Zurück in den Armen des Bad Boys

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Schicksal? Allys Herz erbebt, als sie unverhofft ihrem Jugendschwarm Dominic LeGrand gegenübersteht. Gemeinsam haben sie einen unvergesslichen Sommer in Frankreich verbracht, voller Freiheit und Abenteuer. Schon damals war sie sich seiner dunklen Anziehung bewusst. Doch das ist Jahre her. Jetzt ist der ehemalige Bad Boy ein milliardenschwerer Investor, dem jedoch eins fehlt: eine Ehefrau. Was als reine Geschäftsbeziehung beginnt, wird rasch zu einer prickelnden Affäre. Kann es wirklich Liebe sein, wie Ally hofft? Doch Dominic verschweigt ihr etwas Dramatisches …


  • Erscheinungstag 27.12.2019
  • Bandnummer 2421
  • ISBN / Artikelnummer 9783733715755
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Aufruf für Fahrer Nähe ‚The Strand‘. Abholung bei Juwelier Mallow & Sons, Anlieferung in Bloomsbury.“

Alison Jones hielt nahe der Waterloo Bridge am Straßenrand, um die Stimme des Fahrdienstleiters wegen der schlechten Funkverbindung und des prasselnden Regens verstehen zu können.

Schon vor Stunden war der Feierabendverkehr im Londoner Westend ins Stocken geraten, und der kalte Regen hatte Allys Kleidung durchdrungen. Sie wünschte sich nur noch ein heißes Bad, um sich von den Strapazen eines weiteren Abends im Sattel auf den Straßen Sohos erholen zu können. Doch als sie den Aufruf verstanden hatte, drückte sie auf den Sendeknopf und rief: „Fahrer 524. Übernehme.“

Sie musste noch immer den Kredit für das Begräbnis ihrer Mutter vor vier Jahren abzahlen. Die Miete für ihr Zimmer in dem Haus in Whitechapel, das sie sich mit anderen Modedesign-Studenten teilte, war auch wieder fällig. Außerdem war sie ohnehin schon völlig durchnässt. Schlimmer konnte es nicht werden.

Der Fahrdienstleiter bestätigte die Übernahme des Auftrags. „Abzuholen ist ein Ehering. Abzuliefern bei Dominic LeGrand. Die Adresse lautet …“

Ally erstarrte. Die Adresse bekam sie kaum mit, denn der Name rief viele unangenehme Erinnerungen an den Sommer wach, in dem sie dreizehn geworden war. An den berauschenden Duft von Wildgräsern und Rosen. Die Sonne der Provence auf ihrer Haut. Pierre LeGrand, so attraktiv und charmant. Seine tiefe, väterliche Stimme.

„Nenn mich Papa, Alison.“

Das Lächeln ihrer Mutter, so sorglos und voller Hoffnung.

„Pierre ist der Richtige, Ally. Er liebt mich und wird für uns sorgen.“

Und an Dominic. Die Erinnerung an Pierres sechzehnjährigen Sohn war so lebendig, als hätte sie ihn erst gestern gesehen. Dabei war es zwölf Jahre her.

Dominic war gut aussehend und faszinierend. Die sinnlichen, stets zu einem frechen Lächeln verzogenen Lippen; die schokoladenbraunen Augen voller Wut und Geheimnisse; die mysteriöse sichelförmige Narbe über seiner linken Augenbraue; das extrem kurze, von der Sonne gebleichte blonde Haar. Wie ein gefallener Engel war er in jenem perfekten Sommer gelandet und hatte Gefahr und Aufregung mit sich gebracht.

„Ich kann den Job nicht übernehmen“, presste Ally hervor, als sie sich wieder an die letzte Nacht in der Provence erinnerte.

Das Gesicht ihrer Mutter – so traurig und verletzlich – der blaue Fleck auf ihrer Wange. Der widerliche Geruch von Lavendel und Gin. Die Stimme ihrer Mutter – hektisch, ängstlich und angetrunken.

„Etwas Schreckliches ist geschehen, Baby. Pierre ist sehr wütend auf mich und Dominic. Wir müssen gehen.“

Das Hupen eines Busses riss Ally aus ihren Gedanken. Nach der Beerdigung ihrer Mutter hatte sie endlich aufgehört, die Schrecken jener Nacht immer wieder zu durchleben. Sie war erleichtert gewesen, dass Monica Jones nun in Frieden ruhte.

Nein, sie wollte Dominic LeGrand nicht wiedersehen. Besonders da er nicht mehr der leichtsinnige Junge war, der in ihren unschuldigen Teenagerfantasien vor so langer Zeit immer die Hauptrolle gespielt hatte, sondern ein milliardenschwerer Bauunternehmer. Hatte ihn die Boulevardpresse nicht vor einem Jahr als notorischen Schürzenjäger bezeichnet, nachdem eine seiner Freundinnen die Geschichte ihrer Affäre für eine sechsstellige Summe verkauft hatte? Der Ehering musste für diese Mira sein, von der Ally vor einem Monat gelesen hatte.

„Ich habe den Auftrag gerade ins System eingegeben.“ Die Stimme des Fahrdienstleiters unterbrach Allys trübe Gedanken. „Entweder du übernimmst ihn, oder du bist deinen Job los. Überleg es dir.“

Ally atmete tief durch, um die aufkommende Panik zu unterdrücken. Sie konnte es sich nicht leisten, ihren Job zu verlieren. Mit eisigen Fingern drückte sie auf den Sendeknopf. „Okay, ich übernehme. Gib mir noch mal die Adresse.“

„Die Hochzeit ist geplatzt, Mira. Dank deiner Affäre mit dem Skilehrer.“ Dominic LeGrand war wütend. „Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt, als wir diese Abmachung getroffen haben. Ich heirate keine Frau, der ich nicht vertrauen kann.“

„Aber ich habe nicht mit André geschlafen. Ehrlich.“ Tränen standen in Miras Augen, ihre Stimme zitterte. „Ich war ein wenig betrunken und habe mit ihm geflirtet. Das war alles.“ Sie lehnte sich über den Schreibtisch und schmollte. Dabei betonte der tiefe Ausschnitt ihre vollen Brüste. Als sie sich vor zwei Monaten kennengelernt hatten, fand er dieses Schmollen noch reizvoll. „Eigentlich gefällt es mir, dass du eifersüchtig bist.“ Der kokette Ausdruck auf ihrem Gesicht sollte ihn wohl besänftigen, tat es aber nicht.

„Ich bin nicht eifersüchtig, Mira. Ich bin wütend. Du hast unsere Abmachung nicht eingehalten. Das könnte den Waterfront-Deal gefährden.“

Die Grundstücke in Brooklyn, die er bebauen wollte, gehörten dem Jedah-Konsortium. Konservativen Geschäftsleuten aus mehreren ölreichen Ländern des Mittleren Ostens. Nachdem Catherine Zalinski letztes Jahr die Geschichte ihrer Affäre an die Presse verkauft und ihn wie einen Mann hatte aussehen lassen, der weder seine Libido noch die Frauen in seinem Leben unter Kontrolle hatte, hatten die Männer gezögert, mit ihm ein Geschäft einzugehen. Die Heirat mit Mira sollte dieses Problem lösen. Doch an diesem Nachmittag erschienen Fotos in der Boulevardpresse, auf denen seine Verlobte ihren Skilehrer küsste.

„Einziger Sinn und Zweck dieser Ehe war, dem unschönen Tratsch über mein Privatleben ein Ende zu setzen“, fügte er hinzu, falls sie es immer noch nicht begriff.

„Aber du hast mich einen ganzen Monat allein gelassen“, beschwerte sie sich. „Ich dachte, du kommst mich in Klosters besuchen. Wir haben schon eine Ewigkeit nicht mehr miteinander geschlafen. Was hast du erwartet?“

Er hatte keine Zeit gehabt, sie zu besuchen. Dass ihm die sexuelle Abstinenz nicht viel ausgemacht hatte, war ein Beweis, dass ihre Abmachung ein Fehler war. Er war Miras schneller überdrüssig geworden, als er gedacht hatte, sowohl im Bett als auch sonst.

„Dass du keinen anderen Mann küsst und nicht für jeden die Beine breit machst.“

„Dominic, wie kannst du so etwas sagen?“ Der Schock und der Schmerz in ihren Augen schienen beinahe echt. „Da komme ich mir billig vor.“

Er ließ den Blick langsam über ihr Designerkleid wandern, das er bezahlt hatte. „Mira, eines bist du sicher nicht, nämlich billig. Jetzt geh.“

„Du herzloser Bastard!“

Die Ohrfeige kam so schnell, dass er das Klatschen hörte, bevor er den Schmerz auf seiner Wange wahrnahm. Er sprang auf und hielt Miras Handgelenk fest, bevor sie erneut zuschlagen konnte. Doch der Schmerz auf seiner Wange rief eine bittere Erinnerung an eine andere Ohrfeige wach. In jenem Sommer, in dem er endlich in die Welt seines Vaters eingeladen worden war, nur um einen Monat später wieder hinausgeworfen zu werden. Und an die Stimme des Mädchens, das ihn verteidigt hatte.

Du darfst Dominic nicht schlagen, Papa. Du tust ihm weh.

Manche Menschen verdienen es, dass man ihnen weh tut, ma petite.

„Du hast recht, Mira. Ich bin herzlos und ein Bastard“, stieß er hervor, als sich ein dumpfer Schmerz in seiner Brust ausbreitete. Ein Gefühl, das er schon lange überwunden zu haben glaubte. „Ich betrachte das als Stärke.“ Er ließ Miras Hand los. „Und jetzt verschwinde, bevor ich dich wegen eines tätlichen Angriffs verhaften lasse.“

„Ich hasse dich“, flüsterte Mira, drehte sich um und eilte aus seinem Büro.

Ist mir doch egal. Als die Haustür ins Schloss fiel, ging Dominic zur Bar, wischte sich das Blut aus dem Mundwinkel und schenkte sich ein Glas Scotch ein.

Ihm blieb nur eine Woche, um eine neue Frau zu finden und den Deal zu sichern, mit dem er sein Unternehmen noch weiter vergrößern konnte. Das Unternehmen, das er aus dem Nichts aufgebaut hatte, nachdem er in jenem Sommer das Anwesen seines Vaters fluchtartig verlassen hatte. Mit gebrochenen Rippen und Striemen auf dem Rücken.

Der Fahrer eines Lastwagens hatte Mitleid mit ihm gehabt und hatte ihm angeboten, ihn mit nach Paris zu nehmen. Während dieser endlos scheinenden und qualvollen Reise, auf der er immer wieder das Bewusstsein verloren hatte, schwor er sich, nie wieder mit seinem Vater zu sprechen und sich etwas aufzubauen. So wollte er seinem Vater und jedem anderen, der ihn abgelehnt hatte, beweisen, dass sie falsch lagen.

Der Alkohol brannte an der aufgeplatzten Lippe, doch das war ihm egal. Er würde eine neue Frau finden. Vorzugweise eine, die tat, was man ihr sagte, und nicht mit jedem sofort ins Bett stieg. Doch nun wollte er feiern, dass er noch einmal glücklich davongekommen war.

2. KAPITEL

„Geh mir aus dem Weg.“ Wütend stieß die Frau Ally samt Fahrrad zur Seite. Ally knallte gegen den Torpfosten und schürfte sich am Pedal die Wade auf. Die Frau ging einfach weiter, stieg in einen schnittigen roten Sportwagen und fuhr mit quietschenden Reifen los.

Ally hob das Fahrrad auf und beobachtete, wie die roten Rücklichter hinter der nächsten Kurve verschwanden. War das nicht diese Mira, für die der Ehering war? Die Frau hatte wütend ausgesehen. Ein Streit unter Liebenden? Ally verdrängte den Gedanken. Das geht mich nichts an.

Sie schob ihr Fahrrad zum Lieferanteneingang auf der Rückseite der eindrucksvollen Villa, die auf einem prächtigen Grundstück stand. Dort lehnte sie das Fahrrad an die Wand, holte noch einmal tief Luft und presste ihren vor Kälte fast tauben Finger auf die Klingel aus Messing.

Er wird nicht persönlich öffnen. Dafür hat er Angestellte. Mach dich nicht verrückt.

Auf der Fahrt von Mallow & Sons hierher hatte es die ganze Zeit in Strömen geregnet. Auch jetzt prasselte der Regen auf sie nieder und durchnässte sie. Das winzige Paket in ihrem Rucksack schien eine Tonne zu wiegen.

Leider waren der eisige Märzregen und die Taubheit ihrer Extremitäten, abgesehen von dem Schmerz an ihrer Wade, jetzt das kleinere Problem, verglichen mit den Erinnerungen, die in ihrem Kopf herumspukten.

Sie betrachtete das Haus. Alle Fenster waren dunkel außer einem im ersten Stock. Tapfer klingelte sie erneut, diesmal etwas länger. Eine Person trat ans Fenster. Groß und breitschultrig und durch den sintflutartigen Regen nicht zu erkennen. Das Herz schlug ihr bis zu Hals. Das ist nicht er. Das ist nicht er. Ihr Stoßgebet wurde immer heftiger, als sie Schritte hörte, die sich der Tür näherten.

Nimm das Päckchen mit dem Ehering heraus, damit du es so schnell wie möglich übergeben kannst. Hektisch nahm sie den Rucksack ab und kämpfte mit dem nassen Reißverschluss. Ihr Herz klopfte immer heftiger.

Im Flur wurde Licht angeschaltet, und eine große Silhouette erschien hinter dem geschliffenen Glas.

Ally hatte keine Chance, sich zu wappnen. Schon wurde die Tür aufgerissen. Sie konnte das Gesicht des Mannes nicht erkennen. Doch als er zu sprechen begann und seine tiefe ruhige Stimme die schrecklichsten Erinnerungen wachrief, erstarrte sie.

„Bonsoir.“

Der französische Akzent ließ heiße Schauer über ihren eiskalten Körper laufen. Sie schämte sich. Wieso löste Dominic immer noch diese Gefühle in ihr aus? Sie war eine erwachsene Frau und kein leicht zu beeindruckender, hormongesteuerter Teenager mehr.

„Kommen Sie herein, sonst ertrinken Sie noch“, sagte er leise, trat beiseite und hielt ihr die Tür auf.

Dabei fiel das Licht auf sein Gesicht, von dem Ally früher stundenlang geträumt hatte. Dominic hatte schon immer umwerfend gut ausgesehen, doch aus dem hübschen Jungen war ein atemberaubend attraktiver Mann geworden.

Das ehemals kurze blonde Haar war jetzt hellbraun mit feinen goldenen Strähnen und länger, sodass es sich am Hemdkragen wellte. Um die schokoladenbraunen Augen hatten sich noch keine Lachfältchen gebildet. Wie auch, dachte sie. Dominic lacht ja nie. Die Narbe über seiner Augenbraue war immer noch da. Aber an dem dunklen Bartschatten konnte man erkennen, dass aus dem Jungen ein Mann geworden war.

Während Ally ihn musterte, bemerkte sie, wie viel abgestumpfter der viel zu alte Ausdruck seiner Augen geworden war und wie viel rücksichtsloser der zynische Zug um seine sinnlichen Lippen. Das unangemessene Zittern ihres Körpers verstärkte sich.

Vite, garçon, bevor wir beide ertrinken.“

Der knappe Befehl riss sie aus ihren Gedanken. Gib ihm einfach den Ring, dachte sie, dann ist dieser Albtraum vorbei. Sie trat in den Flur und beugte sich vor, um das Päckchen aus dem Rucksack zu fischen. Hätte sie doch bloß den Helm nicht abgesetzt. Glücklicherweise dachte er, sie wäre ein Junge.

„Sie sind ein Mädchen“, bemerkte er leise, nachdem er die Tür geschlossen hatte, und musterte Ally intensiv, wodurch die leise Bemerkung erschreckend intim wurde.

„Ich bin eine Frau“, erwiderte Ally. „Ist das ein Problem?“

„Non.“ Er hob einen Mundwinkel. Dieses zynische halbe Lächeln erinnerte sie so sehr an den Jungen von damals, dass ihr der Atem stockte. „Kenne ich Sie?“, fragte er. „Sie kommen mir bekannt vor.“

„Nein“, leugnete sie mit leichter Panik in der Stimme. Endlich hatte sie den Ring gefunden. Er darf mich nicht erkennen. Das würde alles nur schlimmer machen. Sie reichte ihm das Päckchen. „Ihre Lieferung, Mr. LeGrand.“

Als er die Sendung entgegennahm, berührten seine warmen Fingerspitzen ihre Hand. Ein Schauer lief über ihren Arm. Schnell zog sie die Hand weg.

„Sie zittern. Bleiben Sie, bis Sie wieder trocken sind.“ Das klang wie ein Befehl.

Sie schüttelte den Kopf und reichte ihm das Tablet, damit er ihr den Eingang der Lieferung bestätigte. „Mir geht es gut. Bitte unterzeichnen Sie im Kasten.“ Sie bemühte sich, effizient und unpersönlich zu klingen.

Er klemmte sich das Päckchen unter den Arm und nahm den Minicomputer, wobei er wieder ihre Hand berührte.

„Sie sind eiskalt. Bleiben Sie, bis der Regen vorbei ist.“ Er unterschrieb und gab ihr das Gerät zurück. „Das ist das Mindeste, was ich tun kann, nachdem Sie bei dem Wetter diese sinnlose Lieferung machen mussten.“

„Wieso sinnlos?“ Am liebsten hätte sie sich die Zunge abgebissen. Halt den Mund, Ally. Sie wollte sich nicht mit ihm unterhalten. Ihr Herz klopfte so wild, dass sie fürchtete, in Ohnmacht zu fallen. Zu ihrer Überraschung antwortete er.

„Weil ich die Verlobung vor ungefähr zehn Minuten gelöst habe.“ Der zynische Tonfall erinnerte sie wieder an den Jungen.

Kein Wunder, dass diese Mira so wütend gewesen war. Er hatte sie abserviert.

Er riss das kleine Paket auf, nahm die Schmuckschatulle heraus und öffnete sie.

Ally blieb fast das Herz stehen. Der Ring war wunderschön – aus Platin und Gold. Ihre Mutter hatte immer von einem solchen Ring geträumt. In jener schrecklichen Nacht, als Pierre LeGrand sie hinausgeworfen hatte, war dieser Traum gestorben. Das hatte ihre Mutter für den Rest ihres Lebens nie verwunden.

„Pierre war der einzige Mann, der mich je wirklich geliebt hat. Und ich habe alles verdorben, mein Kind.“

Ihre Mutter hatte sich die Schuld gegeben. Aber was hatte sie getan, dass Pierre so wütend geworden war?

Dominic klappte die Schatulle zu und brachte Ally damit in die Gegenwart zurück. „Somit ist das hier reine Geldverschwendung.“

„Tut mir leid.“ Sie verdrängte die Gefühle, die sie überfielen. Gefühle, über die sie nicht näher nachdenken wollte.

„Muss es nicht. Die Verlobung war ein Fehler. Die Achtzigtausend, die ich für diesen Ring ausgegeben habe, sind nur ein Kollateralschaden.“

Mit zitternden Fingern stopfte Ally das Tablet wieder in die Seitentasche ihres Rucksacks. Was war nur los mit ihr? Warum machte sie eine so große Sache daraus? Ihre Mutter war tot und Pierre ebenfalls. Das alles war Vergangenheit.

„Ich muss gehen. Ich habe noch andere Aufträge zu erledigen.“ Sie wollte einfach nur fort und vergessen. Die Erinnerungen waren zu schmerzlich. In jenem Sommer war ihre Mutter so fröhlich und lebendig gewesen. Und danach nur noch eine leere Hülle.

„Kommen Sie endlich herein und trinken Sie etwas, um sich aufzuwärmen“, befahl er ihr.

Wollte er sie anmachen? Der Gedanke war nicht so erschreckend, wie er hätte sein sollen. Schäm dich, Ally. Ihre Sachen waren durchnässt. Sicher sah sie erbärmlich aus. Dieser Mann ging mit Supermodels und reichen Erbinnen aus. Frauen mit Stil, Anmut und Sex-Appeal. Etwas, das sie nie gehabt hatte. Auch wenn sie keine sechs Stunden während eines monsunartigen Regens im Londoner Westend mit dem Fahrrad unterwegs gewesen wäre.

„Dann kümmern wir uns um Ihr Bein.“ Er sah auf ihre Wade. „Es blutet.“

Erst jetzt bemerkte sie das Blut, das aus einer Schnittwunde an ihrer Wade lief, die man durch den Riss in ihren Leggings sehen konnte. Das muss beim Zusammenstoß mit seiner Ex-Verlobten passiert sein, dachte sie. Ihr war so kalt, dass sie es gar nicht bemerkt hatte. „Ist nicht schlimm.“

Doch als sie gehen wollte, sagte er: „Arrêtez. Es blutet und könnte sich entzünden. Sie gehen nirgendwohin, bevor die Wunde nicht gereinigt ist.“

„Ich habe einen weiteren Auftrag.“ Ihre Gefühle drohten sie zu ersticken. Sie konnte nicht bleiben. „Ich muss arbeiten.“

„Ich werde Ihnen die Zeit bezahlen. Ich will nicht, dass außer dem Achtzigtausend-Dollar-Ring auch noch ein verletzter Fahrradkurier auf meinem Gewissen lastet.“

Er war ihr zu nahe. Sie konnte sein Rasierwasser wahrnehmen und den süßen Geruch von Whiskey. Ihr Puls beschleunigte sich, ihr ganzer Körper bebte.

Plötzlich legte er einen Finger unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen.

„Moment. Ich kenne Sie.“ Mit zusammengekniffenen Augen musterte er ihr Gesicht. Sein intensiver Blick löste ein Feuerwerk an Gefühlen in ihr aus. Verzweifelt versuchte sie, den Helm wieder aufzusetzen, damit er sie nicht erkannte. Doch es war zu spät.

„Monique?“, fragte er leise.

Tränen traten ihr in die Augen. „Monica ist tot. Ich bin ihre Tochter.“

„Ally-Kätzchen?“, fragte er überrascht. Ally-Kätzchen. Diesen Spitznamen hatte er ihr vor vielen Jahren gegeben. Damals war sie so stolz darauf gewesen.

Plötzlich verpuffte das Adrenalin, das sie seit der Annahme des Auftrags angetrieben hatte. Übrig blieb nur Scham, Angst und diese unangebrachte Hitze. Sie hatte nicht mehr die Kraft, ihm zu widerstehen. Welchen Sinn hätte es auch?

„Atme, Ally-Kätzchen“, flüsterte er.

Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen, und sog seinen Duft ein – Pinie und Seife. Ihre Rippen schmerzten. So schwer fiel es ihr, ihr Schluchzen zu unterdrücken.

„Schlimmer Tag?“

„Ja.“ Warum bin ich so aufgebracht? Dass Dominic LeGrand mich bemitleidet, ist ja nicht das Schlimmste, was mir je passiert ist.

„Das Gefühl kenne ich.“ Sein Lächeln ließ ihn noch attraktiver aussehen – und schrecklich unerreichbar.

Sie hob den Helm auf, der auf den Boden gefallen war. „Es war nett, dich wiederzusehen, Dominic“, log sie. „Aber ich muss jetzt wirklich gehen.“

Doch als sie zur Tür ging, trat er ihr in den Weg. „Geh nicht, Ally-Kätzchen. Komm herein, trockne dich ab und lass dein Bein versorgen. Mein Angebot gilt.“

Ally hob den Kopf und sah ihm in die Augen. Sie hatte erwartet, einen mitleidigen oder ungeduldigen Ausdruck darin zu sehen, doch da war nur diese Intensität. Als versuche er, direkt in ihre Seele zu blicken. Und etwas anderes, das sie nicht verstand. Es sah fast aus wie Verlangen, aber das konnte nicht sein.

„Ich kann nicht“, sagte sie mit zitternder Stimme.

„Du kannst.“ Er gab nicht auf. „Wie gesagt, ich werde für die Zeit bezahlen.“

„Das musst du nicht. Ich bin sowieso erledigt. Ich werde einfach nach Hause radeln.“ Sie musste fort, bevor sie dieser törichten Sehnsucht nachgab, zu bleiben und sich von ihm umsorgen zu lassen.

Wer hätte gedacht, dass Moniques schüchterne und beschützte Tochter zu einer Frau heranreifen würde, die so beeindruckend und tapfer ist wie Johanna von Orléans?

„Also hast du heute Abend keine weiteren Aufträge?“, fragte Dominic.

Die junge Frau runzelte die Stirn. Obwohl er sie beim Lügen ertappt hatte, sah sie ihm direkt ins Gesicht. „Nein. Das war gelogen.“ Dass sie sich nicht entschuldigte, war ebenfalls beeindruckend.

Touché, Ally-Kätzchen.“ Er lachte rau und ließ den Blick über ihren schlanken Körper wandern, der vor Anspannung bebte. Ihre hohen festen Brüste wurden von dem nassen Radtrikot betont. Mit ihrem nassen, zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebundenem Haar und den feuchten kastanienbraunen Locken, die an der fast durchscheinenden Haut ihrer Wangen klebten, den dunklen Schatten unter ihren Augen und dem Ölfleck auf der Wange, hätte sie eigentlich schrecklich aussehen müssen. Stattdessen wirkte sie wie die Jungfrau von Orléans – leidenschaftlich und entschlossen. Und darum umso schöner.

Ähnlich wie ihre Mutter, soweit er sich erinnern konnte. Monica Jones war in jenem Sommer, in dem sein Vater ihn für kurze Zeit anerkannt hatte, die Geliebte seines Vaters gewesen. Doch er konnte sich weitaus besser an ihre Tochter erinnern. Das Mädchen, das jetzt vor ihm stand und ihn trotz ihrer offenkundigen Misere mit großen Augen direkt und ungebeugt ansah.

In jenem Sommer war sie noch ein Kind gewesen, vielleicht elf Jahre alt. Wie ein junger Hund war sie ihm überallhin gefolgt. Und sie hatte ihn verteidigt, wenn sein Vater ihn misshandelte. Sie hatte diesem Bastard um seinetwillen die Stirn geboten. Deshalb hatte er sich ihr irgendwie verbunden gefühlt. Dieses Gefühl schien immer noch da zu sein. Allerdings hatte es sich in etwas viel Stärkeres verwandelt, gemessen an dem Gefühl, das ihn bei ihrer zufälligen Berührung durchfahren hatte.

Selbst triefnass war sie atemberaubend. Der Drang, ihre kalten Wangen mit seinen Händen zu umfassen und ihre Lippen mit einem Kuss zu wärmen, überraschte ihn jedoch. Warum sollte er sie begehren? Ein burschikoses Mädchen ohne eine Spur von Eleganz. Was kümmerte es ihn, ob sie fror und verletzt war? Er war nicht für sie verantwortlich.

Vielleicht lag es an dem Schock, sie wiederzusehen. An den Erinnerungen, die sie wachgerufen hatte. Vielleicht war es der unwiderstehliche Kontrast zu der Frau, die er gerade hinausgeworfen hatte. Sie war nicht anspruchsvoll und verwöhnt, sondern kämpferisch, furchtlos und stolz. Die wahrscheinlichste Erklärung für diese Anziehungskraft war aber wohl der erotische Funke, der zwischen ihnen übergesprungen war, als sie das Haus betreten hatte.

Immerhin war es über einen Monat her, dass er Sex gehabt hatte, und wesentlich länger, seit er diese instinktive Begierde verspürt hatte, die Ally durch ihre bloße Anwesenheit in ihm auslöste.

„Danach rufe ich ein Taxi und lasse dich samt Fahrrad nach Hause bringen.“ Er musste unbedingt herausfinden, warum sie ihn so faszinierte. Keinesfalls würde er sie bei dem Wetter mit dem Fahrrad nach Hause fahren lassen.

Er bemerkte die kleine Pfütze, die sich um ihre Füße bildete. „Im ersten Stock ist ein Bad. Trockne dich ab und nimm dir trockene Kleidung aus dem Schrank. Ich komme, sobald ich den Verbandskasten gefunden habe.“

Ally zitterte und errötete noch mehr. Sie wirkte angespannt, wie eine kleine Wildkatze, die der Hand misstraute, welche sie fütterte.

„Das musst du nicht tun.“

„Ich weiß. Jetzt geh. Vite.“ Er scheuchte sie die Treppe hoch. „Bevor du meinen Flur überflutest.“

3. KAPITEL

„Ich habe den Verbandskasten gefunden“, verkündete Dominic, als er in das große Arbeitszimmer im ersten Stock trat und einen roten Kasten auf den Schreibtisch aus Mahagoni stellte. Die Anzughose und das maßgeschneiderte weiße Hemd betonten seinen schlanken muskulösen Körper.

Ally schluckte. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie schlang die Arme um ihren Körper und blieb in der Nähe der bodentiefen Fenster stehen. Wenigstens war sie jetzt sauber und trocken, und ihr war warm. Im Bad des Gästezimmers neben dem Büro hatte sie in Windeseile geduscht und sich trockene Sachen angezogen. Unglücklicherweise fühlte sie sich dennoch schrecklich im Nachteil, barfuß und in der zu großen Jogginghose und dem T-Shirt, die beide nach ihm dufteten.

„Wie ich sehe, hast du etwas zum Anziehen gefunden.“ Als er sie in ihrer behelfsmäßigen Kleidung musterte, kam sie sich vor wie ein Straßenkind.

Sein intensiver Blick ließ ihr Herz schneller schlagen. „Ja, danke.“

„Blutet das Bein noch?“

Autor

Heidi Rice
<p>Heidi Rice wurde in London geboren, wo sie auch heute lebt – mit ihren beiden Söhnen, die sich gern mal streiten, und ihrem glücklicherweise sehr geduldigen Ehemann, der sie unterstützt, wo er kann. Heidi liebt zwar England, verbringt aber auch alle zwei Jahre ein paar Wochen in den Staaten: Sie...
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