Baccara Exklusiv Band 133

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SINNLICHE KÜSSE - GEFÄHRLICHES GEHEIMNIS von BROADRICK, ANNETTE
So charmant wie von dem attraktiven John ist Carina zuvor noch nie umworben worden. Schnell kommen sie sich näher, und Carina kann schon sehr bald an nichts anderes mehr denken als seine sinnlichen Küsse. Doch dann erfährt sie, dass er sie von Anfang an belogen hat.

NÄCHTE WIE FEUER, TAGE WIE EIS von CHILD, MAUREEN
Julia ist schockiert! Schlimm genug, dass ihre stürmische Liebesnacht mit Max Rolland Folgen hatte - noch schlimmer ist nur, dass er millionenschwere Unternehmer behauptet, er könne unmöglich der Vater sein. Aber warum will er sie dann trotzdem heiraten?

UNTER DEM SCHUTZ DES MILLIONÄRS von BANKS, LEANNE
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  • Erscheinungstag 25.09.2015
  • Bandnummer 0133
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721855
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Annette Broadrick, Maureen Child, Leanne Banks

BACCARA EXKLUSIV BAND 133

1. KAPITEL

John Crenshaws Telefon klingelte um sieben Uhr in der Früh und riss ihn aus dem Tiefschlaf. Er griff nach dem Hörer, ohne die Augen zu öffnen.

„Crenshaw“, murmelte er müde.

„Hier ist das Büro von Miss Kincaid. Einen Moment, bitte.“ Jackie Kincaid war Johns Vorgesetzte bei der National Security Agency.

John arbeitete seit vier Jahren beim Geheimdienst. Gleich nachdem er den Dienst in der Army quittiert hatte, wo er in einer Spezialeinheit gedient hatte, wollte ihn die Agency haben. Bis vor sechs Monaten war er dort im Außendienst gewesen. Dann hatte man ihn befördert.

Er hatte keinen blassen Schimmer, warum Jackie Kincaid ihn so früh morgens zu Hause anrief. Er setzte sich seufzend auf und schwang die Beine aus dem Bett.

„John? Hier ist Jackie. Tut mir leid, Sie um diese Zeit zu stören, aber gestern waren Sie nicht zu erreichen. Ich konnte nicht mal eine Nachricht hinterlassen.“

„Ich war in den letzten zwei Wochen an der Westküste und bin erst heute Nacht zurückgekommen.“

„Ich weiß, Sie haben diese Woche Urlaub, aber es hat sich etwas ergeben. Wir brauchen Sie.“

„Ein Personalproblem?“

„Nein. Sie müssen in zwei Stunden an einer Besprechung mit einem anderen Dienst teilnehmen.“

Er verzog das Gesicht. „Mit welchem?“

„DEA.“

„Die Drogenbehörde? Das soll wohl ein Witz sein.“

„Keineswegs. Können Sie rechtzeitig hier sein?“

John gähnte. „Sicher.“

„Großartig. Bis dann.“

John stand auf und streckte sich. Sein Körper war immer noch auf Pazifikzeit eingestellt, und das bedeutete, dass es für ihn jetzt vier Uhr nachts war.

Er ging in die Küche und setzte Kaffee auf. Im Bad stellte er dann fest, dass er einen neuen Haarschnitt bitter nötig hatte.

In Südkalifornien war er viel in der Sonne gewesen, sodass seine Haut jetzt tiefbraun und sein blondes Haar ausgebleicht war.

John duschte, rasierte sich, zog sich an und holte sich dann seinen Kaffee. Nach der ersten Tasse goss er den Rest in eine Thermoskanne, um ihn auf dem Weg zur Arbeit zu trinken.

Sein Porsche verbrachte viel mehr Zeit in der Garage als auf der Straße. John hatte sich auf ein paar freie Tage gefreut, um den Wagen mal so richtig ausfahren zu können. Dieses Auto war die Liebe seines Lebens, und warum auch nicht? Es wartete immer zu Hause auf ihn, wenn er kam, beschwerte sich nie darüber, dass er so spät dran war, verlangte keine Aufmerksamkeit und warf auch nicht sein Geld zum Fenster raus, wenn er weg war.

Als er den Motor startete, lächelte er unwillkürlich. Es klang fast wie das Schnurren einer Katze – Musik in seinen Ohren.

John fuhr zur Niederlassung der NSA und trank während der Fahrt seinen Kaffee. Als er angekommen war, ging er erst mal in sein Büro, um nach seiner Post zu sehen. Dann machte er sich auf den Weg zu Miss Kincaids Büro.

Ihre Assistentin sah gerade die Post durch und schaute auf, als John hereinkam. „Willkommen zurück. So braun gebrannt gefallen Sie mir noch besser. Ich wünschte, ich hätte nichts Besseres zu tun, als den ganzen Tag am Strand zu liegen.“

John hob eine Augenbraue. „Das wünsche ich mir auch. Aber ich habe einen Termin bei Jackie.“

„Gehen Sie gleich rein. Hm, diese Bräune steht Ihnen wirklich gut. Wahrscheinlich laufen Ihnen die Frauen in Scharen nach.“

Er grinste. „Das muss mir entgangen sein.“

Justine war Mitte dreißig, glücklich verheiratet und hatte drei kleine Töchter. Sie zog John immer damit auf, dass er ihre erste Wahl als Schwiegersohn wäre, wenn er bloß warten könnte, bis ihre Töchter erwachsen waren.

Er klopfte an Jackies Tür und trat ein.

Drei Männer und eine Frau saßen vor Jackies Schreibtisch. Sie drehten sich alle zu John um.

Einer der Männer stand auf.

Er war um die Fünfzig, und sein dunkles Haar wurde bereits grau. Wahrscheinlich trainierte er mehrmals in der Woche, denn er wirkte sehr fit. So wie er John musterte, entging ihm vermutlich überhaupt nichts, und John hätte sich am liebsten die Schuhe mal eben an den Hosenbeinen poliert.

„John, das ist Sam Watson von der DEA. Und dies sind drei seiner Agenten: Jerry Greene, Hal Pennington und Ruth Littlefield.“ Die Agenten standen auf, und John schüttelte allen die Hände.

„Nun da wir vollzählig sind, schlage ich vor, dass wir in den Konferenzraum gehen. Da haben wir mehr Platz.“ Jackie ging voraus.

Sobald alle am Konferenztisch Platz genommen hatten, sagte Jackie: „Sam, erklären Sie doch John, warum Sie ihn sehen wollten.“

Watson lächelte. Das verwandelte sein Gesicht völlig, und John kam zu dem Schluss, dass er wohl doch jünger war, als es auf den ersten Blick aussah.

„Danke, Jackie.“ Watson wandte sich an John. „Ich habe ein Problem mit meinem Büro in San Antonio. Einer meiner Männer wurde letzte Woche getötet, und es sieht so aus, als wäre ein anderer Agent dafür verantwortlich.“

„Verdammt, das ist hart.“ John drehte sich zu den anderen Agenten um. „Man muss sich doch wenigstens auf seine Kollegen uneingeschränkt verlassen können.“

Die drei machten eine finstere Miene.

„Ich muss jemanden hinschicken, der für uns verdeckte Ermittlungen anstellt. Und auf der Suche nach einem geeigneten Mann, dem ich vertrauen kann, bin ich auf Sie gestoßen. Sie haben ja jahrelang undercover gearbeitet.“

„Das stimmt.“

„Und Sie stammen aus Texas.“

John grinste. „Das kann ich kaum leugnen.“

„Ich habe außerdem erfahren, dass Ihre Familie dort gut bekannt ist.“

„Na ja, wir sind ziemlich zahlreich.“

„Sie wären der ideale Mann für mein Vorhaben.“

John wartete.

„In den letzten Monaten haben wir Ermittlungen über eine Familie namens Patterson angestellt. Ihnen gehört eine Import/Export-Firma, und wir vermuten, dass es sich dabei um eine Tarnfirma handelt, die Waffen, Drogen und andere illegale Waren in die Vereinigten Staaten schmuggelt. Gregg, der Agent, der gestorben ist, sammelte Beweise gegen die Pattersons. Sie scheinen uns immer einen Schritt voraus zu sein, egal was wir unternehmen, also haben sie offenbar einen Informanten in unseren Reihen. Bei verschiedenen Razzien haben wir nichts gefunden, und man hat uns vorgeworfen, unschuldige Geschäftsleute zu belästigen.“

Watson goss sich aus einem Krug Wasser ein. Nachdem er einen Schluck getrunken hatte, fuhr er fort.

„Zwei Tage vor seinem Tod hat Gregg Kontakt mit mir aufgenommen und dabei seinen direkten Vorgesetzten übergangen. Er sagte, er hätte zwei Agenten in Verdacht. Offenbar wären wesentliche Informationen nicht weitergegeben worden. Er wollte herausfinden, was da los war. Ich habe ihn gebeten, mir Bescheid zu geben, sobald er mehr weiß. Das war das Letzte, was ich von ihm gehört habe. Zwei Tage danach kam er bei einem Autounfall um.“

„Das klingt, als hätte bei dem Anruf noch jemand mitgehört.“

„So sehe ich das auch. Ich habe so getan, als würde ich an einen Unfall glauben, und die Agenten dort angewiesen, die Nachforschungen einzustellen. Die Pattersons müssen jetzt also annehmen, dass niemand mehr hinter ihnen her ist.“

John verzog das Gesicht. „Wie komme ich da ins Spiel?“

„Wir brauchen jemanden, der engen Kontakt zu der Familie Patterson aufnehmen kann, ohne Verdacht zu erregen. Nachdem ich Ihre Akte gelesen hatte, habe ich Jackie gefragt, ob ich Sie für ein paar Monate ausleihen kann. Jerry, Hal und Ruth stammen aus dem Büro in Virginia. In Texas kennt sie niemand. Sie werden mit Ihnen zusammenarbeiten.“

John kratzte sich am Kinn. „Es ist eine Weile her, seit ich zuletzt verdeckt ermittelt habe.“

„Ich bezweifle, dass Sie ihren Job verlernt haben. Sie waren verdammt gut.“

„Wenn ich Sie richtig verstehe, soll ich in San Antonio als ich selbst auftreten, Kontakt mit der Familie Patterson aufnehmen und Beweise für illegale Aktivitäten sammeln.“

„Genau.“

„Haben Sie eine Vorstellung, wie ich nah an diese Leute herankommen soll?“

„Allerdings. Zu der Patterson-Familie gehört auch eine unverheiratete fünfundzwanzigjährige Tochter. Wenn sie sich mit ihr treffen, wird der Rest der Familie sich an Ihre Gegenwart gewöhnen und keinen Verdacht schöpfen.“

„Sie wollen, dass ich mit ihr anbändle?“

„Richtig.“

„Was ist, wenn sie kein Interesse hat?“

„Oh, bei Ihrem Charme, Ihrem Aussehen und der Tatsache, dass sie aus einer sehr bekannten texanischen Familie stammen, wird es Ihnen sicher nicht schwerfallen, ihr Interesse zu wecken. Danach müssen Sie improvisieren. Je öfter Sie sie sehen, umso besser.“

John sah erst Jackie an, dann die anderen. Ruth sah amüsiert aus. „Ich mag ja ein guter Undercover-Agent sein, aber wenn es um Charme und gutes Aussehen geht, fehlt mir doch einiges. Ich bin wirklich kein Ladykiller.“

„Dann sollten Sie besser lernen, einer zu werden“, meinte Watson. „Denn so werden Sie dort auftreten. Wir haben ein großes Haus für Sie vier gemietet.“

John musterte seine Hände. „Ein Ladykiller soll ich also sein, ja?“

„Sie werden ein Playboy sein, der viel zu viel freie Zeit hat. Lassen Sie sich mit schönen Frauen sehen und treten Sie als Kunstmäzen auf.“

„Kunst? Das soll wohl ein Witz sein?“

„Die Tochter – sie heißt Carina – ist Pianistin. Sie war im dritten Studienjahr auf der berühmten Juilliard School, als ihr Vater krank wurde. Da ist sie nach Texas zurückgekehrt und hat sich in San Antonio ein Apartment gemietet. Im nächsten Jahr will sie ihr Studium wieder aufnehmen. Sie müssen Interesse an Musik zeigen, Geld spenden und sich etwas ausdenken, wie Sie an sie herankommen. Eine enge Freundschaft mit ihr ist unbedingt nötig, wenn wir die Familie hinter Gitter befördern wollen.“

„Ist Carina an dem Schmuggel beteiligt?“

„Schon möglich. Auch das sollen Sie herausfinden.“

John nickte. „In Ordnung. Ich tue mein Bestes.“

„Gut.“ Sam stand auf. Jackie, John und die drei Agenten taten das ebenfalls. Watson stellte seinen Aktenkoffer auf den Tisch, klappte ihn auf und reichte John eine dicke Akte. „Hier sind die Unterlagen über die einzelnen Familienmitglieder.“

„Wann soll ich anfangen?“, fragte John.

Sam lächelte. „Gestern?“

John nickte. „Verstanden.“

2. KAPITEL

Sechs Monate später

John bemerkte sie, sobald sie den Ballsaal betrat.

Carina Patterson war klein und zierlich. Sie trug ein kurzes, knallrotes, ärmelloses Kleid, das sich von ihrer hellen Haut und ihrem dunklen Haar effektvoll abhob. Der Lippenstift passte genau zum Kleid.

Sie war in Wirklichkeit viel schöner als auf den Fotos, die John von ihr hatte. Er beobachtete, wie sie sich mit mehreren Gästen unterhielt und fand, dass ihre lebhafte Art und ihr strahlendes Lächeln wesentlich zu ihrer Schönheit beitrugen.

Er genoss es, ihr zuzusehen, als sie den Raum durchquerte. Es war, als würde sie sich zum Rhythmus einer Musik bewegen, die nur sie selbst hören konnte.

John stand mit mehreren wichtigen Persönlichkeiten von San Antonio an der Bar, konzentrierte sich aber nur halb auf das Gespräch. Alles im Saal schien zu glänzen – von dem teuren Kronleuchter bis zu den erlesenen Juwelen der Frauen. Das allgemeine Stimmengemurmel übertönte die leise Musik des kleinen Orchesters.

„John, wir können Ihnen gar nicht genug danken für das, was Sie heute für das Symphonieorchester getan haben“, sagte Graham Scott, der Bürgermeister von San Antonio. „Es musste so lange ums bloße Überleben kämpfen.“

„Es freut mich, dass diese Wohltätigkeitsveranstaltung so viel eingebracht hat“, antwortete John. „Mit dem Erlös aus den Kartenverkäufen und der stillen Auktion müsste das Symphonieorchester seine Ausgaben für das kommende Jahr decken können.“

„Als wir zuerst über diese Veranstaltung gesprochen haben, dachten wir, wir müssten die Kosten, die dabei entstehen, vom Erlös abziehen“, erklärte Glenn Kingston, ein Geschäftsmann. „Aber durch Ihre Großzügigkeit kommt jetzt das gesamte eingenommene Geld dem Symphonieorchester zugute. Dadurch stehen wir tief in Ihrer Schuld, Crenshaw.“

John grinste. „Keine Sorge. Ich kann es mir leisten.“

Die anderen drei Männer lachten. Natürlich konnte er das. Immerhin war er ein Crenshaw.

Seit John in San Antonio eingetroffen hat, hatte er sich bemüht, ein Image als reicher, spendabler Playboy aufzubauen. Er hatte Kunstausstellungen, Museen und Konzerte besucht und dafür gesorgt, dass er immer mit einer schönen Frau gesehen wurde, bei jeder Veranstaltung mit einer anderen. Dadurch war ziemlich oft ein Foto von ihm in der Zeitung erschienen.

Inzwischen war sein Ruf gefestigt. Nicht einer dieser Männer hielt besonders viel von seinem Lebensstil. Aber sie alle stellten sich gut mit ihm. Keiner wollte sich mit einem Crenshaw anlegen, selbst wenn dieser keinen großen Ehrgeiz hatte. Deshalb wurde er überall empfangen und war auch im Country Club zugelassen worden, wo er mit mehreren Mitgliedern Golf spielte.

Jetzt wurde es Zeit, sich an Carina heranzumachen.

Er beobachtete sie weiter, als sie zu ihrem Tisch ging. Ein Mann und eine Frau saßen bereits dort, und John erkannte Carinas Eltern. Er wartete auf eine Pause im Gespräch. Dann fragte er lässig: „Wer ist denn diese dunkelhaarige Frau in dem roten Kleid?“ Er deutete auf Carina.

Clint Jackson, ein Lokalpolitiker, antwortete: „Das ist Carina Patterson. Sie ist die einzige Tochter von Christopher Patterson. Er und seine Frau Connie lassen sich nur selten auf Veranstaltungen sehen. Ich bin froh, dass sie hier sind.“

John tat so, als müsste er nachdenken. „Der Name sagt mir nichts. Wer ist er denn?“

„Bis zu seinem Schlaganfall vor ein paar Jahren war er sehr aktiv. Seine Firma importiert Waren aus aller Welt. Möbel, Teppiche, Statuen, so was in der Art. Wegen seiner Krankheit hat er das Geschäft seinen Söhnen Al und Ben übergeben.“

„Carina sieht ihrer Mutter sehr ähnlich. Sie haben beide so etwas Exotisches.“

„Connie Patterson stammt aus einer reichen Familie in Mexico City“, erklärte Clint. „Es heißt, Chris habe sich damals auf den ersten Blick in sie verliebt.“

„Kein Wunder. Sie sieht eher wie Carinas Schwester als wie ihre Mutter aus. Und Carina ist umwerfend. Wissen Sie, ob sie liiert ist?“

„Ich glaube nicht“, sagte Clint. „Aber für den Fall, dass Sie ihr Glück versuchen wollen, möchte ich Sie warnen. Al und Ben sind einige Jahre älter als Carina und haben einen ausgeprägten Beschützerinstinkt. Sie können zweifellos sehr unfreundlich werden, wenn ihr jemand wehtut.“

„Sie glauben, ich genüge ihren Ansprüchen nicht?“, fragte John amüsiert.

„Das habe ich nicht behauptet.“ Clint schmunzelte. „Immerhin sind Sie ein Crenshaw. Aber Sie haben den Ruf, sich mit ziemlich vielen Frauen zu treffen. Sehen wir den Tatsachen ins Gesicht. Sie sind ein toller Fang, und die Frauen werfen sich Ihnen an den Hals.“ Er grinste. „Meine Frau meint, Sie würden wie ein Filmstar aussehen und hätten auch die entsprechende Ausstrahlung. Ich kann das selbst nicht beurteilen, da Sie nicht mein Typ sind.“

John lachte. „Das ist gut zu wissen.“

„Aber wenn Al oder Ben glauben, Sie würden Carina an der Nase herumführen, dann können Sie was erleben.“

„Verstanden. Könnten Sie mich jetzt bitte vorstellen?“

„Sicher.“ Während sie den Raum durchquerten, sagte Clint: „Wie ich sehe, lassen Sie sich nicht so leicht abschrecken.“

„Ich lasse mich gar nicht abschrecken.“

Mehrere Leute hielten John auf, weil sie ihm für seine Großzügigkeit danken wollten. Er lächelte, schüttelte Hände und dankte allen, dass sie gekommen waren. Als sie endlich den Tisch der Pattersons erreichten, sah John, dass Carinas Brüder und deren Frauen nun ebenfalls da waren.

„Guten Abend, Chris.“ Clint reichte Patterson die Hand. „Ich freue mich, Sie hier zu sehen.“

Patterson hob seine linke Hand und griff damit nach Clints. „Das hätte ich nicht versäumen wollen.“

„Ich möchte Ihnen gern John Crenshaw vorstellen. Er hat einige Hebel in Bewegung gesetzt, damit dieser Abend ein Erfolg wird.“ Er drehte sich zu John um. „John, es ist mir eine große Freude, Ihnen Christopher Patterson, seine Frau Connie, seine Tochter Carina, seinen Sohn Alfred, dessen Frau Marisa, und seinen Sohn Ben und dessen Frau Sara vorstellen zu können.“

John hatte nicht damit gerechnet, so viel Glück zu haben. Dass er jetzt die gesamte Familie auf einmal kennenlernte, war es wert, so viel Geld und Zeit in diese Wohltätigkeitsveranstaltung investiert zu haben. Und abgesehen davon war es auch für einen guten Zweck gewesen.

„Es freut mich sehr, Sie alle kennenzulernen.“ Er schüttelte Hände.

Carina schaute auf. „Ich danke Ihnen für den heutigen Abend.“

„Gern geschehen, Miss Patterson.“ Er zwinkerte ihr zu. Das erschreckte sie zuerst ein bisschen, aber dann lächelte sie.

So weit, so gut.

Aus dem Augenwinkel sah John, dass Al ihn nicht aus den Augen ließ. John tat so, als würde er es nicht bemerken. Schließlich kehrten er und Clint zur Bar zurück, holten sich neue Drinks und gingen dann zum Haupttisch.

Das Dinner war erstklassig, und die Reden waren glücklicherweise kurz.

Danach ging das Orchester von leiser Hintergrundmusik zu Showsongs über, um die Anwesenden zum Tanzen zu ermuntern. John entschuldigte sich bei den anderen Leuten an seinem Tisch und ging zu dem der Pattersons. Dort saßen jetzt nur Mr und Mrs Patterson.

„Mr Patterson, sind Sie damit einverstanden, wenn ich Ihre Frau zum Tanzen auffordere? Ich verspreche auch, nicht mit ihr davonzulaufen, obwohl die Versuchung groß ist.“

Patterson schmunzelte. „Natürlich dürfen Sie mit ihr tanzen. Aber vergessen Sie nicht, dass ich sie zuerst gesehen habe.“

John drehte sich zu Connie Patterson um und merkte, dass sie rot geworden war. „Darf ich um diesen Tanz bitten?“

Sie nickte, und John reichte ihr die Hand. Sobald sie auf der Tanzfläche waren, sagte Connie: „Sie haben viel dazu beigetragen, den heutigen Abend zu einem Erfolg zu machen, Mr Crenshaw. Wir sind Ihnen alle sehr dankbar.“ Sie hatte einen leichten Akzent.

John lächelte. „Bitte nennen Sie mich John.“

„Wenn Sie mich Connie nennen.“

„Gern. Danke. Sie tanzen übrigens sehr gut.“

Jetzt lächelte sie ein bisschen traurig. „Chris und ich haben bis zu seinem Schlaganfall sehr viel getanzt. Ich weiß, dass er es genauso vermisst wie ich. Es war nett von Ihnen, mich aufzufordern.“

„Glauben Sie mir, es ist mir ein Vergnügen.“ Das Orchester ging jetzt zu einem neuen, ähnlichen Song über. „Kommt Ihr Mann noch eine Weile länger allein zurecht?“

Sie schaute zum Tisch hinüber. „Er ist nicht allein. Carina ist wieder da.“

Sie beendeten den Tanz und gingen zu Carina und ihrem Vater.

„Du hast wundervoll getanzt, Liebling“, sagte Patterson zu seiner Frau. „Bitte nutz diese Gelegenheit und mach dir keine Sorgen um mich.“

Sie setzte sich neben ihn. „Ich bin im Moment zu sehr außer Atem, um noch weiter zu tanzen.“ Sie lächelte John zu. „Noch mal vielen Dank.“

„Gern geschehen.“ John wandte sich Carina zu. „Miss Patterson, darf ich um diesen Tanz bitten?“

Carina sah, wie ihre Mutter strahlte, und sagte: „Ja.“

Sobald sie aufgestanden war, nahm John ihre Hand und führte sie auf die Tanzfläche. Sie war kleiner als ihre Mutter und reichte ihm kaum bis zur Schulter.

„Es war nett von Ihnen, meine Mutter aufzufordern“, sagte sie nun. „Sie geht nicht mehr viel aus.“

„Sie hat erwähnt, dass sie und Ihr Vater früher viel getanzt haben.“

Carinas Augen glänzten, als sie sich daran erinnerte. „Ja. Es war wunderbar, ihnen zuzusehen. Sie hatten großes Talent und haben sich zusammen bewegt, als wären sie eins. Bestimmt vermissen sie es sehr.“

„Wann hatte Ihr Vater denn den Schlaganfall?“, fragte John.

„Vor zwei Jahren. Er war immer so aktiv und gesund, dass keiner von uns auf so etwas vorbereitet war. Ein paar Tage lang schwebte er in Lebensgefahr, aber er hat einen starken Willen. Er hat alles getan, was er konnte, um sich so fit wie möglich zu halten.“

„Wie ich gehört habe, hat er ein erfolgreiches Importunternehmen“, sagte John lässig.

„Meine Brüder haben es übernommen. Sie halten ihn auf dem Laufenden, aber unter ihrer Führung ist die Firma sogar gewachsen.“

„Es muss eine Erleichterung für ihn sein, dass er sich auf die beiden verlassen kann.“

„Er spricht nie von seiner Krankheit. Dass er jetzt im Rollstuhl sitzt, betrachtet er ganz nüchtern.“ Carina blickte zu ihrem Tisch hinüber. „Wir sind alle sehr stolz auf ihn.“

„Wie ist es mit Ihnen? Gehen Sie oft aus?“

Sie lächelte wehmütig. „Eigentlich nicht.“

„Würden Sie für mich eine Ausnahme machen?“

Sie sah ihn überrascht an. „Sie bitten mich um eine Verabredung?“

„Ja. Wie jedem anderen Mann hier sind Sie mir sofort aufgefallen, als Sie hereingekommen sind. Ich muss zugeben, dass ich Clint überredet habe, mich Ihnen und Ihrer Familie vorzustellen. Ich würde Sie wirklich gern wieder sehen.“

Der Song ging zu Ende, und ein neuer begann. John tanzte weiter, und Carina sagte nichts davon, dass sie an ihren Tisch zurückwollte.

„Was haben Sie denn im Sinn?“, fragte sie schließlich.

Er fing an zu lachen. „Das ist aber eine schwerwiegende Frage. Meine Absichten sind ganz unschuldig. Das versichere ich Ihnen. Wir könnten essen gehen, vielleicht am nächsten Samstag, falls Sie da noch nichts vorhaben.“

Sie entspannte sich ein bisschen. „Das klingt harmlos genug.“

„Ich gebe Ihnen mein Pfadfinderehrenwort, dass Sie bei mir sicher sind.“

Er machte ein paar Drehungen, und Carina folgte seiner Führung wie ein Profi.

„Sie können aber gut tanzen“, stellte sie dann fest.

„Danke. Meine Mutter wäre sehr stolz, wenn sie das hören könnte. Ich war nicht gerade einer ihrer besten Schüler, aber ich komme zurecht.“

Carina legte den Kopf schief. „Sind Sie zufällig Musiker? Sie haben einen natürlichen Rhythmus, wie die meisten Musiker.“

Er lachte. „Ich fürchte nein. Das einzige Instrument, das ich beherrsche, ist das Radio.“

Sie stöhnte. „Und trotzdem fördern Sie die Künste.“

„Man muss kein Priester sein, um die Kirche zu unterstützen.“

Sie lachte, und er fand, dass das herrlich klang. „Ein gutes Argument.“

Die Musik brach ab. Das Orchester machte eine Pause. „Würden Sie mir Ihre Telefonnummer geben?“, fragte John. „Dann rufe ich Sie später in der Woche an.“

Sie holte eine Karte aus der winzigen Tasche, die an ihrer Taille hing. „Hier stehen meine Nummer zu Hause und die von meinem Handy drauf. Ich bin samstags immer bei meinem Eltern, also werden Sie mich dort abholen müssen.“

„Das lässt sich machen.“ Während John ihr den Stuhl zurechtrückte, sagte er leise: „Ich freue mich darauf, Sie wieder zu sehen.“ Dann wandte er sich an Chris und Connie. „Es war schön, Sie kennenzulernen. Ich hoffe, wir sehen uns wieder.“

Darauf reagierten beide sehr freundlich. John ging weg.

Als die Veranstaltung zu Ende war, war er mehr als bereit, nach Hause zu fahren.

Auf dem Weg zu seinem Sportwagen redete er noch mit ein paar Bekannten. Dann fuhr er auf dem Highway in Richtung Norden. Das Haus, das die DEA gemietet hatte, lag in den Bergen. Von dort hatte man eine tolle Aussicht.

Es war nur eine zweistündige Fahrt bis zu der Ranch von Johns Familie, aber er war noch nicht oft dort gewesen. Seine Eltern wussten, dass er einen Geheimauftrag hatte, und stellten keine Ansprüche. Aber er vermisste sie. Jetzt beschloss er, öfter hinzufahren.

Das Grundstück war von einer dicken, hohen Mauer umgeben. John gab den Zahlencode ein und wartete, bis das Tor aufging. Dann fuhr er weiter und parkte in der Garage, die groß genug für drei Autos war. Die anderen Wagen waren da. Die Agenten schliefen inzwischen wahrscheinlich. John selbst war auch sehr müde.

Im Haus ging er als Erstes in den Überwachungsraum, wo man auf mehreren Bildschirmen das Grundstück sah. Überall waren Kameras versteckt. Hier standen außerdem mehrere Computer, mit denen sie Daten sammelten, Berechnungen anstellten und Instruktionen entgegennahmen.

John griff nach dem Telefon und tippte eine Nummer ein. Am anderen Ende der Leitung wurde schon nach dem ersten Klingeln abgenommen. Ohne auf eine Stimme zu warten, sagte John: „Ich habe heute Kontakt hergestellt. Scheint, als wären wir drin.“

3. KAPITEL

John öffnete die Akte über die Familie Patterson. Sie enthielt so viele Einzelheiten, dass er wahrscheinlich mehr über die Familie wusste als die einzelnen Mitglieder übereinander.

Er wusste, dass Alfredo de la Cruz Patterson in Houston eine Geliebte hatte, der er ein Penthouse bezahlte.

Er wusste, dass Benito einen großen Teil seiner Zeit im Ausland verbrachte, wo er Waren kaufte und verkaufte. Sie mussten allerdings noch genau herausfinden, was er kaufte und von wem.

John hoffte, dass nur die beiden Brüder in das Schmuggelgeschäft verwickelt waren und dass der Rest der Familie keine Ahnung davon hatte. Es wäre eine Schande gewesen, Christopher Patterson festnehmen zu müssen.

John stand auf und streckte sich. Dann schaltete er das Licht aus und ging nach oben ins Bett. Er fühlte sich gut. Endlich hatte er Kontakt hergestellt, und Carina war bereit, mit ihm auszugehen.

Am Donnerstag darauf traf Carina sich mit ihrer Schwägerin Marisa in einem ihrer Lieblingscafés.

„Danke, dass du mich eingeladen hast“, sagte Marisa. „Ich muss mit jemandem reden, dem ich trauen kann.“

„Hast du Probleme mit Al?“ Carina trank einen Schluck von ihrem Kaffee.

„Ich glaube, wir haben gar nichts anderes mehr. Ich überlege, ob ich mich scheiden lasse.“

Carina griff nach Marisas Hand. „So schlimm?“

„Er behandelt mich jetzt schon seit Monaten wie Luft, und das ist eigentlich schlimm genug. Aber jetzt sind ihm sogar die Kinder gleichgültig geworden, und es bricht mir das Herz zu sehen, wie sie sich um seine Aufmerksamkeit bemühen und er sie immer wieder abweist.“

Der sechsjährige Christopher war das erste Enkelkind und nach seinem Großvater benannt worden. Seine Schwester Tina Maria war vier. Carina liebte beide über alles, ebenso wie Beth, die Tochter von Ben und Sara.

„Ich glaube, da ist eine andere Frau im Spiel“, erklärte Marisa leise.

„Aber nein, bestimmt nicht“, widersprach Carina. „Wie kommst du denn auf so was?“

„Er behauptet, er wäre dauernd unterwegs, um Waren zu kaufen, aber das hat er früher doch immer Benito überlassen. Sara meint, dass Benito auch immer noch das Meiste tut. Ich habe sogar daran gedacht, einen Privatdetektiv zu engagieren.“

„Sei vorsichtig“, riet Carina ihr. „Alfredo kann sehr wütend werden. Ich möchte nicht, dass er dich verletzt.“

„Ich habe ihm gestern Abend gesagt, dass ich mich scheiden lassen will. Da hat er nur gelacht und gefragt, ob ich ein höheres Haushaltsgeld herausschlagen will. Er nimmt mich nicht einmal mehr ernst.“

„Was würdest du denn tun, wenn es wirklich eine andere Frau gäbe?“

Marisa seufzte. „Ich würde akzeptieren, dass meine Ehe gescheitert ist, und mit den Kindern wegziehen. Meine Mutter wünscht sich schon lange, dass ich sie in Dallas besuche. Vielleicht werde ich das tun.“

„Ich will, dass du und die Kinder glücklich seid, Marisa. Und ich habe ein schlechtes Gefühl, weil ich dich Alfredo damals vorgestellt habe.“

Zum ersten Mal an diesem Morgen lächelte Marisa. „Du hast mich doch nicht gezwungen, ihn zu heiraten. Das habe ich ganz allein entschieden.“ Sie aß ein Stück von ihrem Kuchen. „Es tut mir leid, dass ich dir das aufladen muss. Du bist ja nicht nur meine Freundin, sondern auch Alfredos Schwester. Und eigentlich will ich nicht, dass du zwischen die Fronten gerätst.“

„Sei nicht albern. Du und ich sind ja schon seit der Highschool befreundet. Daran wird sich nichts ändern, auch nicht durch eine Scheidung.“

„Sag deinen Eltern nichts, solange ich mich noch nicht entschieden habe. Jedenfalls glaube ich, dass ich eine Weile weg muss, um über alles nachzudenken. Ich bin froh, dass die Sommerferien schon angefangen haben. Vielleicht werde ich Chris für das nächste Schuljahr in Dallas anmelden.“

„Tu, was du tun musst, Marisa. Und denk daran, dass ich immer für dich da bin.“ Carina schaute für einen Moment weg. „Keine von uns schneidet besonders gut ab, was Männer angeht, was?“

„Immerhin hast du gewusst, dass Dan dich liebt.“

„Ach ja? Hatte er deshalb in der Nacht, als er getötet wurde, eine Frau bei sich? Es war dumm von mir zu denken, er würde mich lieben und nicht bloß den Namen Patterson. Al hätte ihn nie eingestellt, wenn er nicht mein Verlobter gewesen wäre. Das weißt du.“

„Ich schätze, du hast recht. Alle Männer sind Mistkerle, und ohne sie sind wir besser dran.“ Marisas Gesicht blieb ganz ausdruckslos.

Carina lachte, und Marisa lachte mit. Nachdem sie den Kuchen aufgegessen und mehr Kaffee bestellt hatten, sagte Carina: „Wahrscheinlich ist das keine gute Zeit, es zu erwähnen, aber ich habe wohl am Samstagabend eine Verabredung mit John Crenshaw.“

Marisa starrte sie ungläubig an. „Er hat dich gefragt, ob du mit ihm ausgehen willst?“

„Tu nicht so schockiert. Er hat mich gefragt, als wir auf der Wohltätigkeitsveranstaltung miteinander getanzt haben.“

„Ich finde noch viel schockierender, dass du darauf eingegangen bist. Und dass du es jetzt erst erwähnst, obwohl du es schon tagelang weißt. Also, du schlägst aber auch gleich richtig zu. John Crenshaw ist einer der bekanntesten Frauenhelden der Stadt. Wie viele Herzen mag er schon gebrochen haben, seit er hierher gezogen ist?“

Carina schüttelte den Kopf. „Das spielt keine Rolle. Meins wird er nicht brechen. Seit Dans Tod habe ich bloß in meinem Apartment gesessen und mich selbst bemitleidet. Es ist Zeit weiterzuleben und zu akzeptieren, dass ich nun mal einen schlechten Geschmack habe, was Männer angeht. John ist für mich so was wie der erste Schritt. Dadurch gebe ich sozusagen bekannt, dass ich wieder auf dem Markt bin.“

„Ich kenne zwei Frauen, die mit ihm ausgegangen sind. Sie haben beide das Gleiche erlebt. Er hat sie ein paar Mal getroffen. Sie haben sich gut verstanden, hatten Spaß, und dann hat er sie einfach nicht mehr angerufen, ohne erkennbaren Grund. Er hat keiner von ihnen etwas erklärt. Als Nächstes haben sie dann gehört, dass er sich mit einer anderen getroffen hat. Er ist offenbar nicht der beständige Typ.“

„Gut. Genau das will ich ja auch. Ich gebe zu, dass ich etwas geschmeichelt bin, weil er mich überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Eigentlich scheint er doch auf große Blondinen zu stehen. Ich war noch nicht mit vielen Männern verabredet, und außer mit Dan war es mir mit niemandem wirklich ernst. Deshalb fehlt mir einfach die Erfahrung, was Verabredungen angeht.“

„Ganz zu schweigen von einem Sexleben.“

Carina grinste. „Das auch. Womöglich werde ich nicht viel Widerstand leisten, wenn Mr Crenshaw beschließen sollte, mich zu verführen.“

„Vielleicht brauche ich ja auch einen Freund“, meinte Marisa. „Ich scheine gar kein Sexleben mehr zu haben.“

Sie sahen sich an und fingen wie auf Kommando an zu lachen.

Dann wechselte Carina das Thema, und sie sprachen die restliche Zeit über das Symphonieorchester.

Nach einer Weile sah Marisa auf die Uhr. „Zeit, die Kinder abzuholen. Erzähl mir, wie deine Verabredung gelaufen ist, ja?“ Sie standen auf und gingen zur Tür.

„Das mache ich. Grüß die Kinder von mir.“

Marisa seufzte. „Natürlich.“ Auf dem Bürgersteig blieben sie noch mal stehen. „Weißt du, Carina, manchmal habe ich das Gefühl, Al gar nicht zu kennen. Er ist so anders als der Mann, den ich geheiratet habe.“

Carina drückte ihr die Hand. „Ich weiß, dass du die richtige Entscheidung treffen wirst.“

Als Carina sich am Samstag für ihre Verabredung mit John fertig machte, überlegte sie, wie der Abend wohl verlaufen würde. Würde John sie furchtbar langweilig finden?

Carina sank auf ihr Bett und strich über die bestickte Decke, die ihre Großmutter vor einigen Jahren für sie in Mexiko hatte anfertigen lassen. Dann schloss sie die Augen und dachte an John, an seine blonden, teuer gepflegten Haare und diese tollen blauen Augen.

Er war viel größer als sie. Danny hatte sie bloß um ein paar Zentimeter überragt, wenn sie hohe Absätze getragen hatte. Aber John reichte sie selbst mit ihren High Heels kaum bis zur Schulter.

Er war so sanft mit ihr umgegangen, fast als hätte er Angst, sie könnte zerbrechen. Aber wenn er sie besser kennenlernte, würde er schnell entdecken, dass sie alles andere als zerbrechlich war. Sie hielt sich mit Tai Chi und Yoga fit.

Natürlich war John attraktiv. Und reich. Und eine Art Playboy. Aber es machte Carina wirklich nichts aus, dass er mit so vielen Frauen ausging, denn sie war ja nicht auf der Suche nach einer festen Beziehung.

Carina sah auf die Uhr. John würde bald hier sein, und sie wollte ihn nicht warten lassen. Womöglich würde er auch gar nicht auf sie warten wollen. Wahrscheinlich hatte er eine ganze Liste von Frauen, die er kurzfristig anrufen konnte, um sich mit ihnen zu treffen. Carina lächelte über diese Vorstellung. Würde sie selbst auch bald auf dieser Liste stehen?

John hielt vor dem Tor des Patterson-Besitzes, der im Bezirk Alamo Heights lag. Einige dieser alten Herrenhäuser gehörten seit Generationen denselben Familien.

John drückte auf einen Klingelknopf, und sofort meldete sich eine männliche Stimme: „Identifizieren Sie sich bitte.“

„John Crenshaw. Ich möchte zu Carina Patterson.“

Nach einer kurzen Pause ging das schmiedeeiserne Tor auf. John fuhr hindurch und die Einfahrt hinauf bis zum Haus.

Das Grundstück der Pattersons nahm einen ganzen Block ein. John bemerkte zwei andere Häuser, vermutlich Gästehäuser. Der Besitz war so groß, dass auch ein Golfplatz noch bequem Platz gefunden hätte.

John parkte vor dem Haus aus der Vorkriegszeit und stieg aus. Noch bevor er die Stufen zur Veranda hinaufgestiegen war, ging die Tür auf. Der Mann im Eingang sah eher wie ein Expolizist als wie ein Butler aus.

„Guten Abend, Mr Crenshaw“, sagte er. „Carina ist im Musikzimmer. Gehen Sie dort an der Treppe vorbei. Dann ist es die erste Tür rechts.“

Die Halle war so breit wie das Haus. Eine geschwungene Treppe führte in den ersten Stock hinauf. John blickte nach oben und bemerkte eine Glaskuppel.

Als er die Tür des Musikzimmers erreichte, sah John Carina am Flügel sitzen, mit dem Rücken zu ihm. John blieb stehen und hörte zu. Weil in Carinas Akte stand, wie leidenschaftlich sie sich für Musik interessierte, hatte er in den letzten Monaten ein paar Konzerte besucht. Nun stellte er beeindruckt fest, dass Carina sehr gut spielte, obwohl er persönlich Countrymusic bevorzugte.

Und nun hatte er sich als Förderer der Schönen Künste einen Namen gemacht.

Sein Vater und seine drei Brüder würden ihm vermutlich nie glauben, dass er inzwischen durchaus die Fähigkeiten und das Talent von Musikern zu schätzen wusste, selbst wenn das Instrument keine Gitarre war.

An einer Seite des Raumes führten Terrassentüren in einen üppigen Garten hinaus, und die Blumen dort bildeten einen farbenfrohen Hintergrund für den Flügel und die Pianistin. John wartete, bis sie mit ihrem Stück fertig war, und klatschte dann. Carina drehte sich überrascht zu ihm um und stand auf. „John, verzeihen Sie mir bitte, dass ich so unhöflich war. Helmuth hat mir nicht gesagt, dass Sie hier sind. Und ich fürchte, ich vergesse immer die Zeit, wenn ich spiele.“

„Dann kann ich Helmuth für seine Nachlässigkeit nur danken. Wenn er es Ihnen gesagt hätte, hätte ich Sie nicht spielen hören. Und Sie waren atemberaubend … ich meine, Ihr Klavierspiel …“ Nun griff er nach Carinas Händen. „Sie haben sehr kleine Hände, dafür, dass Sie so wunderschöne Musik machen.“

„Glauben Sie mir, ich wünschte, sie wären größer. Ich musste mein Leben lang arbeiten, um diesen Nachteil auszugleichen.“

„Wollen wir gehen?“

An der Haustür wartete bereits Helmuth. „John, ich möchte Ihnen gern Helmuth Gregorian vorstellen“, sagte Carina. „Helmuth war schon bei unserer Familie, bevor ich geboren wurde.“

John streckte die Hand aus. „Freut mich, Sie kennenzulernen.“

Helmuth schüttelte ihm die Hand und nickte. Offenbar machte er nicht viele Worte.

Als Carina den Wagen sah, riss sie die Augen weit auf. „Das ist ja ein tolles Auto, Mr Crenshaw.“

„John. Ich heiße John.“

„Wie lange haben Sie den schon?“, fragte Carina, als er ihr beim Einsteigen half. Danach machte er die Tür zu und ging auf die Fahrerseite. Während er startete, antwortete er: „Ein paar Jahre.“

„Er sieht ganz neu aus. Anscheinend pflegen Sie ihn gut.“

Er grinste. „Das ist eins meiner vielen Laster.“

Nachdem sie die Straße erreicht hatten, erklärte er: „Ich habe einen Tisch in einem Restaurant mit einer schönen Aussicht reserviert. Wir werden in ungefähr einer halben Stunde dort sein. Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden.“

Carina tätschelte den weichen Ledersitz. „In diesem Wagen könnte ich wochenlang herumfahren.“

„Das ist gut zu wissen. Wenn ich also eines Tages beschließen sollte, Sie zu entführen, werden Sie nicht allzu viel Widerstand leisten?“

„Das käme wohl darauf an, warum Sie mich entführen.“

„Oh, Sie können sich darauf verlassen, dass das aus unanständigen Gründen geschehen würde.“

Sie lachte. „Dann würde es mir wahrscheinlich nichts ausmachen.“

Sie lehnte sich zurück. John hatte den Eindruck, dass sie sich entspannte, und das war gut. Erste Verabredungen waren immer schwierig. Und in diesem Fall machte der Grund, warum John mit ihr ausging, es noch komplizierter.

Sie fuhren eine Weile schweigend durch die Stadt.

„Erzählen Sie mir etwas über sich“, bat Carina John schließlich. „Ich weiß eigentlich nur, dass Sie aus Texas stammen und ein Mitglied der bekannten Crenshaw-Familie sind.“

John fand die Frage vernünftig, und er wollte sich so dicht wie möglich an die Wahrheit halten. „Ich bin dreißig Jahre alt. Ich bin gern im Freien und kann mir nicht vorstellen, den ganzen Tag in einem Büro zu sitzen.“ Das stimmte.

„Wo wurden Sie geboren? Wo sind Sie zur Schule gegangen? Erzählen Sie mir etwas über Ihre Familie. Und warum haben Sie mich zum Dinner eingeladen?“

Er lachte. „Die letzte Frage ist einfach zu beantworten. Weil Sie mir sofort gefielen und ich Sie besser kennenlernen will. Warum habe ich nur das Gefühl, dass Sie ein Interview mit mir führen?“, neckte er sie dann. „Werde ich morgen in der Zeitung einen Artikel über mich lesen?“

Carina lachte. „So schnell geht das hier nicht. Wahrscheinlich erst nächste Woche.“

„Oh, dann ist es ja in Ordnung.“ Sie ließen jetzt die Innenstadt hinter sich, und der Verkehr ließ nach. „Ich wurde in einer Kleinstadt geboren, von der Sie vermutlich noch nie gehört haben. New Eden. Das liegt ungefähr hundert Meilen nordwestlich von hier. Etwa im Jahre 1840 hat einer meiner Vorfahren dort Land gekauft. Mein Vater ist der älteste von vier Brüdern, und er hat vier Söhne.“

„Oh. Haben seine Brüder genauso viele Kinder?“

„Nicht ganz. Mein Onkel Jeffrey hat zwei Söhne, Jordan und Jackson. Onkel Josh hat drei Söhne: Jeremy, Justin und James. Und Onkel Jerome hat drei Söhne: Jed, Jesse und Johnny.“

„Puh. Das sind eine Menge Namen mit J. Und wie kommt es, dass alle rein männliche Familien haben?“

„Na ja, in früheren Generationen gab es auch mal ein paar Töchter, aber nicht viele. Und mein ältester Bruder Jake hat ebenfalls eine Tochter. Heather.“

„Erzählen Sie mir etwas über Ihre Brüder.“

„Also, Jake ist fast vierunddreißig. Er ist der Rancher der Familie. Letzten Herbst hat er die Tochter des Vorarbeiters geheiratet. Ashley. Sie erwarten ihr erstes Kind. Heather stammt aus seiner ersten Ehe. Jared ist Geologe und hat ein paar Wochen nach Jake ebenfalls geheiratet. Er ist zweiunddreißig. Anfang des Monats war ich bei einer Willkommensparty für ihn. Er war gerade aus Saudi-Arabien zurückgekommen, und es hat uns sehr erleichtert zu hören, dass er nicht wieder hinfliegen wird. Ich selber bin der dritte Sohn. Mein jüngerer Bruder Jason ist in der Delta Force.“

„Ist er verheiratet?“

„Nein. Er und ich genießen unsere Freiheit zu sehr, um sie in absehbarer Zeit aufzugeben.“

„Sie sind also ein waschechter Texaner.“

„Ja. Ich bin auch in New Eden zur Schule gegangen, und gleich nach dem Abschluss bin ich zur Army gegangen. Mein Vater und der Sheriff haben darauf bestanden.“

„Der Sheriff? Was hatten Sie denn getan?“

„Nichts allzu Ernstes, aber ich war wohl auf dem besten Weg, auch größere Straftaten zu begehen. Zumindest befürchtete das mein Dad. Ich hatte ein paar Freunde, die gern Unsinn anstellten. Und für eine Kleinstadt sind wir wohl ein bisschen zu weit gegangen. Wir haben uns Bier besorgt, sind in unseren Autos die Main Street runtergerast und haben unseren Lehrern Kopfschmerzen beschert. Mein Vater fand, dass ich etwas Produktiveres anstellen sollte, als Straßenschilder zu klauen, die Vorgärten der Leute mit Klopapier zu dekorieren und illegale Autorennen zu fahren. Es war von Disziplin die Rede.“

„Ein jugendlicher Straftäter, ja?“ Carina grinste.

„Jedenfalls war ich nahe dran.“

„Und dann sind sie zur Army gegangen.“

„Genau.“

„Und danach?“

John lächelte ihr zu. „Als ich wieder draußen war, habe ich mir geschworen, da nie wieder reinzugeraten.“ Das war die erste große Lüge. Es hatte ihm bei der Army gefallen, und er hatte eine Menge über sich selbst gelernt. Zum Beispiel, dass er unter Druck erst so richtig aufblühte. Die Army hatte ihm das College finanziert, und nach seinem Abschluss war er Offizier geworden. Danach war er immer weiter befördert worden, und wahrscheinlich wäre es so weitergegangen, wenn die NSA ihn nicht abgeworben hätte.

„Ein bisschen zu viel Disziplin, nehme ich an“, sagte Carina.

„Etwas in der Art. Jetzt wissen Sie alles über mich.“

„Wieso sind Sie nach San Antonio gezogen?“

„Mein Onkel Josh hat mich gebeten, ein bisschen nach seinem Besitz in dieser Gegend zu sehen. Von ihm kenne ich übrigens das Restaurant, in das wir jetzt gehen. Ich war seitdem noch mehrmals dort. Das Essen ist großartig und die Aussicht überwältigend.“

Sie schwiegen wieder eine Weile. „Jetzt sind Sie dran“, meinte John schließlich. „Erzählen Sie mir etwas über sich.“

„Im Vergleich zu Ihrem war mein Leben wirklich langweilig“, fand sie.

John lächelte nur.

„Ich wurde in San Antonio geboren, bin hier zur Schule gegangen, habe eine Weile in New York studiert und bin dann wieder nach Hause gezogen. Das war es auch schon.“

„Sie haben Ihre Musik nicht erwähnt.“

„Das liegt wohl daran, dass sie so ein fester Bestandteil von mir ist, dass ich gar nicht darüber nachdenke. Genauso wie meine grünen Augen und mein dunkles Haar gehört sie einfach zu mir.“

„Und haben Sie auch vor, mit Musik Karriere zu machen?“

„Ich hoffe es. Ich habe noch ein weiteres Studienjahr auf der Juilliard School vor mir, bevor ich mein Examen machen kann. Ab Herbst bin ich wieder dort.“

„Das ist gut. Aber ich bin froh, dass ich Sie vorher kennengelernt habe.“

John wartete ab, ob sie wohl ihren Verlobten erwähnen würde. Daniel Bowie war vor vierzehn Monaten bei einem Verkehrsunfall südlich von San Antonio getötet worden. Im Polizeibericht stand, dass er mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren und dann von der Straße abgedrängt worden war. Das Auto hatte sich mehrfach überschlagen, und Bowie war sofort tot gewesen. Man hatte nie herausgefunden, wer ihn abgedrängt hatte und ob das absichtlich geschehen war. Der Fall wurde nie ganz aufgeklärt.

Doch Carina sagte nichts darüber. „Wie steht’s mit Brüdern oder Schwestern?“, fragte John schließlich.

„Sie sind meinen beiden Brüdern ja bei der Wohltätigkeitsveranstaltung begegnet. Alfredo ist sechzehn Jahre älter als ich und Benito vierzehn Jahre älter. Sie sind so früh weggezogen, dass ich mich gar nicht daran erinnern kann, je mit ihnen in einem Haus gewohnt zu haben. Al neigt dazu, mich zu beschützen, was ich etwas irritierend finde ich meinem Alter. Aber er kümmert sich um alle in der Familie. Mein Vater ist heilfroh, dass Al die Firma übernommen hat, als er selbst sie nicht mehr leiten konnte.“

„Arbeitet Ihr Bruder Ben auch dort?“

„Ja. Seine Frau Sara beschwert sich immer darüber, dass er so oft auf Geschäftsreise ist, aber jemand muss das ja übernehmen. Al hat hier genug zu tun. Ich rate Sara immer, ihn zu begleiten, aber bisher ist sie zu Hause geblieben.“

„Haben Sie Nichten und Neffen?“

„Zwei Nichten und einen Neffen. Chris und Tina Maria sind Als und Marisas Kinder. Sara und Ben haben ein Baby. Beth.“

„Und Sie? Wünschen Sie sich auch eine Familie?“

Carina antwortete nicht sofort. „Ich liebe Kinder“, sagte sie schließlich. „Und irgendwann möchte ich auch eine Familie, aber zuerst will ich mein Studium zu Ende bringen und mal sehen, wohin mich das führt.“

„Sie sind also genauso frei wie ich.“

„Da bin ich nicht so sicher. Ich bezweifele, dass wir viel gemeinsam haben.“

Er warf ihr einen forschenden Blick zu, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte. „Wieso sagen Sie das?“

„Offenbar sind Sie ständig in Gesellschaft. Wann immer ein Foto von Ihnen in der Zeitung erscheint, ist eine andere Frau dabei. Ich dagegen gehe fast nie aus.“

„Dann freue ich mich, dass Sie für mich eine Ausnahme machen. Und vielleicht bin ich deshalb mit so vielen Frauen ausgegangen, weil ich die eine noch nicht gefunden habe, mit der ich mehr Zeit verbringen will.“

Carina lächelte. „Na, dann viel Glück bei der Suche.“

Darauf fiel ihm keine Erwiderung ein. Womöglich hatte er sein Playboy-Image etwas übertrieben. Es wäre dumm, wenn er damit gerade die eine Person abgeschreckt hatte, auf die er aus war.

Er bog vom Highway ab, folgte einer kurvenreichen Straße durch die Hügel und erreichte schließlich die Einfahrt zum Restaurant.

„Was für ein wunderschöner Ort.“ Carina sah sich um. „Die Aussicht ist wirklich atemberaubend. Aber hier steht nirgendwo, dass dies ein Restaurant ist. Wie finden die Leute denn hierher?“

John nahm ihre Hand, und sie stiegen die Stufen zu der breiten Veranda hinauf. „Mundpropaganda.“ Er grinste. „Freut mich sehr, dass es Ihnen gefällt.“

Sie drückte seine Hand. „Schön, dass Sie mich hergebracht haben.“

John lächelte und hielt ihre Hand weiter fest. Sie unternahm keinerlei Anstrengungen, sich von ihm zu lösen. Stattdessen sah sie ihn so an, als wäre er ihr irgendwie ein Rätsel.

„Guten Abend, Mr Crenshaw“, begrüßte ihn der Empfangschef. „Hier entlang, bitte.“ Er führte sie auf eine große Terrasse, von der aus man die Hügel und einen Canyon sah. Die Sonne stand schon sehr tief, und die wenigen Wolken waren pink und golden gefärbt.

Carina setzte sich, ohne den Blick vom Himmel abzuwenden. „Oh, John“, sagte sie schließlich. „Bei so einem Sonnenuntergang werde ich so andächtig wie in der Kirche.“ Als sie John ansah, glänzten ihre Augen.

Sie war wirklich eine wunderschöne Frau. John stellte fest, dass er weitaus schlimmere Aufträge gehabt hatte als diesen.

Ihr Kellner erschien, nannte ihnen die Spezialitäten des Tages und nahm Getränkebestellungen auf.

„Hat dieses Restaurant einen Namen?“

„Es steht im Telefonbuch als Crown Jewel, aber der Name verrät niemandem, dass es ein Restaurant ist. Man muss das einfach wissen, und natürlich die Adresse.“

Sobald die Sonne untergegangen war, gingen auf der Terrasse kleine Lampen an, und der Kellner zündete auf dem Tisch eine dicke Kerze an.

„Sie sind an einem guten Tag gekommen“, erklärte er ihnen. „Gestern war es zu windig, um die Terrasse zu benutzen.“

John schien es, dass die Zeit sehr schnell verging. Carina hatte viel Humor und lachte gern. Er mochte sie wirklich und genoss das Zusammensein mir ihr.

Auf dem Weg zurück nach San Antonio sprachen sie nicht viel. John schob eine CD ins Autoradio, und die ruhige Musik passte zu ihrer Stimmung.

Carina beschrieb John den Weg zu ihrem Apartmenthaus, und er hatte keine Probleme, es zu finden. Nachdem er Carina die Haustür geöffnet hatte, nahm er ihre Hand und ließ sie nicht wieder los, bis sie ihr Apartment erreicht hatten. An der Tür blieb Carina stehen und wandte sich John zu.

„Das war ein wunderschöner Abend“, sagte sie. „Danke, dass Sie mich eingeladen haben.“

„Es freut mich, dass es Ihnen gefallen hat, denn ich habe vor, Sie bald wieder zu sehen.“

Sie lächelte. „Wie bald?“

„Morgen und übermorgen und überübermorgen.“ Er grinste.

„Ich bin nicht sicher, ob das eine gute Idee ist. Das wird Sie doch bei der Suche nach Ihrer perfekten Gefährtin behindern.“

Er zuckte zusammen. „So schlimm bin ich eigentlich gar nicht. Es wäre schön, wenn Sie mir eine Chance geben würden, meinen Ruf zu verbessern.“

Irgendwie waren sie näher zueinander getreten, so nah, dass John sich nun vorbeugen und Carina küssen konnte. Und das kam ihm ganz natürlich vor.

Er umfasste ihr Gesicht mit den Händen und erforschte ihren wunderbaren Mund mit den Lippen. Carina erstarrte bei der ersten Berührung, und er wollte sich schon wieder von ihr lösen und sich entschuldigen, als sie sich plötzlich entspannte und sich in seine Arme schmiegte.

John hatte keine Ahnung, wie lange sie so dastanden. Er küsste Carina immer weiter und streichelte ihr Gesicht und ihre Schultern. Ihm war klar, dass sie spüren konnte, welche Wirkung sie auf ihn ausübte. Als er sie schließlich losließ, hatte er Mühe zu atmen, und sein Herz schlug wie wild.

„Es tut mir …“, begann er, aber sie legte die Finger über seinen Mund.

„Mir tut es nicht leid“, sagte sie. „Es war das perfekte Ende eines perfekten Abends.“ Sie trat zurück und lächelte.

John räusperte sich, aber er klang immer noch heiser, als er sagte: „Du solltest jetzt besser reingehen.“

„Ja, das ist wahrscheinlich eine gute Idee.“

„Ich rufe dich morgen an, ja?“ Er liebkoste noch einmal ihr Kinn.

Sie atmete tief ein und wirkte für einen Moment etwas unsicher. John war nicht klar gewesen, dass er den Atem angehalten hatte, bis sie nickte. „Ja, das würde mir gefallen“, sagte sie. Dann ging sie hinein und schloss sorgfältig die Tür hinter sich.

4. KAPITEL

Jerry, Hal und Ruth waren im Wohnzimmer, als John von der Garage aus das Haus betrat.

„Wie ist deine Verabredung gelaufen?“, fragte Ruth.

„Es war ein Anfang. Und was habt ihr gemacht?“

„Ich habe ein paar Namen für dich. Du solltest nach Ross Davies und Patrick Sullivan Ausschau halten“, sagte Hal.

John ließ sich in einen Sessel fallen. „Wer ist das?“

„Das sind zwei Agenten von hier, die Konten in Übersee haben. Sie haben ihre Spuren zwar verwischt, aber nicht gut genug. Auf beiden Konten ist ziemlich viel drauf.“

„Wissen wir, woher das Geld kommt?“

„Nein, daran arbeiten wir noch.“

„Interessant.“

Dann meldete sich Ruth zu Wort. „Nachdem wir sie wochenlang beschattet haben, konnten wir ein Treffen mit Al Patterson miterleben.“

„Wenn du nahe genug an die Familie herankommst, kannst du vielleicht mehr über sie erfahren“, meinte Jerry.

„Hast du von Carina Informationen bekommen, die wir noch nicht haben?“, fragte Ruth.

„Noch nicht. Aber ich arbeite daran.“

„Falls du nicht genug Eindruck auf sie machst, könnte ich diesen Teil des Jobs übernehmen“, schlug Hal vor.

John sah ihn scharf an, und alle lachten.

„Wie ist es denn, mit einer Verdächtigen auszugehen?“, erkundigte Hal sich dann ernsthafter.

„Seltsam, aber dieser gesamte Einsatz ist ja seltsam. In den letzten sechs Monaten bin ich mit mehr Frauen ausgegangen als in meinem ganzen bisherigen Leben.“

„Armes Baby“, spottete Ruth.

John grinste. „Ja, ich weiß, aber wenn mein Land mich braucht, opfere ich mich.“

Ruth stand auf. „Das geht jetzt zu weit für mich, also ziehe ich mich zurück.“ Sie sah Hal an. „Um welche Zeit wollen wir morgen los?“

„Neun ist früh genug, denke ich.“

„Na, dann gute Nacht.“ Ruth verließ den Raum.

John sah Jerry an. „Ist irgendwer hier auf dem Grundstück gewesen?“

„Nein. Unsere Tarnung scheint gut zu funktionieren.“

John verdrehte die Augen. „Hal und Ruth sind verheiratet, du bist ihr Bruder, und ihr seid alle alte Freunde von mir. Tolle Tarnung.“

„Sie reicht aus“, meinte Hal. „Dummerweise weigert sich Ruth, das Ehepaar zu spielen, sobald wir das Haus betreten haben.“

„Wem willst du etwas vormachen? Wenn sie dir je grünes Licht geben würde, würdest du doch sofort Reißaus nehmen.“

Hal lachte. „Stimmt. Ich würde nie etwas mit einer Frau anfangen, die darauf trainiert wurde, Männer auf vielerlei Art zu verletzen. Da sehe ich mich lieber anderweitig um.“

John gähnte. „Ich gehe jetzt ins Bett. Außerdem muss ich mir noch überlegen, wie ich die nächsten Verabredungen mit Carina einfädle.“

„Wie ich schon sagte, hast du den härtesten Job von uns allen“, betonte Hal.

John hätte nie zugegeben, dass er nervös war. Wenn sie erst mal zum Überlegen kam, würde sie sich vielleicht gegen neue Verabredungen mit ihm entscheiden.

Zu viel hing davon ab, dass er sich auf die richtige Weise darstellte. Jeder Fehler konnte Carina abschrecken.

Johns ältere Brüder hätten sich sicher darüber amüsiert, dass er sich Sorgen wegen seiner sexuellen Anziehung machte. Es hatte immer eine Art Wettbewerb zwischen ihnen bestanden. Ständig hatte er sich bemüht, ihnen zu zeigen, dass er ihnen in nichts nachstand.

Außer natürlich heiraten. Das überließ er ihnen nur zu gern.

John wartete bis zum nächsten Nachmittag, bevor er Carina auf ihrem Handy anrief. Als sie sich meldete, merkte er sofort, dass sie nicht zu Hause war. Im Hintergrund schien eine Party im Gange zu sein. Verdammt.

„Hier ist Carina.“

„Hallo, ich bin es. John. Habe ich dich zu einer schlechten Zeit erwischt?“

„Oh, hallo, Ich dachte nicht, dass du wirklich heute anrufen würdest.“

„Wenn du beschäftigt bist, melde ich mich ein andermal.“

Sie lachte. „Ach, es ist bloß eine Familientradition, dass meine Brüder, ihre Frauen, ihre Kinder und ich am Sonntag bei meinen Eltern essen. Da wird es manchmal ziemlich laut.“

„Hättest du Lust, mit mir zum Lost Maples Nationalpark zu fahren? Auf dem Weg zurück könnten wir irgendwo was essen.“

Als sie nicht gleich antwortete, hatte John das dumme Gefühl, dass sie Nein sagen würde. Er wartete.

„Das würde mir gefallen“, meinte sie aber schließlich. „In der Gegend war ich lange nicht.“

„Ich auch nicht. Deshalb fand ich die Idee ja gut. Wann soll ich dich abholen?“

„In ungefähr einer halben Stunde.“

„So lange brauche ich auch mindestens, um zu dir zu kommen.“

„Wo wohnst du denn?“

„Im Norden der Stadt. Ich muss dir das Haus irgendwann mal zeigen.“

Er hätte schwören können, dass sie kurz den Atem anhielt. „Vielleicht irgendwann einmal“, sagte sie dann.

Nicht dass er die Absicht hatte, ihr tatsächlich zu zeigen, wo er wohnte. Aber zumindest hatte er sie zu einer Reaktion provoziert. Er war bloß nicht sicher, was für eine es gewesen war.

„Bis nachher.“ Er legte auf, bevor sie es sich anders überlegen konnte.

Carina wartete draußen, als er in die Einfahrt einbog. Er hatte also diesmal keine Chance, dem Rest der Familie zu begegnen. Noch bevor er aussteigen konnte, öffnete sie die Beifahrertür und stieg ein. Immerhin schien sie sich darüber zu freuen, ihn zu treffen, und das war ja irgendwie ermutigend.

„Hallo.“ Er musterte sie. Sie trug eine hellbraune Hose und ein blaues ärmelloses Top.

Sie lächelte. „Wenn es so aussieht, als könnte ich es gar nicht erwarten, wegzukommen, liegt das daran, dass ich es gar nicht erwarten kann, wegzukommen.“

„Das wäre mir nie aufgefallen.“

Sie lachte. „Ich liebe meine Familie sehr, aber manchmal ist es zu viel für mich, wenn alle gleichzeitig reden und die Kinder kreischen.“

„Dann freue ich mich, dass ich dich retten konnte.“ Es hatte also nicht daran gelegen, dass sie ihn unwiderstehlich fand. Aber John fand, dass er mit dieser Enttäuschung leben konnte.

Sie lehnte sich zurück. „Manchmal ist es ärgerlich, wenn meine Brüder mich beschützen wollen.“

„Es hat ihnen nicht gefallen, dass du mit mir ausgehst?“

„Das hat Al nicht direkt gesagt. Aber er hat gefragt, wo wir hingehen und wann ich zurückkomme, so als wäre ich erst sechzehn.“

„Ich hoffe, du hast ihn davon überzeugt, dass ich harmlos bin.“

Carina begann zu lachen. „Niemand könnte dich je für harmlos halten, John. Aber ich glaube, Al und der Rest der Familie sind einfach neugierig. Wie ich gestern schon erwähnt habe, hatte ich eine ganze Weile keine Verabredungen. Meinen Brüdern wäre es wahrscheinlich am liebsten, wenn ich Nonne werden würde.“

„Wenn das so ist, fühle ich mich ganz besonders geehrt, dass du mit mir ausgehst.“

„Es hat mir gestern gefallen, mit dir zusammen zu sein. Außerdem war ich selbst wohl auch neugierig.“

„Dann war es also nicht mein Charme oder meine glanzvolle Persönlichkeit, die dich überzeugt hat. Ich bin am Boden zerstört.“

„Da du den Ruf hast, unbeständig zu sein, dachte ich, dass ich bei dir in Sicherheit wäre.“

„Du sagst das ja, als wäre ich ein herzloser Mistkerl.“

„Nein. Es ist einfach bloß so, dass du sehr attraktiv bist, aus einer äußerst angesehenen Familie stammst, nicht für deinen Lebensunterhalt arbeiten musst und alleinstehend bist. Da wollen bestimmt sehr viele Frauen Zeit mit dir verbringen.“

„Manche würden all das für ein Kompliment halten, aber bei dir klingt es nach einer Verurteilung.“ Er sah sie an. „Wirst du mir gleich sagen, dass wir uns heute zum letzten Mal treffen? Falls ja, bitte ich um die Chance, mich zu rechtfertigen.“

„Das ist nicht nötig. Ich genieße deine Gesellschaft. Und ich habe keine Angst, dass unsere Beziehung zu eng wird, bevor du anfängst, dich mit mir zu langweilen.“

„Autsch. Schon wieder. Du verstehst es wirklich, einem wehzutun. Hast du so schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht, oder liegt es bloß an mir?“

Sie antwortete nicht sofort, und John kam zu dem Schluss, dass sie das wohl auch nicht tun würde.

Doch dann sagte sie: „Ich war mal verlobt. Wir haben uns in der Highschool kennengelernt, wurden Freunde und waren eine Weile zusammen. Danny und ich haben uns gut verstanden, und als ich nach dem Schlaganfall meines Vaters hierher zurückkam, war es nahe liegend, uns zu verloben. Ich weiß nicht, was ich in dieser Zeit ohne Danny getan hätte. Meine Familie hat sich darüber gefreut, dass ich heiraten wollte. Wir haben darüber gesprochen, dass ich noch meinen Abschluss machen wollte, und Danny wollte mit mir nach New York ziehen.“

John hielt an einem Aussichtspunkt. Dann löste er seinen Sicherheitsgurt und drehte sich zu Carina um. „Was ist dann geschehen?“

Sie sah ihn nicht an. „Es ist alles kaputt gegangen. Tagsüber war ich immer mit Mom und Dad zusammen und habe Dad zur Krankengymnastik gefahren, aber abends war ich zu Hause. Dan hat für die Firma gearbeitet. Einmal in der Woche ist er ins Rio-Grande-Tal gefahren. Die Firma hat dort ein Lagerhaus. Eines Abends rief Al spät an und sagte mir, dass Danny bei einem Autounfall getötet worden war, als er gerade auf dem Weg zurück nach San Antonio war. Ich war am Boden zerstört. Und als ob das noch nicht genug gewesen wäre, habe ich ein paar Wochen später auch noch erfahren, dass Danny eine Frau bei sich hatte.“

Das war neu für John. In den Berichten über den Unfall war keine Frau erwähnt worden. Er hatte auch die Fotos gesehen. Aus diesem Wrack wäre niemand unverletzt herausgekommen.

„Ach, Carina.“ Er berührte ihre Schulter. „Es tut mir so leid. Das muss sehr hart gewesen sein. Hast du je herausgefunden, wer die Frau war?“

„Nein, ich habe nur zufällig eine Unterhaltung zwischen Al und Benito mitgehört. Sie haben über Danny und diese Frau geredet, die er wohl immer in Weslaco getroffen hat. Da habe ich nachgefragt und sie haben mir ziemlich widerstrebend von dieser Frau erzählt.“

John nahm sich vor, die Berichte noch mal zu lesen. Er war eigentlich sicher, dass sonst niemand im Auto gewesen war. Aber warum sollten Al und Ben Carina anlügen und das Ganze dadurch nur noch schlimmer für sie machen?

John streichelte ihre Finger und spürte, wie sie zitterte, obwohl sie sich bemühte, es zu verbergen.

„Ich kam mir so dumm vor“, sagte sie. „Und so blind. Wie hatte ich nicht bemerken können, dass er sich mit einer anderen traf? Ich habe ihm vollkommen vertraut. Ich habe ihn geliebt und an ihn geglaubt, und erst nach seinem Tod habe ich erfahren, dass er mich betrogen hat.“

Sie saßen schweigend da, bis Carina sich aus ihren Erinnerungen löste. „Nicht gerade das passende Thema für eine Verabredung.“ Sie zwang sich zu lächeln. „Tut mir leid. Falls du Exfreundinnen hast, von denen du reden möchtest, dann höre ich dir gern zu.“ Sie wurde rot, als sie merkte, was sie gesagt hatte. „Oder auch nicht. So viel Zeit haben wir ja nicht, oder?“

John griff sich an die Brust. „Das habe ich nicht kommen sehen. Ehrlich, Carina, ich hatte nie eine ernste Beziehung mit einer Frau.“ Er zuckte leicht mit der Schulter. „Das sagt ja wohl alles, nicht? Aber immerhin verletze ich niemanden absichtlich. Die Frauen, mit denen ich ausgegangen bin, wussten von Anfang an, dass ich nicht auf der Suche nach einer festen Beziehung war.“

„Genau wie ich jetzt.“

Er nickte.

Sein Gewissen meldete sich. Carina sollte ihn als Freund betrachten. Er musste sehr vorsichtig sein, damit sie sich nicht betrogen fühlte, wenn sein Auftrag beendet war.

Den Rest des Nachmittags bemühte er sich um eine angenehme Stimmung. Sie gingen spazieren, hielten Ausschau nach Fossilien und aßen in einem kleinen Café in Uvalde, wo John Carina mit Geschichten aus seiner Kindheit unterhielt. Vier kleine Jungen konnten ein ganz schönes Chaos anrichten.

Als er Carina schließlich nach Hause brachte, wirkte sie sehr entspannt. Ihre Augen glänzten, und es fiel John schwer, sie nicht anzufassen.

Genau wie am vorigen Abend brachte er sie zu ihrem Apartment. „Danke, dass du mich heute begleitet hast. Das hat viel mehr Spaß gemacht, als wenn ich allein gefahren wäre“, meinte er.

„Und ich muss zugeben, dass dein Ruf vielleicht etwas übertrieben worden bist. In Wirklichkeit bist du ein netter Kerl.“

Er lachte, nahm sie in die Arme und schwang sie herum. Als ihm dann klar wurde, was er da tat, setzte er sie hastig wieder ab. „Das wollte ich nicht. Ich weiß, dass du nur eine flüchtige Beziehung willst, und das respektiere ich.“ Er streckte die Hand aus, als wollte er ihre schütteln. „Dann verschwinde ich jetzt wohl besser, bevor ich deine neue Einschätzung von mir wieder zerstöre.“

Sie lachte. „Wir schütteln uns jetzt die Hände?“

Er wurde rot. „Ja. Keine Küsse mehr. Die könnten mich wirklich in Schwierigkeiten bringen.“

Sie warf ihm einen geheimnisvollen Blick zu. „Keine Sorge, John. Bei mir brauchst du keine Angst vor dir selbst zu haben.“

5. KAPITEL

Am Freitag darauf stand John schlecht gelaunt vor dem Spiegel in seinem Bad. Er hasste Krawatten. Seiner Meinung nach waren sie eine Erfindung des Teufels. Er hatte diese jetzt schon zum dritten Mal gebunden, und immer noch saß sie schief.

„Oh, zur Hölle damit.“

Er trug eine dunkelgraue Anzughose und ein weißes Hemd, weil er wieder einmal mit Carina ausging.

Diese Woche hatte er sie schon zwei Mal getroffen, und sie schien das zu genießen. Aber er war jedes Mal nervös.

Sie war so attraktiv, und er war immerhin ein Mann, also wünschte er sich natürlich, mit ihr zu schlafen. Aber das würde er nicht tun, obwohl er aus ein paar Bemerkungen von ihr schließen konnte, dass sie nicht abgeneigt war.

Aber schließlich konnte er nicht mit einer Verdächtigen ins Bett gehen. Trotzdem war er ständig erregt, wenn er in ihrer Nähe war, und das fand er peinlich.

Seit dem letzten Sonntag machte sie sich darüber lustig, dass er ihr keinen Gutenachtkuss gegeben hatte. Deshalb tat er das nun jedes Mal, wenn er sie nach Hause brachte. Jeder Kuss war intensiver als der vorige, und als John letzte Nacht weggefahren war, hatte er vor Begierde gebebt. Die kalte Dusche hatte kaum geholfen. Danach hatte er auch noch geträumt, er würde mit Carina zusammen in ihr Apartment gehen und sie die ganze Nacht lang lieben.

Deshalb war er nun in schlechter Stimmung, und da half ihm der Kampf mit der Krawatte auch nicht gerade.

Als er nach dem Jackett griff, klingelte das Telefon.

„Crenshaw“, meldete er sich.

Daraufhin hörte er ein vertrautes Lachen. „Hallo, Bruder, ich wollte dir nur mitteilen, dass es einen weiteren männlichen Crenshaw auf der Welt gibt. Er wurde vor zwei Stunden geboren und hat sehr gesunde Lungen.“

John lächelte zum ersten Mal an diesem Tag. „Gratuliere, Jake. Das ist eine tolle Neuigkeit. Wie geht es Ashley?“

„Sie ist erschöpft, aber es geht ihr gut. Sie sagt, nächstes Mal wird sie mehr Mitleid haben, wenn sie ein Fohlen oder Kalb entbindet.“ Ashley Crenshaw war Tierärztin und hatte eine Praxis in New Eden.

„Habt ihr schon einen Namen für ihn?“

„Nein. Wir konnten uns noch nicht einigen. Ashley will ihn nach ihrem Vater benennen. Ken. Ich will die Tradition fortführen und einen Namen mit J nehmen. Aber nun da er auf der Welt ist, müssen wir wohl bald zu einer Entscheidung kommen.“

„Warum gebt ihr ihm nicht zwei Namen?“

„Da könnte Ashley mitspielen, aber sie will ihm keinen Namen wie Jeremiah zumuten.“

„Du findest also, er sollte nach dem Gründer unserer Dynastie benannt werden?“

„Wir könnten ihn ja Jerry nennen, aber das gefällt ihr nicht.“

„Na ja, ihr einigt euch bestimmt bald. Natürlich könnt ihr ihn auch B. B. Crenshaw nennen.“

„Als Abkürzung wofür?“

„Baby Boy Crenshaw. Wenn er laufen kann, könnt ihr den Baby-Teil weglassen und ihn einfach Boy nennen. Und bis er seinen Highschool-Abschluss macht, habt ihr euch ja vielleicht geeinigt. Sonst darf er sich selbst einen Namen aussuchen.“

„Weißt du, John, du bist keine große Hilfe.“

John lachte. „Ihr werdet euch schon einig.“

„Wann kommst du dir deinen Neffen denn ansehen? Heather brennt darauf, ihn vorzuzeigen, und Dad will ein Barbecue veranstalten.“

„Klar. Wenn es nach Dad ginge, gäbe es jedes Mal ein Barbecue, sobald die Post kommt. Also stört es Heather nicht, dass sie nun einen Bruder hat?“

„Noch nicht. Das könnte sich schnell ändern, wenn wir ihn nach Hause bringen und ihr klar wird, dass sie kein Einzelkind mehr ist. Aber im Herbst kommt sie in den Kindergarten, und wir hoffen, dass sie sich dann richtig erwachsen fühlt, weil sie vieles kann, was ihr Bruder nicht kann.“ Jake machte eine Pause. „Aber du hast meine Frage nicht beantwortet. Wann kommst du?“

John seufzte. „Keine Ahnung. Mein Einsatz ist jetzt in der Schlussphase. Aber ich will meinen Neffen so bald wie möglich sehen.“

„Unsere Eltern vermissen dich.“

„Ich weiß. Ich vermisse sie auch. Sobald mein Einsatz beendet ist, nehme ich Urlaub und komme für ein paar Tage zu euch. Als Onkel muss ich ja schließlich Heather und Baby Boy verwöhnen.“

„Komm wann immer du kannst. Ich weiß, dass du nicht über deine Arbeit reden kannst, aber sei vorsichtig, ja?“

„Das bin ich immer. Danke für den Anruf, Jake. Sag Ashley, ich bin stolz auf sie, und sie soll hart bleiben. Wenn sie das Baby Ken nennen will, sollte sie sich durchsetzen.“

„Ich soll ihr ausrichten, dass mein eigener Bruder sie in dieser Namensangelegenheit unterstützt?“

„Mach das ruhig. Ich rufe euch an, wenn ich absehen kann, wann ich hier wegkomme.“ Als er den Hörer auflegte, lächelte er immer noch.

Als er nach unten kam, sahen sich Jerry, Hal und Ruth gerade einen Film an. Er hätte sich ihnen nur zu gern angeschlossen. Sogar zum Zahnarzt wäre er lieber gegangen als zu der Verabredung mit Carina.

Ruth sah auf. „Na, du hast dich aber herausgeputzt. Wo geht ihr denn heute hin?“

Alle sahen ihn erwartungsvoll an.

Er konnte sich nicht drücken. „Wir haben Karten fürs Ballett.“

„Ballett?“ Hal lachte.

„Ballett ist schön.“ Ruth sah Hal böse an. „Ich wünschte, ich könnte mitkommen.“

„Glaub mir, ich wünschte, du könntest an meiner Stelle gehen“, erklärte John.

Jake hätte gebrüllt vor Lachen, wenn er von Johns Plänen gewusst hätte. John würde sich das ewig anhören müssen, wenn es je herauskam.

„Bis später.“ Er ging in die Garage.

Ein Vorteil dieses Einsatzes war es, dass er sein Auto benutzen konnte. Es war schön, ihn mal ausfahren zu können.

Erst als er schon an Carinas Tür geklopft hatte, merkte er, dass er zu früh dran war. Es war weniger Verkehr gewesen, als er erwartet hatte, und er hatte an fast keiner roten Ampel halten müssen.

Carina öffnete die Tür in einem edel schimmernden Morgenmantel, der auf wunderbare Weise ihre Kurven umschmiegte. Fast hätte John laut gestöhnt.

„Es tut mir leid“, sagte er, bevor Carina Gelegenheit hatte, ihn zu begrüßen. „Ich habe erst auf die Uhr gesehen, als ich schon geklopft hatte. Soll ich noch ein paar Mal um den Block fahren?“

Sie lachte, griff nach seiner Hand und zog ihn in die Wohnung. „Sei nicht albern. Setz dich. Ich bin gleich fertig.“

Ihr Parfüm stieg ihm in die Nase, und er verspannte sich. „Lass dir Zeit. Wir haben es nicht eilig.“

Sobald er allein war, sah er sich in der Wohnung um. Hal hatte sie zwar einmal durchsucht, aber nichts Verdächtiges gefunden. Tatsächlich war da gar nichts gewesen, das mit der Firma zu tun hatte.

Was jetzt? Vielleicht wusste Carina wirklich nichts von dem Schmuggel, aber noch konnten sie nicht sicher sein. Dass sie eine Patterson war, war für John Grund genug, sie zu verdächtigen.

Als Carina zurückkam, trug sie ein elegantes schwarzes Kleid und Schuhe mit hohen Absätzen. Das Haar fiel ihr offen über die Schultern, und John fand, dass sie umwerfend aussah.

Er stand auf. „Bist du fertig?“

Sie griff nach einer kleinen Handtasche. „Ja. Danke für deine Geduld.“

„Kein Problem.“

Draußen nahm er ihr die Schlüssel ab und verschloss die Tür. „Du brauchst eine Alarmanlage.“ Er dachte an Hals Besuch. Zwar gab es kein Türschloss, das ein Profi nicht öffnen konnte, aber Amateur-Einbrechern konnte man es wenigstens so schwer wie möglich machen.

„Du wirkst heute ungewöhnlich ruhig“, meinte Carina, als sie im Auto saßen. „Ist etwas nicht in Ordnung?“

Das riss John aus seinen Gedanken. „Es ist alles okay.“ Abgesehen von der Tatsache, dass er zwei Stunden lang Leuten würde zusehen müssen, die auf den Zehenspitzen herumhüpften. „Ich habe sogar eine gute Nachricht erhalten, bevor ich losgefahren bin. Mein Bruder Jake hat angerufen, dass sein Sohn heute Nachmittag geboren wurde.“

„Das ist ja großartig. Jake ist dein ältester Bruder, nicht?“

„Richtig.“

„Und seine Frau heißt … Tut mir leid, ich habe es vergessen.“

„Ashley. Sie ist mit uns zusammen auf der Ranch aufgewachsen. Da sie zwei Jahre jünger ist als ich, kenne ich sie schon mein ganzes Leben. Sie und Jake sind ein tolles Team.“

„Oh! Da wir gerade von Familie sprechen, Al gibt morgen Nachmittag eine Party, und ich wollte dich fragen, ob du nicht mit mir hingehen möchtest.“

Ja! Das war es, worauf John gewartet hatte. „Klar. Um wie viel Uhr?“

„Gegen zwei. Wahrscheinlich werden wir aber erst um fünf essen. Bring eine Badehose mit. Al und Marisa haben einen großen Swimmingpool.“

John nahm sich vor, am nächsten Tag eine Badehose zu kaufen. Abgeschnittene Jeans waren wohl kaum das Richtige für eine Party bei den Pattersons.

Sie kamen kurz vor Beginn der Vorstellung im Theater an. John hatte Mühe, genügend Platz für seine Beine zu finden.

Carina beugte sich zu ihm herüber. „Hast du dieses Ballett schon mal gesehen?“

Er sah sie an. „Offen gestanden war ich überhaupt noch nie in einem Ballett.“

Carina riss die Augen weit auf. „Im Ernst?“ Das schien sie zu amüsieren.

„Ja.“

„Warum hast du mich dann hierher eingeladen?“

„Weil du dieses Gastspiel erwähnt hast. Da dachte ich mir, dass du gern hingehen würdest.“

Sie küsste ihn auf die Wange. „Du steckst voller Überraschungen.“

Er spürte, wie sein Gesicht heiß wurde. „Na ja … Was sollte er dazu sagen? Dass er die Anweisung hatte, so viel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen? Dass er dafür bezahlt wurde? Das würde ihr wohl kaum gefallen.“

Das Orchester begann zu spielen, und sie schwiegen.

Irgendwann während des letzten Aktes schubste Carina John. Er öffnete die Augen und merkte, dass er geschlafen hatte. Carina flüsterte ihm ins Ohr: „Es macht mir nichts aus, dass du schläfst, aber dein Schnarchen stört andere Leute.“

Er sah sich schnell um. Ein Mann hinter ihm grinste. „Ich verstehe Sie vollkommen.“ Daraufhin bekam er von seiner Frau einen Stoß in die Rippen.

Als es endlich vorbei war – hatte es wirklich das ganze Wochenende gedauert, oder kam John das nur so vor? – stand John auf und klatschte. Tatsächlich war er so froh, es hinter sich zu haben, dass sein Klatschen durchaus ehrlich gemeint war.

Carina wartete, bis sie auf dem Weg zum Auto waren, bevor sie sagte: „Ich nehme an, du stehst nicht auf Ballett.“

„Es tut mir leid, dass ich dich in Verlegenheit gebracht habe. Ich war offenbar sehr müde.“

„Was hältst du denn von Opern?“

Er bemühte sich, sein Entsetzen zu verbergen. „Äh, ich bin nicht sicher …“

„Weil du auch noch nie eine Oper gesehen hast, was?“

„Ich kann es wohl nicht leugnen.“

Sie fing an zu lachen, und John stimmte ein. „Sag mir eins“, begann sie, als sie dann im Auto saßen. „Wenn du heute genau das tun könntest, was du möchtest, was wäre das? Und ich will eine ehrliche Antwort.“

„Ganz ehrlich?“ Er dachte eine Minute lang nach. „Wahrscheinlich wäre ich dann in einer Country-und-Western-Bar mit Live-Musik.“

„Klingt gut. Lass uns das machen.“

Eigentlich fand John, dass Carina nicht der Typ für eine Bar war. „Bist du sicher?“

„Absolut. Und falls ich anfange zu schnarchen, darfst du mich schubsen.“

Er lachte. „Oh, ich glaube nicht, dass du einschlafen wirst.“

Er fuhr zum Crazy Eights. Die Musik konnte man schon einen halben Block vorher hören. Carina lachte, als er einparkte. „Gibt es hier auch Ohrstöpsel?“

John grinste. „Nein. Aber wir müssen nicht reingehen.“

„Natürlich gehen wir rein. Du hast heute etwas getan, was du nie zuvor getan hattest. Jetzt bin ich dran.“

John fand Carina wirklich toll. „Na, dann muss ich aber das Ding hier loswerden.“ Er nahm die Krawatte ab. „Und das.“ Er zog das Jackett aus, warf beides in den Wagen und rollte noch die Hemdsärmel auf. Nachdem er die obersten zwei Hemdknöpfe geöffnet hatte, seufzte er vor Erleichterung. „Komm, Tiger, jetzt wirst du etwas erleben, das du niemals vergessen wirst.“

John musste zugeben, dass die Band die Lautstärke etwas zu weit aufgedreht hatte. Der Laden war allerdings riesig und die Tanzfläche so groß, dass eine Menge Leute gleichzeitig bequem tanzen konnten. Es war total voll, und vielleicht wollte die Band einfach nur sichergehen, dass man sie auch hören konnte.

John beobachtete Carina, die sich umsah, als wäre sie auf einem fremden Planeten gelandet. Er bahnte ihnen einen Weg durch die Menge. Eine Kellnerin räumte gerade einen hohen Tisch ab, und John hob Carina auf einen der Barhocker.

Autor

Annette Broadrick
<p>Bis Annette Broadrick mit sechzehn Jahren eine kleine Schwester bekam, wuchs sie als Einzelkind auf. Wahrscheinlich war deshalb das Lesen immer ihre liebste Freizeitbeschäftigung. Mit 18 Jahren, direkt nach ihrem Abschluss an der Highschool, heiratete sie. Zwölf Monate später wurde ihr erster Sohn geboren, und schließlich wurde sie in sieben...
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Leanne Banks
<p>Mit mehr als 20 geschriebenen Romanen, ist Leanne dafür geschätzt Geschichten mit starken Emotionen, Charakteren mit denen sich jeder identifizieren kann, einem Schuss heißer Sinnlichkeit und einem Happy End, welches nach dem Lesen noch nachklingt zu erzählen. Sie ist die Abnehmerin der Romantic Times Magazine’s Awards in Serie. Sinnlichkeit, Liebe...
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Maureen Child
<p>Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
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