Zärtliche Küsse in Cornwall

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Ein Cottage in Cornwall! Überglücklich nimmt Rosie ihr unverhofftes Erbe an. Doch dann erfährt sie, wer ihr neuer Nachbar ist: ausgerechnet Angelo Di Capua! Der attraktive Multimillionär war ihre große Liebe, bis er sie vor drei Jahren plötzlich eiskalt abservierte …


  • Erscheinungstag 04.09.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751508452
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Rosie war noch nie bei einer Einäscherung gewesen. Ihr Vater, der vor acht Jahren gestorben war, war ganz normal beerdigt worden. Seine Freunde waren gekommen, um ihm Respekt zu zollen. Und er hatte überraschend viele Freunde gehabt, gemessen daran, dass er den Großteil seines Lebens damit verbracht hatte, die Welt tagein tagaus verzerrt durch den Boden eines Whiskyglases zu betrachten. Rosies eigene Freunde waren auch da gewesen, um sie moralisch zu unterstützen. Was sie mit ihren achtzehn Jahren auch dringend gebraucht hatte.

Ihr Vater war ein freundlicher Trinker gewesen. Beweis dafür waren die vielen Menschen, die damals an einem strahlenden Sommertag von ihm Abschied genommen hatten.

Aber diesmal …

Sie war spät angekommen. Es war bitterkalt, und aufgrund einiger Widrigkeiten hatte die Fahrt länger gedauert und war anstrengender gewesen als sonst. Wobei sie bewusst zu spät eintreffen wollte, um sich in die Kapelle schleichen und wieder verschwinden zu können, ehe die Zeremonie beendet war.

Als sie nun in der hintersten Ecke der Kapelle stand und sah, wie wenige Menschen gekommen waren, um an der Einäscherung von Amanda Di Capua, geborene Amanda Wheeler teilzunehmen, begann ihr Herz laut zu schlagen. Obwohl sie die Mühe auf sich genommen hatte, an der Zeremonie teilzunehmen, wollte sie jetzt so schnell wie möglich wieder verschwinden, doch ihre Beine schienen ihr nicht zu gehorchen. Sie trieben sie weiter zu der Gruppe, die vorne stand. Ihr Blick war fest auf den Mann gerichtet, der mit klarer Stimme zu den anderen sprach.

Natürlich war Angelo Di Capua da. Warum sollte sie so tun, als hätte sie ihn nicht gesehen? Kaum hatte sie die Kapelle betreten, war ihr Blick unweigerlich von ihm angezogen worden. Kein Wunder! Drei Jahre hatten nicht annähernd gereicht, um die Erinnerung daran zu löschen, wie umwerfend gut er aussah. Mit seiner imposanten Gestalt stach er aus jeder Menschenansammlung hervor.

Schon die ganze Woche über hatte sie eine furchtbare Anspannung gespürt. Im Grunde, seit sie telefonisch von Amandas Tod erfahren und sich entschlossen hatte, an der Trauerfeier teilzunehmen. Denn schließlich war Amanda früher ihre beste Freundin gewesen.

Rosie zwang sich, ruhig zu atmen, und zog ihren dicken Mantel fester um sich.

Wäre Jack doch nur mitgekommen. Aber der hatte auf keinen Fall dabei sein wollen. Denn seine Verbitterung gegenüber ihrer früheren, gemeinsamen Freundin war sogar noch größer als ihre eigene.

Die Andacht endete, während sie noch in Gedanken versunken war. Als die Menschen sich langsam zum Gehen wendeten, wurde ihr ganz elend. Angelo würde sicher zu ihr kommen, um mit ihr zu sprechen, denn selbst er besaß noch einen Rest von Höflichkeit. Sie zwang sich zu einem Lächeln und ging nach vorne zu den anderen, als wäre sie froh, sich zu ihnen gesellen zu können.

Angelo war unter ihnen. Der schöne, verführerische Angelo. Wie nahm er wohl den Tod seiner Frau auf? Und hatte er sie, Rosie, überhaupt schon bemerkt? Sie überlegte gerade, ob ihr doch noch Zeit blieb davonzulaufen, als eine junge Frau auf sie zukam, die Hand ausstreckte und sich als Lizzy Valance vorstellte.

„Ich habe Sie angerufen. Erinnern Sie sich?“ Sie wischte sich mit einem Taschentuch über die Augen und steckte es dann in den Ausschnitt ihres schwarzen Kleides, das sich über dem imposantesten Busen spannte, den Rosie je gesehen hatte.

„Ja. Natürlich …“

„Ich habe Ihren Namen in Mandys Adressbuch gefunden, außerdem war er in ihrem Handy gespeichert. Aber ich hätte mich sowieso mit Ihnen in Verbindung gesetzt, weil sie ständig von Ihnen gesprochen hat.“

„Ach ja?“ Rosie verzog den Mund. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Angelo mit dem Pfarrer sprach, während er einen verstohlenen Blick auf seine Uhr warf. Er wirkte nicht wie ein trauernder Ehemann, aber was wusste sie schon? Sie hatte ihn und Amanda lange nicht gesehen und hatte daher keine Ahnung, welches Leben sie geführt hatten. Vage nahm sie wahr, dass Lizzy sich weiter über die guten Zeiten zwischen Mandy und ihr ausließ, obwohl diese schönen Momente zum Schluss immer seltener geworden waren, weil Mandy ihren Alkoholkonsum nicht in den Griff bekommen hatte.

Rosie wollte von all dem nichts wissen. Sie wollte nichts hören von den Problemen und dem Leid ihrer ehemaligen Freundin. Es war lange vorbei, dass sie Mitleid mit Amanda verspürt hatte.

„Wie ist sie gestorben?“, unterbrach sie Lizzy abrupt. „Sie hatten nur etwas von einem Unfall gesagt. War noch jemand anders beteiligt?“ Sie sah, dass Angelo sein Gespräch mit dem Pfarrer beendet hatte und sich nun zu ihr umdrehte. Rosie konzentrierte sich auf die kleine, kurvige Brünette und gab sich gefasst, obwohl sie die Hände fest gegeneinanderpressen musste, um das Zittern zu bezwingen.

„Gott sei Dank nicht. Aber sie hatte getrunken. Es war schrecklich. Ich habe ihr immer wieder gesagt, dass sie Hilfe braucht, aber sie wollte nicht zugeben, dass sie ein Problem hat. Und sie war ja auch immer gut aufgelegt, wenn sie … Sie wissen schon …“

„Entschuldigen Sie, ich muss jetzt wirklich gehen.“

„Aber wir treffen uns doch alle in dem kleinen Pub, das in der Nähe ihres Hauses liegt.“

„Tut mir leid.“ Rosie spürte, wie Angelo auf sie zukam. Ihr wurde schwindelig.

Sie hätte nicht kommen sollen. Das Leben war schwer genug, und für Nostalgie war kein Platz. Sie, Jack und Amanda hatten eine gemeinsame Geschichte, die jedoch kein gutes Ende genommen hatte. Deshalb war es besser, keine schlafenden Hunde zu wecken.

Sie hatte gewusst, dass sie Angelo hier sehen würde. Wie hatte sie sich nur vormachen können, es würde ihr nichts ausmachen? Sie hatte ihm ihr Herz geschenkt, ohne Wenn und Aber. Er hatte ihr Geschenk angenommen, ihr das Herz gebrochen und sich dann mit ihrer besten Freundin eingelassen. Hatte sie wirklich geglaubt, all dies so weit überwunden zu haben, dass sie ihm wieder ins Gesicht blicken konnte?

Lizzy hatte sich inzwischen von ihr verabschiedet. Jetzt war sie die perfekte Zielscheibe für den Mann, der auf sie zusteuerte.

„Rosie Tom. Die Person, mit der ich am wenigsten gerechnet hätte. Oder vielleicht sollte ich besser sagen, die Person, die hier am wenigsten willkommen ist.“

Natürlich hatte er sie gesehen. Kaum hatte er sich nach der kurzen Andacht umgedreht, hatte er Rosie entdeckt. Alles in ihm hatte sich verspannt. Er verspürte Hass und war sich ihrer gleichzeitig sehr bewusst. Was ihn noch wütender machte als ihr Anblick.

In dem fahlen Winterlicht, das in die Kapelle fiel, sah sie umwerfend aus. Sie war groß und schlank, und ihr Haar leuchtete in diesem besonders auffallenden Rotton. Ihre cremeweiße makellose Haut schimmerte seidig, und ihre Augen hatten die Farbe von Sherry.

Sie besaß diese überirdische Schönheit, die Männer um den Verstand brachte. Wütend presste Angelo die Lippen zusammen, während er dagegen ankämpfte, sich von der Vergangenheit überwältigen zu lassen und mehr zu sagen, als er wollte.

„Dies ist ein öffentlicher Ort“, sagte Rosie kühl. „Vielleicht bin ich dir nicht willkommen, aber ich habe jedes Recht dazu, Amanda die letzte Ehre zu erweisen.“

„Dass ich nicht lache. Du und Amanda, ihr seid als Erzfeinde auseinandergegangen. Wie hast du überhaupt von ihrem Tod erfahren?“

Sie trug die Haare jetzt kürzer. Als er sie das letzte Mal gesehen hatte, hatte ihre Haarpracht sich über ihre Schultern und den Rücken ergossen. Jetzt lockte sie sich in einem angedeuteten Bob gerade einmal bis zur Schulter.

„Ihre Freundin Lizzy hat mich angerufen.“

„Und da ist dir sofort der Gedanke gekommen, das Kriegsbeil zu begraben und hier Krokodilstränen zu vergießen? Ich bitte dich!“

Rosie atmete tief durch. Sie merkte, dass sie ihn nicht einmal richtig ansehen konnte. Zu viele Erinnerungen. Obwohl es eigentlich egal war, ob sie ihn ansah oder nicht, denn sein Bild hatte sich für immer in ihre Seele eingebrannt. Das rabenschwarze Haar, die wunderschönen grünen Augen, der schlanke, muskulöse Körper.

„Ich hatte nicht vor zu weinen“, gab sie ruhig zurück. „Aber wir sind zusammen aufgewachsen. Und ich denke, ich sollte jetzt gehen. Ich wollte nur … Was auch immer geschehen ist, Angelo, es tut mir leid, dass du sie verloren hast.“

Angelo warf den Kopf zurück und lachte kurz auf. „Es tut dir leid? Wir sollten besser nach draußen gehen, Rosie. Da kann ich wenigstens ungeniert lachen.“

Ehe sie protestieren konnte, hatte er ihren Arm umklammert und zog sie ins Freie. Ihr Atem ging stoßweise, und sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.

„Du tust mir weh.“

„Ach ja? Ehrlich gesagt, ist es mir egal.“ Inzwischen standen sie sich draußen in der bitteren Kälte gegenüber. „Also, warum zum Teufel bist du hier?“

„Das sagte ich bereits. Ich weiß, dass viel passiert ist, aber Amanda und ich haben einiges miteinander erlebt. Wir waren seit der Grundschule befreundet, und es tut mir leid, wie sich die Dinge entwickelt haben …“

In der Dunkelheit konnte sie seine Miene nicht ausmachen. Das musste sie auch nicht, denn der schneidende Klang seiner Stimme sagte ihr genug. Es war ein großer Fehler gewesen, hierherzukommen.

„Das nehme ich dir nicht ab. Du bist nur auf Geld aus, und wenn du glaubst, hier sei etwas zu holen, dann irrst du dich.“

„Wie kannst du es wagen.“

„Lass das Getue, Rosie. Wir wissen doch beide, was dahintersteckt. Ich hätte wissen müssen, dass ich von einer halb nackten Kellnerin, die ich einmal zufällig in einer Cocktailbar getroffen habe, nicht mehr erwarten kann.“

Rosie sah rot. Unwillkürlich schnellte ihre Hand nach oben, und sie schlug ihm auf die Wange. Ehe sie zurückweichen konnte, hatte er ihr Handgelenk umklammert und zog sie an sich, sodass sie seinen einzigartig männlichen Duft riechen konnte, den sie immer so berauschend gefunden hatte.

„Wenn ich du wäre, würde ich das nicht noch einmal versuchen.“

„Tut mir leid“, murmelte sie, entsetzt über ihren Mangel an Selbstbeherrschung. Doch noch mehr schockierte sie, wie ihr Körper auf seine Nähe reagierte. Sie versuchte, sich aus seinem Klammergriff zu befreien, doch so plötzlich er ihre Hand umfasst hatte, ließ er sie auch wieder los und trat zurück.

„Ich schätze es nur nicht, als geldgierig bezeichnet zu werden. Ich bin nicht gekommen, um zu sehen, was ich herausschlagen kann, Angelo. Du musst verrückt sein, wenn du auch nur einen Moment glaubst, dass ich …“

„Einmal Opportunistin, immer Opportunistin.“

„Ich habe dir bereits gesagt, dass ich …“

„Das hast du zur Genüge, Rosie. Aber ich will mich nicht noch einmal darauf einlassen.“ Sein Mund verzog sich zu einem zynischen Lächeln. Trotz seines großen Abscheus und der Verbitterung, die sich in all den Jahren angestaut hatte, konnte Angelo seinen Blick nicht von ihrem Gesicht abwenden. Und er konnte auch nichts dagegen tun, dass er auf sie reagierte, als er ihren geschmeidigen Körper so nah an seinem spürte.

„Ich bin nicht hier, um mit dir zu streiten, Angelo.“

„Schön.“ Er zuckte die Schultern und wirkte in diesem Moment unglaublich anziehend.

Von Anfang an hatte es Rosie bei seinem Anblick die Sprache verschlagen. Seit mehr als einem Jahr hatte sie damals schon in London als Kellnerin in einem exklusiven Club gearbeitet. Schnell hatte sie herausgefunden, dass die meisten gutbetuchten Männer, die dort verkehrten, eine heimliche Affäre hatten oder auf der Suche danach waren. Nicht einmal in der heruntergekommenen Siedlung, in der sie aufgewachsen war, hatte sie so viele ungewollte Annäherungsversuche abwehren müssen.

Es war nicht genau das, was sie sich erträumt hatte, als sie ihr altes Leben hinter sich gelassen hatte. Ein Leben, das ihr keine Hoffnung und zu wenig Chancen bot. Während sie heranwuchs, malte sie sich aus, einmal in den besten Restaurants zu arbeiten. Sie würde sich von ganz unten hoch kämpfen. Ihr Ziel war es, als Köchin zu arbeiten, denn sie liebte das Kochen. Doch in den exklusiven Restaurants war sie zurückgewiesen worden. Haben Sie irgendwelche Qualifikationen? Oder waren Sie auf einer Kochschule? Nein? Nun ja … tut uns leid. Rufen Sie nicht an, wir melden uns, falls sich etwas ergibt …

Am Ende fand sie sich knapp bekleidet in einer Bar wieder und servierte überteuerte Drinks an übergewichtige Geschäftsmänner. Ihr gutes Aussehen sicherte ihr ein großzügiges Trinkgeld. Was blieb ihr auch anderes übrig? Sie brauchte das Geld. Und dann eines späten Abends, sie war schon zum Umfallen müde, war Angelo Di Capua aufgetaucht. Groß, ungeheuer männlich, begleitet von sechs gut gekleideten Geschäftspartnern, trug er eine gelangweilte Miene zur Schau. In diesem Moment war ihr Schicksal besiegelt worden.

Als sie wieder aus ihren Erinnerungen auftauchte, merkte sie, dass Angelo sie mit kaltem Blick ansah.

„Du willst also höfliche Konversation machen?“ Angelo schenkte ihr ein eisiges Lächeln, das ihr einen Schauer über den Rücken jagte. „Na schön. Was hast du denn die letzten Jahre so gemacht? Bist du durch die Cocktailbars gezogen, auf der Suche nach reichen Männern?“

„Das habe ich nie getan.“

„Es gibt so vieles, in dem wir nicht einer Meinung sind.“ Obwohl es nicht immer so gewesen war. Ehe alles in die Brüche ging, hatte er überlegt, dass sie das Beste war, was ihm je passiert war. Allein der Gedanke daran schmerzte ihn tief im Inneren.

„Ich … ich habe eine ganze Weile nicht gekellnert“, erklärte Rosie, darum bemüht, sich so zurückhaltend und höflich wie möglich zu geben. Sie wusste, dass sie eigentlich gehen sollte. Und doch drängte es sie zu bleiben, weil sie noch ein bisschen länger seine Nähe genießen wollte.

„Ich habe vor ein paar Jahren meinen Abschluss auf einer Kochschule gemacht. Seitdem arbeite ich in einem der besten Restaurants von London. Es ist harte Arbeit, aber es macht mir Spaß.“

„Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass du dich hinter die Kulissen zurückgezogen hast. Und dass du dich mit einem bescheidenen Gehalt zufrieden gibst statt der großzügigen Trinkgelder, die dir deinen ausschweifenden Lebensstil gesichert haben.“

Rosies Wangen brannten. „Mich interessiert nicht, ob du dir das vorstellen kannst oder nicht. Es ist die Wahrheit. Du weißt, dass ich schon immer als Köchin arbeiten wollte.“

„Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört daran zu glauben, dass ich irgendetwas über dich wüsste. Aber du hast recht. Warum Zeit auf einen kleinen Lebensabschnitt verschwenden, der für die Gegenwart keine Bedeutung hat. Also lass uns das Thema wechseln. Hast du dir schon einen Kerl geangelt? Ich glaube kaum, dass du nach all der Zeit immer noch allein bist.“

Angelo wusste nicht, was ihn zu dieser Frage getrieben hatte, aber warum sollte er sich etwas vormachen? Denn diese Frage hatte er sich die letzten Jahre immer wieder gestellt. Obwohl ihm überhaupt nicht gefiel, dass es ihn interessierte, zumal bei einer Frau, die er endgültig aus seinem Leben gestrichen hatte. Und trotzdem hatte ihn das Thema nie losgelassen.

Rosie erstarrte. „Ich bin immer noch Single.“ Sie versuchte zu lachen, doch es klang unsicher.

Angelo sah sie eindringlich an. Auch wenn er sie so lange nicht gesehen hatte, konnte er immer noch an ihrer Stimme, den kurzen Pausen oder ihrem Zögern erkennen, was tatsächlich in ihr vorging. Also gab es einen Mann in ihrem Leben. Schweigen hing zwischen ihnen, nur unterbrochen von dem Gemurmel der Menschen, die darauf warteten, das Krematorium betreten zu können.

„Wieso glaube ich dir das nicht?“, fragte er leise. „Warum lügst du, Rosie? Denkst du, dass es mich auch nur im Geringsten interessiert, was du tust?“

„Ich weiß, dass es dir egal ist. Und es geht dich auch nichts an, ob ich jemandem habe oder nicht.“ Sie war versucht, ihm von Ian zu erzählen und so zu tun, als gäbe es jemandem in ihrem Leben. Aber sie schaffte es nicht zu lügen. Außerdem wurde ihr allein bei dem Gedanken an Ian übel.

„Ich sollte gehen“, sagte sie mit einem Anflug von Verzweiflung. Sie trat ein paar Schritte zurück und wäre beinahe gestolpert, weil sie es nicht mehr gewohnt war, Stöckelschuhe zu tragen.

„Gute Idee“, meinte Angelo. „Dann können wir endlich aufhören, so zu tun, als seien wir aneinander interessiert.“ Abrupt wandte er sich ab, kam jedoch nicht weiter, da die Gruppe, die eben das Krematorium verlassen hatte, ihm den Weg versperrte.

Rosie vermutete, dass sie sich zu irgendeinem Pub aufmachen würden. Sie sah, dass Lizzy ihr winkte, und fragte sich, was sie wohl denken mochte. Vielleicht, dass Amandas Freundin nach drei langen Jahren wieder auftauchte, Interesse heuchelte, um dann mit dem Ehemann der Verstorbenen zu verschwinden.

Hatte sie den anderen bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt, merkte sie jetzt, dass ein kleiner, rundlicher Mann sie beide anstarrte. Rosie zwang sich, gelassen zu bleiben. Gleich würde sie nach Hause fahren und das alles hier hinter sich lassen.

„Sie entschuldigen?“, sprach der Fremde sie in diesem Moment an.

Angelo grüßte den Mann knapp, und stellte die beiden einander vor. Es stellte sich heraus, dass James Foreman Anwalt war.

Er gab Rosie die Hand. „Kalt draußen, nicht wahr? Aber was soll man auch mitten im Februar erwarten?“ Plötzlich schien er sich daran zu erinnern, dass er sich bei einer Trauerfeier befand, und veränderte seine Tonlage ein wenig. „Wie schade, das Ganze. Entsetzlich schade.“

„Miss Tom hat es eilig, Foreman.“

Rosie nickte verlegen. „Eine von Amandas Freundinnen hat erwähnt, dass alle zusammen noch in ein Pub gehen. Aber ich fürchte, ich kann nicht mitkommen. Nach der langen Fahrt von East London hierher …“

„Natürlich, selbstverständlich. Aber ich muss mit Ihnen beiden kurz sprechen.“ Mit gerunzelter Stirn sah James Foreman sich um, wohl auf der Suche nach einem geeigneten Ort. Rosie war irritiert. Sie wollte nichts anderes als schleunigst verschwinden. Es war ein Fehler gewesen, hierherzukommen. Dieses Kapitel ihres Lebens sollte eigentlich abgeschlossen sein. Jetzt war es wieder aufgeschlagen worden, und die unerfreuliche Begegnung mit Angelo würde sie für Wochen beschäftigen.

„Um was geht’s, Foreman?“, fragte Angelo knapp.

„Ein Glücksfall, Sie beide hier zu treffen. Natürlich wusste ich, Mr. Di Capua, dass Sie hier sein würden, aber … lassen Sie es mich so sagen, Miss Tom. Auf diese Weise ersparen Sie mir, Sie suchen zu müssen … obwohl es nicht schwer gewesen wäre, Sie zu finden. Das gehört zu meinem Job.“

„Kommen Sie zur Sache, Foreman.“

„Es geht um ein Testament.“

Rosie hatte keine Ahnung, was das mit ihr zu tun haben sollte. Ihr Blick ging zu Angelo.

Ihr Gespräch eben hatte sich in ihr eingebrannt. Die Kälte in seinen Augen, die Verachtung in seiner Stimme, als er erklärte, nichts mehr mit ihr zu tun haben zu wollen. Fast ein Jahr lang hatte ihre Beziehung damals gedauert, es war das schönste Jahr ihres Lebens gewesen. Immer wieder hatte sie überlegt, warum dieser umwerfende, reiche und gebildete Mann ausgerechnet hinter ihr her war. Später hatte er ihr erzählt, dass er sie von Anfang an hatte küssen wollen, und dass er immer bekam, was er wollte. Rosie war im siebten Himmel gewesen.

Ansonsten war ihr Leben damals ganz und gar nicht so rosig gewesen. Jack hatte große Probleme gehabt und Amanda … Wie hatte ihr nur entgehen können, dass Amanda angesichts des Glücks ihrer besten Freundin Eifersucht und Verbitterung in sich anhäufte – eine explosive Mischung, die eines Tages in einer Horrorstory endete, aus der keiner unbeschadet herausgekommen war?

Während die Vergangenheit sie zu überwältigen drohte, redete James Foreman leise weiter und führte sie von der Kapelle zu einem Parkplatz, der im Dunkeln lag.

„Moment mal.“ Abrupt blieb Rosie stehen, und die beiden Männer drehten sich überrascht zu ihr. „Ich weiß nicht, was hier los ist, und es ist mir auch egal. Ich muss zurück nach Hause.“

„Hast du überhaupt zugehört, was Foreman gesagt hat?“

Nein, hatte sie nicht. „Amanda hat also ein Testament gemacht. Aber ich weiß nicht, was das mit mir zu tun haben soll. Ich habe sie seit mehr als drei Jahren nicht mehr gesehen.“ Entschuldigend sah sie den Anwalt an, der offensichtlich keine Ahnung hatte, was vor sich ging. „Wir hatten einen Streit, Mr. Foreman. Amanda und ich waren Freundinnen, aber dann ist etwas passiert. Ich bin nur gekommen, weil ich traurig darüber war, wie die Sache zwischen uns endete.“

„Ich weiß alles über diesen Streit, meine Liebe.“

„Ach ja? Wie das?“

„Ihre Freundin …“

„Exfreundin.“

„Ihre Exfreundin war eine sehr verletzliche und verwirrte junge Frau. Sie kam zu mir, als sie … nun, gewisse Schwierigkeiten hatte …“

„Schwierigkeiten? Welche Schwierigkeiten?“ Rosie lachte verbittert auf. Mandy hatte genau das bekommen, was sie wollte: Angelo Di Capua. „In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt“, hatte sie einmal zu Rosie gesagt, als sie fünfzehn waren. Und Rosie hatte miterleben müssen, dass ihre Freundin sich an diese Devise hielt.

„Im Moment will ich nicht mehr dazu sagen. Ich kenne ein kleines Bistro in der Nähe. Da sollte es zu dieser Zeit relativ ruhig sein. Lassen Sie uns dort hinfahren, dann ersparen Sie sich den Weg in mein Büro morgen. Mein Wagen steht hier auf dem Parkplatz, wir könnten also sofort losfahren. Ihr Fahrer kann Sie dann in etwa einer Stunde abholen, Mr. Di Capua.“

Sie waren schon fast an dem Wagen, als Rosie hörte, dass Angelo ungeduldig mit der Zunge schnalzte, dann telefonierte er kurz, ehe er sich auf den Beifahrersitz setzte und ihr die Rückbank überließ. Die kurze Fahrt verlief schweigend. Zwanzig Minuten später kamen sie in dem Lokal an, in dem es, wie Foreman vorausgesagt hatte, ziemlich leer war.

„Ich kann kaum glauben, dass Amanda ein Testament gemacht hat“, sagte Angelo, nachdem sie sich einen ruhigen Platz gesucht hatten. „Es gab doch niemanden in ihrem Leben. Zumindest niemanden von Bedeutung.“

„Sie wären überrascht“, murmelte James Foreman und sah beide mit aufmerksamem Blick an.

„Welche Schwierigkeiten waren das, von denen Sie gesprochen haben?“, brachte Rosie hervor. Angelos Hand, die auf dem Tisch lag, weckte Erinnerungen an früher. Ihr Mund wurde trocken, und sie fühlte Panik in sich aufsteigen.

„Ihre Freundin war eine emotionale junge Frau, die eine große Last mit sich herumtrug, mit der sie nur schwer fertig wurde. Sie kam wegen einer gewissen Liegenschaft zu mir, die sie besaß. Ich denke, Sie wissen, wovon ich spreche, Mr. Di Capua – ein Cottage in Cornwall.“ Mit einem verhaltenen Lächeln, in dem Mitgefühl lag, wandte er sich an Rosie. „Ich verstehe die Probleme, die sie beide hatten. Über die Jahre habe ich ein stabiles Verhältnis zu Ihrer Freundin entwickelt. Sie war eine bedürftige Seele, und ich wurde so etwas wie eine Vaterfigur für sie. Sie war oft bei meiner Frau und mir zum Essen. Wir haben beide unser Bestes getan, um ihr mit Rat und Tat …“

„Könnten Sie endlich zum Punkt kommen, Foreman?“

„Der Punkt ist der, dass das Cottage der bevorzugte Rückzugsort Ihrer Frau war. Sie hat dort Zuflucht gefunden.“

„Zuflucht wovor?“, fragte Rosie und sah zu Angelo, der plötzlich unangenehm berührt schien.

„Wir sind nicht hier, um über meine Ehe zu sprechen“, erklärte er scharf. „Sie ist oft zu diesem Cottage gefahren.“ Hastig wandte er seinen Blick von ihrem Gesicht ab. Weshalb brachte ihre Frage ihn überhaupt auf? War sein Hass auf sie dafür verantwortlich?

„Und das Cottage hat ihr gehört, zusammen mit den sechs Morgen Land, auf dem es steht. Sie werden sich erinnern, Mr. Di Capua, dass Ihre Frau kurz nach Ihrer Heirat darauf bestand, es ihr zu überlassen. Damit sie sich dort sicher fühlen konnte und die Gewissheit hatte, dass man es ihr nicht nehmen würde.“

„Ich erinnere mich“, sagte Angelo knapp. „Ich habe zugestimmt, weil mir das Anwesen daneben gehört. Also konnte ich ein Auge auf sie haben.“

„Ein Auge auf sie haben? Warum denn das, Angelo?“

„Deshalb.“ Langsam hob er wieder den Blick. Und wieder durchlebte er dieses Gefühlschaos. Seit Jahren hatte er nichts mehr gefühlt, war innerlich wie tot gewesen. „Amanda hatte ein Alkoholproblem. Sie liebte das Cottage, weil sie Ruhe und Frieden wollte. Auf der anderen Seite konnte ich sie wegen ihrer Sucht nicht ohne Aufsicht dort lassen. Sie wusste nicht, dass mir das Anwesen neben dem Cottage gehört. Ich habe immer sichergestellt, dass einer meiner Angestellten dort war und hin und wieder nach ihr gesehen hat.“

„Ich weiß immer noch nicht, warum sie angefangen hat zu trinken. Das passt so gar nicht zu ihr.“

„Willst du damit unterstellen, dass ich sie zum Trinken getrieben habe?“

„Natürlich nicht.“

„Das ist auch besser so. Denn ich habe dich nicht gebeten zu kommen. Du hast vor drei Jahren alle Brücken abgebrochen und daher kein Recht mehr, Erklärungen von mir zu verlangen.“

Rosie lief dunkelrot an. Sie vergaß, dass noch ein Dritter mit am Tisch saß. Für sie gab es in diesem Moment nur Angelo, der sie voller Feindseligkeit ansah.

„Du hast vergessen, dass ich überhaupt nicht hier sein will. Warum auch? Weshalb sollte ich noch mehr Zeit in deiner Gesellschaft verbringen wollen als notwendig?“

James Foreman räusperte sich, und Angelo war der Erste, der den Blick abwandte.

„Das Cottage“, sagte er knapp. „Kommen Sie endlich zum Punkt, Mann.“

„Sie hat Ihnen das Cottage vermacht, Miss Tom.“

Autor

Cathy Williams
<p>Cathy Willams glaubt fest daran, dass man praktisch alles erreichen kann, wenn man nur lang und hart genug dafür arbeitet. Sie selbst ist das beste Beispiel: Bevor sie vor elf Jahren ihre erste Romance schrieb, wusste sie nur wenig über deren Inhalte und fast nichts über die verschiedenen Schreibtechniken. Aber...
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