Zwei Herzen und eine Krone

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„Finden Sie sie.“ Der Wunsch des Königs von Lille ist für Cristhian Sterling Befehl. Es ist schließlich sein Job, vermisste Personen zu suchen, in diesem Fall Prinzessin Zia. Ein Verbrechen ist ausgeschlossen, warum also ist sie untergetaucht? Doch als er ein aktuelles Bild der verschwundenen Thronfolgerin sieht, stockt ihm der Atem. Er kennt sie – sehr gut! Sie ist die Fremde, mit der er vor einigen Monaten eine unvergessliche Liebesnacht verbracht hat. Kann das etwas mit ihrem Verschwinden zu tun haben? Nur sie kann ihm das beantworten. Er muss sie finden!


  • Erscheinungstag 07.01.2025
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534543
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Cristhian Sterling wusste genau, wo er in Ruhe seinen Erfolg feiern konnte, wenn er nicht erkannt werden wollte.

Mit zunehmendem Alter wurde es einfacher, denn er sah dem erschütterten Jungen, der gerade seine Eltern verloren hatte, mit jedem Jahr weniger ähnlich. Ihr schrecklicher Autounfall war damals mit seinem Foto darunter Schlagzeile in jeder Zeitung, jedem Magazin, jeder Klatschzeitung gewesen.

Nur in der Oberschicht war Cristhian nach wie vor bekannt, darum zog er es vor, sich eher in Lokalen der Mittelschicht zu amüsieren. Dort wusste normalerweise keiner, wer er war: der Sohn einer Prinzessin und eines Hollywoodstars.

Seine Mutter hatte nie so recht gewusst, wie sie mit ihrer Berühmtheit umgehen sollte, und unter dem gnadenlosen Interesse an allem, was ihre Beziehung zu seinem Vater betraf, hatte sie sehr gelitten.

Obwohl Cristhian bei dem Tod seiner Eltern erst zehn Jahre alt gewesen war, erinnerte er sich noch an ihre vielen Gespräche darüber, einfach wegzulaufen. Vollkommen unterzutauchen.

Aber auch wenn sein Vater seinen Sohn und seine Frau immer an erste Stelle gestellt hatte, hatte er auch weiter Filme gedreht. Und seine Mutter hatte weiterhin ihre königlichen Pflichten gegenüber ihrem Heimatland Hisla erfüllt. Allerdings hatte sie mit Cristhian nicht im Palast gewohnt, sondern in einem bescheidenen Haus außerhalb der Schlossmauern. Oft begleiteten sie auch seinen Vater auf Reisen oder besuchten die Großeltern in Amerika.

Schließlich hatten seine Eltern genug von den Paparazzi und konnten nicht länger ertragen, wie die Familie von Cristhians Mutter ständig versuchte, sie auseinanderzubringen. Doch anstatt sich zu wehren, planten sie ihre Flucht.

Dabei wurden sie in einen schrecklichen Autounfall verwickelt, bei dem beide sofort starben.

Und Cristhian blieb alleine zurück.

Während der Fluchtvorbereitungen hatten sie ihn zu den Eltern seines Vaters nach Amerika gebracht. Hätte man ihm erlaubt, dortzubleiben, wäre womöglich ein anderer Mensch aus ihm geworden.

Doch nach dem Tod seiner Eltern wurde Cristhian in die königliche Familie seiner Mutter gebracht. Die Familie wollte ihn nicht, konnte es aber noch weniger ertragen, dass er bei einfachen Amerikanern aufwuchs.

Selbst nach zwanzig Jahren konnte er nicht sagen, warum die Familie seiner Mutter so gehandelt hatte. Dabei gehörte es zu seinem Job als Ermittler, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und ihre Motive zu verstehen.

Cristhian spürte Ausreißer aus der königlichen Gesellschaft auf, durchgebrannte Ehefrauen, Leute, die verschwinden wollten. Er fand sie für jeden, der bereit war, sein enormes Honorar zu zahlen.

Manche bezeichneten ihn als Söldner – in der Regel die Menschen, die er fand. Sie waren nicht glücklich, dorthin zurückgebracht zu werden, wovor sie geflohen waren.

Aber er wusste, was sie draußen in dieser kalten, grausamen Welt erwartete. Was passierte, wenn man die Regeln brach und einfach weglief. Nichts als Unglück entstand daraus!

Es gab nur einen Weg, mit der Ungerechtigkeit der Welt umzugehen – man musste sich ihr stellen. Weglaufen brachte nur Leid.

Darum hatte Cristhian sich ein ganz klar geordnetes Leben mit festen Regeln aufgebaut. Der königlichen Familie, die ihn kontrollieren wollte, hatte er die Stirn geboten, und er scherte sich nicht um die Meinung anderer.

Niemals.

Er betrachtete das Glas vor sich und fragte sich, was seine Gedanken dazu veranlasst hatte, eine Reise in die Vergangenheit zu unternehmen. Eigentlich hatte er nur einen guten Drink und vielleicht eine schöne Frau gewollt, um seinen neuesten Erfolg zu feiern.

Er hatte gerade eine Ausreißerin nach Hause zurückgebracht. Das Mädchen war dreizehn. Vielleicht mochte sie ihr Leben in ihrem winzigen Königreich nicht, aber dreizehn war kein Alter, in dem eine Gräfin sich ein eigenes Leben aufbauen konnte. Sie würde ihm wohl nie für seine Dienste danken, aber sie würde überleben. Er brauchte auch keinen Dank. Ihm reichte das Wissen, dass er gute Arbeit geleistet hatte.

Cristhian sah sich in der Bar um. An diesem Freitagabend waren viele Geschäftsleute anwesend. Krawatten wurden gelockert, die obersten Knöpfe geöffnet, Blazer zur Seite geworfen. Lautes Gelächter erklang, und an der Bar standen Paare, die sich mit verstohlenen Blicken umschauten, als wüssten sie, dass sie nicht so nah bei ihren Kollegen sitzen sollten. Portugiesisch, Spanisch und ein paar Brocken Englisch hallten durch den großen Raum.

Die Tür öffnete sich und ließ einen leichten Luftzug herein, der etwas kühler war als die überhitzte Atmosphäre in der Bar. Cristhian nahm einen Schluck von seinem Drink und beobachtete die Frau, die in der Tür stand.

Sie war eindeutig alleine. Für einen Moment entdeckte er einen Anflug von Angst in ihrem Gesicht, in ihrem Zögern. Dann schien sie die Schultern zu straffen und ihre Angst durch Entschlossenheit zu verdrängen. Einen Augenblick lang tauchte das Bild seiner Mutter vor seinen Augen auf. Vor einem öffentlichen Auftritt als Vertreterin der königlichen Familie hatte sie immer genau dasselbe getan.

Aber als die Frau lächelte, vergaß er jeden Gedanken an seine Mutter. Als sie mit selbstbewussten Schritten eintrat, blitzten die unglaublich blauen Augen, das kurze rötliche Haar wippte gegen ihre Wangenknochen. Ihr gerade geschnittenes schwarzes Kleid verriet nicht viel von ihrer Figur, aber es endete auf halber Höhe der Oberschenkel und zeigte lange, verführerische Beine.

Sie bemerkte nicht, dass er sie beobachtete. Zielstrebig ging sie direkt auf die Bar zu, an der er saß. Ihr Blick war auf den Barkeeper gerichtet. Sie beugte sich vor, sagte aber nichts.

Der Barkeeper seufzte genervt. „Was darf ich Ihnen bringen?“

„Haben Sie eine Karte?“ Sie sprach mit einem interessanten Akzent.

Cristhian wusste, dass er ihn schon einmal gehört hatte, aber er konnte ihn nicht genau einordnen. Auf jeden Fall Europa – irgendwo weit nördlich von Faro im Süden Portugals, wo sie sich gerade befanden.

Der Barmann verdrehte nur spöttisch die Augen.

„Darf ich einen Vorschlag machen?“, bot Cristhian an.

Neugierig musterte ihn die Frau. Einen Moment lang überlegte er, ob sie farbige Kontaktlinsen trug. Der Blauton passte überhaupt nicht zu ihr. Und doch war sie unglaublich schön mit ihren zierlichen Schultern, ihrer entschlossenen Haltung und dem geschwungenen Mund. Bei seiner Frage hob sie ihre ausdrucksvollen Augenbrauen.

Cristhian grinste. Er wusste, dass er beeindruckend war. Er bildete sich nichts darauf ein, es war einfach nur eine realistische Einschätzung.

„Bring einen Beirão“, sagte er zum Barkeeper. „Und setz ihn auf meine Rechnung.“

Der Barmann nickte, drehte sich um und schenkte der Frau den Kräuterlikör ein. Cristhian deutete auf den leeren Platz neben sich. „Setzen Sie sich zu mir.“

Sie musterte ihn aus schmalen Augen. „Normalerweise werden solche Einladungen als Bitte ausgesprochen.“

Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. Verbarg sein Interesse nicht. Wozu die Mühe? „Ich halte mich nicht an Konventionen.“

Sie lachte. Ein melodisches Lachen, ein wenig heiser. Es faszinierte ihn mehr als alles, woran er sich erinnern konnte. Mit einer Eleganz, die von Training sprach, und zwar von königlichem Training, ließ sie sich auf den Stuhl neben ihm gleiten.

Neugierig betrachtete er sie genauer. Ihre Kleidung, ihre Frisur, all diese Dinge waren eindeutig nicht königlich. Aber Cristhian wusste, dass der Schein trügen konnte.

Der Barmann brachte ihr den Drink, den Cristhian für sie bestellt hatte, und füllte dann Cristhians eigenes Glas nach. Die Fremde nahm einen zaghaften Schluck, und er beobachtete aufmerksam ihre Reaktion.

„Perfekt“, sagte sie und schenkte ihm ein umwerfendes Lächeln.

Es war ein Lächeln, das Ärger versprach, aber zum Glück war Cristhian ein Meister im Umgang mit Problemen.

„Was führt Sie nach Faro?“

„Arbeit“, antwortete sie, ohne zu zögern. „Aber jetzt habe ich Feierabend, und morgen fahre ich nach Hause.“

„Und wo ist Ihr Zuhause?“

Sie zögerte. Aber man konnte einer Frau nicht vorwerfen, wenn sie vorsichtig damit war, was sie einem fremden Mann erzählte. „Hamburg“, teilte sie ihm schließlich mit. „Zurzeit.“

Ihr Akzent stammte nicht aus Deutschland, aber sie hatte schließlich auch nicht behauptet, Deutsche zu sein. Innerlich schüttelte Cristhian den Kopf über sich selbst. Er musste aufhören, alles zu hinterfragen. Er war hier, um sich nach einem harten Job zu entspannen, und genau das sollte er tun.

Spaß haben!

„Sind Sie von hier?“, fragte sie und nippte an ihrem Drink. An ihren Ohren glitzerten Diamanten. Teure Diamanten.

Er bemühte sich, nicht die Stirn zu runzeln. Keine Arbeit mehr. Feiern. „Ich bin eher ein Nomade. Obwohl ich oft genug in Faro bin.“

„Ein Nomade“, wiederholte sie, als würde sie darüber nachdenken. „Kein Zuhause also?“

„Ich habe viele Heimatorte.“

Sie sah ihm in die Augen, einfach so. Dieses Selbstbewusstsein stand ihr. „Mit jeweils einer Frau?“

Er verzog den Mund. „Beziehungen passen nicht in mein Leben. Ich reise viel, und meine Arbeit nimmt den größten Teil meines Lebens in Anspruch.“

Irgendetwas an dem Wort „Arbeit“ ließ ihren Gesichtsausdruck angespannter werden. Das Lächeln verschwand aus ihren Augen.

„Sie dagegen sehen aus wie jemand, der zu Hause ein Herdfeuer brennen hat“, sagte er in der Hoffnung, etwas von dem Glanz in ihrem Blick zurückzubekommen.

Aber sie reagierte nicht mit einem Lächeln, sondern sagte ernst: „Nicht so, wie Sie sich das wahrscheinlich vorstellen. Auf mich wartet Verantwortung. Arbeit, die mich nach Hause ruft.“ Sie nahm einen großen Schluck und stellte das Glas auf den Tresen. „Aber erst morgen“, sagte sie mit Nachdruck und starrte auf die Bar. „Heute Abend genieße ich die Freiheit von der Verantwortung.“

„Tja, das ist wohl Schicksal. Ich genieße heute Abend auch meine Freiheit. In Gesellschaft macht Freiheit viel mehr Spaß, finden Sie nicht?“

Sie musterte ihn, und etwas von ihrem anfänglichen Lächeln kehrte in ihre Augen zurück. „Sie haben recht“, stimmte sie zu. „Kann man vielleicht irgendwo in der Nähe tanzen?“

„Auf der anderen Straßenseite gibt es einen Klub. Rua Noturna.“ Er nickte in Richtung Tür.

Sie rutschte von ihrem Stuhl. „Gehen wir.“

Zia Rendall hatte nicht vorgehabt, heute Abend einen Mann aufzureißen. Allerdings hatte sie es auch nicht komplett ausgeschlossen.

Vielleicht hatte sie gehofft, jemanden zu treffen, der ihr auf den ersten Blick gefiel, aber sie wusste, wie unwahrscheinlich das war.

Ihre Woche Freiheit war hart erkämpft – und das war noch untertrieben. Das Problem war nicht nur, dem Palast und Lille zu entkommen, sondern auch, eine Woche lang nicht erkannt zu werden.

Zum Glück war ihre Zwillingsschwester Beaugonia eine Expertin auf diesem Gebiet. Sie hatte bei so vielen Dingen geholfen. Sie hatte Zia farbige Kontaktlinsen besorgt, das Färbemittel für ihre Haare, und Beau hatte sich auch höchstpersönlich die Ehre gegeben, Zia die Haare zu schneiden.

Dank Beaus Computerkenntnissen hatte Zia einen gefälschten Ausweis, einen Flug nach Portugal und ein Hotelzimmer zuerst in Lissabon und dann für die letzten Tage in Faro bekommen.

Zia hatte ihren Eltern eine Nachricht und das Versprechen hinterlassen, nach einer Woche zurückzukommen. Abgesehen von Beaus Bemühungen, den Zorn ihrer Eltern zu besänftigen, war das der einzige Grund, warum sie ihr noch keine bewaffnete Einheit hinterhergeschickt hatten.

Morgen früh musste sie im Flugzeug zurück nach Lille sitzen, sonst würde alles zusammenbrechen.

Sie hatte nicht vor, sich irgendeinem Mann an den Hals zu werfen, nur um sich zu amüsieren. Ein ganz normaler Mensch zu sein, der ohne Wachen herumlief, war Freude genug. Sie schlief. Sie aß und trank, was und wann sie wollte und tat alles, worauf sie Lust hatte, statt sich an das königliche Protokoll und einen Zeitplan zu halten, den andere für sie aufstellten.

Es war, als könnte sie zum ersten Mal frei atmen. Sie machte sich zwar immer noch Sorgen um Beau. Ihre Schwester war nun mit ihren Eltern alleine zu Hause. Aber zum ersten Mal in ihrem Leben fiel eine Last von ihr ab, an die sie sich so gewöhnt hatte, dass sie sie fast gar nicht mehr wahrnahm.

Doch jetzt war alles vorbei. Es ging zurück in den Palast. Zurück zu der Verantwortung, die sie nicht wollte, der sie sich aber stellen musste.

Für Beau.

Aber noch war es nicht vorbei. Ihr blieb noch dieser Abend.

Ein Flirt mit einem gut aussehenden Fremden, vielleicht sogar eine Nacht mit ihm, würde das Sahnehäubchen auf ihrer letzten Nacht in Freiheit sein.

Sie hatte ihn über einiges belogen, aber nicht darüber, dass dies ihr letzter Tag in Freiheit war. Morgen kehrte sie nach Lille zurück, in ihre Rolle als Prinzessin Zia Asta Alberte Elisabeth Rendall und zu der Verantwortung, die auf sie wartete.

Zum Beispiel ihre königliche Hochzeit im kommenden Frühling. Kronprinz Lyon Traverso sah gut aus und war kein schlechter Mensch. Aber er war bestenfalls unnahbar. Und er wusste sehr genau, was er für sein Königreich wollte. Ihre Hilfe gehörte nicht dazu.

Als seine Frau hätte sie nichts zu sagen. Ihre Rolle würde hauptsächlich darin bestehen, ausreichend Prinzen und Prinzessinnen zur Welt zu bringen.

Aber Zia hatte keine Lust, eine Zuchtstute für irgendjemanden zu sein, schon gar nicht für einen Fremden. Sie hatte sich diese politische Verbindung ganz bestimmt nicht selbst ausgesucht.

Zia mochte die Thronfolgerin ihres Königreichs sein, doch sie hatte kein Mitspracherecht bei den Entscheidungen ihres Vaters.

Natürlich könnte sie sich weigern, aber ihre Eltern hatten ihr klargemacht, dass alle dafür bezahlen würden, wenn sie ihrer Verantwortung nicht nachkam. Vor allem ihre Zwillingsschwester, die … exzentrisch war.

So bezeichnete man sie jedenfalls im Palast.

Und so sehr Zia den Gedanken an ihre Ehe hasste, so sehr hasste sie es auch, wenn Beau unter der Feindseligkeit ihres Vaters litt.

Aber heute Abend wollte Zia nicht an all das denken. In dieser letzten Nacht wollte sie ihre Freiheit auskosten. Sie wollte einfach nur trinken und tanzen.

Sie wollte den Fremden. Sündhaft gut aussehend, zu charmant, um wahr zu sein. Unglaublich groß mit breiten Schultern, dunklem, kurz geschnittenem Haar, dunklen Augen, ganz in Schwarz gekleidet. Sein Lächeln war pure Sünde. Zweifellos der Typ Mann, der liebt und geht.

Also perfekt. Mit ihm würde sie garantiert ein Menge Spaß haben, bevor sie den Rest ihres Lebens an eine Monarchie und einen Mann gekettet verbrachte, der sie nicht im Geringsten interessierte.

Aber sie sorgte sich um ihre Schwester, darum musste sie …

Daran würde sie heute Abend nicht denken. Sie würde nur an den Mann denken, der gerade mit ihr tanzte. Sein Körper war eine harte Wand aus Wärme. Seine Hand auf ihrem Rücken fühlte sich an wie ein Brandmal, aber das war nichts im Vergleich zu der Art, wie sie sich zusammen bewegten. Wie zwei Teile eines Ganzen.

Während um sie herum Lichter flackerten und die Musik dröhnte, hatte Zia das Gefühl, dass sie die einzigen Menschen auf der Welt waren.

Diese Freiheit war noch größer und aufregender als die Freiheit, die sie alleine gefunden hatte. Alleine war sie immer noch eine Prinzessin. Bei ihm war sie eine namenlose Frau. Ihr Titel spielte keine Rolle. Nicht ihr Land und auch nicht die Erwartungen, die an sie gestellt wurden. Sie konnte einfach ganz sie selbst sein.

Sie hatte immer Angst, dass sie selbst nicht genug war. Aber dieser Mann lachte, wenn sie einen Witz erzählte. Er hörte ihr zu, wenn sie erklärte, was ihr an Portugal gefiel. Ihr Gespräch war ein Geben und Nehmen, genau wie ihr Tanz. Keiner kontrollierte oder übte Macht über den anderen aus.

Hier gab es nichts als Chemie, Feuer und Verlangen.

Er ließ seine Hand ihre Wirbelsäule hinuntergleiten, und die Berührung löste ein wildes Verlangen aus, ein loderndes Feuer, das direkt in ihr Herz eindrang. Sie schmiegte sich noch fester an ihn, sein Bein glitt zwischen ihre Beine und berührte ganz leicht ihren nackten Oberschenkel.

Sie keuchte auf und bereute es sofort, als sie sein leises dunkles Lachen hörte. Sie würde alles tun, um seinen Mund an ihrem Hals zu spüren, egal wie leichtsinnig und unüberlegt das auch sein mochte.

Also stellte sie sich auf die Zehenspitzen und presste ihren Mund auf seinen, hier in diesem überfüllten Klub, wo sie niemand war – nur eine Frau, die ihn begehrte.

Er schmeckte nach Gefahr. Der Kuss schoss durch ihr Blut, stärker als jeder Drink, den sie heute Abend getrunken hatte. Es gab nur noch Feuer und Verlangen und die wilde, prickelnde Freude, alles tun zu können, was sie wollte.

Zum Teufel mit dem königlichen Protokoll! Endlich.

„Ich habe eine Hotelsuite nicht weit von hier.“ Seine Stimme klang wie ein Rauschen in ihrem Ohr. „Und einen Wagen, der uns hinbringt.“

Das war die Aufforderung, die sie gebraucht hatte. „Lass uns gehen.“

2. KAPITEL

Cristhian hielt sich für ziemlich locker, obwohl er sein Leben immer gut organisiert hielt. Er amüsierte sich mit Frauen, wo und wann immer sich die Gelegenheit bot. Dabei war er nicht wählerisch.

Aber er war vorsichtig. Es gab Grundregeln. Er verlor niemals die Kontrolle, sodass eine solche Begegnung keine Konsequenzen haben konnte.

Diese Frau jedoch warf alle Regeln und jede Kontrolle über den Haufen. Sogar während der Autofahrt hatte Cristhian die Finger nicht von dieser Frau lassen können, die seinen Puls in die Höhe trieb.

Er sehnte sich nur nach einem – jeden Zentimeter ihres nackten Körpers zu erforschen, immer und immer wieder. Seit seinen Teenagertagen hatte er nicht mehr so die Kontrolle verloren.

Kontrolle, das Prinzip seines Lebens. Aber diese Frau war einfach zu schön, zu feurig, als dass er auch nur versuchen wollte, sie zu kontrollieren. Sie war mutig und ungestüm, doch er erkannte auch eine gewisse Vorsicht bei ihr. Etwas, das ihn tief berührte. Er wollte sie nicht nach seinen Vorstellungen formen. Lieber wollte er einfach … etwas erleben. Ohne diese festen Regeln, nach denen er sonst lebte, weil sie ihm Sicherheit gaben.

Die Abwesenheit von Sicherheit und Kontrolle hatte etwas Befreiendes. In dem Moment, als sie seine Hotelsuite betraten, riss ihre Leidenschaft ihn wie eine Flut mit sich, Welle um Welle.

Er drückte sie gegen die Tür, die er gerade geschlossen hatte, und löste ihre Arme von seinem Hals, um ihr Kleid hochschieben zu können.

Ihre Blicke trafen sich, und er verlor sich in ihren unglaublich blauen Augen, die ihn in seinen Bann zogen. Sie war zwar überhaupt nicht sein üblicher Typ, und doch war sie verlockender als alles, was er je gesehen hatte.

Ihre Unterwäsche war aus Seide, unglaublich teuer, und alle Alarmglocken in seinem Hinterkopf schrillten. War es möglich, dass sie wusste, wer er war, auch wenn sie keine Namen ausgetauscht hatten? Doch die Alarmglocken wurden übertönt von dem verlangenden Stöhnen, das sie ausstieß, als er seine Hand zwischen ihre Beine schob.

Während sie zitterte und bettelte, nahm er sich Zeit, ihren Körper zu erkunden. Langsam strich er die Träger ihres BHs herunter und folgte mit seinem Mund der Kurve ihrer Schulter. Sie knöpfte sein Hemd auf und schob es zur Seite.

Es war wie ein Tanz. Bewegung und Gegenbewegung. Seine Lippen auf ihrer Brust. Ihre Hände an seinem Reißverschluss. Sein Mund war heiß, fordernd. Und sie erfüllte jede seiner Forderungen.

Sie erinnerte ihn an einen verborgenen Garten, erfüllt von Zauber und Geheimnis. Er erkannte weder sich selbst noch die seltsamen Empfindungen, die in ihm aufstiegen, als er sie küsste.

Ihre Hand umfasste ihn und liebkoste ihn langsam. „Jetzt“, keuchte sie und begegnete seinem Blick. „Bitte …“

Er hob sie hoch und war mit wenigen Schritten bei dem großen, luxuriösen Bett. In Sekundenschnelle streifte er den Rest seiner Kleidung ab, schob sich über sie und glitt in sie, mit einem pulsierenden Verlangen, das alles andere auslöschte.

Sie kam so heiß und schnell, dass es ihm fast den Atem nahm. Das Wort „Schicksal“ schien um sie herum zu tanzen, als hätte er es mit seiner dummen Anmache in der Bar ins Leben gerufen.

Schicksal. Bestimmung. Sie.

Er kannte nicht einmal ihren Namen. Aber in diesem Moment zählten nur ihr lustvolles Stöhnen, ihre samtweiche Haut. Ihre Hingabe.

Er rollte sich auf den Rücken, zog sie mit sich, und sie stützte sich mit beiden Händen auf seine Brust. Sie lächelte ihn an.

Dann bewegte sie sich auf ihm. Er ließ seine Hände besitzergreifend über ihren schönen Körper gleiten und drängte sie, sich schneller zu bewegen, um den Aufruhr zu vertreiben, der in ihm tobte.

Er spielte mit ihrer Brustspitze, und sie keuchte auf. Ihr sanfter, geschmeidiger Rhythmus stockte, wurde zu etwas Wildem. Rasendem. Es gab nur noch die Geräusche ihres Atems. Ihre Körper bewegten sich in perfektem Rhythmus. Sie schrie, und er klammerte sich an den letzten Faden seiner Beherrschung.

Wieder rollte er sie auf den Rücken, verlangsamte das Tempo, um alles an Lust aus jeder Sekunde herauszuholen. Ihr lustvolles Stöhnen ließ Adrenalin durch seine Adern schießen, und er wusste, dass ihr selbstvergessener Blick sich ihm für immer eingeprägt hatte.

Und als Cristhian ihr auf den Gipfel der Lust folgte, war ihm, als hätte er sich endlich selbst gefunden – durch sie.

Zia musste gehen. Es war fast Morgen. Sie hätte nicht so lange bleiben dürfen. Nicht nur, weil sie ihr Flugzeug erreichen musste, sondern auch, weil dieser Mann nie erfahren durfte, wer sie wirklich war. Je mehr Zeit sie ihm gab, desto mehr gab sie ihm in die Hand, um ihr Geheimnis zu enthüllen.

Immer wieder hatte er sie angesehen, als würde er etwas ahnen. Aber sie brauchte ihn nur zu küssen, zu berühren, und dieser Blick verschwand.

Mehr konnte sie nicht riskieren, so sehr sie es auch wollte.

Aber sie empfand das Bedauern nicht wie eine Last, sondern eher wie eine wehmütige Sehnsucht. Nach einem anderen Leben.

Mit der ewigen Neugier der Presse konnte sie leben, aber nicht mit der ewigen Enttäuschung ihrer Eltern. Sie hatte ihnen schon zu viel Kummer bereitet. Es war nicht Zias Schuld und auch nicht die Schuld ihrer Eltern, dass sie König und Königin waren. Es waren einfach die Umstände, in die sie alle hineingeboren worden waren.

Ihr Platz in der Welt bedeutete Verantwortung. Wenn Zia ihrer Verantwortung nicht gerecht wurde, musste Beaugonia darunter leiden. Ihre Eltern verstanden Beau nicht. Sie dachten, sie hielte sich aus Trotz und Auflehnung nicht an ihre Regeln.

Dabei war Beau einfach nur sich selbst so treu, dass sie sich nicht verstellen konnte. Leider war das nicht so einfach. Beau litt unter Panikattacken, und darum betrachteten ihre Eltern sie als minderwertig.

Nein, das konnte Zia nicht zulassen. Wenn sie zu Hause war, konzentrierten sich ihre Eltern wieder auf sie und ihre bevorstehende Hochzeit. Auf das Band, das zwischen ihrer Heimat Lille und Divio, der Heimat ihres zukünftigen Mannes, geknüpft werden sollte.

Dann würde endlich Beau an der Reihe sein, sich eine Auszeit zu nehmen und etwas Freiheit zu genießen!

Darum schlüpfte Zia jetzt vorsichtig aus dem warmen, weichen Bett und verließ ihren unvergesslichen Liebhaber, der immer noch tief und fest schlief. 

Seit ihrer Kindheit war Zia eine Meisterin im Davonschleichen. Je mehr Wachen ihr Vater auf sie ansetzte, desto raffinierter hatte sie eben werden müssen.

Sie wusste, dass ihr Vater sich Sorgen machte, ob sie überhaupt zurückkommen würde. In der Sekunde, in der sie ihr Versprechen brach, würde die Hölle losbrechen.

Ihre Zeit der Freiheit war abgelaufen. Sie sollte glücklich sein. Glücklich, weil sie alles hatte tun können, wonach sie sich gesehnt hatte. Sie sammelte ihre Kleider ein und warf dem schlafenden Mann einen Blick über die Schulter zu.

Er rührte sich nicht. Einen Moment lang spürte sie einen seltsamen Schmerz. Sie hatte sich darauf eingelassen, weil es nur eine Affäre gewesen war. Ein One-Night-Stand. Das hatte er deutlich gemacht.

Zwischendurch waren die Grenzen vielleicht ein wenig verschwommen. Zum Beispiel, als er sie bei einer Flasche Wein mit Steaksandwiches gefüttert hatte … oder wenn sie miteinander gelacht hatten wie gute Freunde. Sie hatten nicht über ihr Privatleben gesprochen, aber über die Orte, die sie besucht hatten.

Er war viel weiter gereist als sie und konnte selbst über die langweiligsten Museen unterhaltsame Geschichten erzählen. Er war ein faszinierender Mann – obwohl sie eigentlich nichts über ihn wusste.

Im Bett war es so vertraut gewesen, als wären sie seit Jahren ein Liebespaar. Als sie sich in den Armen hielten, hatte Zia den flüchtigen Gedanken gehabt, wie schön so ein Leben sein könnte. Nicht zwei Menschen, die einander nichts von sich offenbaren konnten, sondern … Kameradschaft. Partnerschaft. Freundschaft. Mit fantastischem Sex als Zugabe.

Ihre Gefühle waren verwirrend gewesen, das ja, aber nicht der Sex. Der war explosiv gewesen. Unwiderstehlich. Ein unstillbarer Hunger, als könnten sie beide nicht genug voneinander bekommen, egal wie oft sie sich liebten.

Aber jetzt war es vorbei. Es gab kein Zurück. Im Frühling würde sie heiraten. Vielleicht … vielleicht konnte sie mit ihrem Ehemann, dem Kronprinzen, etwas Ähnliches finden.

Doch sie bezweifelte es.

Lyon hatte deutlich gemacht, dass er Erwartungen an seine Ehefrau hatte. Genau wie ihr Vater erwartete er, dass sie ihre Rolle erfüllte. Sie selbst interessierte ihn nicht. Er würde sie nicht fragen, ob ihr die Musik im Klub gefiel, oder ihr ein Sandwich machen. Obwohl sie den Prinzen nur zweimal getroffen hatte, war ihr das klar.

Aber sie wusste schon ihr ganzes Leben lang, dass es all das Normale und Einfache, nach dem sie sich so sehr sehnte, für sie nie geben würde.

Sie war eine Prinzessin. Die Thronfolgerin. Ihr Leben gehörte ihrem Land.

So fröhlich, so richtig sich diese Woche – diese letzte Nacht – angefühlt hatte, so sehr fühlte sich ihre Zukunft wie ein totes Gewicht in ihrer Brust an. Das war nichts Neues, aber jetzt war es noch schwerer. Denn sie hatte gesehen, wie ihr Leben sein könnte.

Zia hatte geglaubt, es würde ihr helfen, all ihre Verpflichtungen für ein paar Tage hinter sich zu lassen.

Stattdessen hatte sie erlebt, wie schön ihr Leben aussehen könnte. Nicht nur durch ihn, sondern durch alles, was sie in dieser Woche getan hatte. Unerkannt durch die Straßen zu schlendern, einen Schaufensterbummel zu machen, in Geschäfte zu gehen ohne Bodyguards oder eine Assistentin, die für sie einkaufte.

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