Zarte Spitze – heiße Haut

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Heftiges Verlangen erfasst Charles Warren, als seine Sekretärin Jane in sexy Dessous vor ihm steht. Nur zu gern lässt er sich von ihr verführen. Ein Spiel mit dem Feuer, denn nach einem Unfall leidet Jane an Amnesie und ist überzeugt, Charles’ zukünftige Ehefrau zu sein!


  • Erscheinungstag 23.09.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751513098
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Eine Orange, fünf Vollkornkekse, drei Karotten. Hundert Gramm Käse, in Würfel geschnitten, und zwei Schokoplätzchen.

Jane Dobson lächelte, als sie die Anordnung ihres Lunchs betrachtete. Alles lag noch genauso ordentlich angerichtet da, wie sie es am Morgen eingepackt hatte.

Die Orange zu schälen war bei ihren kurzen Nägeln gar nicht einfach. Jane gab sich zwar die größte Mühe, sie nicht abzukauen, doch meistens fiel es ihr nicht einmal auf, wenn sie es tat.

Und wenn schon. Sie machte schließlich keine Werbung für Nagellack oder so etwas. Außerdem konnte sie mit kurzen Nägeln sehr viel schneller schreiben. Letzte Woche hatte sie fast einhundert Wörter pro Minute gestoppt. Mehr als noch vor einem Monat.

Nach mehreren erfolglosen Versuchen biss Jane einfach in die Schale der Orange und bekam einen Spritzer des Safts in ihren Mund. Sie verzog das Gesicht und richtete den Blick auf ihr bevorzugtes Projekt. Die ganze rechte Seite ihres Schreibtischs war mit Weihnachtskarten bedeckt. Einige hatten religiöse Motive, andere stellten Santa Claus mit Rentieren und Schlitten dar. Und dann waren da noch einige, ganz ohne Bilder. Die Schriftzüge sahen gut aus, aber wie viele „Fröhliche Weihnachten“ oder „Frohe Feiertage“ konnte man in einer Collage schon unterbringen?

Sie steckte ein Stückchen Käse in den Mund und kaute es sehr langsam. Sie aß immer langsam, was ihre Familie verrückt machte, aber das war ihr egal. Sie schämte sich ihrer kleinen Marotten nicht. Sie machten sie zu etwas Besonderem.

„Pass auf, Mädchen, dass er dich nicht mit den Karten herumhantieren sieht.“

Jane blickte auf zu Kandisha King, einer Kollegin aus dem Schreibbüro. Kandisha hielt einen großen braunen Umschlag an die Brust gedrückt, als sei sein Inhalt streng geheim. „Es ist Weihnachten“, erwiderte sie.

„Egal. Mr. Warren will keine privaten Sachen auf den Schreibtischen.“

„Aber Weihnachten ist doch sicher etwas anderes.“

Kandisha schüttelte den Kopf. „Tu, was du nicht lassen kannst. Aber weißt du, wie viele Sekretärinnen Mr. Warren in den letzten fünf Jahren hatte?“

Jane zuckte mit den Schultern. Sie war erst seit einem Jahr bei Warren Industries und interessierte sich nicht sonderlich für Firmenklatsch.

„Elf. Rechne das mal um.“ Kandisha ging zu Delias Schreibtisch weiter und legte den braunen Umschlag in den Eingangskorb.

Delia Robertson war Mr. Warrens Chefsekretärin und bis zum fünften Januar in Urlaub, was bedeutete, dass alle anderen Sekretärinnen Überstunden machen mussten. Und dass Jane Mr. Charles Warren sehr viel öfter als sonst sah.

Bei dem Gedanken an ihn vergaß sie ihre Weihnachtskarten. Sie aß zwar weiter, nahm aber den Geschmack kaum noch wahr. Sie sah nichts anderes mehr als Charles. Ihren Charles.

Auf seine liebenswerte, schroffe Weise lächelte er sie an. Ein Fremder hätte sich vielleicht nichts dabei gedacht, doch Jane … Jane wusste, dass dieses Lächeln ausgesprochen selten war. Es war erfüllt von Liebe und Dankbarkeit. Charles hatte es ihr selbst gesagt – was täte er ohne sie?

Nun wandte er sich ihrem Weihnachtsbaum zu, einer großen Silbertanne, die selbst dem Weißen Haus Ehre gemacht hätte, und hängte eine Kugel an einen Zweig. Jane schüttelte in sanftem Vorwurf ihren Kopf und befestigte die Kugel ein paar Zweige höher.

„Natürlich“, sagte Charles, in einem Ton, der Liebe und Bewunderung verriet. „Dort sieht es hübscher aus. Darauf wäre ich nie gekommen. Gibt es eigentlich irgendetwas, was du nicht kannst, Liebling?“

Sie errötete bescheiden, was Charles immer sehr erregte, wie sie wusste, und tatsächlich nahm er sie jetzt in die Arme und …

Ein Summen, das laut genug war, um halb New Jersey aufzuwecken, riss Jane aus ihren Tagträumen. Sie griff nach ihrem Stenoblock, sprang auf und eilte an Delias mächtigem Schreibtisch vorbei zu Mr. Warrens Büro.

Bevor sie jedoch eintrat, strich sie ihren Rock glatt, zupfte ihren Mohairpullover zurecht und vergewisserte sich, dass ihre Baskenmütze richtig saß. Dann klopfte sie an die massive Eichentür und trat leise ein.

Sie ging auf seinen Teakholzschreibtisch zu, und mit jedem leisen Schritt über den dicken grauen Teppichboden schlug ihr Herz noch etwas schneller. Je näher sie ihm kam, desto schwerer fiel es ihr, zu atmen. „Ja, Sir?“

Lange schaute er nicht auf, was Jane Gelegenheit gab, seinen Anblick in sich aufzunehmen. Er war nicht klassisch gut aussehend; dazu war sein Gesicht nicht makellos genug. Aber gerade die kleinen Unvollkommenheiten waren es, die Jane anziehend fand. Die etwas schiefe Nase, die kleine Narbe an der Stirn. Seine Augen waren allerdings perfekt. Dunkelbraun und sehr ausdrucksvoll. Und sein Lächeln war bezaubernd. Er war nicht übermäßig groß, vielleicht eins dreiundachtzig, hatte aber einen kräftigen, durchtrainierten Körper. Sie hatte seine nackten Arme gesehen, als er einmal seine Ärmel aufgekrempelt hatte. Sie waren muskulös und stark und seit jenem Tag ein wichtiger Bestandteil ihrer Träume.

„Ich habe Ihnen etwas zu diktieren.“

Sie fuhr zusammen. „Ja, Sir“, sagte sie, als sie zu dem kleinen Sessel rechts neben seinem Schreibtisch ging. Nachdem sie sich gesetzt hatte, schlug sie die Beine übereinander und achtete darauf, dass ihr Rock zwar ein bisschen, aber keinesfalls zu weit hinaufrutschte. Dann legte sie den Block auf ihr Knie und schaute mit einem erwartungsvollen Lächeln zu Charles auf. Aber er war noch immer mit den Papieren auf dem Tisch vor ihm beschäftigt.

„Notieren Sie das Folgende so, wie ich es sage: Holly Baskin, ehemalige Vassar-Studentin, bitte C. W. anrufen.“

Jane sah auf. „Ja?.“

„Das ist alles. Tippen Sie das, und bringen Sie es morgen früh in die Anzeigenannahme von ‚Attitudes‘. Ich möchte, dass es in der Ausgabe vom achtzehnten Dezember erscheint.“

„In der Rubrik mit den Privatanzeigen?“

„Ja.“

„Holly Baskin?“

Er buchstabierte langsam beide Namen. Dann sah er Jane an. Oder streifte sie vielmehr mit einem Blick. Doch davon ließ sie sich nicht täuschen. Sie hatte die Leidenschaft in seinem Blick gesehen. Er liebte sie. Er wusste es nur noch nicht.

Wer mochte diese Holly Baskin sein? Warum sollte Charles sie durch eine Kontaktanzeige suchen müssen? Attitudes war eins der anspruchsvolleren Magazine, auf Hochglanzpapier gedruckt, ein absolutes Muss für Insider. Jane kaufte die Zeitschrift hin und wieder, wenn sie es sich erlauben konnte, und schnitt Bilder aus von Dingen, die sie sich für ihr Traumhaus wünschte.

Aber das tat jetzt nichts zur Sache. Wichtig war jetzt nur das Inserat. War diese Holly Baskin eine alte Freundin aus Charles’ Zeit in Harvard? Eine Geschäftsfreundin? Oder gar eine Geliebte? Himmel, bloß nicht das!

Jane sah Charles prüfend an, doch sein Gesichtsausdruck war unergründlich.

„Miss Dobson?“

„Ja?“

„Worauf warten Sie noch?“

Sie riss sich zusammen und versuchte, nicht zu betreten auszusehen, als sie aufstand und zur Tür ging. Sie spürte Charles’ Blick auf sich, als sie nach dem Türknauf griff und dabei ihren Notizblock fallen ließ, doch als sie sich danach bückte und rasch zu ihm hinübersah, hatte er sich schon wieder seinen Papieren zugewandt. Sie huschte hinaus, zog die Tür hinter sich zu und lehnte sich an den Rahmen.

Das war kein guter Auftritt gewesen. Charles brachte sie durcheinander. Natürlich war das keine Absicht; im Grunde genommen war es ihre eigene Schuld. Aber könnte er sie nicht wenigstens einmal anlächeln?

Auf dem Weg zu ihrem Schreibtisch sah sie sich noch einmal den Namen auf ihrem Notizblock an. Holly Baskin. Der Name passte irgendwie nicht zu Charles. Ein Mann in seiner Position brauchte eine Frau mit einem stärkeren, traditionelleren Namen. Wie beispielsweise Jane.

Das Telefon klingelte, und Jane nahm ab. „Büro Mr. Warren.“

„Hi, Janey.“

„Oh, hi, Darra.“ Jane setzte sich. „Wie geht es dir?“

„Fabelhaft. Hör mal, ich wollte dir nur sagen, dass wir am Sonntag in drei Wochen ein weiteres Restaurant eröffnen. Es liegt ganz in der Nähe deiner Firma.“

Jane runzelte die Stirn. Darra hatte sie noch nie zu einem dieser Anlässe eingeladen, bei denen es von Prominenten nur so wimmelte. Sie und drei andere Models, mit deren gemeinsamem Einkommen man die gesamte Staatsverschuldung hätte tilgen können, hatten fünf Restaurants eröffnet und sie „Haute Couture“ genannt. Bisher hatten sie es ohne Janes Präsenz geschafft, wieso also auf einmal diese Einladung?

„Jane? Bist du noch da?“

„Ja.“

„Gut. Würdest du gern kommen?“

„Ich?“

„Natürlich du, Dummchen. Es wird Zeit, dass du siehst, womit ich mich in letzter Zeit beschäftigt habe.“

„Ich war schon in eurem Restaurant in SoHo.“

„Wirklich?“ Darra räusperte sich, aber bei ihr klang es kultiviert, ja sogar sexy. „Gefällt es dir?“

„Es ist hübsch. Sehr … modern.“

„Gut. Dann kann ich also mit dir rechnen?“

„Ich denke schon. Wann eröffnet ihr?“

„Am dreiundzwanzigsten Dezember. Das ist ein Sonntag.“

Jane hatte schon ihren Kalender umgeblättert und gesehen, dass für den Dreiundzwanzigsten nichts eingetragen war. Tatsächlich sogar für die ganze Woche nichts.

„Und noch etwas, Janey.“

„Ja?“

„Könntest du nicht deinen Chef fragen, ob er mitkommen will? Als unser Gast natürlich.“

Ein Gefühl durchzuckte Jane, das ihr so vertraut war wie das Atmen: Enttäuschung, die Begleiterin seit ihrer frühesten Kindheit. „Mr. Warren ist derzeit sehr beschäftigt“, sagte sie.

„Aber könntest du ihn nicht wenigstens fragen?“

„Warum?“

„Weil … na ja, weil er genau die Art von Klientel ist, die wir suchen. Wenn es ihm gefällt, kommt er vielleicht wieder und bringt seine Freunde mit.“

„Er kann nicht.“

„Er kann was nicht?“

„Kommen. Ich habe gerade in seinem Kalender nachgesehen. Er wird am Dreiundzwanzigsten im Ausland sein.“

„Verdammt.“

„Aber ich werde es ihm sagen, wenn er wiederkommt.“

„Danke“, sagte Darra, und in Gedanken sah Jane, wie ihre Schwester einen Schmollmund zog, der beinahe ihr Markenzeichen war. Die „bezaubernde“ Darra, deren Gesicht Jane von Plakatsäulen in ganz Manhattan zu verfolgen schien.

„Leg es dahin.“

Jane wollte schon fragen, was ihre Schwester meinte, merkte dann aber, dass die Bemerkung nicht an sie gerichtet war. Wahrscheinlich sprach Darra mit ihrem Freund. Guy, oder „Gi“, wie er es aussprach, als wäre er Franzose, obwohl Jane wusste, dass er in Omaha, Nebraska, aufgewachsen war. Auch gut. „Gi“ passte wahrscheinlich besser zu Darra, die auch nicht Darra hieß, sondern Darlene.

„Ich muss los, Janey. Ich ruf bald wieder an.“

„Bye“, sagte sie, doch die Leitung war schon tot. Dabei war Darra gar nicht absichtlich gemein. Sie meinte es nicht böse. Sie hatte bloß ein eher kurzsichtiges Bild der Welt. Sie pfiff auf Kopernikus; für Darra war Darra der Mittelpunkt des Universums. Oder zumindest doch, solange sie nicht in der Nähe ihrer anderen Schwestern war.

Die fabelhaften Dobson-Mädchen. Janes älteste Schwester, Pru, hatte gerade eine triumphale Tournee mit dem Bostoner Symphonieorchester beendet. Vor ein paar Tagen hatte Jane in der Times einen Artikel über sie gelesen, in dem über den Diebstahl ihrer kostbaren Violine berichtet wurde. Sie tauchte am nächsten Tag jedoch schon wieder auf, und Jane hätte um den Preis der Stradivari wetten mögen, dass Pru das Instrument wahrscheinlich nur verlegt hatte. Sie war bekannt für ihre Vergesslichkeit.

Und dann Felicity. Sie war zwei Jahre jünger als Pru und stand schon auf der Bestsellerliste der Zeitung „USA Today“. „Die Romanautorin unserer Generation“, proklamierte das „People’s Magazine“. Jane wusste nur, dass Felicity ihre letzten drei Briefe nicht beantwortet hatte.

Darra war die Nächste. Sie hatte mit vierzehn zu modeln begonnen, dann kam ein Titelfoto auf „Sports Illustrated“, und seitdem war sie ein „Supermodel“. Als wenn das eine Berufsbezeichnung wäre.

Drei schöne, talentierte Mädchen hintereinander – und dann Jane. Die unmusikalische, nur durchschnittlich hübsche, mittelmäßige Jane, die in der New Yorker Gesellschaft am bekanntesten dafür war, dass sie nicht wie ihre Schwestern war. Wenn sie überhaupt einmal erwähnt wurde, dann meist wegen ihrer ausgefallenen Hüte.

Ihre Hüte.

Seufzend unterbrach Jane ihre Überlegungen und wandte sich einem interessanteren Thema zu. Holly Baskin. Wer war sie? Warum hatte Charles ihre Telefonnummer nicht? Welche Rolle mochte sie in seiner Vergangenheit gespielt haben? War sie schön? Natürlich war sie das.

Jane tippte das Inserat, druckte es aus und befand, dass es sehr schlecht formuliert war. Eine derart nüchterne Bitte würde gewiss nicht Hollys Neugier wecken. Was die Anzeige brauchte, war etwas mehr Pep.

Ihre Finger flogen über die Tastatur, während sie immer wieder tippte und löschte, bis sie das ideale Inserat zu haben glaubte. Dann rief sie in der Redaktion der Zeitschrift an, um Adresse und Öffnungszeiten der Anzeigenannahmestelle herauszufinden. Natürlich hätte sie das Inserat auch per Telefon oder E-Mail aufgeben können, doch das war ihr zu unpersönlich. Schließlich ging es hier um Charles.

Holly Baskin … Jane konnte sich irgendwie nicht vorstellen, dass Charles eine Frau mit einem solchen Namen liebte. Aber was war, wenn er es doch tat?

Während Jane bei der Anzeigenannahme von Attitudes wartete, las sie ihre Anzeige, dann Charles’ und noch mal ihre. Ihre war poetisch, aufrichtig, bewegend, seine kalt und nüchtern. Sie versuchte, sich in Holly Baskin zu versetzen. Die Anzeige in ihrer linken Hand – die, die sie selbst entworfen hatte – würde Miss Baskins Interesse augenblicklich wecken. Sie würde sie bestimmt nicht übersehen. Aber seine? Sie klang so furchtbar unromantisch.

Endlich war Jane an der Reihe. Die Frau hinter dem Schalter schien ihre Arbeit nicht zu mögen. Sie hatte nicht ein einziges Mal gelächelt und permanent die Stirn gerunzelt.

„Ich möchte eine Anzeige aufgeben.“

Die Frau blickte sie missbilligend an. „Haben Sie sie schon geschrieben?“

Jane nickte und wusste, dass sie nun eine Entscheidung treffen musste.

„Nun? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“

Jane wusste, dass ihre selbst formulierte Anzeige Holly in Charles’ Leben zurückbringen würde.

Sie hob die rechte Hand und gab der Frau den anderen Text.

Der Dow Jones war um fünf Punkte gesunken, und Charles hatte fürchterliche Kopfschmerzen.

Es war kurz vor Mitternacht. Vielleicht sollte er ein Aspirin nehmen und für heute Schluss machen. Er betrachtete die auf dem Bett verstreuten Unterlagen. Wenn er jetzt aufhörte, würde er morgen früh noch mehr zu tun haben.

Er entschied sich jedoch für das Aspirin. Nachdem er seinen Laptop vom Schoß genommen hatte, ging er ins Bad. Vierzehn Millionen für den Riverside-Komplex, und das war erst der Anfang. Die Architekturfirma war gut, der Prospekt fantastisch, und dennoch hatte er ein ungutes Gefühl bei dem Geschäft. Was immer es auch sein mochte, was ihm dieses Unbehagen einflößte, er hoffte, dass es ihm bald bewusst wurde. Der Vertrag sollte am Einundzwanzigsten unterschrieben werden.

Er schaltete das Licht im Bad ein und öffnete das Arzneischränkchen. Die Aspirinflasche teilte sich den Platz mit diversen Mitteln gegen zu viel Magensäure; der Rest des Schranks war leer. Die Frauen in seinem Leben versuchten ständig, diesen Schrank zu füllen, und Charles hatte schon Unmengen von homöopathischen Mitteln, Eau de Colognes und gelegentlich sogar feminine Hygieneprodukte weggeworfen. Nach einer Weile schien seine Haushälterin die Botschaft verstanden zu haben. Und da sie gegenwärtig die einzige Frau in seinem Leben war, hatte er endlich wieder einen leeren Badezimmerschrank.

Er nahm drei Aspirin, ging zurück ins Bett und vertiefte sich wieder in die Unterlagen des Riverside-Deals.

Fünf Minuten später klingelte das Telefon. Charles seufzte. Es gab nur zwei Menschen auf der Welt, die ihn um diese Zeit anriefen. Entweder sein Freund David oder seine Mutter von ihrem Kreuzfahrtschiff. Er hoffte, dass es David war.

„Liebling, du wirst es nie erraten!“

„Hallo, Mutter.“

„Ich habe gewonnen!“

„Was hast du gewonnen?“

„Einen Kostümwettbewerb. Ich habe den ersten Preis gewonnen. Die Leute haben geklatscht wie wild. Oh Charles, ich wünschte, du wärst da gewesen!“

„Ja, ich auch.“ Sein Blick glitt zu dem Stapel Unterlagen auf seinem Schoß und dann zur Uhr. Widerstand war sinnlos. Er würde morgen einfach eine halbe Stunde früher aufstehen. Seufzend schloss er die Akte und lehnte sich zurück. „Erzähl mir alles, Mutter“, sagte er.

Und das tat sie. In allen Einzelheiten. Wenn sie innehielt, um Luft zu holen, sagte er rasch etwas, um ihr zu zeigen, dass er noch zuhörte.

In Wahrheit jedoch war er in Gedanken ganz woanders, bei seinem Arbeitstag und dem Entschluss, den er am vergangenen Freitag gefasst hatte. Während seine Mutter von den Hors d’ouvres schwärmte, spielte Charles mit dem Gedanken, ihr davon zu erzählen. Was für einen Aufstand er damit auslösen würde! Sie würde ihm raten, Holly zu vergessen. Und ihm sagen, er brauche jemanden, der ein Herz besaß. Und eine Seele. Seine Mutter legte sehr viel Wert auf „Seele“.

Sie würde nicht verstehen, dass Holly genau dem entsprach, was er brauchte. Hollys nüchterne Einstellung zum Leben kam ihm sehr gelegen. Sie war eine hervorragende Gastgeberin und verstand genug vom Geschäft, um jedes Dinnergespräch in Gang zu halten. Außerdem war sie attraktiv und stammte aus einer sehr guten Familie.

Das Einzige, woran er sich nicht mehr so genau erinnerte, war, aus welchem Grund sie sich damals getrennt hatten. Es war schon einige Jahre her. Wahrscheinlich hatte es etwas mit dem Tod seines Vaters zu tun gehabt. Das war eine schwierige Zeit für Charles gewesen. Aber er hatte sie durchgestanden, die Firma übernommen und sich um seine Mutter gekümmert. Nun wurde es Zeit für die nächste Phase, für eine Ehefrau und Kinder. Sein zweiunddreißigster Geburtstag rückte näher, und bis dahin wollte er verheiratet sein.

Alles hing davon ab, ob Holly dieses Magazin noch immer las. Wieso sie bei ihrem letzten Vermieter keine Adresse oder Telefonnummer hinterlassen hatte, war ihm unerklärlich. Ihre Eltern waren vor einigen Jahren verstorben, und sie hatte keine Geschwister. Er hatte versucht, sie durch den Studentenverband, den Harvard-Club, zu finden. Er hatte sogar das „Le Cirque“ angerufen und den Maître gefragt, ob er sie gesehen hätte.

Charles wusste lediglich, dass sie im Ausland gelebt hatte. Vielleicht war sie inzwischen wieder in den Staaten, vielleicht aber auch nicht. Aber egal, wo sie war, sie würde auf jeden Fall Attitudes lesen. Als er sie gekannt hatte, war dieses Magazin ihre bevorzugte Lektüre gewesen.

„Liebling?“

„Ja, Mutter?“

„Du hast meine Frage nicht beantwortet. Liest du das Wall Street Journal, während ich mit dir rede?“

„Nein. Natürlich nicht. Ich war wegen meiner Kopfschmerzen nur ein bisschen abwesend.“

„Hast du etwas dagegen genommen?“

„Ja.“

„Kamillentee wirkt Wunder. Du solltest dir gleich eine Tasse aufbrühen.“

„Gute Idee. Sobald wir unser Gespräch beendet haben, tue ich das.“

Sie seufzte. „Bestimmt nicht. Aber was kann ich schon daran ändern, nicht?“

„Wie meinst du das?“

„Ich meine, dass du mich für eine Frau mit verrückten Ideen hältst. Wie in meinem Alter an einem Kostümwettbewerb teilzunehmen beispielsweise.“

„Wenn es dir Freude macht, ist das in Ordnung. Du hast ein bisschen Spaß verdient, Mutter.“

„Ja, das finde ich auch. Kim und Molly passen übrigens sehr gut auf mich auf. Du brauchst dich also nicht um mich zu sorgen.“

Er verzog das Gesicht. Von Kim und Molly sollte sie eigentlich gar nichts wissen. Er hatte die beiden engagiert, um seine Mutter diskret im Auge zu behalten. Aber sehr professionell waren die beiden scheinbar nicht.

„Schon gut“, sagte sie. „Du wusstest doch, dass ich es früher oder später merken würde. Du bist sehr berechenbar, mein Lieber. Und nun geh schlafen. Es ist schon spät, und du brauchst deinen Schlaf.“

„Gute Nacht, Mutter.“

„Ich rufe dich bald wieder an.“

Er legte den Hörer auf und überlegte, ob er die Riverside-Akte noch einmal durchsehen sollte. Doch ausnahmsweise einmal tat er das, was seine Mutter ihm geraten hatte, und legte die Unterlagen weg.

Vor dem Einschlafen versuchte er, sich an die Einzelheiten seines Bruchs mit Holly zu erinnern. Die Trennung war von ihm ausgegangen, das wusste er noch, aber nicht, aus welchem Grund. Doch es war bestimmt nichts Wichtiges gewesen. Holly würde seinen Kindern eine gute Mutter sein. Und eine gute Ehefrau für ihn. Und wenn sein Gedächtnis ihn nicht trog, war sie auch nicht schlecht im Bett.

Er hoffte nur, dass sie sich bald meldete, denn sonst würde er einen Detektiv einschalten müssen. Charles wollte schnellstens heiraten. Wenn er Holly nicht finden konnte, musste er sich nach jemand anderem umsehen. Der Gedanke ließ ihn schaudern.

Alles wäre einfacher gewesen, wenn Mrs. Robinson nicht über die Feiertage nach Idaho gefahren wäre. Seine Arbeit wurde erledigt, aber alles nahm erheblich mehr als sonst von seiner Zeit in Anspruch. Wenigstens beherrschte dieses Mädchen – wie war doch noch ihr Name? Joan? – die englische Sprache und machte keine Tippfehler. Klar, viel war das natürlich nicht. Aber er hatte noch nie viel Glück gehabt mit Angestellten. Und für den Augenblick genügte Joan ihm.

2. KAPITEL

An dem Tag, an dem das Inserat erscheinen sollte, stand Jane schon bei Sonnenaufgang auf. Sie hatte wundervolle Träume in der Nacht gehabt, von Charles und ihr. Die Weihnachtszeit schien bei ihm etwas bewirkt zu haben – oder vielleicht auch ihre Nähe? Wahrscheinlich beides. In ihrem Traum war er jedenfalls sehr zärtlich zu ihr gewesen.

Mit einem wohligen kleinen Erschauern schlug Jane die Decken zurück, setzte sich auf und angelte mit den Füßen nach ihren warmen Fellpantoffeln. Der Boden war morgens immer schrecklich kalt, aber sie konnte es sich nicht leisten, das Apartment nachts zu heizen. Manhattan mochte eine zauberhafte Stadt sein, doch sie war sehr, sehr teuer. Jane hätte Kosten sparen können, wenn sie sich mit jemandem eine Wohnung geteilt hätte, aber das war nichts für sie. Sie brauchte ihre Privatsphäre, und zumindest die bot ihr das kleine Apartment.

Zähneklappernd ging sie auf die Toilette. Es war der kälteste Raum in ihrer Wohnung, aber sie hatte ein System erfunden, wie sie nie den kalten Sitz berühren musste. Sehr erfinderisch. Das musste man in New York auch sein. Erfinderisch und warmblütig.

Danach ging sie über den schmalen Korridor ins Wohnzimmer, und ihr Blick fiel auf die Couch mit dem wunderschönen alten Teppich davor, den sie auf einem Trödelmarkt gefunden hatte. Daneben stand der Baum, ihr Weihnachtsbaum, der ein bisschen schief war und weniger Nadeln hatte, als er hätte haben sollen, aber liebevoll geschmückt war. Sie hatte Schleifen gebunden und kleine Stoffbeutel darangehängt, die mit Süßigkeiten gefüllt waren. Aus Stoffresten hatte sie zauberhafte Bilderrahmen genäht für Fotos von Menschen, die ihr nahe standen und diese dann ebenfalls am Baum befestigt.

Charles’ Bild nahm natürlich den Ehrenplatz ein. Obwohl keine der Dekorationen mehr als fünf Cent auf dem Flohmarkt eingebracht hätte, bedeuteten sie Jane sehr viel, und nur das war schließlich wichtig.

Was machte es schon, wenn andere nicht sehen konnten, was sie sah? Vielleicht glaubten manche Menschen, bei ihr sei eine Schraube locker. Ihre Fantasien bewirkten Wunder, und das war es, was das Aufstehen jeden Morgen lohnend für sie machte.

So war es immer schon gewesen. Ihre Eltern hatten sie nie verstanden. Sie hatten ihr sorgenfreies Leben in Long Island gehabt, in dem sich alles um die richtigen Schulen, die richtigen Kleider und die richtigen Freunde drehte. Ihre Mutter hatte Großes vorgehabt mit ihren Töchtern, und nur Jane hatte ihre Erwartungen enttäuscht. Jane hatte versucht, ein Jurastudium zu beginnen, aber dann gemerkt, dass das nichts für sie war. In den Vorlesungen hatte sie geträumt und sich eine Menge Schwierigkeiten eingehandelt. Was machte es schon, wenn sie ihren Platz im Leben noch nicht gefunden hatte? Ihr blieb schließlich noch Zeit genug. Mit sechsundzwanzig hatte sie noch ihr ganzes Leben vor sich.

Es beunruhigte sie höchstens manchmal, dass sie zu viel Zeit damit vergeudete, an Charles zu denken. Denn trotz ihrer romantischen Art, das Leben zu betrachten, war sie letzten Endes doch nur Jane. Nicht Pru, nicht Felicity und auch nicht Darra. Nur Jane. Vielleicht wäre es daher also praktischer, von Männern zu träumen, bei denen sie auch eine Chance hätte.

Sie seufzte, als sie zur Küchenbar hinüberging, um die Kaffeemaschine einzustellen, und sich dann über den Tisch beugte, um die Dusche aufzudrehen. Es war eigentlich gar nicht so schlecht, dass die kleine Badewanne in der Küche war. So konnte sie ihr Frühstück zubereiten, während sie duschte. Sie fragte sich, was Charles wohl gerade tat. Seine Badezimmer waren vermutlich riesig, seine Küche größer als ihr ganzes Apartment. Nicht, dass sie schon bei ihm gewesen wäre – aber sie kannte schließlich ihn und seinen Geschmack. Es hätte sie nicht überrascht, wenn er eine dieser im Boden versenkten Badewannen hätte, mit Stufen und mit Whirlpool-Armaturen.

Sie ging zur Heizung und schlug ein paar Mal mit dem Eisenstab darauf, den sie in der Zweiundvierzigsten Straße gefunden hatte. Das Gurgeln aus dem Keller bedeutete, dass die Wärme auf dem Weg nach oben war. Dann ging sie zurück zur Dusche, deren Wasser inzwischen warm genug sein müsste, zog sich aus, stieg in die Wanne und zog den Vorhang um sich herum.

Während des Duschens vergaß sie ihren Weihnachtsbaum, vergaß, dass sie nur Jane war, und begann zu träumen, Charles wäre hier mit ihr unter der Dusche. Er wusch ihr Haar und streichelte sie mit seinen schlanken Fingern. Seufzend lehnte sie sich zurück und spürte, wie die Kraft aus ihren Knien wich, als sie an ihrem Rücken seinen nassen warmen Körper fühlte …

Charles rückte seine graue Seidenkrawatte zurecht. Die Freisprechanlage im Bad rauschte, während er darauf wartete, dass sich David wieder meldete.

„Bist du noch da?“

„Ja.“ Charles beendete seine Toilette. „Und in zwei Sekunden bin ich weg.“

„He, reg dich ab. Es war was Wichtiges.“

„Dein Kaffee?“

„Ja.“

„Himmel, David, du weißt …“

„Ich weiß, dass du morgens nicht gestört werden willst, aber es ging nicht anders. Ich muss wissen, was du Heiligabend tust.“

„Das ist erst in einer Woche. Ich weiß es noch nicht.“

„Was soll das heißen, du weißt es noch nicht? Dein Leben ist so weit vorausgeplant, dass du wahrscheinlich sogar deinen Todestag schon kennst.“

„Ich weiß es wirklich nicht, David.“

„Dann überleg es dir gefälligst. Sarah will, dass du zum Dinner kommst, und sie wird mir keine Ruhe lassen, bis ich es ihr bestätige.“

„Warum rätst du deiner Schwester nicht, mehr auszugehen?“

„Das aus dem Munde eines Mannes, der sein letztes Date vor über einem Jahr hatte, soviel ich weiß.“

„David, ich leg jetzt auf.“

„Warte. Sag mir zuerst, ob heute der große Tag ist.“

„Was für ein großer Tag?“

„An dem das Inserat erscheint.“

„Ja.“

Autor

Jo Leigh
<p>Seit Jo Leigh 1975 bei der großen Filmgesellschaft 20-Century-Fox als Lektorin in der Abteilung für Comedys einstieg, ist sie im Filmgeschäft zu Hause. Sie war für die Mediengesellschaften CBS, NBC und verschiedene andere große Produktionsfirmen tätig, wobei sie zunehmend Drehbücher konzeptionierte und bearbeitete. Kein Wunder, dass bei so viel Sachkenntnis...
Mehr erfahren