Baccara Exklusiv Band 156

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FLITTERWOCHEN MIT HINDERNISSEN von DUNLOP, BARBARA
Auch wenn sie nur eine Vernunftehe führen - es fällt Emma schwer, Alex‘ umwerfendem Charme zu widerstehen. Nach einer leidenschaftlichen Umarmung keimt Hoffnung in ihr auf: Hat ihr Ehemann doch Gefühle für sie? Dann scheint ein folgenschwerer Anruf ihre Träume endgültig zu zerstören …

PRINZESSIN AUF ABWEGEN von WRIGHT, LAURA
Bei einem Unfall in den Bergen verliert Prinzessin Catherine ihr Gedächtnis. Dafür ist sie plötzlich allein mit einem attraktiven Mann! Dan Mason hat sie gerettet, und in heißen Nächten mit ihm erfährt sie viel über ihre geheimen Wünsche. Nur das Rätsel, wer sie ist, bleibt ungelöst …

SO ERREGEND RÄTSELHAFT von MCKAY, EMILY
Lucy ist so ganz anders als in der heißen Nacht, an die Dex sich zu erinnern glaubt - und in der sie, wie es aussieht, ein Kind gezeugt haben. Er ist drauf und dran sich in die liebevolle, rätselhafte Frau zu verlieben, als das Ergebnis des Vaterschaftstests eintrifft …


  • Erscheinungstag 30.06.2017
  • Bandnummer 0156
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724238
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Barbara Dunlop, Laura Wright, Emily McKay

BACCARA EXKLUSIV BAND 156

1. KAPITEL

Eigentlich sollte ich nervös sein, dachte Emma McKinley, als sie aus dem Fahrstuhl trat. Dies war immerhin das Stockwerk, in dem sich die Verwaltungsräume der Garrison-Hotelkette befanden. Die letzten Tage waren jedoch so aufreibend gewesen, dass sie vollkommen erschöpft war und sich noch nicht einmal mehr aufregen konnte.

Alles hatte damit angefangen, dass ihr Vater vor wenigen Wochen überraschend gestorben war. Den nächsten Schlag hatte das Schicksal ihr versetzt, als sie die Bücher der kleinen, aber feinen Hotelkette, deren Inhaber ihre Familie war, durchgesehen und einen Berg Schulden entdeckt hatte. Aber das Gespräch, das sie am vergangenen Abend mit ihrer Schwester geführt hatte, war die Krönung.

Seit diesem Augenblick beherrschte sie nur noch ein Gedanke: Ich werde es Alex Garrison so schwer wie irgend möglich machen! Und auf keinen Fall würde sie dem seltsamen Angebot des Chefs der Garrison-Hotels zustimmen, das der ihrer Schwester zur Rettung des Familienunternehmens gemacht hatte.

Emma war noch nie auf diesem Stockwerk gewesen, denn es hatte bisher keinen Grund gegeben, mit ihrem schärfsten Konkurrenten zu sprechen. Sie klemmte sich ihre Tasche fester unter den Arm und ging mit schnellen Schritten den Korridor entlang. Dabei behielt sie die Doppeltür am Ende des Flurs, die direkt in Alex Garrisons Allerheiligstes führte, fest im Visier.

Von den neugierigen Blicken, die ihr aus den kleinen offenen Büros zugeworfen wurden, an denen sie vorbeiging, ließ sie sich nicht irritieren. Niemand machte Anstalten, sie aufzuhalten oder sie nach ihren Wünschen zu fragen. Das war ihr nur recht, denn sie würde sich auf keinen Fall von ihrer Absicht abbringen lassen. Auch wenn sie keinen Termin hatte, sie hatte das moralische Recht, mit dem Chef persönlich zu sprechen. Und zwar sofort.

Wie konnte er es wagen, sich an ihre Schwester Katie heranzumachen, nur wenige Wochen nach der Beerdigung ihres Vaters, und sie dann auch noch mit versteckten Drohungen und unverschämten Vorschlägen einzuschüchtern?

Emma holte tief Luft und stieß sie empört wieder aus. Vielleicht war sie doch nicht so frei von Emotionen, wie sie gedacht hatte.

„Entschuldigen Sie bitte, Ma’am“, kam es leise, aber bestimmt von links. Emma drehte sich um. Der Flur weitete sich hier zu einem edel ausgestatteten Empfangsbereich. Ohne zu antworten ging sie weiter.

Noch fünf Meter, vier …

„Ma’am!“ Die junge Frau war hinter ihrem Schreibtisch aufgestanden und blickte Emma streng an.

Noch drei Meter, zwei …

„Sie können nicht einfach …“

Emma stieß schwungvoll die Doppeltür auf.

Um einen runden Konferenztisch saßen vier Männer in dunklen Anzügen. Wie auf Kommando drehten sie sich gleichzeitig um und starrten Emma an. Die beiden älteren hoben indigniert die buschigen Augenbrauen. Der dritte Mann schien von ihrem Überfall eher amüsiert zu sein. Er war jung und blond, hatte strahlend blaue Augen und grinste, als sei er froh über die Unterbrechung.

Der vierte Mann stand hastig auf und stieß dabei seinen Ledersessel zurück. Er hatte dunkles Haar und dunkelgraue Augen. Seine Haltung sagte Emma sehr deutlich, dass er von ihrem Überfall alles andere als begeistert war.

„Entschuldigen Sie, Mr. Garrison.“ Die Sekretärin stand dicht hinter Emma und rang hilflos die Hände. „Ich habe versucht, sie zurückzuhalten, aber …“

„Danke, Simone.“ Alex Garrison hielt seinen Blick aus schiefergrauen Augen weiter auf Emma geheftet. „Ja, bitte?“, fragte er dann mit eisiger Höflichkeit. „Was kann ich für Sie tun?“

Emma umklammerte den Riemen ihrer Schultertasche fester. Auch sie ließ Alex Garrison nicht aus den Augen. Sie spürte, wie wieder Zorn in ihr aufstieg. „Haben Sie wirklich geglaubt, dass ich Ihnen das durchgehen lasse?“ Ihre Stimme klang ebenso kalt wie seine.

Der Sekretärin stockte vor Schreck der Atem.

„Wie Sie zweifellos sehen können“, sagte Alex, ohne auf Emmas Bemerkung einzugehen, „stecken wir mitten in einer Besprechung.“

„Das ist mir vollkommen egal, und wenn Sie …“

„Wenn ich Sie bitten dürfte, mit meiner Sekretärin einen Termin zu vereinbaren.“

„Ich denke nicht daran!“

„Dann kann ich Sie nur auffordern, den Raum zu verlassen.“

„Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?“

„Nein.“

„Sie lügen.“

„Soll ich den Sicherheitsdienst rufen?“, warf Simone schnell ein.

Alex hob kurz die Augenbrauen und blickte Emma weiterhin an. Plötzlich wurde ihr klar, dass er wirklich nicht wusste, wen er vor sich hatte. Wie war das möglich? Sicher, Katie war diejenige, die von der Werbeagentur für die Prospektfotos ausgewählt worden war und die auf der Website die „McKinley Inns“ repräsentierte. Dennoch …

„Brauchen wir den Sicherheitsdienst?“, fragte Alex.

„Ich bin Emma McKinley.“

Sie sah, wie sich seine Nasenflügel kurz weiteten. Nach einer Weile, die Emma wie eine halbe Ewigkeit vorkam, griff er langsam nach seinem goldenen Füllfederhalter, schraubte ihn zu und schob ihn in die Brusttasche seines Maßanzugs. Die dunkelrote Seidenkrawatte schimmerte dezent, als er sich dann zu seiner vollen Größe aufrichtete.

„Bitte entschuldigen Sie mich, meine Herren“, sagte er. „Ich werde wohl fünf Minuten für Miss McKinley erübrigen müssen.“

Die drei Männer standen auf, aber Alex hob die Hand. „Das ist nicht nötig. Miss McKinley und ich werden nach nebenan in den Konferenzraum gehen.“

Er wies auf eine breite Eichentür und ließ Emma den Vortritt.

Sie durchquerte das imposante Büro, umfasste den goldenen Knauf und stieß die schwere Tür auf. In der Mitte des Konferenzraums stand ein langer polierter Tisch. Zwanzig Stühle mit dunkelrotem Lederpolster umstanden das offensichtlich kostbare Möbelstück. Von den großen Panoramafenstern aus hatte man einen atemberaubenden Blick über Manhattan, das in der Augustsonne zu glänzen schien.

Emma hörte, wie sich die Tür mit einem leisen Klick schloss, und wandte sich um.

„Unser Gespräch kann sehr kurz sein“, sagte Alex langsam. „Das hängt nur von Ihnen ab.“ Er machte einen Schritt auf Emma zu und blieb dann abwartend stehen.

Er war größer, als sie vermutet hatte, und wirkte beinahe bedrohlich mit den breiten Schultern und dem kräftigen Oberkörper. Im Sonnenlicht traten seine markanten Gesichtszüge noch mehr hervor, das kräftige Kinn, die zusammengepressten Lippen, die grauen Augen, die sie kalt musterten.

Sicher gibt es nur wenige Menschen, die es mit ihm aufnahmen und hinterher noch lachten, schoss ihr durch den Kopf. Wenn sie nicht gewusst hätte, dass er das Kind reicher Eltern war, wäre sie ohne zu zögern davon ausgegangen, dass er sich in seiner Jugend in Straßengangs durchsetzen musste.

Trotz dieser Einschätzung war sie fest entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Er würde weder ihre kleine Schwester noch das Familienunternehmen in seine Gewalt bekommen, dafür würde sie sorgen. „Katie wird Sie auf keinen Fall heiraten“, platzte sie heraus.

„Nein? Ich vermute, das wird Katie entscheiden müssen.“

„Haben Sie denn gar keinen Anstand? Unser Vater ist doch gerade erst gestorben.“

„Das ändert nichts an Ihrer finanziellen Situation.“

„Damit werde ich schon fertig.“ Hoffentlich. Immerhin besaß die Familie noch ein Anwesen auf Martha’s Vineyard, einer sehr begehrten und teuren Wohngegend, auf das sie eine Hypothek aufnehmen konnten.

Alex legte den Kopf leicht schräg und lächelte mitleidig. „Ich kann dafür sorgen, dass Sie binnen vierundzwanzig Stunden Ihre Schulden begleichen müssen. Können Sie das Geld so schnell aufbringen?“

Emma schwieg. Er wusste sehr gut, dass sie mehr Zeit brauchte. Schon bis sie geklärt hatte, wo ihr Vater überall Schulden hatte, würden Wochen vergehen. Plötzlich hatte sie das Gefühl, ihre Brust verenge sich, und sie holte angestrengt Luft. Es war nicht fair, dass ihr Vater so früh sterben musste. Er fehlte ihr sehr.

„Miss McKinley?“

Emma schrak zusammen. „Warum interessieren Sie sich eigentlich so brennend für unsere Hotels?“

Zu der Hotelkette der Garrisons gehörten Dutzende von Häusern, größer und luxuriöser als die der McKinleys, die nur eine ganz bestimmte Klientel bedienten. Garrison dagegen konnte es mit den größten internationalen Anbietern aufnehmen.

„Soll das ein Witz sein?“

„Sehe ich aus, als würde ich Witze machen?“

„Wir sind wie alle Unternehmen an Expansion interessiert. Und da bietet sich jetzt mit Ihren Hotels eine gute Gelegenheit.“

„Und dabei gehen Sie über Leichen, ja?“

Das, was man dem Mann nachsagte, stimmte offensichtlich. Obgleich die Presse in letzter Zeit sanfter mit ihm umging, ließ Emma sich nichts vormachen. Er war ein kaltherziger Geschäftsmann, der Firmen schluckte und dabei auf die schwierige Situation der Eigentümer keine Rücksicht nahm. Im Gegenteil, er nutzte sie zu seinem Vorteil aus.

Alex trat dichter an Emma heran und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Offenbar hat Katie Sie nicht richtig informiert. Ich bin derjenige, der Ihnen einen Gefallen tut.“

Das ging zu weit. Emma blickte ihn furchtlos an. „Indem Sie meine Schwester heiraten und sich unser Unternehmen aneignen?“

„Nein. Indem ich Ihr Unternehmen vor dem Bankrott bewahre. Sie sind zahlungsunfähig, Miss McKinley. Wenn ich ‚McKinley Inns‘ nicht übernehme, tut es ein anderer. So funktioniert das System nun mal.“

„Vielen Dank für die Aufklärung.“

Er verzog kurz die Mundwinkel. „Wie ich die Sache sehe, können Sie dabei nur gewinnen.“

„Und wie ich die Sache sehe, müssen wir dabei verlieren.“

„Aber nur, weil Sie unrealistische Flausen im Kopf haben und nicht praktisch denken können.“

„Zumindest habe ich noch eine Seele und Gefühle.“

„Soviel mir bekannt ist, braucht man in New York keine Seele, um Geschäfte zu machen.“

„Katie heiratet Sie jedenfalls nicht!“

„Hat Sie Ihnen denn erklärt, was alles davon abhängt?“

Ja, das hatte Katie getan. Alex Garrison wollte die McKinley-Kette übernehmen. Aber da er in den letzten Jahren sehr viel Geld ausgegeben hatte, um sein Image in der Öffentlichkeit aufzupolieren, wollte er jetzt nicht wieder alles zerstören, indem er für alle deutlich sichtbar ihre Notlage ausnutzte. Also gab es nur einen Weg, er musste eine der Schwestern heiraten, um an das Familienunternehmen zu gelangen. Eine große Hochzeit, ein glückliches Paar, das würde ganz nebenbei auch noch seinem Ruf guttun.

„Ja.“

„Dann wissen Sie, dass die Hälfte des Unternehmens in Ihrem Besitz bleiben würde.“ Alex schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. „Im Grunde bin ich verrückt, dass ich das mache.“

„Sie kaufen sich also quasi eine Frau?“

„Wenn Sie so wollen, ja.“

Emma verschlug es die Sprache.

„War’s das dann?“, fragte er.

Was sollte sie denn tun? Was konnte sie tun? Sollte sie irgendeine Drohung ausstoßen? Wütend davonstürmen? Ihm schwören, dass er das Familienunternehmen nie in die Hand bekäme, obgleich sie genau wusste, dass sie gar nichts dagegen tun konnte?

Alex entging ihr Zögern nicht. „Keiner wird dabei verlieren“, sagte er. „Das Ganze wird großes Aufsehen erregen, und das wird Garrison und McKinley nützen. Die Presse liebt solche Geschichten. Zwei Erben lieben sich und heiraten, zwei Vermögen fallen zusammen. Wir werden ein paar Interviews geben, am besten natürlich weiblichen Reportern, die kriegen bei so etwas gleich feuchte Augen.“

Emma sah ihn fassungslos an. „Wissen Sie eigentlich, was Sie da sagen?“

„Wieso?“

„Finden Sie nicht, dass sich das Ganze sehr berechnend und kaltherzig anhört?“

„Nein. Keinem wird wehgetan. Wie ich schon sagte, alle können dabei nur gewinnen.“

„Und was ist mit Katie? Und mit David?“

„David? Wer ist David?“

„David ist Katies Freund. Ein sehr netter und liebevoller junger Mann, den sie seit sechs Monaten kennt. Sie brechen ihm das Herz, mal ganz abgesehen von der Demütigung.“

Alex schwieg kurz, und Emma bemerkte so etwas wie Mitgefühl in seinem Blick. Doch dann straffte er sich wieder und sah sie kühl an. „Er wird darüber hinwegkommen. Er kann sie dann ja später heiraten, wenn sie wieder ein Vermögen hat.“

Emma starrte ihn an und brachte kein Wort heraus.

„Und was ist mit Ihnen?“, fragte Alex in diesem herrischen Ton, der sie rotsehen ließ.

„Ich bin sehr verärgert.“ Die Untertreibung des Jahrhunderts.

„Ihr Gemütszustand interessiert mich nicht. Sind Sie mit jemandem liiert?“

„Nein.“ Was ging ihn das an?

„Dann ist ja alles bestens.“

„Wieso?“

„Dann heirate ich Sie.“

„Was?“ Emma griff hinter sich und bekam glücklicherweise eine Stuhllehne zu fassen. Das konnte ja wohl nicht wahr sein! Alex Garrison stand da, als ob es die normalste Sache der Welt wäre, ihr einen solchen Vorschlag zu machen.

„Im Grunde ist es gleichgültig, welche Schwester ich heirate“, fuhr er seelenruhig fort. „Ich hatte nur erst an Katie gedacht, weil sie …“

„… die hübschere ist.“ Emma ließ die Lehne wieder los und richtete sich gerade auf. Aus irgendeinem Grund schmerzte es sie besonders, dass Alex so etwas sagte. Nicht, dass es sie erstaunte. Jeder sah, dass Katie hübscher war als sie. Aber Alex traf so gnadenlos ins Schwarze, dass es kein Entrinnen gab.

„Das habe ich nicht …“

„Ich heirate Sie nicht, und Katie heiratet Sie auch nicht.“

„Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als Sie in Ihr finanzielles Unglück laufen zu lassen. Damit haben Sie überhaupt nichts gewonnen.“

„Sie irren sich. Ich werde mich gleich dransetzen und versuchen, unsere finanzielle Situation in den Griff zu bekommen.“

Wieder lächelte er, diesmal belustigt. „Viel Vergnügen! In diesem Fall werde ich mein Angebot vierundzwanzig Stunden aufrechterhalten.“

Emma drehte sich um und ging hoch erhobenen Hauptes auf die zweite Tür in dem Raum zu. Ihre stolze Haltung war nur Bluff, das wusste sie, und das wusste auch er. Schon das würde sie ihm nie verzeihen.

„Bemühen Sie sich nicht“, sagte sie knapp. „Das wird nicht nötig sein.“

Alex folgte ihr. „Was meinen Sie, wollen wir uns nicht duzen, da wir doch so oder so bald verwandt sind? Ich bin Alex … Emma.“

Emma hörte, wie er mühsam das Lachen unterdrückte und wäre vor Wut fast geplatzt. Dennoch, als er ihren Namen aussprach, durchfuhr es sie heiß. Sie drehte sich jedoch nicht um.

Nachdem die Besprechung zu Ende war und die beiden Rockwell-Brüder gegangen waren, wandte Ryan Hayes sich an Alex: „Ich vermute, du hast alle Einzelheiten mit ihr besprochen?“

Alex schloss die Akte, die vor ihm lag, und strich nachdenklich über den glatten Einband. „Nicht ganz.“

„Nicht ganz? Was meinst du damit?“

Alex seufzte leise. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, schloss die Augen und massierte sich die Schläfen. Gunters Plan wirkte immer lächerlicher, je länger er darüber nachdachte. „Die Einzelheiten haben wir noch nicht festgelegt.“

„Aber du wirst heiraten?“

„Ja, ja, ich werde mich bemühen!“, gab Alex verärgert zurück.

Ryan hob warnend einen Zeigefinger. „Du weißt genau, dass aus dem Deal nichts wird, wenn du nicht eins der McKinley-Mädchen heiratest. Mann, Alex, ist dir nicht klar, dass die Presse uns vierteilen wird, wenn wir den Laden einfach so schlucken?“

Alex presste die Lippen zusammen. Er hatte die Sache von allen Seiten beleuchtet. Wenn es nach ihm ginge, würde er einfach das Konkursverfahren einleiten lassen und dann die verdammte Firma übernehmen. Sie waren doch nicht die Heilsarmee, hier ging es schließlich ums Geschäft.

Aber Ryan und Gunter hatten große Aktienanteile an der Garrison-Hotelkette, und er konnte ihre Meinung nicht einfach übergehen. Beide waren davon überzeugt, dass seine brutale Art, Geschäfte zu machen, letzten Endes dem Unternehmen schadete. Sie waren der Ansicht, dass dadurch nicht nur die Moral ihrer Angestellten untergraben wurde, sondern der schlechte Ruf minderte auch ihre Expansionsmöglichkeiten.

Also zwangen sie ihn, sich in der Öffentlichkeit lammfromm zu verhalten, und er hatte keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Es würde noch so weit kommen, dass er vor der Presse Babys küssen musste und alten Damen über die Straße half. Es war zum Verrücktwerden!

Alex knirschte mit den Zähnen. „Warum heiratest du sie denn nicht?“, stieß er leise hervor.

„Weil ich im Gegensatz zu dir kein Imageproblem habe“, gab Ryan sofort zurück. „Außerdem bin ich nicht der Chef und trete der Öffentlichkeit gegenüber nicht als derjenige auf, der die Geschäfte von Garrison führt. Seit die Firma in der Presse wieder besser dasteht, sind die Gewinne um fünfzehn Prozent gestiegen. Das sollte dir zu denken geben.“

„Das muss nichts mit meinem veränderten Image zu tun haben.“ Alex war noch nicht bereit zu akzeptieren, dass die Firma die Gewinnsteigerungen dem neuen Bild verdankte, das er seit einiger Zeit der Öffentlichkeit bot.

„Was sind denn nun die Einzelheiten?“, fragte Ryan.

„Was für Einzelheiten?“

„Was muss noch mit Katie besprochen werden?“

„Nichts. Es geht nicht mehr um Katie, sondern um Emma. Und sie hat sich noch nicht entschieden.“ Hatte er wirklich innerhalb von achtundvierzig Stunden zwei verschiedenen Frauen einen Heiratsantrag gemacht?

Ryan runzelte die Stirn. „Ich dachte, du wolltest die Hübsche heiraten?“

„Die Hübsche hat Nein gesagt. Deshalb habe ich Emma gefragt. Sie hat keinen festen Freund.“

„Das kann ich mir vorstellen!“

Alex warf Ryan einen bösen Blick zu. Sicher, Emma war auf den ersten Blick nicht so hübsch wie Katie, aber deshalb brauchte Ryan nicht ausfallend zu werden. „Was soll das denn heißen?“

„Na ja, sie macht einen energischen und sehr unweiblichen Eindruck. Beinahe ein bisschen bedrohlich.“

Alex stand auf. „Schlappschwanz.“ Emma war nicht unweiblich und wirkte auf ihn auch nicht bedrohlich. Sie war frustriert und in Panik. Was für ihn und seine Pläne eigentlich nur von Vorteil sein konnte.

Auch Ryan erhob sich. „Die eine Schwester oder die andere, mir egal. Das ist deine Sache. Entweder es klappt mit der Heirat, oder aus der Fusion wird nichts.“

Das kam nicht infrage. Schließlich besaßen die McKinleys ein Traumgrundstück direkt am Strand von Kayven Island. Das war ein Vermögen wert, sowie der geplante Ausbau der Kaianlagen publik wurde, der es in Zukunft auch Kreuzfahrtschiffen ermöglichte, dort anzulegen. Aus dem Deal musste einfach etwas werden.

„Was sollen wir bloß tun?“ Katie blickte Emma angstvoll an. Die beiden Schwestern saßen im Restaurant ihres Hotels in der Fifth Avenue. Die tief hängende Lampe spiegelte sich im Fenster, das auf den dunklen Park hinausging.

„Ich weiß es nicht“, sagte Emma ehrlich. „Morgen früh muss ich mich erst einmal mit der Bank in Verbindung setzen.“

„Was willst du ihnen denn sagen?“

„Wir werden die Hypotheken umschichten müssen, eventuell auch das Grundstück auf Martha’s Vineyard als Sicherheit nutzen.“

„Aber das kann nicht klappen, das weißt du doch genau.“

Emma schwieg, denn Katie hatte recht. Die Schulden, die ihr Vater hinterlassen hatte, waren viel zu hoch, da nützte das Grundstück auch nichts mehr. In den letzten Jahren war es für ihre Hotels nicht so gut gelaufen. Die Belegung war nicht ausreichend gewesen, die allgemeinen Kosten stiegen. Hinzu kam, dass ihr Vater große Hemmungen hatte, Leute zu entlassen. Außerdem hatten sie gründlich renovieren müssen in einigen ihrer Häuser in den Skigebieten. Da aber die letzten beiden Winter ausgesprochen schneearm gewesen waren, hatten sie die Kosten noch nicht wieder hereingeholt.

Ihnen stand das Wasser bis zum Hals, und Alex Garrison wusste das. Der Mann ging zwar über Leichen, aber er war nicht dumm.

„Ich werde ihn heiraten müssen“, sagte Katie tonlos und ließ den Kopf hängen.

„Und was ist dann mit David?“

„Ich muss es ihm irgendwie erklären.“

Emma nahm einen Schluck von ihrem Martini. „Und wie? ‚Tut mir leid, Liebster, aber ich muss jemand anderen wegen seines Geldes heiraten.‘ So etwa?“

„Nein, so sage ich das natürlich nicht. Ich werde schon einen Weg finden.“

„Es gibt keinen. Du kannst ihm nicht den Laufpass geben und es für ihn wie einen Glücksfall klingen lassen.“

„Was soll ich denn dann tun? Heirate du doch Garrison!“

Da die Kellnerin gerade den Salat brachte, antwortete Emma nicht sofort. „Immerhin habe ich keinen festen Freund“, sagte sie dann leise.

Katie hob den Kopf. Ihr Gesicht hellte sich auf. „Bedeutet das, du würdest es tun?“

„Nicht unbedingt.“ Emma starrte ins Leere. Es musste doch einen Ausweg geben. „Wir können das nicht …“ Sie presste kurz die Lippen zusammen. „Es ist unmöglich. Die Vorstellung, wir müssen tun, was dieser Kerl will, macht mich ganz krank.“

„Immerhin bliebe uns dann die Hälfte des Unternehmens.“

Stimmt. Emma nahm wieder einen Schluck. Wenn Alex dagegen das Konkursverfahren anstieß, konnten sie von Glück sagen, wenn ihnen ein einziges Hotel bliebe.

Wenn sie nur mehr Zeit hätten. Wenn sie nur jemanden wüssten, der für sie bürgte. Wenn ihr Vater nur noch am Leben wäre.

Zu dritt waren sie ein gutes Team gewesen. Sie hatten früher schon schwierige Zeiten durchgemacht, und mit ihres Vaters Hilfe hätten sie auch hier einen Weg aus dem Dilemma gefunden.

„Emma?“

Emma fuhr hoch, griff nach ihrer Gabel und stocherte im Salat auf ihrem Teller herum. „Ja?“

„Wir müssen zum Gericht gehen.“

„Um unseren Bankrott zu erklären?“ In Emmas Augen blitzte es zornig auf. Nein, nie und nimmer. Sie würden nicht aufgeben. Nicht, wenn es noch die Möglichkeit gab, wenigstens etwas zu retten.

Sie mussten auf Alex Garrisons Vorschlag eingehen. Denn wenn sie das nicht taten, würden sie sozusagen auf der Straße sitzen, und Garrison würde sofort anfangen, das Lebenswerk ihres Vaters zu demontieren.

Wenn sie dagegen sein Angebot akzeptierten, gab es immerhin eine Chance. Vielleicht würden ihre Hotels in den nächsten Jahren gut laufen, sodass sie Alex Garrison auszahlen konnten.

Außerdem hatte sie, Emma, keinen Freund, dem sie das Herz brechen würde, wenn sie Alex heiratete. Es sah auch nicht so aus, als stünden die Männer in naher Zukunft bei ihr Schlange. Sie sah eher durchschnittlich aus und hatte sich ganz auf den Beruf konzentriert. Und wenn man wie sie die Hälfte des Jahres sowieso auf Reisen war, gab es wenig Gelegenheit, eine enge Verbindung zu knüpfen.

Wenn sie also ehrlich war, hatte eine Ehe, die nur auf dem Papier bestand, sogar gewisse Vorteile, zumindest war sie nicht sehr lästig. Ein Auftritt beim Friedensrichter, ein paar Fotos, vielleicht noch ein oder zwei Interviews mit den einschlägigen Skandalblättern, danach brauchten Alex und sie sich praktisch nicht mehr zu begegnen.

Sie blickte Katie an. „Wir müssen zum Anwalt, damit sicher ist, dass Alex Garrison uns nicht irgendwie über den Tisch zieht, wenn wir auf seinen Vorschlag eingehen.“

Katie riss die Augen auf. „Dann tust du es?“

Emma legte die Gabel hin und griff nach ihrem Glas. „Ja, ich werde es tun.“

2. KAPITEL

„Mr. Garrison.“

Mrs. Nash hatte Alex Garrison ihr Leben lang mit dem Vornamen angesprochen. Doch seit er vor sechs Monaten aus dem Penthouse ausgezogen und in die große Familienvilla der Garrisons auf Long Island eingezogen war, nannte sie ihn nur noch Mr. Garrison. Alex hatte sich noch nicht daran gewöhnt und sah sich automatisch immer nach seinem Vater um, wenn sie ihn so ansprach.

Auch wenn Garrison senior bereits drei Jahre tot war, fuhr Alex immer noch zusammen, wenn vermeintlich von seinem Vater die Rede war. Es war ihm schon reichlich schwergefallen, das Arbeitszimmer des alten Garrison zu übernehmen, mit seinem Namen wollte er in seinem eigenen Haus nicht auch noch angeredet werden.

Er blickte hoch. „Bitte bleiben Sie bei Alex, Mrs. Nash.“

Die Haushälterin blieb stur. „Eine Miss McKinley möchte Sie sprechen, Mr. Garrison.“ Immer wenn sie verärgert war, machte sich ihr britischer Akzent besonders deutlich bemerkbar.

Alex faltete die Zeitung zusammen. „Welche Miss McKinley?“

Mrs. Nash hob kurz die Augenbrauen. „Miss Emma McKinley, Sir.“

„Aber, Mrs. Nash!“ Alex lachte leise. „Jetzt wollen Sie mich ärgern, stimmt’s?“

„Sir?“ Das klang streng, aber in ihren blaugrauen Augen lag ein Lächeln.

„Ich bin und bleibe Alex für Sie. Schließlich haben Sie meine Windeln gewechselt und mir den Hintern versohlt.“

„Und es hat nicht viel genützt, wenn ich das sagen darf.“

Alex legte die Zeitung auf den blank polierten Schreibtisch, stand auf und schob den Schreibtischsessel zurück. „Könnten Sie denn wenigstens auf das ‚Sir‘ verzichten?“

„Jawohl, Mr. Garrison.“

Er ging in Richtung Tür, und als er an Mrs. Nash vorbeikam, zischte er ihr zu: „Sie sind entlassen.“

Ihr Gesichtsausdruck blieb unverändert. „Das kann ich mir nicht vorstellen.“

„Weil Sie wissen, wo im Keller die Leichen versteckt sind?“

„Nein. Weil Sie die Zahlenkombination des Schlosses zum Weinkeller nicht behalten können.“

Er grinste. „Gut gekontert.“

„Also dann, Sir …“

„Mrs. Nash …“, sagte Alex drohend.

Die alte Dame ließ sich nicht beirren. „Wird Miss McKinley zum Lunch bleiben?“

Gute Frage. Würde Emma Ja sagen und die Sache für sie beide leichter machen? Oder würde sie sich widersetzen und ihn dadurch in ziemliche Schwierigkeiten bringen? Das Ganze stand fünfzig zu fünfzig. „Das kann ich Ihnen leider nicht sagen.“

Mrs. Nash nickte nur und trat an den Schreibtisch, wo sie die Zeitung glatt strich und sie dann in den Zeitungsständer steckte. Sie wischte über die polierte Fläche, als wolle sie jede Spur beseitigen, die an den jungen Garrison erinnerte.

Irgendwie ist es seltsam, in einem Haus zu wohnen, in dem ich eigentlich gar nicht vorhanden bin, dachte Alex. Oder nicht vorhanden sein soll. Manchmal stellte er Mrs. Nash eine Falle, indem er heimlich irgendetwas veränderte, etwa ein Buch nicht wieder an seinen Platz zurückstellte oder eine Skulptur auf dem Kaminsims leicht verrückte. Doch bisher hatte sie alles wieder so zurechtgestellt, wie es seit Jahrzehnten gestanden hatte.

Er ging den langen Flur hinunter, wobei er sich wie immer von seinen Vorfahren beobachtet fühlte, deren Porträts an der Wand hingen. Die Bilder wurden selbstverständlich regelmäßig abgestaubt und genau mit der Wasserwaage ausgerichtet. Das Porträt seines Vaters war das letzte in einer langen Reihe. Wie immer sah er streng und mürrisch aus, als würde er seinem Sohn am liebsten die Leviten lesen. Alex dachte oft, dass er tot war, ärgerte ihn wahrscheinlich deshalb besonders, weil er nun regungslos von der Wand aus zusehen musste, wie sein Sohn das Familienunternehmen so ganz anders führte, als sein Vater es für richtig hielt.

Er bog um die Ecke in die große Halle. Hier stand seine jüngste geschäftliche Herausforderung, gekleidet in ein helles tailliertes Schneiderkostüm, die Tasche fest unter den Arm geklemmt. Ihr schulterlanges kastanienbraunes Haar wurde durch die Sonnenbrille zurückgehalten, die sie auf den Kopf geschoben hatte. Die Wimpern wirkten schwarz im Kontrast zu den hellbraunen Augen, die Lippen hatte sie dunkelrosa geschminkt, und in den Ohrläppchen blitzten kleine Diamanten. Sie hatte sich offenbar sehr sorgfältig zurechtgemacht, wirkte aber ziemlich nervös.

War das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?

„Willkommen, Emma.“ Alex streckte lächelnd eine Hand aus.

„Alex.“ Sie nickte ihm kurz zu.

„Möchten Sie nicht hereinkommen?“ Er wies auf den breiten Flur.

Sie runzelte misstrauisch die Stirn.

„In mein Büro“, setzte er schnell hinzu. „Dort ist es vielleicht bequemer, und wir können uns in aller Ruhe unterhalten.“

Emma zögerte kurz, dann nickte sie. „Gut.“

Er wartete, bis sie neben ihm war. „Haben Sie gut hergefunden? War der Verkehr schlimm?“ Am liebsten hätte er sich auf die Zunge gebissen, denn Small Talk wollte er nun gewiss nicht machen, womöglich kam sie sonst noch auf den Gedanken, er sei nervös. Das war er nicht, denn wenn es um Geschäfte ging, war er immer ausgesprochen gelassen. Und hier ging es doch schließlich um ein Geschäft, oder?

Wenn sie Nein sagte, konnte er nichts machen. Das heißt, er würde natürlich versuchen, ihre Meinung zu ändern. Und wenn das nichts half, gab es noch den Notfallplan. Ryan nahm diese ganze Hochzeitsgeschichte viel zu ernst. Ihre Zukunft hing schließlich nicht von den Launen dieser McKinley-Mädchen ab.

Das Arbeitszimmer war makellos aufgeräumt wie immer. Alex wusste, er sollte sich eigentlich hinter den imposanten Schreibtisch setzen, weil ihm das gleich die Aura von Macht verlieh, stattdessen wies er auf die Sessel, die vor dem Kamin standen.

Emma setzte sich und schlug die schlanken Beine übereinander. Sie stellte ihre Handtasche neben sich und strich den Rock glatt. Dann legte sie die gefalteten Hände um ihre Knie und blickte Alex erwartungsvoll an.

Alex riss sich zusammen und schüttelte leicht den Kopf, weil er zu sehr in den Anblick ihrer Beine versunken gewesen war. Er nahm ihr gegenüber Platz.

„Der Verkehr war kein Problem“, sagte sie.

„Gut.“ Er sollte nicht lange drum herumreden, sondern gleich zur Sache kommen. „Haben Sie eine Entscheidung getroffen?“

Emma lehnte sich zurück und blickte auf ihre gefalteten Hände. „Ja.“

Alex beugte sich gespannt vor. „Und?“

Nervös drehte sie den schmalen Smaragdring an ihrem Ringfinger hin und her. „Ich werde Sie heiraten.“

Das klang, als verkünde sie ihr eigenes Todesurteil.

Na ja, für ihn würde es auch kein Zuckerschlecken werden. Er musste mit einer Frau auskommen, die ihn eigentlich nicht wollte. Außerdem bedeutete es, dass er sein bequemes Junggesellenleben aufgeben musste, ganz zu schweigen von seinem freien Sexleben. Und wenn er ihre Haltung und ihre Miene richtig deutete, dann war ein normales Eheleben offenbar nicht Teil dieses Deals.

Er würde enthaltsam leben müssen, zumindest solange diese Ehe dauerte. Keine schöne Aussicht.

„Danke“, stieß er leise hervor.

Wieder nickte sie nur und machte Anstalten aufzustehen.

„Halt, warten Sie.“

Emma sah ihn fragend an.

„Finden Sie nicht, dass wir noch einiges zu besprechen haben?“

„Was denn?“ Emma setzte sich und schlug die Beine wieder übereinander.

„Erstens, wir sollten uns duzen. Schließlich sind wir ja so gut wie verlobt. Dann, wem musst du unbedingt davon erzählen?“

„Dass wir heiraten?“

„Nein. Dass das Ganze mit einer echten Ehe nichts zu tun hat.“

„Ach so.“

„Was mich betrifft, meine Geschäftspartner wissen Bescheid.“

„Meine Schwester auch.“

„Sonst noch jemand?“

„Unser Anwalt. Er wird Sie … dich … wegen des Ehevertrags anrufen.“

Alex stieß ein kurzes ungläubiges Lachen aus. „Was? Du willst einen Ehevertrag?“

„Ja, natürlich.“

„Weißt du, wie hoch mein Vermögen ist?“

Sie zog unwillig die Augenbrauen zusammen. „Nein, und es ist mir auch vollkommen egal.“

Wirklich? Das konnte er sich kaum vorstellen. Aber wie auch immer, wichtig war, dass sie diese Farce bald über die Bühne brachten. „Zuerst einmal müssen wir uns verloben.“

„Ich dachte, das hätten wir eben getan.“

Er wollte etwas einwenden, aber sie sprach weiter.

„Du hast zu mir so etwas gesagt wie: Wenn du mich nicht heiratest, ruiniere ich euch finanziell. Daraufhin habe ich mich für das kleinere Übel entschieden.“ Sie schob die hübschen Lippen vor. „Damit sind wir verlobt. Nicht gerade romantisch, aber das habe ich auch nicht erwartet.“

Meinte sie das sarkastisch? Schließlich gewann sie durch diese Heirat einige Millionen Dollar, während er lediglich ein mittleres Unternehmen erhielt. Und das nur, weil seinen Geschäftspartnern der gute Ruf so wichtig war. Es war einfach lächerlich.

„Dankbar bist du wohl gar nicht?“, fragte er lauernd.

„Wofür? Sind deine Erpressungsopfer normalerweise dankbar?“

Die Frau verblüffte ihn. Von wegen eingeschüchtert und in Panik. „Was hast du denn erwartet? Champagner und Rosen?“

„Nein, ich habe mir eher einen Bankkredit und einen Vertrag vorgestellt.“

„Nun, stattdessen hast du mich.“

Sie strich sich nachdenklich das Haar zurück und seufzte leise. „Das stimmt.“

So kamen sie nicht weiter. Alex stand auf. „Wenn das Ganze so klappen soll, wie wir es uns wünschen, müssen wir uns vorab über ein paar Dinge einigen.“

„Etwa, sich gegenseitig zu tolerieren?“

„Das vielleicht auch. Aber erst einmal müssen wir die Presse davon überzeugen, dass wir uns lieben.“

Emma musste lächeln, und Alex starrte sie überrascht an. Wie ein Lächeln ein Gesicht verzaubern kann, dachte er. Ihre Augen leuchteten warm, in der rechten Wange hatte sie ein freches Grübchen. Und als sie sich jetzt mit ihrer kleinen rosa Zunge die Lippen befeuchtete, durchfuhr ihn heißes Begehren.

War er wirklich der Meinung gewesen, Katie sei die hübschere der beiden Schwestern?

„Was ist?“, fragte er und versuchte, seine sexuelle Erregung zu verbergen.

„Ich weiß jetzt, was der Unterschied ist zwischen dir und mir.“

Was meinte sie damit? Hatte er in den letzten Minuten irgendetwas nicht mitgekriegt?

„Ich bin realistisch, während du dir das Unmögliche vorstellst.“

Das hätte er vielleicht etwas anders ausgedrückt, aber eigentlich traf sie damit den Nagel auf den Kopf.

„Wahrscheinlich können wir lernen, einander zu tolerieren“, fuhr sie fort. „Aber ich weiß wirklich nicht, wie wir andere von unserer unsterblichen Liebe füreinander überzeugen könnten.“

Alex trat näher an sie heran und war sich sofort bewusst, dass er das besser nicht getan hätte. Ihr verführerisches Parfüm ließ seine Begierde wieder erwachen. Das war der reine Wahnsinn. Diese Frau durfte nicht eine derartige Wirkung auf ihn haben. Das würde er nicht zulassen.

„Weißt du, was dein größtes Problem ist?“, fragte er.

Sie stand auf, doch trotz ihrer Stilettos war er noch gut zehn Zentimeter größer als sie.

„Nein, aber das wirst du mir sicher gleich erzählen.“

„Du bist ein Pessimist und siehst überall Schwierigkeiten.“

„Falsch. Mein größtes Problem bist du.“

„Aber, Darling, ich bin deine Rettung.“

„Ganz schön eingebildet, was?“

„Wenn man hart arbeitet, darf man eingebildet sein.“ Er trat noch näher an sie heran und senkte die Stimme. „Es gibt nur sechs Menschen, die wissen, dass ich dich nicht liebe. Die anderen kann ich leicht vom Gegenteil überzeugen.“

„Du meinst, den Rest der Welt?“

„Du musst in großen Dimensionen denken, Emma.“

„Du musst realistisch sein, Alex.“

„Das schließt einander nicht unbedingt aus.“

„Statistisch gesehen doch.“

„Dann musst du eben die Ausnahme sein.“ Er grinste ironisch. Was sie konnte, konnte er schon lange. „Und du musst wissen, Darling, ich bin ein außergewöhnlicher Mann.“

Emma lächelte ironisch. „In den Ehevertrag müssen wir unbedingt aufnehmen, dass du dein Ego zügeln musst.“

„Nur wenn dein Anwalt meinen davon überzeugen kann.“

„Aha, das hast du also vor.“ Emma zog sich einen Schritt zurück. „Wir himmeln uns in der Öffentlichkeit an, während unsere Anwälte mit scharfen Waffen im Hinterzimmer kämpfen.“

„Ja, so ungefähr. Aber nun zu unserer Verlobung.“ Er wies auf den Sessel.

Emma setzte sich. „Vermutlich geht es jetzt um irgendeinen protzigen Ring?“

„Genau.“ Auch Alex setzte sich wieder. Darüber hatte er recht ausführlich nachgedacht, für den Fall, dass sein Heiratsantrag angenommen wurde. „Ich möchte nicht, dass man darüber spricht, dass wir verlobt sind, sondern darüber, wie wir uns verlobt haben.“

„Hm, ich habe das Gefühl, dass mir nicht gefällt, was jetzt kommt“, meinte Emma.

„Magst du Baseball? Vor allem die Yankees?“

Sie schüttelte den Kopf, im nächsten Augenblick begriff sie, worauf er hinauswollte. Ihre Augen weiteten sich, und sie wurde blass.

„Nein, auf keinen Fall. Nicht im Yankee-Stadion!“

„Auf jeden Fall würden wir damit großes Aufsehen erregen.“

„Eher bringe ich dich um!“

„Keine gute Idee. Noch bist du nicht in meinem Testament bedacht.“

„Nein, Alex, das kann ich auf keinen Fall tun. Katie ist daran gewöhnt, in der Öffentlichkeit aufzutreten, ich nicht.“

„Vielleicht erinnerst du dich daran, dass ich ja auch vorhatte, Katie zu heiraten.“

Emma presste kurz die Lippen zusammen, und Alex begriff, dass sie diese Bemerkung als Kränkung empfunden hatte.

„Katie ist nicht mehr frei“, sagte sie schroff. „Damit musst du dich abfinden.“

„Emma, ich wollte auf keinen Fall damit sagen …“

„Natürlich wolltest du das. Aber egal. Kein Baseball-Stadion, ist das klar?“

Er hatte wirklich nicht ausdrücken wollen, dass Katie die bessere Wahl gewesen wäre. Aber Emma schien es zu glauben, und so musste er vorsichtig sein, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, dass sie die ganze Sache platzen ließ. „Okay. Aber dann lass dich von mir überraschen. So läuft das doch auch normalerweise bei Verlobungen.“

„Sei nicht albern.“ Emma setzte sich kerzengerade auf und strich sich den Rock glatt. „Wir sollten uns lieber über das Geschäftliche unterhalten. Wie und wann wir uns verloben, interessiert doch keine Seele.“

Offenbar hatte sie nicht begriffen, worauf es ihm bei diesem Deal ankam. Es ging um sein Image und den guten Ruf seines Unternehmens, den er durch die Heirat aufpolieren wollte. „Aber mich interessiert es“, sagte er kühl. Ihr musste ein für alle Mal klar werden, was wichtig war. „Du machst rein finanziell ein ausgesprochen gutes Geschäft, und ich gewinne Sympathiepunkte in der Öffentlichkeit. Deshalb ist das Wie so wichtig. Wir müssen glaubhaft wirken.“

Sie wollte etwas erwidern, aber er schnitt ihr das Wort ab. „Eins musst du wissen, Emma. Entweder wir überzeugen die Welt davon, dass wir uns lieben, oder aus der ganzen Sache wird nichts.“

„Ich weiß nicht, wie ich das überstehen soll.“ Emma seufzte und sah ihre Schwester Hilfe suchend an, während sie den Tennisplatz verließen. Alex’ Plan hatte sie vollkommen verwirrt, und so hatte sie fürchterlich verloren.

Sie hatte kein schauspielerisches Talent. Und sie fühlte sich nicht wohl, wenn das öffentliche Interesse auf sie gerichtet war. Auch wenn manche Menschen es genossen, in den Klatschblättern aufzutauchen, sie hatte immer darauf geachtet, dass ihr Privatleben unangetastet blieb.

„Meinst du, dass es schlimm mit ihm wird?“ Katie sah ihre Schwester mitleidig an und wies auf einen unbesetzten Tisch auf der Klubhausterrasse.

„Ja, noch schlimmer, als ich erwartet habe“, sagte Emma düster. „Er hat sich fest vorgenommen, vor der Presse eine Show abzuziehen, von wegen unsterblich verliebt und so. Aber ich kann nicht die glückstrahlende Braut mimen.“

Katie setzte sich. „Offenbar verspricht er sich etwas davon.“

„Er bekommt unsere Hotels.“

„Nur die Hälfte.“

Emma sah ihre Schwester stirnrunzelnd an. Hatte Katie etwa Verständnis für diesen Wahnsinn? „Es war immer nur von einer Ehefrau die Rede, nicht von einer glamourösen Geschichte für die Titelseiten der Klatschblätter.“

Katie zuckte leicht mit den Schultern. „Was ist schon dabei? Er will eben ein bisschen mit dir angeben.“

Emma nahm ihr Schweißband ab und lockerte sich das Haar. „Eben. Und das wird sehr peinlich sein. Das Ganze ist nun mal eine dicke, fette Lüge.“

Katie grinste. „Na und? Deshalb kannst du doch toll dabei aussehen und Eindruck machen.“

Emma nahm sich eine Flasche Wasser aus dem Eisbehälter, der auf dem Tisch stand. „Hör auf, dich über mich lustig zu machen.“

„Das tu ich doch gar nicht. Das Problem ist nur, dass …“

„… ich es bin und nicht du?“

Katie wurde schlagartig ernst. „Nein, natürlich nicht. Ich bin dir sehr dankbar, dass du dich opferst. Ich weiß, was das für dich bedeutet.“

Emma legte ihr eine Hand auf den Arm. „Danke. Irgendwie muss ich Alex davon überzeugen, alles in bescheidenem Rahmen zu halten. Es genügt doch, wenn der Friedensrichter ins Haus kommt, dazu eine Anzeige in der Zeitung.“

Auch Katie nahm sich eine Flasche Wasser. „Oder ich leihe dir ein paar aufregende Klamotten, und du bist der Hit der Partywelt.“

„Ach, Katie, du bist wirklich keine Hilfe.“

„Es würde dir gar nicht schaden, wenn du mal ein bisschen unter Leute kämst und dich amüsiertest. Du hast viel zu viel gearbeitet in letzter Zeit.“

„Das hat ‚McKinley Inns‘ auch nicht retten können.“

„Aber du rettest die Firma jetzt.“

Emma lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Ja, aber sie tat es nicht durch ihr fachliches Können. „Ich fühle mich irgendwie wie eine Prostituierte.“

„Ohne Sex?“

„Ohne Sex.“

„Dann hat das doch nichts mit Prostitution zu tun. Komm, Emma, nimm das alles nicht so schwer. Wir gehen jetzt zu Saks. Mal sehen, vielleicht finden wir da etwas Schönes für dich.“

„Und damit ist alles in Butter?“ Wenn sie nur richtig gekleidet war, würde es ihr dann leichterfallen, Alex verliebte Blicke zuzuwerfen? Ganz sicher nicht. Bei dem Gedanken fuhr sie schaudernd zusammen.

„Ach du Schreck“, murmelte Katie plötzlich und starrte über Emmas Schulter hinweg.

„Was ist denn?“

„Er ist hier.“

„Wer?“ Emma drehte sich um.

„Alex“, flüsterte Katie.

Emma erstarrte. „Was?“

„Alex ist hier.“

„Wie kann das sein? Er ist doch kein Mitglied“, gab sie ebenso leise zurück.

„Wahrscheinlich nicht.“

„Dies ist ein Privatklub.“

„Glaubst du, der Mann am Eingang wird einem Alex Garrison den Eintritt verwehren?“

Emma geriet in Panik. „Was macht er jetzt?“, stieß sie mit Mühe hervor.

„Er kommt auf uns zu.“

„Oh nein …“

„Doch.“ Dann setzte Katie ein strahlendes Lächeln auf. „Hallo, Alex!“

Emma fühlte, wie sich eine warme Hand auf ihre verschwitzte Schulter legte. Bei der Berührung erschauerte sie. Am liebsten hätte sie die Hand abgeschüttelt.

„Hallo, Darling“, flüsterte Alex dicht an ihrem Ohr. Dann küsste er sie auf die Schläfe, und Emma stockte der Atem. Obgleich sie seine Lippen kaum spürte, fing ihr Herz wild an zu schlagen, und es überlief sie heiß.

Ich darf mich von ihm auf keinen Fall irritieren lassen.

Alex nahm sich eine Flasche Wasser aus dem Eisbehälter und setzte sich neben Emma. „Na, wie war das Spiel?“

Sein weißes Polohemd betonte seine breiten Schultern und die muskulösen Oberarme. Der Kragen stand offen und erlaubte einen Blick auf die kräftige gebräunte Brust.

Als Emma schwieg, sah er sie an und hob fragend die dunklen Augenbrauen.

„Gut“, brachte sie schließlich heraus. Allmählich gewann sie ihre Fassung zurück. Wie kam er dazu, sie einfach zu küssen, wenn auch nur auf die Schläfe! Er musste doch wissen, wie sehr in solchen Klubs getratscht wurde. Da er nur grinste, war er sich dessen wohl bewusst und genoss offensichtlich, dass alle ihn anstarrten.

Alex nickte. „Freut mich.“

„Ich habe sie in zwei Sätzen geschlagen“, sagte Katie und lächelte verbindlich.

Viel zu verbindlich, wie Emma fand. Sie rückte näher an Alex heran. „Ich dachte, wir wollten noch darüber reden“, stieß sie empört hervor.

Er legte einen Arm lässig über ihre Stuhllehne. „Für mich gibt es nichts mehr zu reden.“

„Aber für mich.“

„Wirklich? Pech für dich.“ Er blickte sich um. „Ich fürchte, es ist zu spät.“

„Du bist gemein!“ Er hatte sie einfach überrumpelt, das war unfair. Mindestens ein Dutzend Leute hatten diesen wohlkalkulierten Kuss gesehen.

Alex lachte. Dann blickte er Katie an und sagte: „Herzlichen Glückwunsch zu dem Sieg.“

„Das war zu einfach. Emma schien sich heute Morgen sehr schlecht konzentrieren zu können.“

„Tatsächlich?“

Alex drückte kurz Emmas Schulter, und wieder wurde ihr heiß. Das passte ihr ganz und gar nicht, und sie sagte sich, ihr Körper reagierte aus Widerwillen so. Das musste es sein. Es durfte nichts anderes sein.

„Hat das vielleicht etwas mit gestern Abend zu tun?“, fragte er jetzt laut und deutlich.

Zwei Tische weiter saß Marion Thurston und zog die fein gestrichelten Augenbrauen fast bis zum gefärbten Haaransatz hoch. Dann griff sie nach ihrem Handy und wählte schnell eine Nummer, die sie offenbar auswendig kannte. Es erforderte keine größere geistige Leistung, um zu erraten, wen sie anrief. Alle Welt wusste, dass sie einen guten Draht zu Leanne Height hatte, die für die Klatschspalte in einer großen Zeitschrift verantwortlich war.

Emma beugte sich wieder zu Alex hinüber. „Ich bringe dich um“, zischte sie ihn an.

„Vorsicht. Du stehst noch nicht in meinem Testament.“

„Das ist mir völlig egal.“

Alex lachte. „Hast du morgen Abend etwas vor?“ Er blickte Katie an. „Das gilt auch für dich. Ich habe einen Tisch im Casino reservieren lassen. Da findet eine Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten des Teddybär-Trusts statt.“

„Ich spiele nicht“, sagte Emma mürrisch.

„Dann wird es Zeit, dass du es lernst“, konterte er lächelnd.

„Ich komme mit“, sagte Katie. „Kann ich David mitbringen?“

„Gern, so kann ich den berühmten David auch mal kennenlernen.“

„Ich will das nicht lernen.“ Emma blieb störrisch.

„Blackjack macht Spaß. Ich gebe dir das Geld.“

„Das kommt nicht infrage.“

„Keine Widerrede.“

„Okay. Vielleicht willst du auch noch dein Brandzeichen auf meine Stirn drücken, wo du gerade dabei bist?“

Er hob ihre Hand an seine Lippen und küsste sie. „Nein, ich bin mit einem Diamantring an deinem Finger vollkommen zufrieden.“

„Mit der Hochzeit gibt es Schwierigkeiten“, sagte Ryan und ließ sich auf einen der Besucherstühle in Alex’ Büro fallen.

Alex blickte von einem Prospekt der McKinley-Hotelkette hoch. „Was für Schwierigkeiten?“

„Das fängt mit unserem schlimmsten Konkurrenten Murdoch an und hört mit Kayven Island auf.“

Alex runzelte die Stirn. „Der alte Murdoch weiß von den Plänen auf Kayven Island?“

„Das muss wohl so sein“, sagte Ryan und blickte Alex missmutig an. „Eine andere Erklärung gibt es nicht.“

„Eine Erklärung wofür?“, fragte Alex ahnungsvoll. „Was ist passiert?“

„Er will den McKinleys ein Angebot machen.“

„Mistkerl!“ Alex sprang auf. „Für die ganze Hotelkette?“

„Nein, er ist nur an der Anlage auf Kayven Island interessiert.“

Alex schloss die Augen und presste beide Hände auf seinen Nacken. „Und die Schwestern können den Rest behalten?“ Das war genau das, was Emma wollte.

„Ja.“

„Was bleibt uns noch an Zeit?“

„Er wird wohl am kommenden Montag das Angebot vorlegen.“

„Woher weißt du das alles?“

„Adam aus der Buchhaltung hat gesagt, dass sein Schwager, der bei Williamson Smythe arbeitet, sich genau dieselbe Gegend ansieht.“

„Und daraus schließt er, dass der alte Murdoch daran interessiert ist?“

„Nein, Adam hat keine Ahnung. Ich habe noch ein paar andere Quellen. Bisher sind wir wohl die Einzigen, die genau Bescheid wissen.“

Was konnte diese neue Entwicklung für Folgen haben? Fieberhaft dachte Alex darüber nach, wie die Sache im schlimmsten und im besten Fall ausgehen konnte. In allen Szenarios wäre Murdoch der Gewinner und die Garrison-Kette der Verlierer. „Ich kann nicht zulassen, dass er den McKinleys ein Angebot macht.“

Ryan nickte. „Ganz meine Meinung.“

Aber wie konnte er den alten Murdoch daran hindern, mit den Schwestern zu verhandeln? Und das bis Montagmorgen? Da blieb nur eins, er musste Emma sofort heiraten. „Was sie wohl von Las Vegas hält?“, sinnierte er laut vor sich hin.

„Du kannst Emma unmöglich in den nächsten achtundvierzig Stunden heiraten.“

„Warum nicht? Unser Jet steht doch am Flughafen. Ich könnte in weniger als fünf Stunden verheiratet sein.“

„Meinst du nicht, dass so eine Blitzhochzeit etwas seltsam, um nicht zu sagen, verdächtig aussähe?“

„Das ist mir vollkommen egal. Ich will diese Fusion!“

„Und wenn Murdoch nun mit ihr spricht?“

„Wenn Murdoch mit ihr spricht, wird sie bereits Mrs. Alex Garrison sein.“

Ryan schüttelte langsam den Kopf. „Das genügt nicht. Sie darf überhaupt keine Gelegenheit haben, mit Murdoch zu sprechen.“

„Aber daran können wir ihn doch nicht hindern.“

Ryan lehnte sich wieder zurück und schlug betont langsam die Beine übereinander. „Oh doch. Er wird mit ihr nicht sprechen wollen, wenn er meint, es lohne sich nicht.“

„Aber es geht hier um viele Millionen.“

„Das schon. Aber wir werden ihm gegenüber so tun, als gehöre das alles bereits uns.“

Worauf spielte er an? Ryan war ein schlauer Fuchs. Etwas ruhiger geworden, setzte Alex sich wieder hinter seinen Schreibtisch. „Wie denn?“ Gespannt wartete er auf Ryans Antwort.

„Dafür brauchen wir viererlei.“

„Und das wäre?“ Alex wusste, dass Ryan ein genialer Stratege war. Schon oft hatte er sich auf seinen Rat verlassen können.

„Erstens, die Unterlagen über McKinleys finanzielle Situation. Zweitens, ein paar Insiderinformationen über Murdoch und seine Geschäfte. Drittens, eine nicht ganz saubere Marketing-Kampagne, und viertens, einen Diamantring an Emmas Finger.“

Die Sache mit dem Ring und der Marketing-Kampagne konnte Alex übernehmen. Außerdem fand sich sicher irgendein Vorwand für seinen Wunsch, die McKinley-Unterlagen über das Wochenende einzusehen. Aber er hatte keinerlei Kontakt zu den Leuten von Murdoch. „Was für eine Art von Insiderinformationen brauchst du denn?“

Ryan zögerte kurz. „Kannst du Nathaniel anrufen?“, fragte er dann.

Alex sah ihn überrascht an. „Wenn du mit meinem Cousin Kontakt aufnehmen willst, hast du wohl etwas Besonderes vor.“

„Kann sein. Schließlich geht es um einen Batzen Geld.“

Da hatte er recht. Also Nathaniel.

3. KAPITEL

Emma schlüpfte in einen dicken weißen Bademantel, der das Logo der McKinley-Hotels trug, und nahm ihr Haar im Nacken mit einem Gummiband zusammen. Das Bad hatte ihr gutgetan.

Sie wohnte in dem „McKinley Inn“ an der Fifth Avenue. Zuerst war es ihr etwas seltsam vorgekommen, in einem Hotel zu leben, aber dann hatte sie die Annehmlichkeiten schätzen gelernt. Das Penthouse wurde regelmäßig gereinigt, zu jeder Tages- und Nachtzeit konnte sie etwas Warmes zu essen bekommen, und der Blick begeisterte sie immer wieder. Im dritten Stock waren die Verwaltungsbüros untergebracht, und so war sie von ihrem Arbeitsplatz nur eine kurze Liftfahrt entfernt, was an einem kühlen Wintertag in Manhattan nicht zu verachten war.

Sie kuschelte sich in die Ecke ihres gemütlichen Sofas und stellte den Fernsehapparat an. Es war Freitagabend, Viertel nach elf. Das Abendessen hatte sie ausfallen lassen, aber einen kleinen Käseteller und ein Glas Rotwein würde sie sich zu den Wirtschaftsnachrichten noch gönnen.

Sie rief den Empfang an und bestellte den Käseteller und eine Flasche Cabernet. Danach machte sie es sich wieder auf dem weichen Sofa bequem und verfolgte ein Interview mit dem Geschäftsführer eines großen Energiekonzerns.

Es klopfte, und Emma hastete zur Tür, um Korissa einzulassen, den Blick immer noch auf den Fernsehschirm gerichtet. „Haben die in der Küche auch noch ein paar Weintrauben mitgegeben?“, fragte sie, während sie die Tür öffnete.

„Keine Ahnung“, sagte eine tiefe Stimme.

Emma fuhr herum und fand sich nun Auge in Auge mit Alex Garrison. Verlegen hielt sie den Bademantel zusammen. „Ich … ich dachte, es sei Korissa.“

„Nein, ich bin es, Alex.“

Er blickte sie von oben bis unten an, und sie wurde rot, als sie daran dachte, was für einen Anblick sie bot mit dem strubbeligen nassen Haar und dem viel zu großen Bademantel.

„Was willst du denn hier?“ Sie waren doch erst für den nächsten Tag verabredet, denn sie hatte sich breitschlagen lassen, ihn ins Casino zu der Wohltätigkeitsveranstaltung zu begleiten. Und sie war absolut nicht in der Stimmung, sich schon wieder mit ihm auseinanderzusetzen, schon gar nicht bei diesem Anblick, den sie bot.

Er hob die Hand mit dem Aktenkoffer. „Ich dachte, dass du gern über meine finanzielle Situation Bescheid wüsstest.“

„Um kurz vor Mitternacht?“

„Wolltest du nicht einen Ehevertrag abschließen?“

Sicher wollte sie einen Ehevertrag, aber doch nicht jetzt. Jetzt wollte sie die Nachrichten hören und dann ins Bett gehen. Sie brauchte ihren Schlaf, wenn sie ihm am kommenden Abend wieder gewachsen sein wollte. „Ich habe wirklich keine …“

„Was du heute kannst besorgen … Du kennst doch den Spruch.“ Alex blickte auffordernd in den Raum hinter Emma, dann machte er einen Schritt auf sie zu.

Das kam überhaupt nicht infrage! Emma trat ihm in den Weg, doch in diesem Augenblick kam Korissa mit dem Servierwagen. Sie blieb überrascht stehen, als sie den späten Besucher sah. „Soll ich ein zweites Glas bringen?“

„Das wäre sehr nett“, sagte Alex, und bevor Emma reagieren konnte, war er an ihr vorbei ins Zimmer getreten.

Vor Korissa wollte Emma keine Szene machen, aber sie schwor sich, der Mann würde nicht bleiben.

Alex sah sich in aller Seelenruhe um und wies bewundernd auf den Perserteppich, den Marmorkamin und die Deckenlampe von Tiffany. „Sehr hübsch, wirklich sehr hübsch.“

„Danke“, sagte Emma steif, während Korissa den Wein, den Käseteller und frische Blumen auf den Esstisch stellte.

Als Korissa endlich gegangen war, schloss Emma mit Nachdruck die Tür und wandte sich entschlossen zu Alex um. „Das ist eine sehr unpassende Zeit für einen Besuch.“

Er stellte den Aktenkoffer auf dem Esstisch ab und sah Emma zerknirscht an. „Ich weiß, und ich möchte mich auch entschuldigen. Aber ich komme direkt von einer Besprechung.“

Wieder blickte er sie von oben bis unten an. „Du hast heute wohl freigehabt? Zumindest den Nachmittag und den Abend?“

„Keineswegs. Ich war bis abends in meinem Büro, habe dann noch eine Telefonkonferenz hinter mich gebracht, mich mit drei Zulieferern herumgeschlagen und dann bis zehn mit Leuten aus der Finanzabteilung zusammengesessen.“

„Aber jetzt hast du Zeit.“

„Sehe ich so aus?“

Er musste grinsen. „Auf alle Fälle siehst du sehr …“

„Lass. Ich will es nicht hören.“

„Sehr süß aus, wollte ich sagen.“

„Nein, scheußlich wolltest du sagen.“

„Warum musst du dich immer …“

„Weshalb bist du gekommen, Alex?“, unterbrach sie ihn.

Er schüttelte den Kopf und nahm einen schmalen Aktenordner aus seinem Köfferchen. „Ich möchte mit dir die Finanzunterlagen austauschen.“

„Komm morgen früh wieder.“ Sie sehnte sich nach ihrem Bett.

„Ich habe den ganzen Tag keine Zeit.“

„Und ich habe die ganze Nacht keine Zeit.“

Alex wirkte überrascht, dann warf er einen Blick auf die Schlafzimmertür. „Du bist nicht allein?“

Emma begriff nicht gleich, was er meinte. Dann sah sie ihn empört an. „Doch, ich bin allein.“

„Ich dachte, du genießt vielleicht ein letztes Mal noch deine Freiheit.“

Er hatte wirklich Nerven! „So ein Typ bin ich nicht.“

Alex grinste. „Wirklich nicht?“

„Würde ich sonst so herumlaufen?“

„Ich habe dir doch schon mal gesagt, du siehst süß aus.“ Er ging langsam auf sie zu. „Ehrlich, Emma. Ich weiß wirklich nicht, warum du so unsicher bist.“

Emma starrte ihn böse an.

„Du bist wunderschön“, sagte er leise.

„Hör auf!“, stieß sie hervor. Es war offensichtlich, dass er nach einem bestimmten Plan vorging, wahrscheinlich, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen und sie zu verunsichern. Sie spürte seinen prüfenden Blick, und ein Schauer rieselte ihr über den Rücken.

„Du solltest nicht so schlecht über dich denken, Emma.“

Sie hatte Schwierigkeiten, normal zu atmen, und konnte nicht gleich antworten. Ihre Stimme, ihre Glieder schienen ihr nicht mehr zu gehorchen, und sie stützte sich auf der Tischkante ab. „Du hast einen … seltsamen Geschmack“, brachte sie schließlich heraus.

Er lächelte sie an.

Sein Mund war verführerisch und sexy, und Alex war bereit, sie zu küssen, das war nicht zu übersehen. Er sah sie mit einem Blick an, bewundernd und besitzergreifend zugleich, als sei sie die einzige Frau auf der Welt, die er begehrte.

„Glaubst du wirklich, dass es mir auf Samt und Seide ankommt?“, fragte er leise.

„Ich hätte eher auf Stilettos und schwarze Spitze getippt“, gab sie zurück.

Seine Nasenflügel bebten leicht. „Soso.“ Sein Blick ließ sie nicht los.

„Nicht bei mir.“

„Warum denn nicht?“ Alex starrte ihr auf den Ausschnitt.

Das ging zu weit. „Alex!“

Er wies mit dem Kopf auf die Schlafzimmertür. „Vielleicht ist da etwas, was mir gefallen könnte?“

Himmel, auch das noch! Vielleicht das knappe Hemdchen mit dem winzigen Slip, das Katie ihr zum letzten Geburtstag geschenkt hatte? Nie würde er das zu sehen bekommen.

Alex lachte leise. „Stille Wasser sind tief, was?“

„Ich habe nichts“, log sie.

Alex strich ihr sanft eine Haarsträhne aus der Stirn. „Aber sicher hast du etwas, Emma. Na los, enthülle es mir, dein dunkles Geheimnis.“

Er machte sich lustig über sie, das wusste sie genau, dennoch konnte sie sich seinem Einfluss nicht entziehen. Seine dunklen Augen schienen sie zu hypnotisieren, deshalb senkte sie schnell den Blick. Er durfte keine Macht über sie gewinnen, sie musste stark bleiben. Vor allem durfte sie sich nicht aus dem Konzept bringen lassen. Sie hatte etwas, was er wollte, und das Geschäft sollte nach ihren Bedingungen abgewickelt werden.

Als Alex eine Hand auf ihre Schläfe legte, konnte sie nicht mehr klar denken. Mit den Fingerspitzen strich er ihr liebkosend über das Haar, und Emma hatte den Eindruck, all ihre Nerven würden an diesem Punkt der Berührung zusammenlaufen. Sie entspannte sich, ihre Haut rötete sich, sie öffnete leicht die Lippen und lehnte sich vor.

Sie spürte seine Hand in ihrem Nacken, mit der er ihren Kopf näher an sich heranzog. Jetzt legte er den Kopf leicht zur Seite, und sie tat es ihm nach, hob sich auf die Zehenspitzen, hielt ihm das Gesicht entgegen, schloss die Augen …

Nichts geschah. Gut, sagte ihr Verstand. Mach weiter, bat der Körper.

„Mein eigenes dunkles Geheimnis ist …“, Alex hielt inne, und Emma spürte seinen Atem an ihrer Wange, „… ist mein Wunsch …“, wieder stockte er, „… in deine finanziellen Unterlagen Einblick zu bekommen.“

Ihr war, als hätte ihr jemand einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf gegossen.

Gut so.

Wirklich.

Es wäre sehr dumm von ihr gewesen, sich von Alex küssen zu lassen. Irgendwann würde sich das zwar nicht vermeiden lassen, denn das sah ihre Abmachung quasi vor, aber das sollte besser nicht bei ihr zu Hause stattfinden, vor allem nicht, wenn sie halbnackt war.

Beinahe wäre es dazu gekommen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht?

Sie versuchte, sich von ihm zu lösen. „Einverstanden. Aber dann musst du gehen.“

„Okay.“

Er ließ sie los, zögernd, wie ihr schien. In seinen Augen brannte ein Feuer, das sie beunruhigte.

Was bedeutet das? Nein, sie durfte jetzt nicht darüber nachdenken, das würde sie nur wieder ablenken. Hier ging es ums Geschäft und um nichts anderes.

Sie durchquerte den Raum und stellte ihren Computer an. Die Zahlen des letzten Vierteljahres waren schnell aufgerufen. Sie druckte sie aus und gab Alex die Liste.

„Danke“, sagte er und war schon an der Tür.

„Bitte.“

Er öffnete die Tür, blieb dann aber stehen, wandte sich um und musterte sie aus leicht zusammengekniffenen Augen. „Emma …“

„Gute Nacht“, sagte sie und lächelte freundlich.

Alex sog scharf die Luft ein. Es sah aus, als wollte er noch etwas sagen, aber dann nickte er nur zum Abschied. „Gute Nacht.“

Aufatmend schloss Emma die Tür hinter ihm. Ihre Finger zitterten, als sie den Schlüssel umdrehte. Das war ja noch mal gut gegangen. Aber so etwas durfte nie wieder passieren.

Sie hatte mit Alex rein geschäftlich zu tun. Ihr Vater war immer stolz auf sie gewesen, weil sie überall anpackte, wo es nötig war. Ob sie am Empfang einsprang oder als Kellnerin, wenn ein Engpass bestand, sie hatte alles gut gemeistert. Also würde sie auch diesen Deal hinter sich bringen. Es konnte doch nicht so schwierig sein, für eine gewisse Zeit die Ehefrau von Alex Garrison zu spielen.

Wenn sie ihn küsste, würde es ein sachlicher, rein geschäftsmäßiger Kuss werden. Und er würde immer in der Öffentlichkeit stattfinden, um das Bild der liebenden Frau aufrechtzuerhalten. Allein mit ihm, halbnackt und heiß vor Erregung, diese Situationen musste sie unbedingt vermeiden.

Im Übrigen tat sie nur das, was auch ihr Vater getan oder ihr zumindest geraten hätte. Sie machte das Beste aus dieser schwierigen Lage.

Als ihre Mutter starb, hatte ihr Vater genau das getan. Er hatte gelernt, den Kindern die Mutter zu ersetzen. Bald konnte er ihnen Zöpfe flechten, die Kinderzimmer tapezieren und zum Wochenende wunderbare Schokoladenkekse backen. Als das Hotel in Montreal abbrannte, hatte er das getan, was nötig war. Anstatt sein Unglück zu beklagen, hatte er unverdrossen angefangen, alles wieder aufzubauen. Er war ein ewiger Optimist gewesen und war furchtlos an alle Aufgaben herangegangen.

Das konnte sie genauso gut. Sie würde sich nicht durch irgendwelche albernen Gefühle von ihrem Ziel ablenken lassen. Ihr Vater sollte stolz auf sie sein können.

Am Samstagabend war Emma auf der Hut. Als die große Limousine vor dem Eingang des Casinos hielt, wartete sie, bis Alex ausgestiegen war. Erst dann rutschte auch sie auf dem Rücksitz in Richtung Tür. Ihr war klar, dass vor dem Eingang die Reporter lauerten, und so strich sie schnell ihr champagnerfarbenes Cocktailkleid glatt und setzte ein freundliches Lächeln auf.

Alex reichte ihr eine Hand, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Erst wollte sie ablehnen, denn sie wollte es möglichst vermeiden, ihn zu berühren, aber dann sah sie ein, dass eine solche Geste von ihm erwartet wurde. Sie streckte die Hand aus, und sowie sich ihre Fingerspitzen berührten, wurde ihr heiß. Tapfer lächelte sie dennoch in die Kameras, halb geblendet von den aufflammenden Blitzlichtern.

Sie sah Alex an und war überrascht über den warmen Ausdruck in seinen Augen. Dann wandte er sich mit einem strahlenden Lächeln den Reportern zu, und sie wusste, auch sie musste jetzt ihre Rolle spielen. Sie versuchte, die bewundernde Braut darzustellen, ohne Alex anzusehen, denn der Druck seiner Hand machte sie schon nervös genug. Freundlich nickte sie nach links und rechts, während sie über den roten Teppich auf den Eingang zugingen und die Fragen der Reporter auf sie einprasselten.

Vor dem Eingang blieb Alex stehen, legte ihr einen Arm um die Taille und drehte sich mit ihr zusammen zu den Fotografen um. Er drückte sie an sich, und sie war sich seines warmen Körpers sehr bewusst.

„Tu so, als würdest du mich anbeten“, flüsterte er ihr zu.

„Das versuche ich doch schon die ganze Zeit“, gab sie leise zurück und versuchte zu ignorieren, wie sehr ihr Körper auf seine Nähe reagierte. Ihr Lächeln wirkte etwas verkrampft.

„Gib dir mehr Mühe.“ Er winkte der Menge noch einmal strahlend zu, dann schob er Emma auf den Eingang zu.

„Wollen wir nicht auf Katie und David warten?“ Immer noch lag seine Hand auf ihrem Rücken.

„Sie werden schon kommen.“

„Aber wir können doch …“

„Erst wenn du besser schauspielern kannst, können wir uns länger den Paparazzi aussetzen.“

„Ich lächele doch die ganze Zeit.“

„Das nennst du lächeln? Das ist höchstens eine Grimasse.“

„Nur weil ich Schmerzen habe.“

Er ließ sie sofort los. „Tut ich dir etwa weh?“

„Es geht eher um psychische Schmerzen.“ Das war noch nicht einmal gelogen.

„Nimm dich zusammen.“ Alex legte ihr wieder eine Hand auf den Rücken und trat mit ihr zusammen ein.

Sofort kam ein Mann mit spärlichem Haarwuchs auf sie zu und verbeugte sich leicht. „Mr. Garrison“, sagte er lächelnd. „Wir freuen uns, dass Sie uns heute Abend die Ehre geben.“

„Guten Abend, Maxim.“ Alex streckte die Hand aus. „Darf ich Sie mit meiner … Freundin bekannt machen? Dies ist Emma McKinley.“ Wieder sprach er ihren Namen auf eine Art und Weise aus, die Emma leicht erröten ließ. „Maxim ist die Seele des Teddybär-Trusts.“

Maxim lächelte und nahm Emmas Hand. „Und Sie sind die Seele der ‚McKinley Inns‘. Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Ich habe schon viel von Ihnen gehört.“

„Bitte, nennen Sie mich Emma.“ Diesmal fiel Emma das Lächeln leicht. „Ich bin sehr beeindruckt, was Sie mit dem Teddybär-Trust schon alles auf die Beine gestellt haben.“

Die Stiftung hatte im letzten Jahr den Bau der Kinderabteilung des St. Xavier Krankenhauses finanziert und unterstützte viele Forschungsvorhaben, die sich mit Krebserkrankungen besonders bei Kindern beschäftigten.

„Bitte, kommen Sie hier entlang.“ Maxim führte sie durch eine gläserne Seitentür in eine große Halle, von der viele Räume abgingen. „Getränke werden in dem Raum serviert, der auf die Terrasse hinausgeht. Aber vielleicht haben Sie Lust auf ein Spiel? Da könnte ich den Pavillon empfehlen.“

„Wie wäre es mit Blackjack?“ Alex grinste Maxim an.

Maxim musste lächeln. „Ich weiß, letztes Jahr hatten Sie Pech.“ Dann zwinkerte er Emma zu. „Aber ich bin sicher, Sie werden ihm Glück bringen.“

„Ich werde mein Bestes tun.“ Emma hatte ihre Zweifel, dass Fortuna auf ihrer Seite war, da sie und Alex die ganze Stadt zum Narren hielten.

Alex griff nach ihrer Hand und nickte Maxim kurz zu, während er ihr den Handrücken küsste. Wieder hatte Emma Schwierigkeiten, ihre gleichmütige Miene zu bewahren. Um sich abzulenken, sah sie sich in der großen Halle um. Prächtige Kronleuchter gaben ein strahlendes Licht, viele der großen Fenster waren im oberen Bereich mit kunstvollem Buntglas verziert. Große Spiegel waren in dem großzügigen Flur angebracht, den sie auf dem Weg zum Pavillon durchschritten. Unwillkürlich fiel Emmas Blick auf ihr Spiegelbild, und wieder erschauerte sie, als sie diesen großen dunkelhaarigen Mann sah, der seine Hand auf ihren Rücken gelegt hatte, nur Millimeter vom tiefen Rückenausschnitt entfernt.

„Möchtest du etwas trinken?“, fragte er.

„Ja, gern. Einen Chablis.“ Sie räusperte sich, auch um diese süße Schwäche abzuschütteln, die sie neuerdings ständig in Alex’ Gegenwart befiel. Schließlich war das Ganze nur eine Farce, in der sie ihre vorgezeichneten Rollen spielten. Sie mussten beide so tun, als wären sie ein Paar, um die Reporter und damit die Öffentlichkeit zufriedenzustellen und Alex’ Image aufzupolieren. Das war nun einmal die Bedingung dafür, dass er ihre Hotelkette sanierte.

Deshalb war es dringend notwendig, diese Rolle auch souverän zu spielen und sich nicht von Alex’ Sex-Appeal ablenken zu lassen. Sie musste endlich ihre Gefühle in den Griff bekommen.

„Da sind wir schon.“ Er wies auf einen breiten Durchgang.

Sie traten in den sogenannten Glaspavillon, und sofort richteten sich alle Augen auf sie. Ob die Leute Alex erkannten? Oder sie? Emma wandte sich um, um nach Katie und David Ausschau zu halten. „Ich glaube, wir haben meine Schwester verloren.“

„Wir brauchen keinen Anstandswauwau.“

„Aber …“

„Heute geht es nur um dich und mich.“ Alex lächelte sie an, dann entdeckte er ein bekanntes Gesicht und winkte jemandem am anderen Ende des Saales zu.

Als sie die Bar erreichten, gab Alex die Bestellung auf. „Versuch, dich zu entspannen und den Abend einfach zu genießen“, riet er Emma.

Wie sollte sie sich unter diesen Bedingungen entspannen? In seiner Nähe war ihr das schier unmöglich. Emma riss sich zusammen und zwang sich zu einem Lächeln.

„In wenigen Minuten kannst du anfangen, mein Geld auszugeben.“ Er zwinkerte ihr zu.

„Ich habe noch nie in meinem Leben gespielt!“ Das klang schnippischer, als sie beabsichtigt hatte.

„Irgendwie wundert mich das nicht“, sagte er und griff in die Kristallschale mit Nüssen, die auf dem Tresen stand.

„Was soll das denn heißen?“

„Das soll heißen, dass du sehr konservativ bist.“

Der Barkeeper stellte die Gläser vor sie hin.

„Das stimmt überhaupt nicht.“

Alex steckte eine Banknote in die Trinkgeldbox. „Oh doch.“ Er reichte ihr den Chablis und führte sie zurück zum Eingang. „Aber wenn du mir das Gegenteil beweisen willst, brauchst du dich nur an einen der Blackjacktische zu setzen. Allerdings musst du die Leute auch wissen lassen, dass du mein Geld ausgibst.“

Sie nahm einen Schluck von dem gekühlten Wein. Das tat gut. „Das ist es also, was der moderne junge Mann heutzutage für die Frau tut, die er liebt?“

„Ja, seitdem es nicht mehr üblich ist, ein Mammut für die Angebetete zu erlegen.“

Sie nahm noch einen Schluck. „Und wenn ich stattdessen lieber ein Mammut hätte?“

„Hast du vor, weiterhin unerfüllbare Forderungen zu stellen?“

Sie lachte. „Sieht wohl so aus.“

Er wies auf eine Doppeltür. „Hier geht es zu den Blackjacktischen.“

„Ehrlich, Alex, ich habe wirklich keine Ahnung, wie man das spielt.“

„Es ist ganz einfach.“

Sie betraten einen Raum, der auf einen zauberhaft beleuchteten Garten hinausging. Draußen schwangen Laternen sanft in der Abendbrise und beleuchteten die elegant gekleideten Gäste, die aus dem Restaurant kamen. Männer in schwarzen Anzügen und mit schwarzer Fliege standen hinter den Spieltischen und teilten Karten aus.

Alex schob Emma durch die Menge und ließ sie an einem Tisch Platz nehmen, der mit grünem Tuch bespannt war. Sie setzte sich, und er legte ihr einen Arm um die Schultern. „Ich werde es dir erklären“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Erklären, was erklären? Seine Nähe machte Emma vollkommen konfus. Sie nahm sein markantes Aftershave wahr, spürte seine Wärme, hörte seinen tiefen schmeichelnden Bass …

„Da bist du ja!“, riss sie in diesem Augenblick eine Stimme aus ihren Träumereien. „Das ist ja wunderbar!“

Katie, endlich.

Katie setzte sich neben sie. Zwei Männer hatten bereits an der anderen Seite des Tisches Platz genommen. Also war nur noch ein Stuhl unbesetzt. David stellte sich hinter Katies Stuhl, und Emma nickte ihm lächelnd zu.

„Kauf mir ein paar Chips“, bat Katie.

Aus dem Augenwinkel sah Emma, wie Alex dem Dealer ein paar Geldscheine zuschob.

„Ich dachte, wir wollten zu den Roulettetischen gehen“, wandte David ein.

Katie klopfte strahlend auf das grüne Tuch. „Ich möchte Blackjack spielen.“

Der Dealer schob Emma vier Stapel roter Chips zu. Alex stand hinter ihr. Sie lehnte sich zurück. „Was soll ich nun machen?“, fragte sie leise.

Ohne ihn anzusehen, wusste sie, dass er lächelte. Er beugte sich ein wenig vor, sodass das glatte Tuch seines Anzugs über ihren nackten Rücken strich. „Jetzt musst du setzen“, sagte er leise. „Leg den Chip in das weiße Quadrat vor dir.“

Einer der Männer legte zwei grüne Chips vor sich hin, der andere einen schwarzen.

„Was bedeuten die Farben?“, fragte Emma.

„Erklär ich dir später.“

Der Dealer setzte einen Stapel schwarzer Chips vor Katie ab.

Emma legte einen roten Chip in das Quadrat, und der Dealer legte vor jeden der Mitspieler eine Karte offen hin.

Emma blickte zu den anderen hinüber. Ob der Dealer einen Fehler gemacht hatte? Wieder wandte sie sich an Alex. „Aber die können doch alle sehen, was ich habe.“

„Das macht nichts. Du spielst nur gegen den Dealer.“

„Aber der sieht doch auch, was ich habe“, zischte sie ihm zu. „Das ist nicht fair.“

„Warte ab, und vertrau mir.“

Emma drehte sich zu Alex um. Sie sollte ihm vertrauen? Das sollte wohl ein Witz sein. Er hatte doch eindeutig klargemacht, dass es ihm nur um seine eigenen Interessen ging.

In diesem Fall war es natürlich sein Geld, und es spielte keine Rolle, wenn sie verlor.

„Emma?“

Sie schrak hoch.

Alex wies auf den Tisch. „Sieh dir deine Karten an.“

Vor ihr lagen eine Dame und ein Ass, also zusammen einundzwanzig Punkte.

„Du hast gewonnen“, sagte er, als der Dealer einige Chips in ihr Quadrat schob.

„Ich werde verrückt!“ Katie sah sie bewundernd an.

Obgleich es reiner Zufall war, war Emma doch stolz. Sie hatte zum ersten Mal gespielt und hatte gleich gewonnen. Das konnte ihr keiner nehmen, was auch immer geschehen würde.

„Meine Karten waren eine Pleite.“ Katie seufzte, und David gab ihr recht.

Der Dealer sammelte die Karten ein.

Emma schob wieder einen Chip in ihr Quadrat.

„Setz mehr dieses Mal“, meinte Alex.

Zögernd nahm sie einen zweiten in die Hand.

„Wenn du so weitermachst, sitzen wir um Mitternacht noch hier“, stöhnte er.

„Dann spiel du doch.“

„Nein.“ Wieder kam er näher und strich ihr dabei mit der Hand über den nackten Rücken. „Die Leute sollen doch sehen, dass ich für dich viel Geld ausgebe.“

Sie drehte sich zu ihm um, um etwas zu erwidern, und hätte fast mit ihrer Nase seine Wange berührt. Er duftete so gut, dazu seine beschwörende Stimme, die warme Hand auf ihrem Rücken … Am liebsten hätte sie sich in seine Arme fallen lassen.

Hastig griff sie nach ihrem Weinglas. „Du könntest doch mit meinem Geld spielen.“

Er lachte leise. „So herum klappt es nicht. Los, du musst setzen.“

„Alter Chauvi!“

„Ja, ich bin ein Chauvi. Du solltest dich lieber daran gewöhnen.“

Na gut. Er wollte, dass sie sein Geld ausgab? Kein Problem. Emma schob einen ganzen Stapel Chips auf das weiße Quadrat. Zufrieden, Alex Garrison?

„Sehr gut!“, lobte er.

„Du liebe Zeit, was tust du?“ Katie sah ihre Schwester erschrocken an.

„Wieso?“ Emma drehte sich zu ihr um.

„Das sind zehntausend Dollar!“

„Was?“ Emma hätte sich fast verschluckt.

Die erste Karte wurde vor ihr aufgedeckt.

„Das sind Fünfhundertdollar-Chips!“

Emma wäre fast übel geworden. Schnell wollte sie den Stapel wieder von dem weißen Quadrat nehmen, aber Alex hielt ihre Hand fest. „Zu spät“, sagte er leise.

Sie starrte ihn an, die Augen weit aufgerissen vor Entsetzen. Sie konnte doch nicht zehntausend Dollar auf ein paar Karten setzen. Das war Wahnsinn.

„Spiel weiter.“ Alex Stimme klang ruhig.

„Warum hast du mir das nicht gesagt?“

„Was hätte ich dir sagen sollen?“

„Das weißt du ganz genau.“

„Mach weiter.“

„Ich denke nicht daran.“ Sie wollte aufstehen, aber er hielt sie am Arm fest.

„Du hast gewonnen.“

„Was?“

Er wies mit dem Kopf auf ihre Karten. „Du hast schon wieder gewonnen. Du solltest wirklich häufiger spielen.“

Erst jetzt blickte Emma auf die beiden Karten vor sich. Es waren eine Zehn und ein Ass, wieder einundzwanzig Punkte. Sie ließ sich auf den Stuhl sinken.

„Wieder nichts“, sagte Katie niedergeschlagen.

Autor

Barbara Dunlop
<p>Barbara Dunlop hat sich mit ihren humorvollen Romances einen großen Namen gemacht. Schon als kleines Mädchen dachte sie sich liebend gern Geschichten aus, doch wegen mangelnder Nachfrage blieb es stets bei einer Auflage von einem Exemplar. Das änderte sich, als sie ihr erstes Manuskript verkaufte: Mittlerweile haben die Romane von...
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