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Oliver ist ein Traummann! Beim dritten Date landet Eva mit ihm im Bett - das muss sie unbedingt ihrem geheimnisvollen Chatpartner berichten, der in den letzten Wochen ihr engster Vertrauter geworden ist. Sie ahnt nicht, wem sie da ihr Herz im Internet ausschüttet ...


  • Erscheinungstag 13.07.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733788100
  • Seitenanzahl 125
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Chat-Mail an Baby27 von Froggy32: Hey, süße Maus. Habe noch lange an dich gedacht gestern. Was hältst du von Tom Jones? Gehen wir zusammen aufs Konzert? Oder machst du wieder einen Rückzieher? Meld dich mal nach der Arbeit. Kuss, Frog.

Eva drückte „Delete“ und loggte sich aus. Dieser Froggy32 war ihr zu aufdringlich. Aber immerhin hatten seine E-Mails schon einen guten Abschnitt ihrer Reportage über Single-Börsen im Internet gefüllt. Der einsame Froggy, der sie zu allen Ü30-Partys der letzten vier Wochen in Frankfurt und Umgebung mitschleppen wollte. Immer das Gleiche. Wenn der Artikel der Redaktion gefallen und hoffentlich veröffentlicht würde, müsste Eva wahrscheinlich auswandern. Bei all dem, was sie über die einsamen Männer im Internet bereits herausgefunden hatte.

Sie ließ den Mauszeiger über den Bildschirm wandern und klappte ihr Favoriten-Menu auf. Von den insgesamt sechzehn Singlebörsen, bei denen sie sich angemeldet hatte, musste sie noch vier abarbeiten. Meistens fand sie in jedem ihrer Postfächer über zehn Nachrichten am Tag. Eine höllische Arbeit.

Chat-Mail von Osterhasi: Hatte gestern keine Zeit, Dir zu antworten. Musste meine CD-Sammlung sortieren, weil ich nächste Woche ein Date mit einer interessanten Frau habe. Da sollte ich die einschlägigen Scheiben griffbereit halten. Neidisch? :-) Liebe Grüße, Osterhasi

Ja, in der Tat. Eva war neidisch. Im Gegensatz zu ihr schien Osterhasi bei den Singlebörsen tatsächlich ab und zu nette Leute zu treffen. Okay, immerhin hatte sie auch ihn vor ein paar Monaten im Internet getroffen. Sie hatten sich auf Anhieb prächtig verstanden, und seitdem pflegten sie ihre Freundschaft durch regelmäßigen E-Mail-Kontakt. Allerdings waren sie sich schnell einig gewesen: Sie wollten sich niemals persönlich gegenüberstehen. Und auch keine Bilder tauschen. Osterhasi war der Meinung, dass man sich nie mit einer Frau verabreden sollte, mit der man auf die Entfernung so blendend auskam. Sonst würde sie womöglich tags darauf gar nicht mehr aus dem Bett verschwinden, man hätte zwei Wochen lang noch richtig Spaß, und dann käme das große Erwachen mit Sprüchen wie: „Schatz, was bist du denn so komisch?“ oder „Schatz, warum willst du nicht zum dritten Mal mit mir den neuen Film mit Brad Pitt im Kino ansehen?“. Das fand Eva auch. Es quatschte sich einfach besser über Intimitäten und Blödsinn, wenn man den anderen nie zu Gesicht bekam. Deshalb verabredete Osterhasi sich niemals mit ihr, sondern nur mit anderen Frauen aus dem Internet, die zwar „interessant“ waren, aber niemals den Status von Baby27 erreichen konnten. Eva grinste.

„Na, Schneckchen, was tut sich bei Baby27?“ Evas Mitbewohner Bernd beugte sich über ihre Schulter und glotzte auf den Bildschirm. „Ah, hier! Klick den mal an, der sieht doch super aus“, kommentierte er übertrieben fachmännisch, um gleich darauf in schallendes Gelächter auszubrechen.

Eva amüsierte sich. „Ja, tatsächlich. Hübsche Nase hat der Kleine“, sagte sie schmunzelnd. Sie klickte auf das Foto, das sich sofort über den ganzen Bildschirm ausbreitete.

„Oh, wohl eine Nummer zu groß für dich“, hustete Bernd, der sich vor Lachen an seinem Apfel verschluckt hatte. „Was schreibt er denn?“

Eva setzte sich aufrecht hin und las theatralisch die Botschaft von Hungry_Boy21 vor: „Die Beschreibung von dir klingt richtig süß, Baby27. Wenn es dir nichts ausmacht, dass ich etwas jünger bin als du, zeige ich dir, was Liebe alles bedeuten kann.“ Sie drehte sich grinsend zu Bernd um. Der hatte das Gesicht zu einer übertrieben ernsten Miene verzogen und zog anerkennend die Augenbrauen hoch. „Wie hast du dich denn beschrieben? Scheint ja gut anzukommen.“

„Das Übliche eben. Blonde Haare, sportlich, humorvoll.“

„Ist ja nicht gerade sehr aussagekräftig“, schmunzelte Bernd.

„Ja, ich habe natürlich noch ein paar Kleinigkeiten dabei stehen. Braune Augen, eins siebzig groß. Vorliebe für Johnny Cash, Lieblingsfarbe grün und so weiter.“

Bernd lachte. „Du hast aber nicht reingeschrieben, dass du Sonnenbrillen sammelst und die ganze Wohnung mit Tierpostern tapezierst, oder?“

„Natürlich nicht! Was soll ich dem Typen jetzt schreiben?“, fragte Eva und schlug mit der flachen Hand auf Bernds Schenkel, der breitbeinig neben ihr stand.

„Hey Hungry_Boy21“, begann Bernd zu diktieren. „Nein, es macht mir überhaupt nichts aus, dass du jünger bist als ich. Schließlich bin ich in einem Alter, in dem man durchaus auch mal die jugendliche Frische von standhaften jungen Männern zu schätzen weiß“, säuselte er mit spitzem Mund.

Eva ballte die Hand zur Faust und gab ihrem Mitbewohner einen heftigen Knuff. „Ach, du Idiot“, antwortete sie lachend. „Ich werde den armen Kerl aus der Liste kicken. Ist nicht meine Preisklasse.“

Bernd wurde ernst. „Ja, Herzchen, übernimmst du dich nicht mit dem Job? Such dir doch lieber was Richtiges. Ich meine, so einen feurigen Lover für zwischendurch oder wenigstens was Bodenständiges. Du hebst total ab, seit du an dieser Single-Reportage arbeitest.“

Eva sah ihn böse an. „Wieso abheben? Du hast doch hier auch schon seit Wochen deinen Spaß.“

„Klar hab ich den. Ich meine nur, dein letztes Date war ja nicht gerade ergiebig. Wenn du mit diesem Cyber-Kram aufhören würdest und einen stinkreichen Milliardärssohn an Land ziehen könntest, dann würdest du dir diese langweiligen Typen sparen und könntest für den Rest deines Lebens Caipirinha trinkend auf einer weißen Yacht über die Weltmeere schippern oder wenigstens zur Entspannung Nackt-Yoga-Kurse besuchen oder so.“

„Du hörst Dich an wie meine Mutter“, meinte Eva. „Abgesehen vom Nackt-Yoga. Hör auf mich abzulenken. Ich muss mich hier noch eine Weile durchklicken. Vergiss nicht, ich verdiene damit unsere halbe Miete! Was macht eigentlich Hamsterbacke?“

Bernds Miene verfinsterte sich augenblicklich so schrecklich, dass Eva vermutete, gleich könne ein vernichtender Blitz sie auf ihrem Schreibtischstuhl treffen und zu einem krümeligen Aschehaufen verbrennen.

„Nenn sie nicht Hamsterbacke!“, befahl er streng.

„Wieso? Du hast sie anfangs auch immer so genannt“, gab Eva beleidigt zurück. „Außerdem hast du selbst gesagt: Männer denken nur an das Eine. Wer kann denn da ahnen, dass du ausgerechnet diese Hamsterbacke für eine dauerhafte Geschichte auswählen würdest?“ Sie lächelte, um die akut gewittrige Atmosphäre zu lockern.

Eigentlich war Bernd gar nicht so spießig. Der Anblick eines panierten Schnitzels erinnerte Bernd zum Beispiel irgendwie an Sex. Alles erinnerte ihn an Sex. Immer. Ein Gummibaum, ein Wollknäuel, ein weißer Strand, ein Hochhaus. Ganz klar: Das war Sex.

Als Eva ihn darauf hingewiesen hatte, dass nicht jeder Gegenstand dieses Planeten zwingend etwas mit Sex zu tun haben musste, hatte er sich verteidigt: „Jeder Mann denkt so!“ Und sie sei weltfremd und hysterisch.

Eva hatte versucht, den Sex in Gummibäumen und Fahrrädern zu erkennen. Sie suchte die Erotik an Computertastaturen und Kugelschreibern. Ihre Kartoffeln schälte sie aufmerksam und sinnlich. Aber sie konnte den Sex nicht entdecken.

Mit der Zeit wurde ihr klar, warum sie nie einen Mann finden würde. Aber Bernd hatte sie beruhigt und versichert, es sei ja eine Ausnahme, dass Männer so offen gegenüber Frauen seien. Sicherlich würde ihr kein Mann jemals so direkt sagen, was ihn alles an Sex erinnere. Sie solle sich einfach nicht so anstellen, dann würde sie bald den Passenden finden.

Das war vor zwei Jahren gewesen. Inzwischen war Eva überzeugte Single-Frau. Nicht auszudenken, jeden Morgen neben demselben zerknautschten Mann mit demselben widerlichen Mundgeruch aufzuwachen. Und gemeinsame Aktivitäten beschränkten sich bei solchen zerknautschten Männern dann schnell nur noch auf Kino – einmal im Jahr. Alle sechs Monate oder so würde man gemeinsam zu einem befreundeten Paar gehen, um sich dort gegenseitig langweilige Fotos von langweiligen Urlauben zu zeigen. Darin war Eva leider nur zu erfahren. Ihre letzte Beziehung hatte alle diese Phasen durchlaufen. Sie hatte der Zweisamkeit abgeschworen und genoss es, sich beruflich Schritt für Schritt weiterzuentwickeln. In mehreren Klatschspalten verschiedener Magazine hatte sie inzwischen nette Geschichten untergebracht. Nach und nach konnte sie von den paar Cent pro Zeile sogar leben. Ihr Mitbewohner Bernd hatte sich daran gewöhnt, dass Evas Meinung über Männer stetig immer weiter gegen null tendierte. Eigentlich waren sie ein gutes Team. Nur jetzt schien Bernd tödlich beleidigt zu sein.

„Ich bin immer noch ein richtiger Mann und denke immer noch dauernd an Sex. Aber wenn der Sex mit einer Frau gut ist, dann wird man sie ja mal öfter treffen können als für einen One-Night-Stand, oder?“ Er drehte sich um und schnappte seine Ledertasche, die aussah, als wären in den letzten zwei Jahren mindestens vierundzwanzig LKW darüber gefahren.

„Wo gehst du hin?“, fragte Eva.

„Zur Hamsterbacke“, warf Bernd ihr entgegen.

„Ich kann dir meinen Keith-Rowling-Rucksack ausleihen“, bemerkte Eva spitz. „Deine Ledertasche weckt zwar nostalgische Gefühle, aber ich befürchte, dass sie jeden erotischen Ansatz im Keime ersticken wird.“

„Sie will ja mit mir ins Bett, und nicht mit meiner Tasche“, fauchte Bernd, der bereits die Türklinke in der Hand hatte.

„Dein Problem. Du weißt, dass Frauen auf Schuhe und Taschen Wert legen. Tschüss“, maulte Eva und wandte sich wieder ihrem Bildschirm zu.

Bernd hielt inne. „Schneckchen, komm, wir wollen nicht streiten. Und außerdem: Willst du so zu deinem Date? Ich meine, meine Tasche ist eine Sache. Aber im Jogginganzug zu CommanderKirk – ich weiß nicht.“

Eva schreckte hoch. „Oh, verdammt! Wie spät ist es?“

„Kurz vor halb acht.“

„Oh mein Gott! Tschüss Bernd, ich muss noch duschen!“

Bernd grinste, und verließ kopfschüttelnd die Wohnung.

„Hallo“, sagte Eva.

„Hallo“, erwiderte er lächelnd.

CommanderKirk saß Eva gegenüber und nippte an seiner Cola. Er hatte einen Motorradhelm neben sich liegen. Eva fragte sich, ob sein riesiger Kopf überhaupt Platz in diesem Helm haben konnte. Allerdings wirkte sein Kopf wahrscheinlich nur deshalb so riesig, weil der Rest seines Körpers so mickrig war wie eine junge Tomatenpflanze, die jemand vergessen hatte zu gießen.

„Ja, da wären wir nun“, meinte Eva und bereute bereits zutiefst, dass sie nicht ihren extrem weiten Jogginganzug anbehalten hatte. Denn der Typ fiel vor Faszination beinahe in ihr Dekolleté. Wieder einmal hasste sie sich dafür, dass sie ein bescheuertes Blind Date angenommen hatte. Aber Recherche war nun mal Recherche. Und am Ende sollte es sich schließlich irgendwie lohnen, für eine gute Story diese Unmengen von frustrierten Männern für ein paar Stunden unterhalten zu haben.

„Ich bin positiv überrascht“, frohlockte CommanderKirk – der in Wirklichkeit ganz banal Peter hieß – und schob seinen großen Kopf nach vorne. Er hatte die Arme verschränkt und stützte sich auf dem Tisch ab. Seine Schultern staken rechts und links aus seinem Rücken heraus bis fast zu den abstehenden Ohren hoch. Er lächelte und Eva fühlte, dass er sie bereits vollständig abgescannt hatte. Kopf, Busen, Bauch, Hintern, Beine. Was sagt man, wenn jemand erklärt, er sei positiv überrascht, nachdem man genau ein Wort gewechselt hat? „Danke“, erwiderte Eva schlicht.

Er grinste. „Und, was machst du so?“, fragte er und lehnte sich entspannt zurück.

Wie Eva solche Fragen hasste. Nur musste man ja über irgendetwas reden. „Ich arbeite viel. Hab wenig Zeit für Hobbys und so.“

„Was machst du denn genau?“, wollte er wissen und lächelte hingebungsvoll.

„Ich schreibe. Zeitung und so. Und du?“

Er überhörte Evas Gegenfrage. „Zeitung? Klingt spannend. Ist sicher interessant, der Job.“

Jeder fand es interessant, wenn Eva sagte, dass sie für die Zeitung schrieb. Sie beschloss, sich künftig eine Notlüge auszudenken. „Ja, man trifft viele spannende Leute“, bestätigte sie. Dabei fiel ihr unwillkürlich der dicke Pizzabäcker ein, der sie nach einem Interview direkt stürmisch auf den Mund geküsst und so fest ihren Rücken geklopft hatte, dass sie noch tagelang die blauen Flecken mit Sportsalbe hatte einreiben müssen.

CommanderKirk legte den Kopf schräg und lächelte hingerissen. „Dann bist du sicher viel unterwegs. Kommst viel rum, hm?“

Er tat Eva fast ein bisschen leid, als sie ihn da so strahlend sitzen sah. Sie tat sich selbst aber noch viel mehr leid. Mit einer verkümmerten Tomatenpflanze den Donnerstagabend in einer verrauchten Hinterwäldlerkneipe verbringen, war nicht gerade ihre Vorstellung von einem ergiebigen Tagesausklang. Das war hart verdientes Geld. Sie hielt sich an ihrem Bier fest und versuchte, ein nettes Gesicht zu machen.

Normalerweise fragte sie gerne nach – Berufskrankheit. In diesem Fall interessierte es sie jedoch nicht im Geringsten, was dieser arme Tropf wohl beruflich machte. Das störte ihn aber überhaupt nicht. Er vertauschte mit Wonne die Rollen und machte sich im Handumdrehen zum Journalisten und Eva zu seinem ersten Interview-Opfer. Er fragte alles Erdenkliche, was man an einem Donnerstagabend fragen kann. Dann ging ihm die Luft aus. Und Eva riss sich zusammen.

„Erzähl doch mal von dir“, lächelte sie. Das war ihr gröbster Fehler.

„Ich lebe von meinem Ersparten und jobbe ein bisschen nebenbei“, sagte er.

Na wunderbar! Eine arbeitslose Tomatenpflanze, die mir gleich erzählen wird, wie böse die Welt ist! Eva musste sich zusammenreißen, um diesen Satz nicht aus Versehen laut auszusprechen.

„Ich war selbstständig. Nur bekomme ich keine Aufträge mehr“, fuhr er fort. „Findest du das schlimm?“ Unsicher zog er die Augenbrauen hoch.

„Nein, das passiert eben“, tröstete Eva und winkte locker ab.

„Ich wusste gleich, dass du anders bist!“, freute er sich, und das in einer Lautstärke, dass die Kellnerin sich umdrehte und Eva mit einem mitleidigen Blick bedachte, so als wolle sie sagen: „Herzchen, den wirst du so schnell nicht mehr los.“

Er erzählte von seiner Ein-Mann-Firma, die er gegründet hatte, um Computer anderer Leute zu reparieren. „Den Computer von meinem Hausarzt habe ich umsonst wieder in Schuss gebracht“, erklärte er aufgeregt. „Für andere Ärzte hätte ich das nicht gemacht. Aber dieser Arzt ist etwas ganz Besonderes.“

Mühsam unterdrückte Eva ein Gähnen. Dabei verzog sie offenbar den Mund so komisch, dass CommanderKirk sich nicht ernst genommen fühlte.

„Glaubst du mir etwa nicht?“ Er hatte sich schon ziemlich in Rage geredet.

„Doch, doch! Natürlich“, nickte Eva. Das schien ihn wieder zu beruhigen.

„Also gut. Wo war ich gerade? Ach ja. Also, dieser Hausarzt ist ganz hervorragend. Er hat meine Mutter gepflegt. Die ist nämlich früh gestorben. Und dann hat er sich auch noch um meinen Vater gekümmert. Der war nämlich depressiv deswegen.“

Eva hatte selten einen Mann erlebt, der ein so großes Bedürfnis danach hatte, den ganzen Kummer seines Lebens bei der ersten Verabredung auf den Tisch zu bringen.

CommanderKirk fuhr unbeirrt fort. „Auf jeden Fall kann dieser Hausarzt alles. Er macht chinesische Zungendiagnose, er praktiziert japanisches Reiki und selbstverständlich kann er auch dieses Verfahren … mir fällt der Name nicht ein.“ Er überlegte angestrengt. „Es wird mir schon noch einfallen. Auf jeden Fall spreche ich mit meiner Schwester kein Wort mehr. Ihr Ehemann hat einen Keil zwischen uns getrieben. Das war vielleicht eine miese Geschichte!“

Eva fragte sich, ob sie ihm vielleicht lieber die Adresse eines guten Psychologen aufschreiben sollte. Sie versuchte, nicht allzu gelangweilt zu wirken, während er von der besten Freundin seiner Schwester erzählte. Die musste wohl ziemlich neurotisch gewesen sein. Denn CommanderKirk betonte, dass nicht einmal der Super-Wunder-Arzt mit ihr zurecht gekommen sei. Und Eva war schon fast nicht mehr überrascht, dass diese Freundin seiner Schwester ein Problem mit ihm – also CommanderKirk – gehabt habe.

„Meine Schwester ist mir eigentlich sehr wichtig, weißt du. Daher kommt wohl mein Schlafproblem. Ich kriege das langsam in den Griff. Aber normalerweise liege ich die ganze Nacht wach und denke über alles nach. Ich bin nämlich nicht oberflächlich! Das hasse ich“, betonte CommanderKirk mit einem strengen Kopfnicken.

Dann war seine Lebensgeschichte zu Ende. Und Eva hatte das schreckliche Gefühl, dass er beschlossen haben könnte, mit ihr ein neues Kapitel in seinem traurigen Leben aufzuschlagen.

„Du kannst so toll zuhören“, lobte er. „Darf ich dich anrufen?“

„Sicher“, sagte Eva, und notierte die Telefonnummer von ihrer Großmutter auf einen Zettel, weil ihr spontan, wie schon so oft, nichts Dümmeres einfiel.

„Fein.“ Er strahlte. „Ich würde dich gerne einladen, aber …“

„Lass gut sein.“ Eva winkte ab. Das fehlte noch, dass sie von einer arbeitslosen Tomatenpflanze mit einer grausamen Lebensgeschichte zum Bier eingeladen wurde!

„Ich melde mich nächste Woche“, versicherte er begeistert. Dann hockte er sich auf sein Mofa und rührte sich nicht, bis Eva auf die Hauptstraße abgebogen war. Sie musste an Osterhasi denken, und fragte sich, ob es ihm bei manchen seiner „interessanten“ Frauenbekanntschaften ähnlich flau im Magen geworden war.

2. KAPITEL

Angeekelt nahm Eva einen offenen Joghurtbecher aus dem Kühlschrank. „Mensch Bernd, der Inhalt von diesem Joghurtbecher lebt! Dem kannst du bald Spanisch beibringen!“ Sie streckte das pelzige Zeug, das einmal ein Joghurt gewesen war, in Bernds Richtung, aber der sagte kein Wort und streichelte nur gedankenverloren die Tastatur seines Laptops.

Eva warf den Joghurtbecher in die überquellende Mülltonne und legte Bernd die Hand auf die Schulter. „Hey, was macht eigentlich die Hamsterbacke? Wie war’s denn gestern?“ Sie grinste breit.

„Sie ist keine Hamsterbacke“, gab Bernd müde zurück. „Und wenn du es genau wissen willst: Wir haben uns getrennt.“

Evas Lächeln gefror. „Wie? Was? Wann? Und warum?“

„Weil du sie immer Hamsterbacke genannt hast, verdammt.“

Sie musste lachen. „Ist nicht wahr!“ Doch als Bernd sich kommentarlos wieder dem Computer zuwandte, verzog sie erschrocken den Mund. Verlegen räusperte sie sich, steckte die Hände in die Hosentaschen und beugte sich über ihn.

„Ähm. Ist wohl doch wahr, hm?“

Bernd sagte nichts, starrte weiter geradeaus auf den Bildschirm, und löschte mit einem Schlag sechsundsiebzig Spam-Mails von diversen Mandys, Sandys, Juans und einem „Mr Long-Dong“, die ihm eine Penisverlängerung, Busenvergrößerungen und nie endende Orgasmen versprachen.

„Hey. Tut mir leid.“

„Das hilft mir jetzt auch nicht mehr“, gab Bernd aufgebracht zurück. „Und im Übrigen: Wenn du schon nicht damit zurecht kommst, dass ganz normale Männer wie ich auch Frauen mit Hamsterbacken attraktiv finden können, dann will ich nicht mehr mit dir unter einem Dach wohnen.“ Er stand auf, drückte sich an Eva vorbei, ging in sein Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Schließlich war es still.

Bernd war offensichtlich echt sauer. Au Backe, dachte Eva. Wer hätte auch ahnen können, dass diese Hamsterbacke es Bernd nach zwei Monaten schon so angetan hatte. Außerdem musste sie, Eva, in drei Stunden bei ihrem nächsten Date sein.

„Drei Stunden?“ Entschlossen warf Eva allen Kummer über Bernd und ihre mögliche Mitschuld an seiner gescheiterten Liebe über Bord und raste ins Badezimmer.

Keine zwei Minuten später hämmerte Bernd an die Tür. „Ey, komm da raus!“

„Ich hab’s eilig. Was ist denn“, rief Eva und drehte die Dusche auf.

„Du hast gesagt, du triffst dich erst um zwei mit diesem anderen Typen aus dem Internet. Das sind noch drei Stunden. Ich hab bloß noch 30 Minuten, Süße!“

Eva drehte das Wasser wieder ab, warf sich ihr Keith-Rowling-Handtuch um die Schultern und tappte triefend zur Tür. „Bernd, ich kann nichts dafür, dass deine sexuellen Abenteuer offensichtlich extrem humorlos sind. Aber bitte, wenn ich tatsächlich schuld bin, tut es mir echt leid, und wir reden später, okay? Ich muss jetzt wirklich … was ist los?“

Bernd grinste. „Ach Schneckchen. Du bist süß, wenn du so schaumig in der Tür stehst und einen roten Kopf bekommst.“

Eva verstand gar nichts mehr. „Wie? Ich denke, du willst mir den Kopf abreißen …“

Bernd lachte. „Aber Süße, ich hab dich nur aufgezogen. Es ist alles in Ordnung. Ich wollte dich einfach ein bisschen erschrecken.“ Er lächelte versöhnlich. „Versprichst du mir, sie nie wieder Hamsterbacke zu nennen?“

Eva fielen felsbrockengroße Steine vom Herzen.

„Ach Herzchen, sag doch was.“ Bernd merkte offenbar, dass gerade ein wahrer Erdrutsch in ihrer Brust stattfand.

„Gott sei Dank“, erklärte sie und sah Bernd reumütig an. „Ich gönne dir das doch. Das mit deiner Hamster… mit deiner Freundin. Dann darf ich jetzt mit gutem Gewissen weiterduschen?“

„Klar. Aber mach bitte schnell. Ich will nämlich wirklich gleich weg.“

Als Eva nach einer Fünfzehn-Minuten-Turbo-Dusche aus dem Bad kam, hielt Bernd ihr einen Zettel unter die Nase.

„Ich habe keine Zeit jetzt, Bernd. Was ist das denn?“, fragte Eva, während sie sich an ihm vorbeidrückte und gedanklich schon aussortierte, welche Schuhe am besten zu ihrem neuen Revival-Batikrock passten.

„Könnte wichtig sein“, rief Bernd ihr nach. „Ist von deinem Date. Der nennt sich doch secret_stranger, oder?“

Blitzschnell raste Eva auf Bernd zu. „Gib das her! Was machst du an meinen E-Mails?“, fuhr sie ihn wütend an.

„Ach Kleines, ich bin doch nur an deinem PC vorbeigelaufen und hab zufällig gesehen, dass der dir geschrieben hat. Ist wohl eine Absage? Kann dich doch nicht weiter so eine Hektik veranstalten lassen für einen, der dich versetzt.“

Eva überflog die ausgedruckte E-Mail. Tatsächlich. Secret_stranger hatte abgesagt. Mit der Begründung: Du bist das Allerletzte, Baby27. Fragend sah sie Bernd an. „Was soll das denn?“

Er zuckte die Schultern. „Weiß ich doch nicht. Vielleicht hat er ja inzwischen auch bei deiner Oma angerufen. Was weiß ich, wem du alles die Nummer von ihr gegeben hast.“

„Ach. So ein Quatsch. Auch gut. Dann kann ich weiterarbeiten.“ Eva zog sich ihren Jogginganzug an und setzte sich an ihren Rechner. Sie hätte sich gleich denken können, dass dieser secret_stranger das mit der Schwulenbar nicht lustig finden würde. Wahrscheinlich hatte er im Internet nachgesehen, was das für eine Lokalität war, die sie für das Treffen vorgeschlagen hatte. Sollte doch nur ein kleiner Scherz sein. Aber wenigstens blieb ihr so ein Treffen mit einem Typen erspart, der offensichtlich keinen Sinn für Humor hatte.

„Ich bin dann weg, Süße. Bleibe heute Nacht wahrscheinlich weg. Treib’s nicht zu toll! Es sei denn, du willst mit zu einer genialen Party. Hatte gedacht, du hast wegen deinem Date keine Zeit.“

Autor

Caren Graff
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