Baccara Exklusiv Band 154

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NUR WEIL ICH DEIN CHEF BIN? von ST. CLAIRE, ROXANNE
Seit Parker Garrison seine Assistentin Linda unter der Dusche überrascht hat, sehnt er sich danach, ihre sexy Rundungen und die samtweiche Haut zu berühren - ein sinnlicher Traum, der während der gemeinsamen Geschäftsreise in London für eine einzige Nacht Wirklichkeit wird …

VERFÜHRE NIEMALS DEINEN MANN von CHILD, MAUREEN
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  • Erscheinungstag 05.05.2017
  • Bandnummer 0154
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724214
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Roxanne St. Claire, Maureen Child, Barbara Dunlop

BACCARA EXKLUSIV BAND 154

1. KAPITEL

Parker Garrison betrat den Konferenzraum der „Garrison Incorporated“. Im ersten Moment wurde er von dem gleißenden Sonnenlicht geblendet, das sich auf der Wasseroberfläche der Biscayne Bay brach und durch die riesigen Fenster hindurch ins Zimmer schien. Die Silhouetten seiner Geschwister, seiner Mutter und einiger teurer Anwälte waren nur schwer zu erkennen. Trotzdem fielen Parker sofort drei Dinge auf. Zum Ersten: Es wurde kein Wort gesprochen. Kein einziges. Nicht, dass er bei der Testamentseröffnung seines Vaters eine Partystimmung erwartet hätte. Trotzdem war es einfach unnatürlich, dass eine Zusammenkunft der Garrisons so friedlich verlief. Immerhin waren sie eine, um es behutsam auszudrücken, recht eigenwillige Familie.

Zweitens: Seine Mutter schien relativ nüchtern zu sein. Es war zwar erst acht Uhr dreißig am Morgen, und selbst Bonita Garrison griff selten schon vormittags zur Flasche – wenn man die Bloody Marys nicht mitzählte, die sie in Vorbereitung auf sonntägliche Familiendinner verbrauchte. Doch seit dem Tod ihres Mannes vor zwei Wochen suchte sie immer früher am Tag ihren Trost im Alkohol.

Drittens und ganz besonders bedeutsam: John Garrisons Sessel am Kopf des langen Kirschholztisches war leer. Ein Zustand, den Parker in Ordnung zu bringen gedachte.

Seine Schwester Brittany gab einen erstickten Laut von sich, als er sich lässig auf das butterweiche Leder des Sessels fallen ließ, der seinem Vater gehört hatte, und den elektronischen Organizer vor sich legte.

„Du setzt dich in … in seinen Sessel?“, fragte Brittany empört.

„Er ist schließlich leer.“ Parker ignorierte den Vorwurf, dass er sich in das Revier seines Vaters drängte. Er hatte alles Recht dazu. Er war der Älteste, und er hatte die Dachgesellschaft der Familie in den letzten fünf Jahren geleitet, seit ihm sein Vater zum einunddreißigsten Geburtstag den Vorstandsposten angeboten hatte.

Auch alle übrigen Geschwister waren im Familienkonzern beschäftigt. Jeder von ihnen besaß eine der Immobilien, ob es nun das Grand Hotel war, ein Klub, ein Restaurant oder ein Wohnhauskomplex. Parker hatte sich diesen Sessel verdient, und nicht nur, weil er der Erstgeborene war, sondern vor allem durch harte Arbeit, Mut und ein paar brillante Entscheidungen zum Wohl der Firma.

„Es ist respektlos“, fuhr Brittany ihn an. Ihre braunen Augen funkelten böse. „Unserem Vater gegenüber.“

Brooke tätschelte beschwichtigend die Hand ihrer Schwester. „Beruhige dich, Britt. Irgendwo muss er doch sitzen.“

Parker warf Brooke einen dankbaren Blick zu und wunderte sich nicht zum ersten Mal, wie unähnlich sich die Zwillingsschwestern doch waren. Brooke schenkte ihm ein Lächeln, das ihr hübsches Gesicht noch freundlicher wirken ließ und den Kontrast zu Brittanys harten Zügen umso mehr betonte.

Den Zwillingen gegenüber saß Stephen, der Parker vom Alter her am nächsten war. Stephen verschränkte die Hände hinter dem Kopf und streckte seinen hochgewachsenen muskulösen Körper, der, genau wie die charakteristische Kerbe am Kinn, allen männlichen Garrisons eigen war. Ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen. Stephen war noch immer sonnengebräunt von einer Reise, die er erst kürzlich mit seiner Zwanzig-Meter-Jacht unternommen hatte.

„Sitz ruhig, wo du willst, großer Bruder“, sagte er gedehnt. „Er benutzt zwar den Sessel nicht mehr, aber ich denke, wir werden gleich die Hand unseres lieben Vaters in jedem Winkel des Raumes spüren.“

Parker runzelte die Stirn und folgte dem Blick seines Bruders hinüber zu der eindrucksvollen Gestalt von Brandon Washington, dem jungen brillanten Anwalt, der die Angelegenheiten der Familie regelte. Brandon hatte die Lippen fest zusammengepresst, während er konzentriert einige Dokumente ordnete und vor sich auf den Tisch legte. In diesem Moment sah er auf und begegnete Parkers Blick.

Was auch immer Brandon in John Garrisons Testament gelesen haben mochte, der warnende Ausdruck in seinen Augen war eine eindeutige Botschaft: Das wird dir nicht gefallen.

Parker bewegte sich unruhig auf seinem Sessel hin und her und zwang sich, das merkwürdige Gefühl zu ignorieren. Was konnte schon im Testament stehen, das ihm nicht gefallen würde? Nichts außer der Firma war ihm wichtig. Die Immobilien, das Vermögen – all das kam erst an zweiter Stelle nach der Dachgesellschaft, deren Profite in die restlichen Projekte investiert wurden.

Und er, Parker Garrison, hielt den größten Teil dieses Kuchens in den Händen. Sicher hatte Dad seine damalige Entscheidung, ihn zum Vorsitzenden zu machen, nicht bereut. Es gab keinen Grund, sich Sorgen zu machen.

Aber dennoch gefiel ihm die Stimmung nicht, die von dem jungen Anwalt ausging. Offenbar genauso wenig wie seiner Mutter, ihrem sorgenvollen Gesichtsausdruck nach zu urteilen. Bonita Garrison strich sich nervös eine rabenschwarze Haarsträhne aus der Stirn, die sie zwar nicht wirklich störte, ihr aber Gelegenheit gab, etwas mit ihren zittrigen Händen anzufangen.

Vielleicht hätte sie doch besser einen Schluck trinken sollen. Wahrscheinlich hätten sie das alle tun sollen, wenn auch nur, um den tiefen Schmerz über den Verlust des geliebten Vaters zu betäuben. Eine Liebe, dachte Parker missmutig, die leider nicht auch automatisch für unsere Mutter gilt. Bonita war schon immer eine eher kühle und abweisende Frau gewesen.

Adam kam als Letzter. Er betrat den Raum auf seine gewohnt ruhige und distanzierte Art, das lange dunkle Haar mit einer Hand lässig nach hinten streichend. Ein Besuch beim Friseur wäre dringend nötig gewesen, um ernster genommen und nicht nur als Besitzer eines Nachtklubs angesehen zu werden – selbst wenn das „Estate“ einer der beliebtesten Klubs von Miami Beach war. Adam war der jüngste der Garrison-Männer, nur die Zwillinge kamen in der Geburtenfolge nach ihm.

Der Anwalt stand auf, was Parker aus seinen Gedanken riss. Die Geschwister und er würden mit jedem Problem fertig werden, da war er sicher. Und gerade er, der Älteste, war mehr als irgendjemand sonst in der Lage, die Probleme der Firma zu meistern, die zur Zeit weder Investoren noch Geschäftspartner glücklich machten.

Er würde schon eine Lösung finden, wenn er nur weiterhin die meisten Firmenanteile besaß! Parker wandte sich Brandon zu und hatte die Selbstsicherheit eines Mannes wiedergewonnen, der das Wesentliche im Auge behielt. Dieses Talent hatte ihn an die Spitze der Geschäftswelt gebracht, und es würde ihm auch weiterhin helfen.

Der Anwalt begann mit monotoner Stimme das Testament vorzulesen. Stephen warf Parker einen ungeduldigen Blick zu, und der antwortete mit einem schiefen Lächeln. Brittany krakelte auf ihrem Notizblock herum und brachte Parker in Versuchung, ihr unter dem Tisch einen Tritt gegen das Schienbein zu geben. Brooke und Adam beobachteten den Anwalt gespannt, und Bonita seufzte leise, während die Besitztümer genauso verteilt wurden, wie sie es alle erwartet hatten.

Plötzlich hielt Brandon inne. Er holte tief Luft und sah Bonita mitleidig an, bevor er den Blick direkt auf Parker lenkte.

„Der nächste Abschnitt handelt von den Aktien der Muttergesellschaft, der ‚Garrison Incorporated‘. Mr. Garrison hat entschieden, dass sie unter seinen sechs Kindern aufzuteilen sind.“

Parker zuckte zusammen. Brittany blinzelte. Stephen beugte sich vor und brachte ein leises „Was?“ hervor.

Hatte er „sechs“ gesagt? Der Mann arbeitete zu viel.

„Wir sind fünf, Brandon“, verbesserte Parker ihn mit einem leichten Lächeln. „Wie Sie sicher sehen können.“

Brandon antwortete nur mit einem langen, ernsten Blick. Einem seiner jungen Mitarbeiter entfuhr ein nervöses Lachen, das er hastig in ein Husten zu verwandeln suchte.

„Fünf sind es in diesem Raum“, sagte Brandon langsam. „Sechs insgesamt.“

Für den Bruchteil einer Sekunde sagte niemand etwas, zu groß war der Schock. Parker starrte den Anwalt finster an, während er versuchte, die Worte zu verarbeiten.

Dann herrschte Chaos. Stephen brüllte: „Das ist lächerlich!“, Brittany stieß einen empörten Schrei aus, und Brooke erhob sich halb, um eine Erklärung zu verlangen. Ihre Mutter atmete so schwer, dass es wie ein Stöhnen klang. Nur Adam blieb ruhig, auch wenn seine Miene völlige Ungläubigkeit ausdrückte.

Der Anwalt hob eine Hand, wurde aber ignoriert. Der Lärmpegel stieg gefährlich an, Fassungslosigkeit und Wut machten sich breit.

„Aufhören!“, rief Parker schließlich und schlug mit einer Hand auf den Tisch. „Lasst ihn zu Ende reden.“

Wie meistens, brachte auch jetzt ein einziger Befehl des Ältesten die Geschwister zur Räson. Als wieder Stille herrschte, sagte er ruhig: „Wie Sie sich denken können, verlangen wir eine Erklärung, Brandon.“

Der Anwalt nickte und las weiter aus dem Dokument vor. „Die Aktien der ‚Garrison Incorporated‘ werden unter meinen sechs Kindern aufgeteilt, und zwar wie folgt: Fünfzehn Prozent zu gleichen Teilen an Stephen, Adam, Brooke und Brittany.“

Parker hielt gespannt den Atem an, während er darauf wartete, dass Brandon fortfuhr.

„Die verbleibenden vierzig Prozent gehen zu gleichen Teilen an meinen Sohn Parker und meine Tochter Cassie Sinclair, die auch das volle Eigentumsrecht am Hotel ‚Grand-Bahamas‘ erhält.“

Das Blut rauschte so laut in Parkers Ohren, dass es fast den Lärm übertönte, der jetzt wieder ausbrach.

„Cassie Sinclair ist seine Tochter?“

„Die Leiterin des Bahamas-Hotels ist jetzt die Besitzerin?“

„… und bekommt auch noch zwanzig Prozent der Muttergesellschaft?“

„Sie kann nicht seine …“

Bonita Garrison stand langsam auf. Ihr Gesicht war leichenblass, die Hände zitterten. Plötzlich wurden die Geschwister ganz still und sahen ihre Mutter beunruhigt an.

„Dieser Mistkerl“, zischte sie, ohne jemanden anzusehen. „Dieser hinterhältige Mistkerl. Ich bin froh, dass er tot ist.“

Damit drehte sie sich um und verließ den Raum. Ihre Schultern bebten bei dem Versuch, Haltung zu wahren. Kaum war sie gegangen, stürmten neue Fragen und Vorwürfe auf den Anwalt ein.

Jetzt sieht es schon eher nach einer typischen Familienzusammenkunft aus, dachte Parker bitter. Sein Herz schlug laut und heftig, und er musste alle Kraft zusammennehmen, um die für ihn ganz uncharakteristische Wut in den Griff zu bekommen.

Kein Wunder, dass Brandon ihn vorhin so mitleidig angesehen hatte. Kein Wunder, verdammt noch mal, dass sein Vater sich so sehr für das Hotel auf den Bahamas eingesetzt hatte!

„Kann man es fassen?“, raunte Stephen so leise, dass nur Parker es hören konnte. „Der alte Herr hatte doch tatsächlich eine kleine Freundin.“

Parker schloss die Augen vor Abscheu. Nicht etwa, weil sein Vater eine Affäre hatte, und auch nicht, weil daraus ein sechstes Kind entstanden war. Sondern weil John Garrison aus irgendeinem Grund, den Parker niemals begreifen würde, eine ganze Welt zum Einsturz gebracht hatte. Ein beträchtlicher Firmenanteil war an irgendeine Hotelleiterin verschenkt worden – eine Hotelleiterin, die jetzt die Besitzerin dieses Hauses und noch dazu seine Halbschwester war!

Er schob den Sessel zurück, entschlossen, sich nicht von seiner Wut beherrschen zu lassen. Ohne das Chaos um sich herum zu beachten, wandte er sich kühl an den Anwalt. „Wir unterhalten uns noch, Brandon. Aber ich muss in der Zwischenzeit eine Firma leiten.“

Brittany schnaubte spöttisch. „Du musst den Teil einer Firma leiten.“

Er weigerte sich, auf ihre Bemerkung einzugehen, griff nach seinem Organizer und nickte knapp. „Noch viel Spaß, Leute.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, verließ er den Raum. Er war froh, dass er im Gegensatz zu seinen Geschwistern, die alle weiter weg in den diversen Garrison-Immobilien lebten, nur bis zu seinem Büro am Ende des Flurs zu gehen brauchte. Hier, im zweiundzwanzigsten Stock des imposanten Geschäftshauses in der Brickell Avenue, waren alle Räumlichkeiten der „Garrison Incorporated“ untergebracht.

In seinem Büro würde er Zuflucht finden und vielleicht die nötige Ruhe, um die überbordende Wut an irgendeinem unschuldigen Objekt auszulassen. Linda durfte keinen Anruf zu ihm durchstellen, am besten sagte sie alle Termine für heute ab. Erst einmal musste er die Neuigkeiten verarbeiten und … eine Lösung finden. Das war schließlich das, was er immer tat. Er war einer der gerissensten und gleichzeitig cleversten Geschäftsmänner von New York. Er kontrollierte ein Millionenimperium, also würde er es ja wohl schaffen, diese Situation unter Kontrolle zu bringen!

Er übersah das herausfordernde Lächeln von Sheila McKay, der stark geschminkten Empfangsdame an der Rezeption, und eilte zielstrebig den Flur hinunter. Nur mit größter Disziplin gelang es ihm, sich nicht fluchend die Krawatte herunterzureißen, und doch stieg sein Zorn mit jedem seiner Schritte.

Als er um die Ecke bog, erwartete er eigentlich, seine Assistentin an ihrem Schreibtisch vorzufinden. Seit einigen Monaten organisierte Linda von hier aus seine Termine und schirmte ihn erfolgreich von allen unerwünschten Belästigungen ab. Doch ihr Platz war leer.

Und das um neun Uhr morgens?

War denn heute nichts so, wie es sein sollte? Parker atmete tief durch, stieß die Tür zu seinem Büro auf und schloss sie hinter sich, ohne der Versuchung nachzugeben, sie mit aller Kraft zuzuknallen.

In diesem Moment hörte er ein Geräusch, das irgendwie nicht hierher passte. Jemand … sang!

Parker blieb unschlüssig stehen und sah sich nach der Quelle um. Die Stimme kam eindeutig aus der Richtung seines Badezimmers, das sich am anderen Ende des Raumes befand. Wer bitte schön sang da?

Wenn man das überhaupt Singen nennen konnte. Er hörte einen sündhaft schrägen Sopran, der ohne nennenswertes Melodiegefühl etwas aus der „West Side Story“ schmetterte. Oh, so pretty … Ach, die Sängerin fühlte sich also hübsch?

Vor Wut immer noch kochend, ging er weiter, und je näher er der halb geöffneten Badezimmertür kam, desto intensiver duftete es nach Blumen und Badepuder.

Zögernd blieb Parker stehen. Vorsichtig steckte er den Kopf durch den Türspalt, um sicherzugehen, dass er sich das alles nicht nur einbildete, und starrte dann fassungslos auf …

Beine.

Nein, dieser Ausdruck war nicht korrekt. Das waren keine Beine, sondern wahre Kunstwerke – endlos, nackt, fest, zart und jeder Strip-Bar würdig. Der dazugehörige Oberkörper wurde von einem knappen Seidenhemdchen nur dürftig bedeckt.

Parker blieb regelrecht die Luft weg. Er war verzaubert – und ein wenig taub von dem schiefen Gesang und dem Lärm des Föhns, den die junge Frau auf ihr langes dunkles Haar richtete. Sie hatte sich leicht nach vorn gebeugt und die Haare über den Kopf geworfen, sodass sie Parker nicht bemerkte.

Sie sang wirklich so schlecht, dass einem die Ohren wehtaten, doch wenn Parker hier noch länger stand und sie mit den Blicken verschlang, würde das bei Weitem sein kleinstes Problem sein …

Plötzlich richtete sich die Frau auf, warf das noch feuchte Haar über die Schultern und sah in den Spiegel. Wie gebannt starrte Parker auf die vollen Brüste, die sich unter dem dünnen Seidenstoff verführerisch abzeichneten.

„Oh mein Gott!“, rief sie erschrocken, wirbelte herum und hielt die Hände vor sich, ohne auch nur das Geringste verstecken zu können. Parker ließ den Blick langsam über die schmale Taille und den winzigen Slip gleiten, der gerade eben die verführerische Stelle zwischen ihren herrlichen Schenkeln bedeckte.

Lieber Himmel, seine Sekretärin versteckte die ganze Zeit so viel Schönheit unter marineblauen Hosenanzügen und gestärkten weißen Blusen?

„Linda?“ Seine Stimme klang plötzlich heiser, und er musste schlucken.

„Was machen Sie hier?“, fragte sie mit zittriger Stimme.

Bei der Frage zwang er sich, den Blick von ihrem Körper abzuwenden und ihr ins Gesicht zu sehen. Ihre Wangen hatten die zartrosa Farbe ihrer Unterwäsche angenommen, und die grünen Augen blitzten empört.

„Was ich hier mache?“ Er hatte nicht so amüsiert lächeln und sie schon gar nicht so anstarren wollen, aber … er war auch nur ein Mann. Und sie war … einfach unglaublich. „Wenn ich mich nicht irre, ist das noch immer mein Büro.“

Linda verdrehte ungeduldig die Augen. „Ich meine, so früh schon. Was machen Sie so früh schon hier? Sind Sie nicht in einem Meeting? Mit Ihrer Familie? Wegen der Testamentseröffnung?“

Die Testamentseröffnung. Die Erinnerung daran traf ihn wie ein Schlag in den Magen. „Ich bin früher gegangen.“

Sie warf einen flehenden Blick auf das Regal mit den Badetüchern gleich hinter ihm. Er aber wollte Antworten – und noch ein paar kostbare Minuten, in denen er sich jeden köstlichen Zentimeter ihres Körpers einprägen konnte.

„Ich habe noch nicht mit Ihnen gerechnet“, sagte sie und bemühte sich, kühl und gelassen zu klingen – ganz die professionelle Mitarbeiterin.

„Was Sie nicht sagen.“ Er konnte sich nicht zurückhalten, er musste grinsen. Endlich mal ein Lichtstreifen an diesem sonst so düsteren Morgen.

„Ich war joggen“, erklärte sie und sah ein weiteres Mal verzweifelt zum Regal hinüber. „Und ich wollte kurz duschen, weil ich dachte, Sie kommen eine ganze Weile noch nicht zurück.“

Sein Blick wanderte wieder zu ihren Brüsten. Wie hatte seine seriöse und allzeit tüchtige Assistentin es nur geschafft, diesen göttlichen Körper vor ihm zu verbergen? Und warum hatte sie es getan? Die meisten Frauen, die so gebaut waren, würden es der Welt zeigen wollen.

„Das Meeting war schnell zu Ende“, sagte er ruhig und ließ den Blick weiter hinabgleiten. Für einen Moment verweilte er bei ihren wunderschönen Beinen. Unendlich lang, mit schlanken Fesseln und festen Waden. Dann zog ihn das Dreieck zwischen ihren Schenkeln wieder in seinen Bann. Er konnte sich von diesem Anblick kaum losreißen. Linda schnappte empört nach Luft.

„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, hätte ich jetzt gern ein Handtuch“, sagte sie knapp.

War sie etwa wütend? Vielleicht sollte er ihr eine Lektion in Sachen Professionalität erteilen und ihr sagen, dass sie sich in seinem Büro nicht wie zu Hause zu fühlen habe. Er könnte sie wie die Angestellte behandeln, die sie schließlich war, und sie dafür tadeln, dass sie nicht an ihrem Schreibtisch saß, sondern stattdessen sein Büro für private Zwecke nutzte.

Parker lächelte nur und reichte ihr ein Handtuch. „Tolle Dusche, was?“

Sie sah ihn erstaunt an und wickelte sich hastig in den weichen Stoff. „Ja.“ Dann zog sie die Schultern zurück und hob energisch das Kinn. Offenbar tat sie ihr Bestes, wieder in die Rolle der kompetenten Assistentin zu schlüpfen, die ihn schon beim ersten Gespräch mit ihrer Professionalität beeindruckt hatte. Und sie hätte es auch fast geschafft, wäre da nicht ihr offenes langes Haar gewesen, das ihr weich über die Schultern fiel, und die Tatsache, dass das Handtuch immer noch zu wenig bedeckte, um seine Fantasie in Schach zu halten.

Parker räusperte sich und gab sich Mühe, eine ernste Miene aufzusetzen. „Linda“, sagte er streng.

„Ja?“

Er hatte noch immer stechende Kopfschmerzen von dem morgendlichen Schock und dem überraschenden Angriff auf seine Libido. Aber das war beides kein Grund, seine Wut an einer jungen Frau auszulassen, deren einziger Fehler es war, sich in der Zeit vertan zu haben. Schlechtes Timing. Oder auch gutes Timing, kam ganz darauf an.

„Geben Sie Ihren Job bitte nie auf, um Sängerin zu werden.“

Ihr Lächeln erhellte augenblicklich ihr ganzes Gesicht, und was ihm bis heute bestenfalls niedlich vorgekommen war, wurde plötzlich atemberaubend schön. „Keine Sorge, Mr. Garrison.“

Doch, er machte sich sehr wohl Sorgen. Er hatte bis jetzt nicht nur ihren herrlichen Körper ignoriert, sondern auch ihre samtweiche Haut, ihre zart geschwungenen Lippen, die hübschen Zähne, die Art, wie ihre grünen Augen blitzten, wenn sie lächelte. Er hatte nicht bemerkt, was für eine reizende Frau die ganze Zeit direkt vor seiner Nase saß. War er denn blind geworden? Konzentrierte er sich so sehr auf das Geschäft, dass ihm selbst eine Frau wie Linda nicht weiter auffiel?

Er wandte sich ab und verließ das Bad, damit sie sich in Ruhe anziehen konnte, und gratulierte sich zur Rückkehr seiner Vernunft und Selbstbeherrschung.

Sie war also hübsch und besaß einen Körper, der jeden Mann in die Knie zwingen konnte. Na und? Das war völlig egal. Was gerade vorgefallen war, war eine etwas peinliche Begegnung, die Linda bedauern und er sehr bald vergessen würde. Sie war eine ausgezeichnete Mitarbeiterin, und er musste ein Unternehmen leiten, ein Testament anfechten und ein Imperium schützen. Er brauchte mehr denn je all seine Kraft und seine ganze Konzentration.

Allerdings würde es ihm schwerfallen, diese Beine zu vergessen …

Linda überquerte den orientalischen Teppich, der die Besucher ins Vorstandszimmer führte, stellte die Klimaanlage auf frostige achtzehn Grad, und setzte sich hinter ihren Schreibtisch. Sie brauchte dringend eine Abkühlung, aber selbst die frische Luft würde ihren vor Verlegenheit brennenden Wangen vermutlich keine Linderung verschaffen. Wenn es überhaupt Verlegenheit war, die ihren Körper so erhitzte. Linda dachte verwirrt an Garrisons Blick, mit dem er sie von oben bis unten gemustert hatte.

Ein vertrautes, ganz und gar ungehöriges Gefühl erwachte tief in ihr. Sehr tief, sehr vertraut, sehr ungehörig. Und völlig dumm. Wie konnte sie sich so von ihrem Chef aus der Fassung bringen lassen?

„Dummkopf“, schimpfte sie mit sich, während sie ihren Computer einschaltete und den Hörer aufnahm, um die eingegangenen Gespräche abzuhören. Wie hatte sie so unvorsichtig sein können? Und das für nur fünf weitere Minuten unter dem herrlichen Massageduschkopf. Wenn er wüsste, wie oft sie sich diesen Luxus schon erlaubt hatte, wäre sie jetzt wahrscheinlich dabei, sich einen neuen Job zu suchen. Und es war gar nicht so sicher, dass sie auch einen finden würde. Wie viele Leute stellten schon eine Sekretärin ein, ohne sie vorher genau unter die Lupe zu nehmen? Linda wusste nur allzu gut, was geschah, wenn man im Internet den Namen Linda Cross eingab.

Der Wirtschaftsspionage beschuldigt

Nein, sie durfte auf keinen Fall etwas tun, das ihren Job gefährdete. Und sie konnte nur hoffen, dass Mr. Garrison das Benutzen seiner Dusche nicht für einen Kündigungsgrund hielt.

Sie schluckte, als die Stimme auf dem Anrufbeantworter ankündigte, dass ihr Chef siebzehn Nachrichten erhalten hatte. Siebzehn? Was zum Kuckuck war denn los?

Spätestens als sie die fünfte Nachricht notierte, wusste sie es. Zumindest wusste sie, dass beim morgendlichen Meeting etwas wirklich schiefgelaufen sein musste. Die Garrison-Geschwister und ein, zwei Anwälte gaben keine Einzelheiten preis, aber ihr Tonfall versprach nichts Gutes.

Die Tür zu Parkers Büro war verschlossen, seit Linda das Zimmer mit so viel Würde wie möglich verlassen hatte. Sie spürte seine Blicke noch immer auf sich. Verdammt! Seit sie vor vier Jahren hier angefangen hatte, war sie immer bemüht gewesen, unauffällig zu bleiben und höchstens durch hervorragende Arbeit zu glänzen. Und jetzt das. Sie hatte sich ihrem Chef fast nackt gezeigt!

Tatsächlich war sie in ihrem ersten Job in der Personalabteilung von „Garrison Incorporated“ so gut gewesen, dass sie vor drei Monaten zu Parker Garrisons persönlicher Assistentin befördert worden war. Jetzt fragte sie sich, ob es in Anbetracht ihrer Vorgeschichte nicht besser gewesen wäre, wenn sie einfach abgelehnt hätte.

Auf der anderen Seite – sie hatte sich nicht umsonst vier lange Jahre auf einem der unteren Stockwerke versteckt. Nach all dieser Zeit konnte man wohl davon ausgehen, dass endlich Gras über die Sache gewachsen war.

Trotzdem hatte sie sich angewöhnt, nicht auf sich aufmerksam zu machen. Bis vor zehn Minuten hatte sie sich wirklich sehr bedeckt gehalten … bedeckt! Linda stieß ein frustriertes Lachen aus.

Sie notierte die restlichen Nachrichten auf einem Papier, das sie Parker stündlich vorlegte, und tröstete sich ein wenig mit dem Gedanken, dass ihr Chef genug eigene Problemen hatte und bestimmt nicht länger an die peinliche Situation von vorhin dachte.

Die Gegensprechanlage summte.

„Ja, Mr. Garrison?“

„Ich brauche Sie, Linda.“

Ihr Magen zog sich nervös zusammen. „Ich komme sofort, Mr. Garrison.“

„Ich finde …“ Seine Stimme klang so leise, dass Linda sich anstrengen musste, ihn zu verstehen. „Sie können mich ab jetzt Parker nennen.“

Jetzt, da ich Sie in Ihrer Unterwäsche gesehen habe. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. „Aber natürlich, Mr. … äh, Parker.“

Er lachte amüsiert, und sie legte auf.

„Komm schon, Linda!“, sagte sie sich energisch und griff nach Organizer und Kugelschreiber. Parker machte nicht den Eindruck eines Mannes, der irgendwelchen Frauen nachstellte oder glaubte, er könne mit einer seiner Angestellten schäkern …

Sie blieb abrupt stehen, und die Knie wurden ihr weich. Mit ihnen schäkern. Was für ein dummer, altmodischer Ausdruck, der ihr trotzdem einen Schauer über den Rücken jagte. Na schön, es hatte also einen etwas peinlichen Moment gegeben, bei dem sie die sexuelle Seite eines Mannes entdeckt hatte, den sie attraktiv fand. Zugegeben, nicht nur attraktiv, sondern umwerfend.

Trotzdem war sie immer noch eine erstklassige Assistentin, die sehr gut wusste, dass Büroaffären nur etwas für Dummköpfe waren, denen es nichts ausmachte, den Job zu verlieren. Und Parker Garrison war ein sehr wichtiger, viel beschäftigter Geschäftsmann, in dessen kleinem elektronischen Adressbuch die Telefonnummern der schönsten Frauen der Stadt standen.

Sie war die Angestellte, er der Boss. Mehr gab es dazu nicht zu sagen.

Sie klopfte leicht und öffnete fast im selben Moment die Tür, so wie sie es immer tat. An diesem Morgen hatte sie allerdings das beklemmende Gefühl, unerlaubt in Parkers Privatsphäre einzudringen. Er stand am Fenster, das Handy am Ohr, den Blick auf die Postkartenidylle von Biscayne Bay gerichtet. Das Sonnenlicht schimmerte auf dem blauvioletten Wasser, auf dem um diese Uhrzeit etliche Vergnügungskreuzer ihre Runden drehten. Das Ufer war von Palmen gesäumt, und am Horizont konnte man die pastellfarbenen Hochhäuser von Miami Beach erkennen.

Aber die wahre Attraktion befand sich nicht dort draußen, sondern hier, mitten im Raum, und wie immer gönnte sich Linda einen verstohlenen Blick. Parker hatte das Jackett ausgezogen. Darunter trug er ein schneeweißes Designerhemd allerfeinster Qualität, das gerade schmal genug geschnitten war, um eine Ahnung von seinem muskulösen Oberkörper zu bekommen. Das Hemd war ordentlich in eine schwarze Hose gesteckt, die Parkers festen Po betonte.

Dieser Mann war ein zum Leben erwachter griechischer Gott …

In diesem Moment drehte er sich um, und Linda wandte hastig den Blick ab.

„Erspar mir den ganzen Juristenquatsch, Brandon“, sagte er in den Hörer und fuhr sich mit der Hand durch das kurze, aber dichte schwarze Haar. „Es ist mir völlig egal, was der DNA-Test ergeben wird. Können wir das Testament anfechten oder nicht?“

Linda runzelte die Stirn, aber Parker gab ihr durch ein knappes Nicken das Zeichen, sich in einen der Gästesessel vor seinem Schreibtisch zu setzen. Wie immer war er vollkommen gelassen, und die Autorität, die er auch sonst ausstrahlte, schien unangetastet zu sein. Trotzdem lag etwas Ungewohntes in seiner Stimme und in der Art, wie er seine Gesichtszüge anspannte. Offenbar kostete es ihn heute enorme Anstrengung, sich zu beherrschen.

„Gut, mach das“, sagte er und begann, sich mit einer Hand den Nacken zu massieren. „Inzwischen laufen die Geschäfte wie gewohnt weiter. Meine Geschäfte.“ Er sah hinüber zu Linda, die hastig ihren Notizblock umblätterte, um Parker nicht anstarren zu müssen.

„Ach, verdammt noch mal, das habe ich ganz vergessen.“ Sein Ton wurde gereizt, und Linda setzte sich automatisch auf, bereit, ihn an alles zu erinnern, was er vergessen haben mochte. Schließlich war das ihr Job – und nicht das Anstarren seines vollkommenen Körpers. Die „Parkerbeschau“ war sozusagen nur eine zusätzliche Annehmlichkeit ihres Jobs.

„Ich kann nicht hingehen“, erklärte er Brandon, setzte sich in seinen ledernen Schreibtischsessel, griff nach dem kleinen schwarzen Handy und drückte auf einige Tasten. „Aber nach der Bombe, die du heute Morgen hast platzen lassen, glaube ich, dass ich mich mehr denn je der Öffentlichkeit zeigen sollte.“

Er überlegte, und Linda versuchte, sich darüber klar zu werden, wovon er sprach.

„Ich stecke bis zum Hals in Arbeit. So weit zu reisen, lässt meine Zeit eigentlich nicht zu“, sagte er dann. „Es sei denn, ich chartere einen Jet.“

Natürlich. London. Parker hatte eine Einladung zum alljährlichen Ball der „International Hotel and Restaurant Association“ erhalten. Sie hatte nur noch sein Okay einholen wollen, um die Einladung in seinem Namen anzunehmen.

„Ich habe wirklich viel zu tun“, fuhr er fort, „und auf einem normalen Linienflug bekommt man nichts erledigt.“ Er lachte leise und klemmte das Handy zwischen sein Ohr und eine der bemerkenswerten Schultern, um etwas in den elektronischen Organizer einzugeben. „Ich nehme an, eine Begleiterin brauche ich auch noch.“ Er zwinkerte Linda kurz zu, und sie erschauerte unwillkürlich.

Welche Glückliche würde dieses Mal das große Los ziehen?

Maxine, deren Daddy halb Palm Beach gehörte? Oder das beeindruckende Model, das schon zwei Mal auf dem Vogue-Cover war und fast so groß wie Parker selbst? Mit ihr war er in letzter Zeit oft zusammen gesehen worden. Vielleicht entschied er sich aber auch für den feurigen Rotschopf, die Leiterin der PR-Agentur, die im letzten Monat einen Auftrag für die „Garrison Incorporated“ erledigt hatte. Jedenfalls hatte es ganz schön zwischen den beiden gefunkt, als sie sich vor zwei Wochen im Konferenzraum trafen.

„Tatsächlich fällt mir da gerade jemand ein. Sie ist genau die Richtige.“ Sein Blick ruhte auf Linda, intensiv, ruhig und selbstverständlich – fast so wie vorhin im Badezimmer.

Eine seltsame Hitze stieg in ihr auf, und sie nahm schnell Zuflucht zu den simplen fünf Worten, die sie meistens aus ihrer Trance weckten: Er ist dein Boss, Dummkopf.

Plötzlich stand Parker wieder auf und ging zum Fenster hinüber. „Halt mich auf dem Laufenden, Brandon. Ich lasse dich dann wissen, wie ich mich entschieden habe“, meinte er kurz angebunden und in geschäftsmäßigem Tonfall.

Einen Moment lang rührte er sich nicht, sondern schaute zum wolkenlosen blauen Himmel hinaus. Dann wandte er sich wieder zu Linda um. „Wie Sie sich wohl schon denken können, gab es heute Morgen keine guten Neuigkeiten.“

Sie legte das Papier mit seinen Anrufen auf den Schreibtisch. „Das erklärt sicher die siebzehn Nachrichten für Sie.“

Er ließ den Blick über die Liste gleiten und fluchte so leise, dass sie ihn nicht verstand. „Brandon hat recht“, sagte er dann.

„Womit?“

„Ich muss zum Ball nach London fliegen. Es ist wichtiger denn je, dass ich um die Führung kämpfe.“

„Ihre Führung steht doch außer Frage.“

Plötzlich setzte er sich auf den Rand des Schreibtisches und beugte sich vor, so wie er es immer tat, wenn er zu einem Entschluss gekommen war, von dem er sich auf keinen Fall abbringen lassen wollte. Nicht, dass er sich jemals von etwas abbringen ließ …

„Bitte sorgen Sie dafür, dass die Chartergesellschaft morgen früh einen Businessjet auf dem Flugplatz bereitstellt. Wenn ich London Freitagabend erreiche, habe ich noch jede Menge Zeit für die Arbeit, kann den Ball am Samstag besuchen und Sonntagmorgen zurückzufliegen. Am Montag bin ich wieder im Büro. Ich brauche die Berkeley Suite im Ritz-Carlton in London. Lassen Sie sich nicht von denen erzählen, sie stehe nicht zur Verfügung …“

„Ich werde Ihren Namen erwähnen.“

„Ja. Und ich werde eine Limousine brauchen, die mich zum Ball fährt und wieder abholt. Die Veranstaltung findet in …“

„In der Guildhall in der City statt.“

„Stimmt. Außerdem gibt es da einen Fahrer, den ich bevorzuge, wenn ich in London bin.“

„Mr. Sanderson von der ‚London Car Company‘.“

Er lachte leise. „Genau.“

Sie machte sich schnell ein paar Notizen. „Sie werden einige Akten für den Flug haben wollen.“

„Natürlich.“

„Nächste Woche ist die Bestandsaufnahme für die Finanzaufstellung des ‚Grand Hotel‘ fällig“, erinnerte sie ihn, während sie schrieb. „Und Sie werden die jüngsten Investmentergebnisse brauchen und das Programm des Komiteemeetings nächste Woche …“

„Finden Sie alles, was wir über das ‚Garrison Grand-Bahamas‘ haben“, unterbrach er sie.

Sie sah verblüfft auf. „Das Hotel in Nassau?“

„Alles“, wiederholte er.

„Selbstverständlich.“ Sie machte sich noch eine Notiz und schluckte die Frage, die ihr auf den Lippen brannte, hinunter. Eine gute Assistentin stellte keine Fragen. „Und Sie möchten wahrscheinlich noch einmal Ihre Rede für den Wirtschaftsrat durchgehen, also lege ich die Unterlagen bei. Sie haben außerdem ein Meeting mit einer Marketingagentur Ende nächster Woche und möchten sicherlich einen kompletten …“ Ein seltsames Kribbeln erfasste sie, und sie hielt inne. Langsam hob sie den Kopf und bemerkte, dass Parker sie anstarrte. „Sie möchten doch dieses Meeting wahrnehmen, oder?“

Er starrte sie nicht nur an, der Blick aus seinen aufregend braunen Augen schien sie förmlich zu durchdringen.

„Was ist los?“, fragte sie so ruhig sie konnte, obwohl ihr das Herz bis zum Hals klopfte.

„Machen Sie es mir einfach, Linda, und kommen Sie mit nach London.“

Oh. Wie bitte? „W…was soll ich Ihnen einfach machen?“

„Meine Arbeit. Sie wissen so viel darüber, und Sie sind so unglaublich gut organisiert. Ich kann nur dann so lange vom Büro fernbleiben, wenn ich währenddessen produktiv bin. Und wenn Sie bei mir sind, bin ich das.“

Für seine Arbeit. Natürlich. Weswegen sollte er sie sonst mit nach London nehmen? Und wie kam sie überhaupt dazu, etwas anderes in Betracht zu ziehen?

„Sie können das verlorene Wochenende mit einem kleinen Urlaub ausgleichen“, fügte er hinzu. Als ob das ihr größtes Problem wäre! Wie sollte er auch wissen, dass sie keine Angst hatte, ein Wochenende zu verlieren, sondern ihren Verstand. Ein ganzes Wochenende in nächster Nähe zum Objekt ihrer geheimsten Träume? Sie würde wahnsinnig werden.

„Kein Problem“, sagte sie langsam. „Es macht mir nichts aus, am Wochenende zu arbeiten.“

„Dann kommen Sie also mit?“ Er lächelte auf seine warme, einnehmende Art, so wie er es immer tat, wenn er einen Sieg errungen hatte – was ungefähr eine Million Mal am Tag geschah. „Perfekt. Sie brauchen etwas zum Anziehen, der Ball in der Guildhall ist ein wenig … nun, förmlich.“

„Der Ball?“ Das konnte er nicht ernst meinen. „Sie wollen mit mir zum Ball gehen?“

Er lachte. „Genau das, Aschenputtel. Warum soll ich groß nach einem anderen Date suchen, wenn Sie bei mir sind?“

Als ob er besonders lange hätte suchen müssen. „Weil …“ Ihr fiel kein Grund ein. Außer dem einen. Er ist dein Boss, Dummkopf.

Ob die Einladung etwas mit der Tatsache zu tun hatte, dass er sie nackt in seinem Bad vorgefunden hatte?

„Mr. Garrison … äh … Parker.“ Sie stand auf, um wenigstens den kleinen Vorteil zu haben, auf ihn herabsehen zu können. „Es tut mir leid wegen heute Morgen. Ich …“

Er wies auf die Badezimmertür. „Das?“ Dann winkte er mit einer lässigen Handbewegung ab. „Das habe ich schon völlig vergessen, glauben Sie mir. Kümmern Sie sich um den Flug und die nötigen Papiere, und ich kümmere mich um meine siebzehn Anrufe.“

Es war also entschieden. Parker wollte keine Einwände mehr hören. Und Linda sagte ihm nicht, dass sie unmöglich mit nach London fliegen könne, weil sie wusste, dass sie es eben doch tun würde.

Als sie sein Büro verließ, war Sheila gerade dabei, weitere Nachrichten auf ihren Schreibtisch zu legen. „Die sind alle bei mir eingegangen, während du bei Mr. Garrison warst“, sagte sie. „Das Telefon hat einfach nicht aufgehört zu klingeln seit diesem Meeting heute Morgen.“

„Ich habe ihm gerade siebzehn andere gegeben“, sagte Linda seufzend. „Sieht mir nach einem harten Tag aus.“

Sheila rümpfte ihre vollkommene Nase, die perfekt zu ihrem vollkommenen Gesicht und dem vollkommenen Körper passte. Linda war nicht überrascht gewesen, als sie erfuhr, dass diese wunderschöne Frau früher ein Playmate gewesen war.

„Und?“ Sheila setzte sich auf den Schreibtischrand. „Was ist los bei den Garrisons? Hat der alte Herr aus dem Grab heraus eine Bombe hochgehen lassen?“

Linda dachte an Parkers Telefonat mit Brandon. Es ging um einen DNA-Test und die Anfechtung eines Testaments. „Woher soll ich das wissen?“, sagte sie ruhig. Und selbst wenn sie es gewusst hätte, würde sie es nicht ausgerechnet der Empfangsdame verraten.

„Man munkelt so einiges, weißt du“, flüsterte Sheila unbeeindruckt. „Mario von der Postabteilung hat mir erzählt, dass La Grande Madame fluchend den Konferenzraum verlassen hat und wahrscheinlich schon die erste Flasche köpfte, bevor die Limousinentür sich hinter ihr schloss.“

Linda sah sich die Nachrichten an und tat, als höre sie Sheila kaum zu. „Du, ich habe wirklich alle Hände voll zu tun, um Mr. Garrisons Reise nach London vorzubereiten.“

Sheila erhob sich mit einem tiefen Seufzer. „London, was? Wie gut es die Reichen doch haben. Muss nett sein, mal eben kurz nach London zu düsen.“ Mit einem Winken verschwand sie um die Ecke und überließ Linda dem Berg von Telefonmitteilungen.

Ob es nett war? Sie würde es bald herausfinden. Linda wusste, dass sie sich geehrt fühlen und froh über die Gelegenheit zu einer solchen Reise sein sollte. Aber sie hatte so viel zu verbergen – zum Beispiel, dass sie in ihren Chef verliebt war. Wobei das noch lange nicht ihr schlimmstes Geheimnis war. Und wenn sie nicht aufpasste, würde Parker Garrison auch das dunkelste Kapitel ihres Lebens aufdecken.

2. KAPITEL

„Wir haben unsere Reiseflughöhe erreicht, Mr. Garrison. Hätten Sie gern das Übliche?“ Die einzige Stewardess auf der „Gulfstream“, dem Jet, den die Garrisons meistens für ihre Geschäftsreisen mieteten, lächelte freundlich. Ihr vorzeitig ergrautes Haar hatte sie wie immer zu einem eleganten Knoten gebunden. Auf ihrem schlichten dunklen Kostüm gab es nicht einmal die Spur eines Fussels.

„Vielen Dank, Christine, sehr gern. Linda?“

Linda hatte Parker gegenüber auf einem der bequemen hellen Ledersitze Platz genommen und bereits einen Berg Akten auf dem Tisch vor sich ausgebreitet. Der Laptop war offen und sie bereit zur Arbeit.

„Kommt darauf an“, sagte sie. „Was ist denn das Übliche?“

„Tomatensaft mit Tabasco.“

Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Kaffee, bitte.“

„Ach, kommen Sie schon, Linda. Gehen Sie doch mal ein Risiko ein“, neckte Parker sie und hoffte, dass sie ihm ein Lächeln schenken würde, aber sie schüttelte nur den Kopf.

„Nur Kaffee, vielen Dank.“ Nachdem die Stewardess genickt und sich zurückgezogen hatte, hielt Linda ihrem Chef ein Blatt Papier unter die Nase. „Ich habe eine Liste all der Dinge zusammengestellt, die Ihrer Aufmerksamkeit bedürfen, Mr. Garrison.“

Er erinnerte sie nicht daran, ihn Parker zu nennen. Linda Cross wollte offenbar deutlich machen, dass sie nichts weiter als seine Assistentin war. Genauso gut hätte sie ein T-Shirt mit der Aufschrift „Außer Arbeit kein Vergnügen“ tragen können, als sie vorhin am Flughafen in einem ultrakonservativen Hosenanzug aus ihrem Kleinwagen gestiegen war – marineblaues Jackett, seriöse Stoffhose und flache Schuhe.

Wo war das Mädchen geblieben, dass in pinkfarbener Unterwäsche schief, aber aus voller Kehle „I feel pretty“ sang?

Parker nahm die Liste entgegen und sagte sich, dass er es schließlich selbst gewesen war, der Linda hatte glauben lassen, sie nur der Arbeit wegen mitzunehmen. Zumindest hatte er ihr das gesagt.

Gut, er wusste, warum er sie wirklich mitnahm. Aber wusste sie das auch?

Natürlich war sie eine erstklassige, unentbehrliche Assistentin, eine der besten, die er je gehabt hatte. Sie war attraktiv, elegant und intelligent genug, um in jeder auch noch so vornehmen Gesellschaft Small Talk zu betreiben. Das Wichtigste war jedoch, dass er ihr vertrauen konnte. Noch nie hatte sie auch nur das geringste Interesse an seinem Geld gezeigt, und sie schien sich ihm auch jetzt nicht an den Hals werfen zu wollen. Dabei wusste er aus Erfahrung, dass die meisten Frauen versucht hätten, dieses Wochenende in ein ganzes restliches Leben im Luxus zu verwandeln.

Trotzdem war keiner dieser Punkte der tatsächliche Grund, weswegen er Linda mitgenommen hatte. Der tatsächliche Grund war ganz simpel – was er im Badezimmer gesehen hatte, hatte ihm gefallen, und er wollte mehr davon sehen. Und er ahnte schon jetzt, dass es ihm nicht reichen würde, es nur zu sehen.

Unter allen anderen Umständen hätte er schon längst den ersten Schritt getan, spätestens fünf Minuten, nachdem der Jet in der Luft war. Champagner und heiße Küsse über den Wolken wären ein idealer Auftakt für ein romantisches Wochenende voller Leidenschaft gewesen. Eine Frau zu verführen war eine Kunst und ein Vergnügen, das er ernst nahm – und das so oft wie möglich.

Und doch hielt ihn etwas zurück, das er selbst nicht erklären konnte. Ein seltsam ungewohntes Gefühl zwang ihn, erst auf ein Zeichen von Linda zu warten.

Vielleicht würde sie ihre Jacke ausziehen, verspielt von seinem Tomatensaft probieren, die Spange herausnehmen und das lange Haar auf sinnliche Weise schütteln. Das würden jedenfalls die Frauen tun, die er kannte, und die würden sogar noch weitergehen: sich ein kokettes Kichern erlauben, die nackten, pedikürten Füße auf seinen Schoß legen und das Spiel seinen Lauf nehmen lassen.

Aber Linda natürlich nicht.

Linda holte stattdessen eine bemerkenswert hässliche Brille aus ihrer Handtasche und setzte sie sich auf die gerade Nase. Dann zog sie die Spange noch fester, die ihr Haar streng aus dem Gesicht hielt. Sie war kaum geschminkt, trug nur ein wenig Lipgloss und einen Hauch Mascara. Schon hatte sie ihr eigenes Exemplar von Parkers To-do-Liste in der Hand, wies auf den ersten Punkt und räusperte sich. „Sie haben das Hotel in Nassau erwähnt. Ich habe die Unterlagen hier.“

Sie weigerte sich also nicht nur, irgendein Interesse an ihm als Mann zu zeigen. Jetzt löschte sie auch noch seine gerade aufgeflackerte Erregung, indem sie ihn an sein derzeit größtes Problem erinnerte!

Ohne ein Wort nahm er die „Grand-Bahamas“-Akte entgegen und öffnete sie.

„Suchen Sie etwas Bestimmtes?“, fragte Linda.

Das konnte man wohl sagen. Er wollte etwas finden – egal was –, das ihm ermöglichte, seine Halbschwester loszuwerden. „Ich will nur sehen, wie die Geschäfte laufen.“

„Die Finanzaufstellung des letzten Quartals steht auf der linken Seite, einschließlich der Belegungsrate und der Banketteinnahmen“, erklärte sie. „Auf der rechten Seite finden Sie alle Informationen über die neuen Urlaubsprogramme und über die wichtigsten Angestellten. Die Leiterin des Hotels, Cassie Sinclair, scheint alles sehr gut im Griff zu haben.“

Als er den verhassten Namen hörte, musste er einen Fluch unterdrücken. Er blätterte die Akte durch und runzelte die Stirn über die hervorragenden Ergebnisse des letzten Geschäftsjahres und die noch besseren Aussichten auf das kommende. Bereits jetzt lagen erstaunlich viele Reservierungen vor.

„Stimmt etwas nicht?“

Ob etwas nicht stimmte? Parker wollte keine positiven Berichte über das Hotel lesen! Er wollte etwas finden, das er gegen Cassie Sinclair verwenden konnte, etwas, das bewies, dass sie unmöglich eine Garrison sein konnte!

„Nein“, murmelte er stattdessen.

„Oh, ich dachte schon, ich hätte etwas falsch abgeheftet.“

„Haben Sie je etwas falsch abgeheftet, Linda?“, fragte er mit einem leichten Lächeln.

Sie errötete. „Falls Sie meinen, ob ich je Fehler mache, dann müssten gerade Sie wissen, dass ich sehr wohl welche mache.“

Wahrscheinlich meinte sie den Fehler, etwas zu lange unter seiner Dusche gestanden zu haben. Parker sah sie prüfend an in der Hoffnung, doch noch zu ihr durchzudringen, aber Linda wandte den Blick ab. So wie sie es eigentlich immer tat. In diesem Moment brachte Christine die Drinks, etwas Obst und frisch gebackene Muffins.

Parker lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Akte. „Das Hotel erzielt ziemlich hohe Gewinne“, bemerkte er.

„Das klingt bei Ihnen so, als wäre es ein Problem.“

Parker überlegte, ob er sich seiner Assistentin anvertrauen sollte. Wenn er ein Problem mit ihr teilte, würde sie vielleicht ein wenig lockerer werden oder wenigstens diese … diese Zwangsjacke ausziehen, die sie da trug. Außerdem brauchte er dringend jemanden zum Reden.

Er nahm einen langen Schluck von seinem Tomatensaft, bevor er sich einen Ruck gab. „Cassie Sinclair ist, wie es den Anschein hat, mehr als nur die Leiterin des Bahamas-Hotels.“

„Wie meinen Sie das?“

„Sie ist meine Halbschwester.“

Linda sah ihn sekundenlang fassungslos an. „Das kann nicht sein.“

Er lächelte schief. „Offenbar doch. Und zwar durch eine Affäre, die mein Vater eine lange Zeit unterhielt. Sie hatte die Geburt einer Frau zur Folge, die jetzt, laut seinem Testament, gleichberechtigte Partnerin bei ‚Garrison Incorporated‘ ist und …“ Er hielt demonstrativ die Akte in die Höhe. „… Besitzerin dieses Hotels.“

„Ich kann es nicht glauben“, sagte Linda und sank in ihrem Sitz zurück.

„Ich auch nicht. Aber das ist ja der Grund, weswegen der liebe Gott Anwälte erfunden hat“, meinte Parker mit einem Achselzucken. „Und weswegen ich mich dieses Wochenende in London zeigen muss.“

„Wird sie auch da sein?“

„Das bezweifle ich. Obwohl es nur eine Frage der Zeit ist, bis die ganze Sache in der kleinen und intimen Welt des Hotelgewerbes bekannt wird, und das wird meinen Ruf kaum positiv beeinflussen. Ich will an diesem Ball teilnehmen, um gesehen zu werden und die Dinge unter Kontrolle zu halten. Es ist so eine Art PR-Schachzug.“

„Das ist also der Grund, weswegen Sie von einem DNA-Test gesprochen haben und vom Anfechten des Testaments“, stellte Linda fast. „Und warum Ihre Mutter so verstört …“ Sie brach verlegen ab.

Aha, die Klatschmühlen waren bereits in Gang gesetzt worden.

„Meine Mutter hat ihre eigene Methode, mit Problemen fertig zu werden.“ Parker nahm wieder einen Schluck von seinem Drink. „Schade nur, dass es sich dabei nicht um Tomatensaft handelt.“

Linda warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. „Ihre Familie ist stark. Diese Krise werden Sie auch überstehen.“

„Ich hoffe, Sie haben recht.“

„Sie müssen sich nur auf das Wesentliche konzentrieren und alles so machen wie bisher. Auf keinen Fall dürfen Sie sich jetzt beirren lassen.“

Dieser ungebetene, aber erstaunlich treffende Rat kam völlig überraschend. „Sie haben recht, Linda. Sehr scharfsinnig.“ Er lächelte und beugte sich leicht vor. „Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis.“

Sie hielt seinem Blick so lange stand, dass Parker schon hoffte, sie würde ihm jetzt den Wink geben, auf den er die ganze Zeit wartete. Aber sie reichte ihm nur die nächste Akte.

„Wenn Sie so weit sind, das Programm für das Meeting mit der Marketingagentur durchzugehen, finden Sie alles hier. Oder wollen Sie mir erst Ihre E-Mails diktieren?“ Sie legte die Finger auf die Tastatur des Laptops. „In London schicke ich sie dann gleich raus.“

Dieser Wink war deutlich, nur leider nicht der, den er sich gewünscht hatte. Sie denkt an die Arbeit, und sonst an gar nichts, stellte er frustriert fest. Als kluger Mann, der er war, unterdrückte er den Wunsch, die Hand auszustrecken und ihr die Spange aus dem Haar zu nehmen, nur um zu sehen, wie sie reagierte. Nein, für solche Spielchen war Linda eine zu wertvolle Mitarbeiterin. Er würde seine wild gewordene Libido bändigen müssen.

Also fügte er sich in sein Schicksal und arbeitete den gesamten Flug über – außer in den wenigen Minuten für Frühstück, Mittagessen und ein wenig Small Talk. Während der ganzen Zeit schien Linda nicht müde zu werden, beschwerte sich nicht und zog auch diese verflixte biedere Jacke nicht aus. Vielleicht war das der wahre Grund, warum Parker keine Anstalten machte, sie zu verführen: sie hatten verwandte Seelen. Beide waren sie Arbeitstiere und gaben sich, jeder auf seine Art, nur mit absolutem Erfolg zufrieden.

Und Sex gefährdete das.

Nach der Landung nahmen sie ein Taxi, das sie durch die abendlichen, noch immer pulsierenden Straßen Londons fuhr. Parker hatte sich damit abgefunden, dass dieses Wochenende ein rein geschäftliches war. Er gab den Gedanken auf, Linda die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu zeigen. Stattdessen würde er arbeiten, Brandon Washington wegen der Erfolge des Bahamas-Hotels in die Mangel nehmen und den Fortschritt mehrerer interessanter Grundstückstransaktionen überprüfen.

Auf dem Ball würde er Linda als seine persönliche Assistentin vorstellen. Sie würde ohne Zweifel ihr Haar zu einem Knoten hochstecken, ein konservatives Kleid tragen und den ganzen Abend stocknüchtern bleiben.

„Wow!“ Linda blieb abrupt stehen, als sie dem fröhlichen alten Portier in die überbordende Eleganz des „Ritz-Carlton“ folgten.

„Ja. Nicht unbedingt der moderne Miami-Beach-Flair, den wir im ‚Garrison Grand‘ haben“, stimmte Parker amüsiert zu. „Das hier ist die elegante Kultiviertheit der Alten Welt. Entweder man mag sie, oder sie erstickt einen. Ich persönlich liebe sie.“

„Es ist einfach fantastisch“, murmelte Linda ehrfürchtig, während sie den zweigeschossigen, kunstvoll verzierten Rundbau betrachtete, der sich über der Lobby erhob.

Parker lächelte über ihre Begeisterung und ging zur Rezeption, um einzuchecken. Doch nach einigen Tastenschlägen und einem Stirnrunzeln teilte ihm der Hotelangestellte mit, dass das Zimmer für Miss Cross nicht zur Verfügung stand. Vermutlich ein Fehler im Computersystem.

„Es ist noch nicht fertig, meinen Sie.“

„Es tut uns wirklich schrecklich leid, Mr. … Garrison“, beteuerte der Mann beflissen. Offenbar war er noch nicht lange genug im Geschäft, um Parkers Namen sofort zuzuordnen. „Wir sind vollständig ausgebucht wegen einiger größerer Veranstaltungen an diesem Wochenende.“

Parker war überzeugt davon, dass ein einziges Wort ins Ohr des Hoteldirektors genügt hätte, um ihm ein weiteres Zimmer herzurichten. Er war in diesem Geschäft groß geworden, und „vollständig ausgebucht“ bedeutete, dass noch mindestens sechs Zimmer in Reserve waren.

„Ihre Suite verfügt über drei Schlafzimmer, Mr. Garrison, und sie ist sehr schön und geräumig“, fügte der Mann hinzu. „Und vielleicht wird ja morgen etwas frei.“

Parker rieb sich die Augen und kämpfte gegen die Erschöpfung an, die der lange Flug mit sich brachte. Langsam drehte er sich zu Linda um, die sich noch immer voller Bewunderung in der Lobby umsah. Es war wirklich genügend Platz in seiner Suite. Linda würde die Einrichtung sicher gefallen.

Und wenn es besonders gemütlich werden sollte …

Er nickte kurz entschlossen. „Dann werden wir uns wohl arrangieren müssen.“

Im nächsten Augenblick machte sich ein Hotelpage schon mit dem Gepäck auf den Weg nach oben, während Parker mit einem bedauernden Lächeln zu Linda zurückschlenderte. „Eine kleine Planänderung.“

„Ja?“

„Es gibt kein Zimmer für Sie.“

Sie runzelte die Stirn. „Ich habe aber eins gebucht. Und wenn Sie ihnen sagen, wer Sie sind …“

„Nun, ich könnte natürlich ein bisschen Ärger machen. Andererseits hat meine Suite drei Schlafzimmer. Jedes mit separatem Bad und außerdem genug Platz für eine Party von fünfzig Leuten.“ Er lächelte. „Ich weiß es, weil ich mal eine dort abgehalten habe.“

Linda zuckte müde die Schultern. „Na schön, ich bin sowieso völlig erschöpft. Ich will nur eine Dusche und ein weiches Bett.“

Eine Hand leicht an ihren Rücken gelegt, führte er sie durch die Lobby. „Unter einer Bedingung.“

Sie sah ihn misstrauisch von der Seite an. „Welcher?“

„Dass Sie beim Duschen nicht singen.“

Spät am folgenden Nachmittag verstieß Linda zum ersten Mal gegen diese Bedingung.

Heimlich, leise und vor allem hoffnungslos falsch trällerte sie eine erbärmliche Version von „Can’t help loving that man“, während sie heißes Wasser auf ihre Haut prasseln ließ. Was sollte sie machen? Unter der Dusche musste man doch einfach singen.

Außerdem hatte Parker ja nicht einmal lange genug sein Arbeitszimmer verlassen, um den fast lächerlichen Überfluss seiner Suite zu genießen. Diese Unterkunft war drei Mal größer als Lindas gesamtes kleines Haus in Coral Gables!

Stattdessen hatte er den halben Tag lang telefoniert, zunächst mit seinem Anwalt, dann mit dem Buchhalter und schließlich mit einer Reihe anderer wichtiger Personen.

Linda hingegen hätte ewig damit zubringen können, durch die großen Räume mit ihren beeindruckenden Möbeln im Louis-XVI-Stil zu wandern oder die Aussicht auf die Allee und die schönen Geschäfte vor dem Haus zu genießen. Heute Morgen hatte sie tatsächlich eine halbe Stunde lang die Seiden-, Damast- und Samtkissen gestreichelt, die die zierlichen Sofas und eleganten Esszimmerstühle zierten.

Trotzdem war der faszinierendste Moment immer noch der gewesen, als ihr Chef barfuß, nur mit einer sportlichen khakifarbenen Hose und einem schlichten Pullover bekleidet, zum Lunch aus seinem Arbeitszimmer gekommen war. Linda war vor Überwältigung fast die Luft weggeblieben. Irgendwann war sie vor Parkers Anblick buchstäblich geflohen, um mit Limousine und Fahrer, die er großzügig zur Verfügung gestellt hatte, die Straßen von London zu erkunden.

Sie schloss die Augen und brach mitten im Song ab. Das Wasser, das über ihre nackte Haut lief, war so heiß wie das Gefühl, das jetzt tief in ihr erwachte. Alles an diesem Mann war sexy, sogar seine Füße. Wie sollte sie dieses Wochenende nur überstehen?

Als sie vor etwa einer Stunde von ihrem Ausflug zurückgekommen war, hatte er sich noch immer in seinem Arbeitszimmer verschanzt, die Tür fest verschlossen. Und so hatte Linda entschieden, sich schon für die Gala am Abend zurechtzumachen. Sie würde sich viel Zeit nehmen für Haar und Make-up, schließlich hatte Parker ihr gesagt, dass es heute Abend sozusagen um Werbung in eigener Sache ging. Es wäre sicher eine Katastrophe, wenn er mit einer kläglich aussehenden Begleiterin auftauchte.

Sie würde eine ganze Weile für die Verwandlung brauchen, so lange war es her, dass sie das letzte Mal am Arm eines mächtigen Mannes an einer offiziellen Veranstaltung teilgenommen hatte. Mit einer unnötig abrupten Bewegung stellte sie das Wasser ab und wünschte sich, auch den Strom ihrer Erinnerungen einfach abstellen zu können. Sie wollte nicht an diesen Mann denken, der sie so verletzt und alles verändert hatte …

Doch seit sie für Parker arbeitete, kehrten die Gedanken an Michael Montgomery immer häufiger zurück. Schon einmal hatte sie ihrer Schwäche für gut aussehende erfolgreiche Männer mit Humor und Stil nachgegeben. Und das war der traurige Grund, weswegen sie heute ein Leben fast wie auf der Flucht führte.

Ihre dumme Verliebtheit hatte sie damals zu einer willenlosen Schachfigur werden lassen. Am Ende war sie ins Kreuzfeuer geraten und gezwungen gewesen, davonzulaufen und ihr Zuhause aufzugeben. Jahrelang musste sie sich vor der Vergangenheit verstecken, und das nur, weil sie sich auf einen Mann eingelassen hatte, der Parker Garrison auf beängstigende Weise ähnlich war.

„Reiß dich zusammen, Linda!“, sagte sie sich energisch, während sie sich schminkte und ihr Haar zu einer Banane hochsteckte.

Als sie Michael kennenlernte, war sie schließlich erst vierundzwanzig Jahre alt gewesen, sehr jung und sehr naiv. Jetzt war sie fast neunundzwanzig und um einiges reifer. Und obwohl ihre Gefühle für Parker kaum zu leugnen waren, hatte sie sich in den letzten drei Monaten erfolgreich gegen seinen Charme gewehrt. Oh ja, sie hatte aus ihren Fehlern gelernt!

Doch nun, hier in London, zusammen mit ihm in derselben Suite, wurde die Situation zunehmend kompliziert. Gleich würde sie in das verführerische Kleid schlüpfen, das sie seit vier Jahren nicht mehr getragen hatte … Und zweifellos würde sie heute Abend mit Parker tanzen müssen.

Als sie mit Make-up und Frisur fertig war, rieb sie ihre Haut mit einer dezent duftenden Creme ein, zog einen knappen Slip an, öffnete den Schrank und schob den langweiligen marineblauen Hosenanzug beiseite.

Fast zärtlich berührte sie den roten Seidenstoff ihres Abendkleides. Ihr war keine Zeit geblieben, etwas Neues zu kaufen. Außerdem hatte sie das gute Stück bisher nur ein einziges Mal getragen. Es wäre unsinnig gewesen, Geld für eine andere Robe auszugeben, zumal ihr das elegante Neckholder-Kleid einfach zu gut stand.

Nachdenklich den tiefen Ausschnitt berührend, erinnerte sie sich daran, wie hübsch sie sich das letzte Mal darin gefühlt hatte – kurz bevor sie herausfand, dass Michael sie betrog, und sie durch schlechte Presse und falsche Anschuldigungen aus Indiana gejagt worden war.

Sie verdrängte den Gedanken hastig. Heute Abend wollte sie sich einfach nur amüsieren.

Sie schlüpfte in ihr Kleid, befestigte den Verschluss im Nacken und vervollständigte ihre Garderobe mit schlichten Silberohrringen und hochhackigen schwarzen Sandaletten. Ehrfürchtig drehte sie sich vor dem großen Spiegel und bewunderte den raffinierten Schlitz, der ab und an den Oberschenkel hervorblitzen ließ, den tiefen Rückenausschnitt, der fast bis zum Po reichte, und den weiten Rock, der wie flüssige Lava glänzte, wenn sie sich bewegte.

Schade nur, dass sie den freizügigen Ausschnitt vorn und hinten mit einer schlichten schwarzen Kaschmirstola bedecken und kleine Schritte machen musste, um nicht zu viel Bein zu zeigen. Sie konnte es sich nun mal nicht leisten, Aufmerksamkeit zu erregen.

Und genauso wenig durfte sie vergessen, dass einflussreiche, aufregende, machtverwöhnte Männer mit verführerischem Lächeln und umwerfendem Körper gefährlich waren. Ganz besonders dann, wenn eins der Dinge, auf das sie Einfluss hatten, Lindas Gehaltsscheck war.

Wo zum Teufel war jetzt die Stola?

„Linda?“ Dem Klang seiner Stimme nach zu urteilen, musste Parker genau vor der Tür stehen. „Die Limousine ist da.“

„Ich komme gleich“, rief sie und suchte im Schrank, dann in zwei Schubladen und schließlich in ihrem leeren Koffer.

Plötzlich fiel ihr ein, dass sie die Stola auf dem Stuhl in ihrem Schlafzimmer zu Hause vergessen hatte.

„Linda? Brauchen Sie Hilfe mit Ihrem Reißverschluss oder so?“

Nervös sah sie an sich herab. Tief durchatmend legte sie dann die Hand auf die Türklinke. „Ich scheine meine Stola vergessen zu haben“, sagte sie. „Ich hoffe, das ist kein Problem.“

Als sie die Tür öffnete, hielt sie bei Parkers Anblick unwillkürlich den Atem an. Er trug einen Smoking und wirkte unbeschreiblich elegant, attraktiv und männlich. Es müsste ein Gesetz gegen solche Männer geben, dachte Linda trocken.

Parker machte keine Anstalten, seine Bewunderung zu verbergen. „Äh … nein. Kein Problem.“ Seine Stimme klang heiser, fast so wie in seinem Badezimmer neulich Morgen, und der Ausdruck in seinen Augen war mit einem Mal dunkel und feurig. „Das ist ganz und gar kein Problem.“ Er stellte sich ein wenig zu dicht vor sie und holte tief Luft. „Sie sind gut darin, gewisse … Dinge vor einem zu verbergen.“

Sie brachte mühsam ein Lächeln zustande. „Nicht wirklich.“

Offensichtlich hatte ihr Instinkt sie nicht getäuscht. Die Probleme fingen jetzt erst richtig an.

3. KAPITEL

„Ich denke, ich sollte besser eine leichte Jacke darüber tragen.“

Parker nutzte die Gelegenheit, noch einmal den Blick über Linda gleiten zu lassen. Sie war umwerfend. Außergewöhnlich. Vollkommen.

„Warum sollten Sie denn etwas verstecken wollen?“, fragte er.

„Ich … mir ist kalt.“ Sie rieb sich verlegen die nackten Arme, wobei ihr offenbar nicht bewusst war, dass diese Bewegung ihre Brüste augenblicklich in eine aufreizende Position brachte und das verführerische Dekolleté betonte.

Parker hatte eigentlich nur ihre Schulter berühren wollen, aber jetzt strich er Linda zärtlich über den Rücken und zog sie dichter an sich, um sie zu wärmen. „Sie brauchen keine Stola. Sie haben einen Begleiter.“

Sie bekam eine Gänsehaut, und er konnte erkennen, wie sich unter dem dünnen Seidenstoff ihre Brustspitzen hart aufrichteten. Parker schluckte erregt.

Was hatte er sich an Bord des Flugzeugs noch gesagt? Irgendeinen albernen Quatsch, dass sie und er verwandte Seelen wären und er nicht mit ihr ins Bett gehen sollte, um die Arbeit nicht zu gefährden?

Es gab eben doch Entscheidungen, die man besser noch einmal überdachte.

„Sie sehen unglaublich aus“, sagte er mit ehrlicher Bewunderung. „Und Sie duften himmlisch.“

„Danke“, sagte sie leise und trat einen Schritt zurück. „Sie sehen auch nicht allzu übel aus, Mr. …“

Er hob streng den Zeigefinger. „Wagen Sie es nicht.“

„Parker.“ Sie strich sich nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Es tut mir leid, aber das ist eine Angewohnheit, die man schwer loswird.“

„Ich werde Ihnen dabei helfen.“ Charmant hielt er ihre Hand an seine Lippen und küsste ihre Fingerspitzen. „Jedes Mal, wenn Sie das Wort ‚Mister‘ in den Mund nehmen, werde ich Sie ab jetzt küssen.“

Sie senkte den Blick, und wieder bekam sie eine Gänsehaut. „Meinen Sie nicht, dass das Erpressung ist?“, fragte sie lächelnd.

Er führte sie zur Tür. „Seien Sie gewarnt. Jedes Mal, wenn Sie mich zwingen, Sie zu küssen, wird es eine kleine Steigerung geben.“

Gut so, Parker, du bist auf dem richtigen Weg! Wenn das nicht Aufforderung genug war, ihm endlich das ersehnte Zeichen zu geben!

Doch Linda lachte nur. „Dann werde ich ab jetzt sehr aufpassen müssen, was ich sage.“

Während sie auf den Aufzug zugingen, konnte Parker kaum den Blick von ihr wenden. Er hatte noch nie eine Frau getroffen, die diese bemerkenswerte Mischung aus Sinnlichkeit und Eleganz ausstrahlte. Der fließende rote Stoff umspielte verführerisch ihre schmale Taille, der Rock …

Parker stockte der Atem, als er den bis zum Oberschenkel reichenden Schlitz entdeckte. Er unterdrückte nur mit Mühe ein Stöhnen. Wie sollte ein Mann die Finger von so viel Schönheit lassen?

Nachdem er auf den Knopf für den Aufzug gedrückt hatte, beugte er sich ein wenig zu Linda hinunter und sah ihr tief in die Augen. „Ich muss Ihnen sagen …“ Er schluckte mühsam. „Sie haben fantastische Beine, Linda.“

Sie wurde rot. „Danke, Mis…“

Parker lächelte zufrieden und küsste sie blitzschnell auf die Wange. „Was wollten Sie sagen?“

Sie lachte leise. „Danke, Parker.“

„War mir ein Vergnügen“, antwortete er lässig, legte den Arm um ihre Taille und flüsterte, gerade als die Türen des Aufzugs sich öffneten: „Das nächste Mal wird es auf die Lippen …“

„Hey! Na so was. Wenn das mal nicht der große Garrison höchstpersönlich ist!“

Parker erstarrte, als er die schneidende Stimme seines Erzfeindes erkannte. Er schenkte Jordan Jefferies einen flüchtigen Blick und nickte knapp, während Linda und er in den Fahrstuhl stiegen. Nur mühsam unterdrückte er einen spontanen Fluch: Jefferies trug ebenfalls einen Smoking, also war er vermutlich auf dem Weg zur selben Gala wie sie!

„Ich fürchte, Ihr Begleiter ist zu unhöflich, um uns einander vorzustellen“, wandte sich Jordan an Linda. „Ich bin Jordan Jefferies.“

Lindas Blick zeigte nicht die Spur eines Interesses, so als hätte sie noch nie von diesem Mann gehört. Parker runzelte die Stirn. Sie musste den Namen doch schon hundert Mal im Büro aufgeschnappt haben und wissen, dass die Brüder Jordan und Emilio Jefferies der Fluch seines Lebens waren … Was zum Teufel hatte dieser Typ hier zu suchen? Er stand jedenfalls nicht auf der Gästeliste, die Parker zu sehen verlangt hatte, bevor er angereist war.

„Linda Cross“, antwortete Linda höflich.

Jordan nahm ihre Hand, verbeugte sich auf schrecklich affige Art, und küsste ihre Fingerknöchel. Parker kochte innerlich vor Wut.

„Es ist mir ein Vergnügen, Linda“, murmelte Jordan anzüglich.

„Haben Sie keine Frau gefunden, die bereit war, Sie zu begleiten, Jefferies?“, fragte Parker nur halb im Scherz.

„Ich habe mich erst im letzten Moment entschlossen zu kommen“, entgegnete Jordan gelassen, ohne den Blick von Linda abzuwenden. „Außerdem bezweifle ich, dass ich eine Begleiterin gefunden hätte, die dieser schönen Frau das Wasser reichen könnte.“

Linda warf Parker einen skeptischen Blick zu, wofür er ihr am liebsten um den Hals gefallen wäre. Endlich eine intelligente Frau, die auf Jefferies’ Tricks nicht hereinfiel! Er legte besitzergreifend den Arm um sie und zog sie dicht an sich. Ein guter Anfang für einen erfolgreichen Abend.

Und, wenn alles gut ging, für eine erfolgreiche Nacht …

Der Aufzug hielt im nächsten Stockwerk, und als die Tür aufglitt und Parker den zweiten Jefferies-Bruder vor sich sah, schloss er für einen Moment genervt die Augen.

Emilio nickte seinem Bruder zu, doch bei Parkers Anblick verengten sich seine grünen Augen zu kleinen Schlitzen, und die olivenfarbene Haut tönte sich ein kleines bisschen dunkler. „Parker. Was für eine angenehme Überraschung.“

Parker nahm an, dass die Begegnung für Emilio kaum angenehmer war als für ihn selbst, aber dieses Mal riss er sich zusammen und stellte Linda vor.

„Sind Sie auch auf dem Weg zur Gala?“, fragte sie höflich.

Emilio nickte kurz und wandte sich dann wieder Parker zu. „Wie geht es Ihrer Familie?“

„Gut.“ Parker ließ die Etagenanzeige über der Fahrstuhltür nicht aus den Augen und überlegte, wie lange er wohl noch dieselbe Luft atmen musste wie die Jefferies.

„Und Ihren Schwestern?“, fragte Jordan.

Parker bedachte ihn mit einem eisigen Blick. Er würde seine Schwestern eher einsperren, als diese Typen auch nur in ihre Nähe zu lassen. „Ausgezeichnet“, antwortete er knapp.

Jordan seufzte. „Linda, sind Sie auch im Hotelgewerbe tätig?“

„Miss Cross ist meine persönliche Assistentin“, warf Parker ein, bevor sie etwas erwidern konnte.

Jefferies hob süffisant die Augenbrauen. „Oh. Das muss ja äußerst praktisch sein.“

Parker war versucht, Jordan in sein dümmlich grinsendes Gesicht zu schlagen, aber Linda lächelte nur. „Das ist es wirklich. Mr. Garrison ist sehr geschickt darin, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden.“

Die Tür öffnete sich, und Parker trat beiseite, um Linda als Erste aussteigen zu lassen.

„Sie wissen doch, Garrison, dass ich nichts lieber tue, als mir etwas zu nehmen, das Sie haben wollen“, raunte Jordan leise.

„Und ich tue nichts lieber, als dafür zu sorgen, dass Sie das nicht schaffen.“

„Dann passen Sie lieber auf Ihre Assistentin auf.“

„Das habe ich vor.“

„Und auf alles andere auch“, fügte Emilio mit einem schiefen Lächeln hinzu.

Parker tat ihnen nicht den Gefallen, zu reagieren, sondern beeilte sich, Linda einzuholen und sie zügig aus dem Hotel zu führen. Sie sprachen erst wieder, als sie ihre Limousine erreicht und es sich auf den weichen Ledersitzen bequem gemacht hatten.

„Das war die perfekte Antwort“, sagte Parker und reichte Linda eines der Champagnergläser, die der Fahrer für sie vorbereitet hatte.

Linda nickte lächelnd. „Oh, vielen Dank, Mr. Garrison.“

Sie hatte den Namen absichtlich benutzt, da war er sicher. Mit einem siegesgewissen Lächeln beugte er sich vor und berührte ihre Lippen flüchtig mit seinen.

„Das nächste Mal“, flüsterte er, „wird der Kuss nicht so harmlos.“

„Danke für die Warnung.“ Sie stießen an, und die Gläser klirrten leise. „Parker.“

Er nippte an seinem Champagner, bewunderte erneut Lindas Schönheit und überlegte, wie oft er sie in den nächsten Stunden noch dazu bringen konnte, ihn Mr. Garrison zu nennen.

Irgendwann im Laufe des Abends hatte Linda es aufgegeben, sich gegen Parkers Charme zu wehren.

Wie sollte sie diese überwältigende Atmosphäre von Romantik um sich herum auch ignorieren? Keine Frau der Welt hätte sich dem Zauber entziehen können, den der großartige Bankettsaal mit den unzähligen brennenden Kerzen verströmte. Die Klänge des Orchesters hallten von den Steinmauern und den eindrucksvollen Buntglasfenstern der Guildhall wider. Gelächter, das Klingen von Gläsern und fröhliches Geplauder erfüllte den Saal, auf dessen Marmorboden die vornehmsten Gäste in kleinen Gruppen zusammenstanden oder miteinander tanzten.

Linda gab sich einfach der Musik, dem Augenblick und natürlich dem Mann an ihrer Seite hin. Vom Augenblick ihrer Ankunft an hatte Parker sie nicht aus den Augen gelassen, mit ihr geflirtet und sie seinen Bekannten und Kollegen vorgestellt, so als wäre sie sein größter Schatz. Während sie zu einer gefühlvollen Ballade tanzten, flüsterte er ihr lustige Geschichten über ein paar der Gäste ins Ohr, und sie war beeindruckt, wie viel er über die Anwesenden zu berichten wusste.

„Das ist Davis Brookheiser, der Besitzer der neuen Wellness-Hotelkette in Kalifornien“, sagte er über einen älteren Herrn, der langsam – sehr langsam – mit einer attraktiven jungen Dame tanzte.

„Und seine Tanzpartnerin ist seine Tochter?“, fragte Linda.

Er lachte. „Nein, das ist die dritte Mrs. Brookheiser.“ Dann runzelte er die Stirn. „Oder die vierte? Ich habe den Überblick über Davis’ Vorzeigefrauen verloren.“

Als das Paar an ihnen vorbeischwebte, bemerkte Linda, dass Mrs. Brookheiser über die Schulter ihres sehr viel kleineren Ehemanns hinweg Parker einen interessierten Blick zuwarf. Aber er achtete nicht darauf. Seine gesamte Aufmerksamkeit galt ihr, Linda.

„Die Dame scheint allerdings nicht den Überblick verloren zu haben“, neckte sie ihn.

Sie spürte den sanften Druck seiner Hand an ihrem Rücken, als er sie dichter an sich zog, und dann die überwältigende Präsenz seines Körpers so nah an ihrem.

„Nein danke, kein Bedarf. Im Moment habe ich auf die angenehmste Weise alle Hände voll zu tun.“

Linda wurde rot. Eine nie gekannte Hitze stieg in ihr auf, und augenblicklich wurde ihr ein wenig schwindelig. Wenn Parker gewusst hätte, wie oft sie mit dem Gedanken an ihn eingeschlafen war, wie oft sie sich vorstellte, dass er sie in seinen Armen hielt und ihr süße Versprechen gab, ihr dabei ganz nah war und sie küsste …

Sie holte tief Luft und zwang sich, sich etwas mehr auf ihre Umgebung zu konzentrieren. Sie durfte nicht vergessen, dass sie sich auf keinen Fall von ihrem Chef verzaubern lassen durfte und dass gerade er der absolut falsche Mann für sie war.

„Man stelle sich nur vor, wie viele Könige und Premierminister auf genau diesem Parkett getanzt haben“, sagte sie atemlos und versuchte, ein wenig Abstand zu Parker zu gewinnen.

Er hatte offenbar nicht vor, seinen Griff zu lockern. Stattdessen lenkte er den Blick verstohlen auf Lindas Ausschnitt, bevor er wieder viel zu lange ihren Mund betrachtete. Erst nach einer Ewigkeit sah er sich widerwillig um.

„Ja, sehr viele, wenn man bedenkt, dass die Guildhall schon seit dem fünfzehnten Jahrhundert solche Banketts ausrichtet.“

„In einem Hotel könnte man eine Feier wie diese wohl nicht stattfinden lassen“, sagte sie. „Das wäre so, als würde man jemanden begünstigen.“

„Genau“, bestätigte er. „Wir Hotelleute müssen uns auf neutralem Boden treffen. Sehen Sie die grauhaarige Dame unter dem Bogengang dort drüben? Das ist Geneviève Dufresne.“

„Von der berühmten Schweizer Hotelkette?“

Er lächelte anerkennend. „Sie passen wirklich gut auf, Linda. Ja, sie ist das Oberhaupt der mächtigen Dufresne-Familie. Glauben Sie mir, es existiert sicher eine Art Gemeinschaft, da wir alle im selben Geschäft tätig sind, aber hier liegt mehr als nur ein Hauch von Konkurrenzkampf in der Luft.“

„So wie vorhin im Aufzug.“

Er verzog das Gesicht.

„Warum hassen Sie die beiden Männer so sehr?“

Die Musik verklang, und Parker führte Linda zu ihrem Tisch zurück, wo sie nach ihrer Handtasche griff. „Lassen Sie uns einen Spaziergang machen“, schlug er vor und nahm einem vorbeikommenden Kellner zwei Gläser Champagner vom Tablett.

Linda nahm ihr Glas entgegen, nippte aber nicht daran. Parkers Nähe war schon berauschend genug.

Sie gingen unter einem der Dutzend Rundbögen hindurch und fanden sich auf einer großzügigen Steinterrasse wieder, auf der einige Gäste an Tischen und Bänken beieinanderstanden, um die Abendluft zu genießen. Schnell sicherten sie sich eine freie Bank, die durch die dichte Bepflanzung vor neugierigen Blicken geschützt war.

„Vollkommen“, sagte Parker, nahm Lindas Hand und zog sie dichter zu sich heran.

„Sie haben meine Frage nicht beantwortet“, sagte sie. „Warum hassen Sie die Jefferies-Brüder so?“

Er lachte leise. „Mit solchen Fragen kann man selbst den schönsten Moment zerstören. Glauben Sie mir, ich hasse niemanden, sollte es jedoch irgendwann so weit sein, dann stünden Jordan und Emilio ganz oben auf meiner Liste.“

„Und warum?“

„Weil sie rücksichtslose, verdorbene Geschäftshaie sind.“

Sie unterdrückte ein Lächeln. „Was Sie nicht sind?“

„Nicht rücksichtslos.“

„Doch.“

„Und schon gar nicht verdorben.“

„Doch.“

„Na schön.“ Er lachte. „Aber nicht hinterhältig, und ich glaube, die Jefferies sind genau das. Außerdem will ich nicht, dass dieser Frauenheld Jordan sich in die Nähe meiner Schwestern begibt.“ Er legte einen Arm um Lindas Taille. „Oder in Ihre Nähe.“

„In meine Nähe?“ Linda konnte sich nicht länger gegen Parkers verführerische Nähe wehren und schmiegte sich zögernd an ihn. „Mit mir will er bestimmt nichts zu tun haben.“

„Nicht, wenn Sie weiterhin alles Erdenkliche tun, um Ihre Vorzüge hinter formlosen Hosenanzügen zu verstecken. Aber dieses Geheimnis ist ja bereits gelüftet.“ Er zog sie noch ein wenig enger an sich und flüsterte ihr kaum hörbar ins Ohr: „Sie sind eine wunderschöne, sehr aufregende Frau, Linda.“

Sie schloss die Augen und ließ das Kompliment auf sich wirken. Es hatte eine berauschendere Wirkung als der beste Champagner der Welt. „Danke“, sagte sie leise und suchte nach einer Möglichkeit, das Gespräch wieder auf unverfänglicheres Terrain zu lenken. „Und woher wissen Sie, dass die Jefferies rücksichtslos und hinterhältig sind? Ich erinnere mich nicht daran, dass Sie je ein Geschäft mit ihnen gemacht hätten, seit ich für Sie arbeite.“

„Sie können ganz schön hartnäckig sein“, sagte er mit einem Lächeln. „Na schön. Diese Brüder machen keinen Hehl daraus, ‚Garrison Incorporated‘ überholen zu wollen. Und sie sind auch recht erfolgreich darin“, stellte er fest und nahm einen Schluck Champagner. „Ich muss zugeben, dass sie sich im Bereich der Luxushotellerie bemerkenswert schnell an die Spitze gearbeitet haben.“

„Sie gehören doch nicht zu den Männern, die sich wegen der Konkurrenz ernsthafte Sorgen machen müssten.“

„Doch, natürlich. Mein Job ist es, um die Vormachtstellung unserer Unternehmensgruppe zu kämpfen. Der gute Ruf der Garrisons liegt allein in meiner Verantwortung.“ Er runzelte kaum merklich die Stirn. „Zumindest dachte ich das bis zu dem Tag, als das Testament meines Vaters verlesen wurde.“

„Gibt es derzeit denn Probleme?“ Linda entspannte sich ein wenig. Solange sich ihr Gespräch um Geschäftliches drehte, bestand keine unmittelbare Gefahr.

„Wir werden seit einiger Zeit verstärkt von der Presse angegriffen, und Investoren, mit denen ich fest gerechnet hatte, sind ohne ersichtlichen Grund von wichtigen Deals zurückgetreten. Immobilien, für die ich mich interessiere, werden plötzlich an andere verkauft.“ Er schnaubte gereizt. „Meist an jemanden, der mit Nachnamen Jefferies heißt.“ Wieder hielt er inne und grübelte eine Weile über seinem Problem. Dann fügte er hinzu: „Ich glaube mittlerweile, dass es eine undichte Stelle in unserem Unternehmen gibt.“

Linda erschauderte. „Eine undichte Stelle?“

„Einen Spion. Einen Maulwurf. Irgendjemand, der Insiderinformationen an die Konkurrenz weiterleitet. An die Jefferies.“ Er sah Linda mit grimmigem Ausdruck an. „Ich werde herausfinden, wer das ist, und dann werde ich ihn zur Strecke bringen.“

Linda hielt erschrocken den Atem an. Es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter. Die Vergangenheit drohte sie einzuholen, so wie sie es immer befürchtet hatte.

„Ein Spion?“ Ihre Stimme klang zittrig.

„Seien Sie nicht so ungläubig. So etwas geschieht ständig, das wissen Sie doch.“

Und ob sie das wusste. Nur allzu gut. „Ich habe oft Artikel darüber gelesen.“ Nur dass es leider ihr Name gewesen war, der in diesen Artikeln die Hauptrolle gespielt hatte. Ihr Name, nicht der des Mannes, der das Verbrechen begangen hatte. Nicht Michael Montgomery, den sie zu lieben glaubte und dem sie blind vertraute – der sie in Wahrheit aber nur benutzt hatte, um in das Computersystem ihres Chefs zu gelangen.

Die sanfte Abendluft kam ihr plötzlich erstickend heiß vor, und kalter Schweiß brach ihr aus. Wenn Parker jemals erfuhr, was damals vorgefallen war, würde er sie entlassen, daran bestand kein Zweifel. Wer würde sie schon erklären lassen? Ihr damaliger Chef hatte es nicht getan, und die Presse auch nicht.

„Irgendein Mitarbeiter, der Kenntnis von meinen Plänen hat, braucht seine Informationen nur an die Jefferies weiterzugeben. Ein ziemlich einfaches Geschäft“, fuhr Parker fort.

„Glauben Sie denn wirklich, dass jemand bei uns so etwas tut?“

„Ich bin davon überzeugt. Jordan und Emilio hatten nicht vorgehabt, zu dieser Gala zu kommen. Sie standen nicht auf der Gästeliste. Und doch sind sie jetzt hier. Dabei wusste niemand, dass ich kommen würde, bis auf ein paar unserer Mitarbeiter.“

Autor

Maureen Child
<p>Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
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<p>Barbara Dunlop hat sich mit ihren humorvollen Romances einen großen Namen gemacht. Schon als kleines Mädchen dachte sie sich liebend gern Geschichten aus, doch wegen mangelnder Nachfrage blieb es stets bei einer Auflage von einem Exemplar. Das änderte sich, als sie ihr erstes Manuskript verkaufte: Mittlerweile haben die Romane von...
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Roxanne St Claire
<p>Roxanne St. Claire ist eine New York Times Bestsellerautorin, die 27 Romane veröffentlicht hat. Sie ist fünfmal für den RITA® Award nominiert worden und hat ihn einmal gewonnen. Ihre Bücher sind Gewinner des „National Readers‘ Choice Award“, dem „Daphne du Maurier Award“, der „Holt Medaille“, dem „Maggie Award“, dem „Booksellers’Best...
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