewohnheiten, mich auf Flughäfen mit fremden Männern anzufreunden. Also, würden Sie mich bitte loslassen?“

Das klang keineswegs wie eine Frage …

„Natürlich. Bitte entschuldigen Sie. Ich wollte ja nur helfen.“

Richtig! Aus diesem Grund bin ich hier.

Annas Augen glänzten, und auf den Wangen lag ein rosiger Hauch. Mit jedem Moment, in dem Connor ihr so nahe war, wuchs der Wunsch, sie fester an sich zu ziehen. Ihr Körper erschien ihm nicht nur warm, sondern regelrecht heiß. Er sehnte sich danach, die verführerisch schimmernden Lippen zu küssen.

Auch ihr Blick war auf seinen Mund gerichtet. Dabei schien sie den Atem anzuhalten …

Mit einem Seufzen, das sich für Connor sehnsuchtsvoll anhörte, zwang sie sich wegzusehen und stieß ihn mit einem Schubs gegen seine breite Brust von sich.

Sofort ließ er sie los und nahm halb im Scherz die Hände hoch.

Anna strich ihre Kleidung glatt und schüttelte ihr Haar aus dem Gesicht. Noch einmal sah sie ihn stirnrunzelnd an, dann ging sie auf das Gate zu.

Tolle Figur. Sexy Hüfte. Schwungvoller Gang.

Es ist nur ein Job.

Plötzlich wünschte sich Connor, sie nicht am Arm gepackt zu haben. Schließlich war er darauf angewiesen, dass sie ihm vertraute … Er musste sie überreden, mit ihm wieder zurück nach Texas zu kommen.

Egal, wie schwierig es werden würde, er würde nicht eher ruhen, bis er mit ihr in Houston war. Anna Barton war Leos Schwägerin. Nach all den Jahren fühlte sich Leos Frau noch immer an der Entführung ihrer Zwillingsschwester mitschuldig. Abby wollte, dass ihr Mann etwas über ihre Schwester herausfand. Darum hatte sich Leo an Connor gewandt, mit der Bitte, ihm zu helfen. Auf Connor lastete dadurch ein ziemlicher Erfolgsdruck.

„Bitte, such sie. Mir zuliebe. Abby zuliebe. Es wird ihr keine Ruhe lassen.“ Das waren Leos Worte gewesen. „Für sie ist es, als ob ein wichtiger Teil von ihr in ihrem Leben fehlt.“

Nach dem Tod der Mutter hatte Leo für Connor gesorgt. Aus diesem Grund stand Connor für immer in der Schuld seines Bruders.

Nein, das hier war kein Job. Es ging um die Familie. Und nichts bedeutete Connor mehr.

Die Stewardess verkündete, dass das Flugzeug voll ausgebucht war und sich die Passagiere möglichst zügig zu ihren Plätzen begeben sollten.

„Hallo“, sagte Connor und lächelte Anna zu, die am Fenster saß und vorgab, in einen Katalog vertieft zu sein. „Ist der Platz neben Ihnen noch frei?“

Ohne aufzublicken, runzelte sie die Stirn. Wortlos nahm Anna ihre Tasche an sich und schob sie unter den Sitz vor ihr.

Nachdem Connor seinen Cowboyhut umständlich in der Gepäckablage verstaut hatte, setzte er sich. Die Sitze waren eng und fast zwangsläufig berührte Connor Anna mit der Schulter. Wieder spürte er die Wärme ihrer Haut, obwohl die Klimaanlage im Flugzeug auf Hochtouren lief.

Diese Frau schien Hitze förmlich auszustrahlen …

„Was lesen Sie da?“, fragte er.

Anna blätterte eine Seite um, ohne auf die Frage zu reagieren.

„Gehören Sie auch zu den Menschen, die sich im Flugzeug nicht gerne unterhalten?“

Wieder blätterte sie eine Seite um, diesmal geräuschvoller.

„Wahrscheinlich sind Sie genau wie ich. Normalerweise fange ich ein Gespräch erst eine halbe Stunde vor der Landung an. Auf diese Art lässt man sich auf nichts ein.“

Noch immer sagte sie kein Wort. Aber Connor sah an ihren Mundwinkeln, dass sie leise lächelte.

„Stimmt’s, Sie machen es auch so?“, fragte er und beugte sich zu ihr. Durch seinen Atem bewegte sich eine feine Haarsträhne an ihrer Schläfe.

Anna seufzte, und Connor schöpfte neuen Mut.

„Was für verrückte Dinge in Katalogen angeboten werden …

Und das nur, damit Leute wie ich sich ein selbstreinigendes Katzenklo bestellen – obwohl sie gar keine Katze haben.“

„Was halten Sie davon, Ihren eigenen Katalog anzuschauen?“, fragte Anna.

Endlich hatte er sie dazu gebracht, etwas zu sagen.

„Alle Fluggäste haben einen“, erklärte sie, indem sie auf das Netz am Sitz vor ihm wies.

„Mir macht es aber mehr Spaß, bei Ihnen mit hineinzuschauen.“

Irritiert sah Anna ihn an. Unter ihrem Blick wurde Connor plötzlich heiß in seiner Schaffelljacke. Umständlich versuchte er, das Kleidungsstück auszuziehen, und merkte überrascht, dass sie ihm dabei half. Die leichte Berührung ihrer schlanken Hände empfand Connor wie eine Verführung.

Schnell nahm Anna die Hände wieder weg.

„Danke“, flüsterte Connor mit rauer Stimme.

„Gern geschehen“, antwortete sie freundlich, und Connor fragte sich, ob sie ahnte, was sie in ihm auslöste. Immer mehr wurde ihm bewusst, dass ihre Schönheit ihn um den klaren Verstand brachte.

Hätte ich bloß auf Leo gehört und mich mit der hübschen Sekretärin getroffen, dachte er.

Inzwischen hatte sich Anna wieder in den Katalog vertieft, was Connor gar nicht recht war.

„Meine Frau ist tot“, hörte er sich plötzlich sagen. Eigentlich hatte er nicht die Absicht gehabt, von Linda zu erzählen.

Annas Gesicht nahm einen mitfühlenden Ausdruck an.

„Seit einigen Jahren.“

„Das tut mir leid“, sagte sie teilnahmsvoll.

„Seitdem habe ich keine Beziehung mehr gehabt“, fügte er hinzu.

Anna ließ den Katalog sinken und sah mit ihren schönen Augen Connor an.

„Und darum, fürchte ich, bin ich ein wenig eingerostet im Umgang mit Frauen.“

„Es liegt nicht an Ihnen“, erwiderte Anna leise. „Ich treffe mich nicht mit Männern. Ja, ich rede nicht einmal mit ihnen.

Vor allem nicht mit Fremden. Sie hätten sich lieber woanders hinsetzen sollen.“

„Und warum reden Sie nicht mit Männern?“

„Weil ich in der Vergangenheit einige Fehler gemacht habe, die ich nicht wiederholen will. Und da ich keine besonders gute Menschenkennerin bin, lasse ich es lieber ganz.“

„Okay. Anderes Thema: Was haben Sie in Las Vegas vor?“

Mit ernstem Gesicht antwortete Anna: „Ich weiß zwar nicht, warum ich Ihnen das erzähle … Wahrscheinlich, weil Sie sich die Mühe gemacht haben, mir die Bordkarte zurückzugeben. Die meisten Leute kümmern sich nicht um so etwas. Sie müssen ein ehrlicher Mensch sein.“

Das stimmte nicht ganz … Aber Connors bester Ermittler hatte monatelang ihre Spur verfolgt, bis er sie endlich gefunden hatte. Daher hatte Connor nicht vor, das Missverständnis aufzudecken.

„Mein Exfreund wollte nicht einsehen, dass Schluss ist. Er ließ mich einfach nicht in Ruhe. Ständig hat er angerufen oder an der Tür geklingelt, manchmal mitten in der Nacht. Mir blieb nichts anderes übrig, als wegzuziehen. Nach St. Louis. Doch kurz darauf tauchte er auch dort auf, sodass ich in New Mexico neu anfing. Eigentlich bin ich Sekretärin, aber letztes Jahr habe ich in Santa Fe an einer Schule für Kinder in schwierigen Lebenssituationen gearbeitet. Es war mehr als ein Job: eine Aufgabe, die mich richtig ausgefüllt hat. Dann erhielt mein Chef Anrufe eines Privatdetektivs, der sich nach mir erkundigte. Eines Tages tauchte der Detektiv sogar auf. Ich bekam Angst, dass mein Exfreund dahinterstecken könnte …“

„Wie kommen Sie darauf?“, fragte Connor so unbeteiligt wie möglich.

„Wer sonst sollte denn etwas damit zu tun haben?“

Connor bekam ein schlechtes Gewissen. Es war sein Angestellter gewesen, der dort aufgetaucht war. „Und jetzt geht es nach Las Vegas?“

„Ja. Ich fange in einem der größten Hotels im Bereich Housekeeping an – anders ausgedrückt: als besseres Zimmermädchen.“

Er lächelte. „Nach der Arbeit mit den Kindern, die Ihnen so gut gefallen hat, nun das?“

„Ich musste schnell etwas Neues finden. Natürlich ist mir die Kündigung schwergefallen. Zumal ich mit einem der Jungen gut vorangekommen bin.“ In ihren Augen lag ein zärtlicher Ausdruck, als sie wehmütig fortfuhr: „Ein Waisenkind, das ganz allein dastand. Irgendwie konnte ich ihn verstehen. Eigentlich würde ich gerne Kinder unterrichten.“

„Warum tun sie es dann nicht?“

„Leider läuft es im Leben nicht immer so, wie man möchte. Aber vielleicht eines Tages …“ Verträumt betrachtete Anna die Wolken. „Dazu müsste ich aufs College gehen.“

Waren sie anfangs nur über Hürden ins Gespräch gekommen, fiel Connor die Unterhaltung mit ihr auf einmal leicht. Er erzählte ihr, dass er in Afghanistan stationiert gewesen war und dass Linda kurz nach seiner Rückkehr bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Und er erzählte von dem ungeborenen Baby, das mit Linda gestorben war und von dem er bis dahin nichts gewusst hatte. Keinem Menschen außer Leo hatte er das jemals anvertraut.

Anna hörte ihm zu, teilnahmsvoll sah sie ihn dabei an. Sicherlich erinnerte sie sich an ihre eigene Kindheit. Da sie von früh an ohne familiäre Bindungen gelebt hatte, verstand sie bestimmt, wie viel er durch Lindas Tod verloren hatte.

War es klug, das Gespräch so persönlich werden zu lassen?

Wie auch immer … Seine Aufgabe war es, sie nach Texas zurückzubringen. Doch wie? Auf keinen Fall durfte er riskieren, dass sie wieder untertauchte. Unauffällig sah er auf die Uhr. Bald schon würden sie landen. Die Zeit lief ihm davon.

„Sind Sie Cowboy von Beruf?“, fragte Anna.

„Was bringt Sie auf den Gedanken?“

„Ihr Hut. Die Stiefel. Ihre texanische Sprechweise.“

„Hört man das so deutlich?“

Sie lachte, und ihr Gesicht wirkte anziehender als je zuvor.

„Und wie!“, rief sie. Dabei funkelten ihre Augen. „Also, was bedeutet der Hut?“

Zögernd antwortete Connor: „Mein älterer Bruder Leo und ich haben eine Ranch in der Nähe von Austin.“

Stimmt, dachte er, ist aber nur die halbe Wahrheit. „Wir besitzen ein paar Viehherden“, fuhr er fort. „Da wir auf einer Ranch im westlichen Texas aufgewachsen sind, liegt uns das wohl im Blut: Rinder, Pferde, weites Land … Leo ist der Geschäftsführer unserer Ranch, der ‚Golden Spurs‘. Sie zählt zu den größten in Texas.“

Als das Flugzeug gelandet war, unterhielten sie sich noch immer. Während sie gemeinsam ausstiegen, überlegte Connor fieberhaft, wie er die gerade aufkeimende Freundschaft am Leben erhalten konnte. Irgendwie musste er Zeit gewinnen …

Im Flughafengebäude wandte Anna sich ihm zu und sagte lächelnd: „Also dann … Es war nett, mit Ihnen zu reden.“

Connor verstand nur zu gut, dass die Worte als Abschied gedacht waren. Angestrengt überlegte er, bis sein Blick plötzlich auf die überall aufgestellten Spielautomaten fiel.

„Ich glaube, heute ist mein Glückstag“, sagte er und kramte in seiner Hosentasche. „Würden Sie für mich einen Dollar einwerfen?“

„Warum machen Sie das nicht selbst?“

„Na ja … Ich habe so ein unbestimmtes Gefühl, dass Sie mein Glücksbringer sind.“

Als sie ihn fragend ansah, wünschte Connor, die Zeit würde stehen bleiben. Heftig atmete er ein. Annas Lippen bebten leicht, und ihre Augen glänzten. Welch ein Anblick … Am liebsten hätte Connor sie an sich gezogen und geküsst. Stattdessen drückte er ihr einen Silberdollar in die Hand. Wieder dachte er: Wie warm sich ihre Haut anfühlt! Ein wunderbares Gefühl.

Einen Augenblick schien Anna den Atem anzuhalten. Nach kurzem Zögern ging sie zu einem der Automaten, rieb die Münze zwischen den Händen, was Glück bringen sollte, und schloss für einen Moment die Augen.

Ihre dichten dunklen Wimpern bildeten einen reizvollen Kontrast zu ihrem hellen Teint.

Als sie die Augen wieder öffnete, lächelte sie ihm zu und warf den Dollar ein. Der Automat begann zu rattern und rot, grün und weiß zu leuchten.

Bingo!

Connor konnte es nicht glauben. Nach einem lauten Klingeln prasselten endlos viele Münzen in den Schacht des Gerätes. Sofort bildete sich eine Menschenmenge um sie herum.

Aber Connor hatte nur Augen für Anna. Ihre Aufregung steckte ihn an und ein Gefühl der Freude durchflutete ihn.

„Ich wusste es“, rief er. „Sie bringen mir Glück. Wir haben gewonnen!“

Vor Begeisterung hüpfte Anna und lächelte Connor strahlend an. Von einem Impuls getrieben, legte er die Arme um sie und zog sie an sich.

Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, sie zu küssen, aber es passierte – einfach so.

Ihre Lippen fühlten sich weich und fest zugleich an, und eine Empfindung wie flüssiges Feuer durchströmte ihn. Was als nette Geste gedacht gewesen war, als ein Ausdruck des Hochgefühls wegen des Gewinns, wurde zu etwas Ursprünglichem und Ungestümem. Zu etwas, wovon Connor nicht genug bekommen konnte.

Erst jetzt, durch diese Frau, wurde ihm bewusst, wie einsam er gewesen war …

Zu seiner Überraschung öffnete sie leicht den Mund und erregte ihn mit einem zärtlichen Zungenspiel. Sein Herz pochte schnell und heftig, und er versuchte, sich zur Ordnung zu rufen. Keinesfalls durfte er jetzt die Kontrolle verlieren.

Nur undeutlich nahm er wahr, wie Anna und er von der jubelnden Menschenmenge gegen das Spielgerät gedrückt wurden. Für einen kurzen Moment verblasste alles um ihn herum: Nur Annas Nähe zählte. Deutlich spürte er ihre schlanke Figur – und das Begehren, das ihn zu überwältigen drohte.

Er sehnte sich danach, diese Frau zu besitzen. Obwohl sie von Schaulustigen umringt wurden, zog er sie enger an sich und presste sie gegen seine Hüfte. Wie gut sie sich anfühlt!, dachte er. Aber Anna wurde unruhig und begann, sich zu sträuben. Hastig ließ er sie los.

„Sorry. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.“

Mit einem leisen Seufzen entspannte Anna sich wieder, und während sie eben noch versucht hatte, ihn von sich zu schieben, legte sie ihm nun die Hände auf die Oberarme.

„Wie ich sehe, sind Sie das Paar, das gewonnen hat“, sagte ein Mann hinter ihnen. „Da Sie wie Flitterwöchner wirken, die schnell in ihr Hotel möchten, schlage ich vor, dass Sie gleich mit mir gehen, damit Sie Ihr Geld bekommen.“

Flitterwochen. Las Vegas. Blitztrauungen. Hotel. Bett.

Gedanken, die Connor gar nicht gefielen – die er aber auch nicht verachtete.

Alle lachten – nur sie beide nicht. Am liebsten hätte Connor Anna noch einmal geküsst. Nach Lindas Tod war er fest überzeugt gewesen, sich nie wieder zu verlieben. Er hatte sich in die Arbeit gestürzt und seine Freizeit mit Abby, Leo und dem kleinen Caesar verbracht.

Verlieben … Anna … Auf was für Ideen ich komme! Das hier ist nur ein Job.

Dennoch hörte das heftige Herzklopfen nicht auf. „Der Kuss war zur Feier des Gewinns“, sagte er und legte ihr sachte den Finger auf die Lippen.

In diesem Augenblick rief der junge schwarz gekleidete Mann, zu dem die Stimme gehörte: „Willkommen in Las Vegas, der Hauptstadt des Glücks!“

„Ich glaube, ich gehe jetzt lieber“, sagte Anna errötend.

„Nein, bitte nicht …“ Connor hielt sie am Handgelenk fest. Bei der bloßen Berührung wurde ihm heiß. „Wir müssen mit dem Casinoangestellten gehen. Schließlich bekommen wir doch noch unseren oder, besser gesagt, Ihren Gewinn ausgezahlt.“

Als Connor das Geld in Händen hielt, weigerte Anna sich, ihren Anteil anzunehmen.

„Behalten Sie es. Der Einsatz war von Ihnen.“

Autor

Ann Major

Ann Major wird nicht nur von ihren Leserinnen sehr geschätzt, sondern bekommt auch von anderen Romance-Autorinnen wie Nora Roberts und Sandra Brown tolle Kritiken.

Aber ihr Erfolg ist hart erarbeitet, denn sie sagt von sich selbst, dass sie keine Autorin ist, der alles zufliegt. Sie braucht die täglichen kleinen Rituale...

Mehr erfahren