Zwischen Vernunft und verbotenem Verlangen

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Sie ist nur das Kindermädchen! Das darf Monique nie vergessen! Zwölf Monate lang soll sie den kleinen Sohn des milliardenschweren italienischen Geschäftsmanns Luca Vieri betreuen, nachdem die Mutter des Kindes gestorben ist. Dann wird sie nach Australien zurückkehren. Und Luca nie wiedersehen. Aber in Rom erliegt sie nicht nur dem Zauber der ewigen Stadt, sondern auch Lucas heißen Küssen. Monique erlebt einen Sturm leidenschaftlicher Gefühle! Doch sie weiß: Sie und Luca kommen aus verschiedenen Welten …


  • Erscheinungstag 05.04.2022
  • Bandnummer 072022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509619
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Das Baby hörte nicht auf zu schreien. Luca Vieri lief verzweifelt in seinem Motelzimmer hin und her. Der Kleine war gefüttert, frisch gewickelt und hatte kein Fieber. Trotzdem schrie er wie am Spieß.

Luca drehte eine Runde durchs Zimmer, wofür er dank seiner Beinlänge und der fehlenden Größe des Raumes nicht lange brauchte. Er war geräumigere und luxuriösere Unterkünfte gewöhnt. Allerdings vermutete er, dass die atemberaubende Aussicht auf den Strand die meisten Motelgäste hinreichend entschädigte.

Ihm waren Zimmerkomfort und Aussicht egal. Er wünschte sich einfach nur, seinen Sohn beruhigen zu können.

„Luca, bist du noch da?“

Die Stimme am anderen Ende der Leitung riss ihn aus seinen Gedanken. Er hielt sich das andere Ohr zu und versuchte sich darauf zu konzentrieren, was sein Assistent ihm berichtete.

„Sì.“

Das Baby schrie weiter. Offenbar hatte sein Sohn eine kräftige Lunge.

Sein Sohn.

Er schloss die Augen, zwang sich aber, sie rasch wieder zu öffnen. Sobald er das Telefongespräch beendet hätte, würde er seine ganze Aufmerksamkeit wieder dem Baby widmen. Vielleicht hätte er einfach ins andere Zimmer gehen, die Tür schließen und sein Telefonat bei etwas niedrigerem Lärmpegel führen sollen. Aber er brachte es nicht über sich, den sieben Monate alten Benito auch nur ein paar Minuten allein zu lassen. Er wollte, dass sein Sohn ihm vertraute. Der Junge sollte begreifen, dass sein Vater immer für ihn da sein würde.

„Das ist alles kein Problem“, sagte er zu seinem Assistenten.

Der Anblick von Benitos rot geweintem Gesicht schnitt ihm ins Herz. Bald würde der Kleine erschöpft einschlafen.

„Verschieb alles auf nächste Woche“, ordnete er an.

„Schon erledigt.“

„Gut.“

Als er sich dem Laufgitter näherte, schrie Benito nur umso lauter, sodass Luca sich verzweifelt zurückzog. Er wollte seinen Sohn so gern trösten, aber sie kannten sich erst seit zwei Tagen. Für das Kind war er ein Fremder. Der Kleine vertraute ihm nicht, hatte immer noch Angst vor ihm. Er gestattete Luca nur, ihn zu füttern, wenn er es vor Hunger nicht mehr aushielt, und er schlief nur auf seinem Arm ein, wenn er völlig erschöpft war. Benito war vor einer Weile aufgewacht und hatte zugelassen, dass Luca ihm sein Mittagessen gab. Aber jetzt schlug er jedes Mal die Wasserflasche weg, wenn Luca sie ihm reichte. Er drehte den Kopf weg, wenn sein Vater ihm den Schnuller geben wollte, und wenn er ihn hochhob, strampelte er wild, um sich zu befreien.

Luca wollte seinem Sohn so gern helfen, aber gegen Trauer gab es kein sofort wirksames Heilmittel. Benito vermisste seine Mutter. Er trauerte um die Frau, an die er sich irgendwann nicht mehr erinnern würde.

Luca schluckte. Auch er haderte mit seinem Schicksal.

„Luca?“

Die Stimme seines Assistenten holte ihn in die Gegenwart zurück.

„Sorry, Piero. Was meine Mutter betrifft … sag ihr, dass ich sie anrufe, sobald ich wieder in Rom bin.“

„Alles klar.“

Luca machte sich im Geiste eine Notiz, seinem Assistenten ein großzügiges Weihnachtsgeld auszuzahlen. „Ich weiß, es ist viel verlangt. Ich werde ihr selbst auch eine Nachricht schicken, aber ich fürchte, sie wird dich trotzdem weiter nerven.“

„Macht nichts. Ich komme mit Signora Conti schon klar.“

Das konnten nur wenige Leute von sich behaupten, aber Piero war einer von ihnen.

Grazie, Piero.“

„Du brauchst Zeit für deinen Sohn.“

Er verzog den Mund. „Bloß wartet ein Großunternehmen wie unseres in der Zwischenzeit nicht geduldig auf mich.“ Das galt umso mehr, da er erst seit zwei Jahren der Firmenchef war.

„Deine Cousine, Signorina Rosetta Vieri, ist eingesprungen und tut, was sie kann. Sie macht das sehr gut.“ Rosetta war die einzige Verwandte, der Luca voll und ganz vertraute. Sie hatten vor Kurzem herausgefunden, dass es einen Verräter in der Firma gab, und es gefiel ihm gar nicht, sie damit allein zu lassen. „Hast du weitere finanzielle Unregelmäßigkeiten festgestellt?“

„Ja. Zwar nicht so gravierende, es ist aber trotzdem alarmierend.“

Die Quelle dieser Unregelmäßigkeiten zu finden würde höchste Priorität haben, wenn Luca nach Rom zurückkehrte.

Benitos unablässiges Schreien machte es Luca unmöglich, sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren. Er nahm den Teddybär, den er für den Kleinen gekauft hatte, und ließ ihn auf dem Geländer des Laufgitters herumtanzen, aber Benito schmiss sich einfach auf die andere Seite. Er beeilte sich so sehr, seinem Vater zu entkommen, dass er beinahe gegen die Holzstangen gefallen wäre.

Luca wurde es schwer ums Herz. Er liebte seinen Sohn. In dem Moment, als er Benito zum ersten Mal gesehen hatte, war sein Beschützerinstinkt geweckt worden. Er würde eine starke, unverwüstliche Beziehung zu seinem Sohn aufbauen und alles tun, damit Benito sich geliebt und geborgen fühlte.

Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Es war unrealistisch zu erwarten, dass ihm das so schnell gelang. Die erste Zeit war schwierig. Er hatte nicht geahnt, dass es ihn so auslaugen würde. Er war daran gewöhnt, Probleme rasch zu lösen, nicht daran, sich so … ohnmächtig zu fühlen.

„Da ist noch was“, meinte sein Assistent. „Signor Romano hat angerufen. Er möchte, dass du so bald wie möglich persönlich mit ihm sprichst.“

Dio! Wie hatte er so schnell Wind davon bekommen?

Das Baby schrie weiter aus Leibeskräften.

Ein Auge auf seinen Sohn gerichtet, öffnete Luca die Glasschiebetür zur Veranda, trat hinaus und genoss die frische Brise im Gesicht. „Meinst du, ich muss ihn anrufen, bevor ich wieder in Rom bin?“

„Sì.“

Cavolo! Er würde sehr aufpassen und all sein Taktgefühl sowie diplomatisches Geschick einbringen müssen. Doch selbst das würde vielleicht nicht reichen.

„Gut, ich kümmere mich darum.“

Er hatte Bella versprochen, dass er einen Weg finden würde, ihre Verlobung zu lösen. Die Entdeckung, dass er einen Sohn hatte, bot ihm eine gute Entschuldigung. Luca konnte vorgeben, dass er Zeit brauchte, um sich an die neue Situation zu gewöhnen. Und Bella konnte behaupten, dass sie nicht so schnell Stiefmutter werden wolle.

Doch Signor Romano würde vermutlich einwenden, dass Benito kein Problem darstelle. Er würde zwar verlangen, dass die Kinder, die Bella und Luca nach ihrer Heirat bekämen, die legitimen Vieri-Erben würden, aber wenn das geklärt wäre, könne Bella sich bestimmt mit der Idee anfreunden, Benito großzuziehen.

Was der alte Herr nicht wusste, war, dass Bella in einen anderen Mann verliebt war. Und Luca hatte keine Lust, eine Frau zu heiraten, die gar nicht mit ihm zusammen sein wollte. Zwar wünschte er sich unbedingt ein Bündnis der beiden Familien, dennoch würde er Benito nicht anders behandeln als die weiteren Kinder, die er vielleicht eines Tages haben würde.

Mit der Zeit würde Bella ihren Vater vielleicht mit ihrem Auserwählten versöhnen können, allerdings war Signor Romano ein Hitzkopf und eine Vereinigung der beiden Familien sein größter Wunsch. Luca musste also nach einem Weg suchen, wie er den alten Mann nicht verprellte, auch wenn Bella und Luca nicht heirateten.

Bei dem Gedanken, welche Herkulesaufgabe Bella ihm aufgehalst hatte, wurde ihm flau im Magen. Es würde ihm nicht gelingen, das Problem mit einem einzigen Telefonat zu lösen, aber er könnte zumindest schon mal den Weg ebnen.

Wenn Benito nur mit dem Schreien aufhören würde! Wenn Luca in den letzten drei Tagen nur ein wenig geschlafen hätte! Wenn er nur schon vor sieben Monaten von der Existenz seines Sohnes erfahren hätte!

„Okay, Piero …“ Er unterdrückte einen Seufzer. „Wie schätzt du die Lage ein?“

Er zwang sich, sich auf die Stimme seines Assistenten zu konzentrieren, aber eine Bewegung im Motelzimmer erregte seine Aufmerksamkeit. Der schwarze Rock, die weiße Bluse und die flachen Schuhe wiesen darauf hin, dass es sich um eine Hotelangestellte handelte, die soeben eingetreten war. Über Benitos Brüllen hinweg hatte er gar nicht gehört, dass sie angeklopft hatte.

Luca wollte sie bitten, später wiederzukommen, doch ihr strahlendes Lächeln beim Anblick seines Sohnes hielt ihn zurück.

Sie beugte sich zu dem weinenden Kind hinunter. „Hallo, Benny, mein Kleiner! Was ist denn los?“

Benito hörte sofort auf zu weinen, wandte sich dem Zimmermädchen zu, blickte es an – und dann streckte er ihr, aufgeregt zappelnd, seine Ärmchen entgegen. Als sie ihn hochgehoben hatte, schlang er die Arme um ihren Hals und schniefte in ihren Nacken, während sie ihn schaukelte und leise beruhigte. Luca schnappte „Armes kleines Baby!“ und „Dir fehlt sie auch!“ auf. Hatte diese Frau Anita etwa gekannt?

Aber natürlich, dieser Ort war schließlich winzig. Hier kannte jeder jeden.

Während er die beiden wehmütig beobachtete, richtete sie plötzlich den Blick auf ihn. Ihre Augen waren klar und bernsteinfarben. Dabei hatte er geglaubt, dass sie ihn nicht bemerkt hätte …

Ihr Gesicht nahm einen fragenden Ausdruck an, und sie wies aufs Sofa. Luca nickte zustimmend.

Nachdem sie sich mit Benito hingesetzt und eine Strähne ihrer karamellbraunen Haare aus dessen Fingern befreit hatte, stimmte sie ein Kinderlied an, das Luca von früher kannte. Benito blickte sie mit verheulten Augen an, als wäre sie sein rettender Engel.

Oh, wenn sein Sohn doch nur ihn so ansehen würde!

„Luca, bist du noch dran?“

„Entschuldige, Piero, ich muss los. Ich melde mich später noch mal.“ Er steckte sein Handy ein und ging ins Zimmer zurück.

Benito hörte begeistert zu, wie das Zimmermädchen sang. Ohne Vorwarnung blickte sie wieder zu Luca. Warum er von Vorwarnung sprach, wusste der Himmel allein, aber … vor solchen Augen musste man gewarnt werden!

Singen Sie, forderte sie ihn lautlos auf.

Also stimmte er mit ein. Das Baby fuhr herum und starrte ihn grimmig an, doch das magische Zimmermädchen wippte den Kleinen auf dem Schoß, bis er wieder lachte. Als das Lied zu Ende war, klatschte die Frau in die Hände.

„Juchhu! Abklatschen!“

Benito schlug seine Hand gegen ihre.

„Und dein Daddy kennt das Lied auch! Abklatschen, Daddy!“

Luca hielt sofort seine Hand hoch, und Benito klatschte dagegen, halb lächelnd, halb stirnrunzelnd.

Aber das Zimmermädchen – diese wunderbare Frau – ließ dem Jungen keine Zeit, nachzudenken oder gegen Lucas Anwesenheit neben ihnen auf dem Sofa zu protestieren. Stattdessen kitzelte sie ihn, bis er sich vor Lachen bog.

Als Benito zufrieden an seinem Schnuller saugte und auf ihrem Schoß immer schläfriger wurde, wollte die Frau aufstehen, doch Luca hielt sie am Arm zurück.

„Bitte, bleiben Sie noch einen Moment.“

Sie starrte auf seine Hand, und er zog sie sofort zurück. Das Zimmermädchen roch nach Vanille und Zitrone – und beunruhigend verführerisch.

Er sprang auf und entfernte sich ein wenig von ihr.

„Sie haben Anita gekannt?“, erkundigte er sich.

„Sie hat auch hier gearbeitet.“

Anita hatte als Zimmermädchen gearbeitet? Wenn er gewusst hätte, dass sie die Mutter seines Kindes war, hätte er dafür gesorgt, dass sie wie eine Prinzessin lebte!

„Ich habe oft auf Benny aufgepasst.“ Lächelnd sah sie auf das schlummernde Kind hinunter. „Wir sind beste Freunde, Benny und ich.“

„Das merkt man. Er erlaubt mir, ihm sein Fläschchen zu geben, und er erduldet es, wenn ich ihn wickle. Aber er schläft nur auf meinem Arm ein, wenn er todmüde ist, und er lächelt mich nie an.“

„Das braucht Zeit, Mr. Vieri.“

Sie kannte seinen Namen? Natürlich. Wahrscheinlich kannte jeder in Mirror Glass Bay seinen Namen.

Sie sah sich im Zimmer um. „Das hier ist alles so neu und fremd für ihn. Und er vermisst seine Mutter.“

Er hätte in Anitas Cottage bleiben sollen, statt Benito ins Motel zu schleppen. Es war bloß … Es hatte sich angefühlt, als würde er in Anitas Privatsphäre eindringen. Doch sein eigenes Unbehagen hätte keine Rolle spielen dürfen. Es zählte allein, was das Beste für Benito war.

Und das Beste für Benito war diese Fee in Gestalt eines Zimmermädchens.

Er sah unauffällig auf ihre linke Hand – sie trug keinen Ehering. Tatsächlich trug sie außer silbernen Ohrsteckern überhaupt keinen Schmuck.

„Sie sind klar im Vorteil“, stellte er fest. „Sie kennen meinen Namen, aber ich weiß nicht, wie Sie heißen.“

„Monique Thomas.“ Lächelnd reichte sie ihm die Hand. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Vieri.“

Ihre Offenheit gefiel ihm, diese angeborene egalitäre Haltung, die so typisch für Australier war. Sicher wusste sie, dass er einer der reichsten Männer Italiens war, trotzdem behandelte sie ihn wie jeden anderen. Das imponierte ihm.

„Die Freude ist ganz meinerseits.“ Er schüttelte ihr die Hand. „Bitte nenn mich Luca.“

Sie errötete fast unmerklich und entzog ihm ihre Hand. „Ich muss zurück an die Arbeit.“

„Ich mache dir ein Angebot, Monique.“

Sie zog fragend die Augenbrauen hoch.

„Ein Jobangebot“, ergänzte er rasch, als ihm einfiel, dass eine so hübsche Frau sicher auch andere Angebote bekam.

Kurz flackerte Begehren in ihm auf, aber er unterdrückte es umgehend, denn das war weder der richtige Zeitpunkt noch der passende Ort. Offiziell hielt ihn die ganze Welt für verlobt, und auch wenn das nicht stimmte, konnte er sich keinen Skandal leisten.

Monique versuchte, ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen. Anita hatte ihr zwar erzählt, dass Benitos Vater sehr gut aussah, aber Luca Vieri sah nicht nur gut aus, er war einfach umwerfend!

Sie schluckte. „Ein Jobangebot?“

Natürlich hatte er ein Jobangebot gemeint. Sie war nicht die Sorte Frau, die unmoralische Angebote von reichen, mächtigen, umwerfenden Männern bekam. Und selbst wenn, war sie nicht die Sorte Frau, die solche Angebote annahm.

Bestimmt würde er sie fragen, ob sie auf Benny aufpassen würde, solange er in Mirror Glass Bay wäre. Sie überschlug die Zahl der belegten Betten im Motel und nickte. Das würde sich machen lassen. Die Motelbetreiber Eve und Cassidy würden sicher alles tun, um ihm entgegenzukommen. Und sie selbst würde dadurch etwas Zeit mit Benny gewinnen. Anscheinend hatte Luca noch nicht begriffen, dass sie Bennys Patin war.

Er sah sie mit seinen tiefbraunen Augen forschend an. Sein Blick ging ihr unter die Haut …

Aus irgendeinem Grund hatte sie plötzlich Gewissensbisse. Dabei hatte sie keinen Grund, sich schuldig zu fühlen. Wenn sich jemand schuldig fühlen sollte, dann er!

Sie runzelte die Stirn. Nun, vielleicht auch nicht, sie sollte ihn nicht vorschnell verurteilen.

„Monique, ich möchte, dass du für mich arbeitest. In Italien. Als Benitos Kindermädchen.“

Sie fiel aus allen Wolken. „Du weißt doch gar nichts über mich!“

„Ich weiß, dass mein Sohn dir vertraut, und ich nehme an, dass Anita das auch getan hat – immerhin hat sie dir ihr Kind anvertraut. Das reicht mir als Empfehlung.“ Als sie nicht reagierte, wies er auf Benny. „Ich habe gerade gesehen, wie liebevoll du mit ihm umgegangen bist. Ich glaube, du liebst meinen Sohn.“

Ihr kamen die Tränen. Obwohl sie rasch den Kopf senkte, schätzte sie, dass er es bereits bemerkt hatte, denn seinem Blick schien nichts zu entgehen.

Dann nannte er ein schwindelerregend hohes Gehalt. Mein Gott! Mit so viel Geld könnte sie …

„Was sagst du, Monique Thomas?“

Sie holte tief Luft, blinzelte und hob den Kopf. „Weißt du, dass ich Bennys Patin bin?“

Er ließ sich vor Überraschung auf das Sofa gegenüber fallen. „Seine Patin?“

Sie nickte.

„Aber …“, ein Strahlen machte sich auf seinem Gesicht breit, „… das ist ja perfekt!“

Eigentlich hätte sie sich über sein arrogantes Auftreten ärgern müssen, aber komischerweise beruhigte es sie – er wollte das Beste für seinen Sohn, wollte, dass sein Sohn glücklich war. Das machte ihn für sie unglaublich attraktiv.

Sie musste insgeheim über sich selbst lachen: Ein Mann zeigte einen Funken Interesse am Wohlergehen eines Kindes, und schon setzte bei ihr der Verstand aus!

„Ich wäre unheimlich gern Bennys Kindermädchen und fände es total aufregend, nach Italien zu reisen …“, setzte sie an.

„Klasse! Dann lass uns das mit einem Handschlag besiegeln. Ich rede mit deinen Arbeitgebern, und sobald alles geregelt ist, können wir abreisen. Benito hat schon einen Pass, dadurch geht’s schneller.“

Er stand auf und tippte nachdenklich mit dem Finger gegen seine perfekt geschwungenen Lippen. Offenbar bemerkte er gar nicht, dass sie die Schultern hängen ließ und den Kopf schüttelte.

„Wie lange brauchst du, um alles vorzubereiten? Dir steht mein gesamter Mitarbeiterstab zur Verfügung.“

Sie schluckte. „Tut mir leid, Luca, aber so gern ich dein Angebot auch annehmen würde: Ich kann nicht.“

Er setzte sich wieder und sah sie durchdringend an. Sie fühlte sich wie im Auge eines Sturms – ringsum herrschte unheimliche Stille, bevor der Wind einen hochhob und durch die Luft schleuderte.

„Du hast gesagt, dass du meinen Sohn liebst und gern nach Italien reisen würdest. Und ich weiß, dass mein Gehaltsangebot attraktiv ist.“

„Das ist alles richtig.“

„Bist du verheiratet oder liiert?“

„Nichts dergleichen.“

Er verzog die Lippen. „Hast du ein Kind?“

Sie zögerte. Eigentlich nicht. Jedenfalls noch nicht.

„Dein Kind wäre sehr willkommen. Es könnte mit Benito spielen.“

Das war zwar lieb gemeint, aber …

„Ich fürchte, so einfach ist das nicht.“

Er beugte sich vor. „Warum nicht?“

Wäre sie nicht Bennys Patin gewesen, hätte sie nichts auf der Welt dazu gebracht, einem Wildfremden ihre traurige Familiengeschichte zu offenbaren. Aber Benny war nun mal ihr Patenkind, und sie war es ihm und Anita schuldig, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Sie konnte ihn zwar nicht nach Italien begleiten, aber vielleicht konnte sie ihn dazu überreden, dass sie über Videochats in Verbindung blieben, und vielleicht dürfte sie ihn sogar einmal besuchen. Doch das würde nicht klappen, wenn Luca glaubte, dass ihr die Zukunft seines Sohnes nicht am Herzen lag. Und sie wollte nicht, dass Benny je denken würde, seine Freunde in Australien hätten ihn vergessen.

„Monique?“

Mein Gott, wenn der Mann ihren Namen mit diesem süßen italienischen Akzent sagte, schmolz sie dahin.

Sie stand auf, trug Benny ins Schlafzimmer und legte ihn in das Bettchen, das dort für ihn aufgestellt worden war. Dann vergewisserte sie sich, dass sein Lieblingsstofftier griffbereit war – eine Giraffe, der Anita den Namen Colin gegeben hatte. Sanft berührte sie Bennys Haar.

„Oh, Anita“, flüsterte sie. „Du fehlst uns.“

Als sie ins Wohnzimmer zurückkam, reichte Luca ihr eine Tasse Tee. „Ich wusste nicht, wie du ihn trinkst.“

„Schwarz ist gut. Danke.“ Sie nahm einen Schluck und schloss zufrieden die Augen. „Perfekt.“

Als sie die Augen wieder öffnete, bedeutete Luca ihr, sich aufs Sofa zu setzen.

„Jetzt erzähl mir, warum du nicht Benitos Kindermädchen sein kannst. Obwohl ich alles tun würde, um meinem Sohn die Eingewöhnung in sein neues Leben so leicht wie möglich zu machen.“

Sie seufzte innerlich, setzte aber ein freundliches Lächeln auf. „Wenn du ihm Beständigkeit geben willst, solltest du von Colin erfahren.“

Er hörte aufmerksam zu, als sie ihm von Bennys Lieblingsspielzeug erzählte.

„Ein Kuscheltier? Verstehe.“ Er nickte entschlossen. „Ich werde eine Ersatzgiraffe kaufen – oder am besten gleich mehrere – und sie gut aufheben. Nur für den Fall, dass Colin etwas zustoßen sollte.“

Diese Entschlossenheit, seinen Sohn glücklich zu machen, stimmte sie nachdenklich. Es passte nicht zusammen, dass sich ein Mann, der sich so um sein Kind sorgte, sieben Monate lang nicht um dessen Existenz geschert haben sollte. Das hieß also, jemand aus der Vieri-Familie musste von Benito gewusst, Luca gegenüber aber geschwiegen haben.

Wer tat so etwas?

Nicht dass sie vorhatte, ihm diese Frage zu stellen. Es war sowieso nur eine Vermutung.

„Jetzt sag mir schon, was dich davon abhält, Benito nach Rom zu begleiten!“

In dem Moment glaubte sie fast, er könnte Berge versetzen – für seinen Sohn natürlich. Auch wenn es eher um Benny als um sie selbst ging, fand sie das unglaublich anziehend. Schade, dass er ihr Hindernis nicht so leicht aus dem Weg räumen konnte.

Sie setzte die Teetasse ab und straffte die Schultern. „Ich habe die Vormundschaft für meine kleine Nichte beantragt. Meine Schwester ist Alkoholikerin und drogenabhängig … genau wie meine Mutter.“

„Verstehe.“

Das bezweifelte sie. Sie glaubte nicht, dass er in seiner exklusiven Welt je mit Drogen- oder Alkoholsucht zu tun gehabt hatte. Und darüber war sie froh. Sie wünschte inständig, dass auch sie nicht damit in Berührung gekommen wäre.

„Ich hatte das Sorgerecht für meine Nichte Fern, während meine Schwester wegen Drogenhandels im Gefängnis gesessen hat. Von Geburt an hat Fern mehr Zeit mit mir als mit ihrer Mutter verbracht. Manchmal hat Skye davon gesprochen, sich mehr um ihr Kind zu kümmern, aber …“

Sie beendete den Satz nicht.

„Ich habe wirklich geglaubt, sie würde die Kurve kriegen, als sie aus dem Gefängnis entlassen wurde“, sagte sie stattdessen. „Ich habe gedacht, sie hätte dazugelernt. Sie ist zu mir gezogen, und ich habe ihr einen Job im Motel besorgt.“

„Du warst zuversichtlich?“

Sie nickte.

„Was ist passiert?“

Ihre Mutter, der es unerklärlicherweise immer wieder gelang, Skye negativ zu beeinflussen, war in Mirror Glass Bay aufgetaucht.

„Hat sie wieder angefangen, Drogen zu nehmen?“, hakte Luca nach.

„Sie hat meine Kreditkarte geklaut und ist abgehauen.“ Monique war immer noch dabei, die Schulden abzuzahlen.

„Hast du sie nicht angezeigt?“ Er musste die Antwort in ihren Augen gelesen haben, denn er schüttelte den Kopf. „Monique!“

„Meine Schwester hat mir früher alles bedeutet, Luca“, erklärte sie traurig. „Schon als Kind konnte ich mich auf meine Mutter nicht verlassen. Aber als ich vier war, ist sie mit der kleinen Skye aus der Klinik nach Hause gekommen, und das hat mein Leben verändert. Plötzlich war da jemand, den ich geliebt und für den ich gekämpft habe. Weil ich Skye hatte, bin ich nicht so geworden wie meine Mutter.“

Er stützte die Ellbogen auf die Knie, sodass er ihr unweigerlich näher kam. Aus irgendeinem Grund begann ihr Herz höherzuschlagen.

„Wenigstens hat meine Schwester ihre Tochter bei mir gelassen.“ Hastig trank sie einen Schluck Tee. „Deshalb habe ich gedacht, ich könnte mich einfach weiter um sie kümmern und sie beschützen.“

„Warum willst du ihr das Sorgerecht entziehen lassen? Hast du das Jugendamt eingeschaltet?“

Sie starrte auf ihre Hände hinunter und nickte. „Skye und meine Mutter sind mit einem Polizisten gekommen und haben Fern abgeholt.“

Dass er empört nach Luft schnappte, sagte ihr, was er davon hielt.

„Wie alt ist deine Nichte?“

„Dreieinhalb.“

„Und wie hat sie darauf reagiert?“

Bei der Frage zuckte Monique zusammen. Sie schüttelte den Kopf, weil sie nicht über diese Szene reden wollte. Jedes Mal, wenn sie daran dachte, wie Fern geschrien und sich an sie geklammert hatte, schossen ihr die Tränen in die Augen.

Sie zwang sich, aufzublicken. „Weil ich nicht Ferns Mutter bin, habe ich keine Rechte.“

Seine Augen blitzten. „Du hast das Recht, Schwächere zu beschützen.“

In ihrer Jugend war es ihr nicht gelungen, Skye vor dem Einfluss ihrer Mutter zu bewahren. Vielleicht war sie deshalb jetzt so entschlossen, alles zu tun, um Fern zu schützen.

„Was ist seitdem passiert? Wie lange ist das her?“

„Vier Monate.“

Sie bemerkte, dass er entrüstet war, aber bevor er den Mund aufmachen konnte, hob sie abwehrend die Hand. „Bitte, Luca, ich weiß.“

Daraufhin verkniff er sich einen Kommentar.

„Ich halte nichts davon, Eltern ihr Kind wegzunehmen, außer in ernsten Notlagen. Ich habe gehofft, dass meine Schwester vorhat, eine richtige Beziehung zu Fern aufzubauen, aber leider benutzen sie und meine Mutter die Kleine dazu, mich zu erpressen.“

„Wie meinst du das?“

„Meine Schwester sagt, sie gibt mir das Sorgerecht für Fern, wenn ich ihr zweihunderttausend Dollar zahle.“ Sie verzog den Mund. „Ich habe nicht so viel Geld, und die Bank gibt mir keinen Kredit.“

„Du kannst dich nicht erpressen lassen! Wenn du einmal zahlst, hört es nie auf. Es sei denn, du hast einen richterlichen Beschluss und …“

Sie hob wieder die Hand, sodass er mitten im Satz verstummte.

„Es gibt Dringenderes, Luca. Meine Mutter, meine Schwester und Fern leben zusammen unter einem Dach. Sie tun Fern zwar nichts, aber sie vernachlässigen sie.“

„Du sorgst dich um ihre Sicherheit?“

Sie war nicht besorgt, sondern in Panik!

„Ich besuche sie so oft, wie ich kann.“ Es waren Überraschungsbesuche. Sie sagte nie vorher, wann sie kam. „Sie wohnen in einer größeren Stadt, etwa vierzig Minuten von hier. Ich kaufe vorher immer ein, damit Fern etwas zu essen hat.“

Und so hatte sie die Gelegenheit, ihre kleine Nichte in den Arm zu nehmen, ihr zu sagen, dass sie sie lieb hatte und alles unternahm, um sie zu sich zu holen.

„Vor drei Monaten, als ich unangekündigt hingefahren bin, stand das Haus offen, während meine Mutter und meine Schwester zugedröhnt im Wohnzimmer lagen und das Essen auf dem Herd angebrannt ist. Fern war in ihrem Zimmer eingeschlossen.“

Luca erstarrte und brummte etwas auf Italienisch, was wie ein Fluch klang.

Monique nickte zustimmend. Sie mochte sich nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn sie an dem Tag nicht zufällig aufgetaucht wäre. Das Haus hätte niederbrennen können – und mit ihm alle Menschen, die sich darin aufhielten.

„Da habe ich das Jugendamt gerufen“, endete sie. „Seitdem untersuchen sie die Sache.“

„Aber das war vor drei Monaten!“

„Meine Mutter weiß, wie man die Ämter reinlegt. Und einer Mutter ihr Kind wegzunehmen, ist eine ernste Sache.“

„Aber …“

„Ich weiß. Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass Skye je eine gute Mutter sein wird. Fern zuliebe darf ich kein Mitleid mehr mit meiner Schwester haben. Die Kleine verdient es, in einer sicheren und liebevollen Umgebung aufzuwachsen.“

Sie wusste, dass dieser Mann ihr zustimmte. Einen Moment zögerte sie, dann stand sie auf, zog ihren rechten Arm aus der Strickjacke und drehte sich so zu ihm, dass er ihre lange Narbe sehen konnte.

„Ich will nicht, dass meiner Nichte so etwas passiert.“

2. KAPITEL

Luca starrte auf die Brandnarbe, die sich von Moniques Schulter über den halben Oberarm erstreckte, und eine unsägliche Wut packte ihn.

„Wie …?“ Er verstummte, um seine aufgebrachte Stimme unter Kontrolle zu bringen. Diese Frau verdiente Bewunderung und Anteilnahme, nicht Zorn und Entrüstung. „Wie alt warst du da?“, fragte er deshalb in ruhigerem Tonfall.

„Fast fünf.“ Nur etwas älter als ihre kleine Nichte heute.

„Wie ist das passiert?“

Autor

Michelle Douglas
Das Erfinden von Geschichten war schon immer eine Leidenschaft von Michelle Douglas. Obwohl sie in ihrer Heimat Australien bereits mit acht Jahren das erste Mal die Enttäuschung eines abgelehnten Manuskripts verkraften musste, hörte sie nie auf, daran zu arbeiten, Schriftstellerin zu werden. Ihr Literaturstudium war der erste Schritt dahin, der...
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