Blind Date mit dem Playboy

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Elyse muss beweisen, dass die Locketts für den Ruin ihres Vaters verantwortlich sind, denn dafür sollen sie büßen! Endlich hat sie einen Weg gefunden, sich in die mächtige Familie einzuschleichen: Der umwerfend attraktive Julian Lockett will heiraten, und Elyse wird sein Blind Date. Dass es zwischen ihr und dem renommierten Mediziner vom ersten Moment an heftig knistert, ist der einfache Teil ihres Plans. Der schwierigere Teil: ihren Rachefeldzug nicht aus den Augen zu verlieren, als sie mit Playboy Julian im Bett landet …


  • Erscheinungstag 10.05.2022
  • Bandnummer 2236
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509015
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Schon wieder ein skandalöser Artikel über dich, Julian.“ Angelique Lockett seufzte tief. „Ist es dir wirklich so wichtig, Atlantas begehrenswertester Junggeselle zu sein?“

Julian zuckte nur die Schultern und sah seine Mutter an. Ihre elegant frisierten schulterlangen schwarzen Haare passten perfekt zu der A-Form ihres Kleides im Stil der Fünfziger. Er legte es nicht darauf an, seinem Ruf als Playboy gerecht zu werden. Er mochte einfach guten Sex.

Das sonntägliche Familiendinner in der großen Villa der Locketts hätte er gern ausgelassen, aber er wollte seine Mutter nicht enttäuschen. Er hatte sich innerlich gegen ihre Wut über den Artikel gewappnet. Diesmal ging es um seine Heldentaten bei der Modenschau einer jungen und vielversprechenden Designerin. War es vielleicht sein Fehler, dass er beide geangelt hatte, die Designerin und ihre Muse, das Topmodel der Show?

Julian war nicht so groß wie sein Vater Josiah oder seine beiden Brüder Roman und Xavier, der es heute mal wieder geschafft hatte, das Dinner zu schwänzen. Aber was Julian an Größe abging, machte er mit Charme und modischem Geschmack wett. Mit seinen hellbraunen Augen, seinem hübschen Gesicht und dem dunklen Dreitagebart war er offenbar schier unwiderstehlich für Atlantas Frauen. Julian Lockett galt als notorischer Womanizer, und er genoss diesen Ruf.

„Willst du nicht endlich eine Familie gründen? Ich kenne viele junge Frauen, die geeignet wären.“ Angelique warf ihrem ältesten Sohn Roman, der ihr mit seiner Frau Shantel gegenübersaß, einen verzweifelten Blick zu.

Shantel … Julian senkte den Kopf. Er hatte sie im College kennengelernt, und sie war bald zu einer engen Freundin geworden. Sie hatten einander immer alles anvertraut, was sie bewegte. Er hatte ihr von seinen zahllosen Affären erzählt und sie ihm von dem traumatischen Ende einer Beziehung und von dem Selbstmord ihrer Mutter. Obwohl er sie eher wie eine Schwester betrachtete, war ihm hin und wieder auch der Gedanke gekommen, sie zu heiraten – wenn er denn so weit wäre, sich endgültig zu binden.

Nun, der Traum war ausgeträumt. Roman hatte sie sich geschnappt, und Julian musste zusehen, wie Shantel und Roman sich verliebte Blicke zuwarfen. Obwohl Julian sich nicht vorstellen konnte, sich jemals ernsthaft zu verlieben, tat es ihm leid, seine Mutter zu enttäuschen. Und wenn er sah, wie innig Shantel und Roman sich liebten, kam ihm schon der Gedanke, dass an dieser ganzen Geschichte vielleicht doch was dran war. Liebe, Seelenverwandtschaft, für immer und ewig? Gab es das wirklich? Fehlte ihm etwas ganz Entscheidendes?

„Vielleicht“, meinte er zögernd.

Schlagartig schwiegen alle und starrten ihn an, als hätte er eine Bombe platzen lassen.

„Was ist?“ Lässig zuckte Julian die Achseln.

„Ist das dein Ernst?“ Giana konnte es nicht fassen. Sie war nur ein Jahr jünger als ihr Bruder, und die beiden standen sich besonders nah. Wann immer Julian ein Problem hatte, besprach er es mit seiner Schwester.

„Warum nicht? Ist doch nichts dabei, wenn Mom mich verkuppeln will.“

„Na ja …“ Angelique hob überrascht die Augenbrauen. „Falls – und ich sage ausdrücklich falls – ich dich mit jemandem zusammenbringen sollte, dann nur unter der Bedingung, dass du dich respektvoll benimmst und ich nicht hinterher irgendwelche peinlichen Überraschungen erlebe.“

Julian hob drei Finger. „Pfadfinder-Ehrenwort.“

Roman lachte. „Du warst ein miserabler Pfadfinder. Hast es gehasst, auf Fahrt zu gehen, draußen zu sein und dir die Hände schmutzig zu machen.“

„Und du warst immer fürchterlich ehrgeizig!“, gab Julian scharf zurück, obgleich er wusste, dass Roman recht hatte. „Du hast Auszeichnungen ja geradezu gesammelt.“

„Na und?“, mischte Josiah sich von der Stirnseite des Tisches aus ein. „Ehrgeiz hat noch niemandem geschadet. Und was Verantwortung betrifft, kannst du dir gern deinen Bruder zum Vorbild nehmen.“

Das musste ja kommen. Julian unterdrückte eine Erwiderung. Immer schon hatte sein Vater den Wettbewerb zwischen seinen Söhnen befeuert. Roman war der Lieblingssohn und war von Josiah zu immer größeren Leistungen angestachelt worden. Schließlich war er der Älteste und würde später das Management für die Cougars übernehmen, Atlantas Footballteam. Seinen Sohn Julian hatte Josiah kaum auf der Rechnung. Das war einer der Gründe, warum Julian sich seiner Mutter näher fühlte.

Angelique schüttelte den Kopf. „Nun, ich für meinen Teil bin froh, dass Julian daran denkt, sich unter Umständen fest zu binden. Ich werde sehen, was ich dafür tun kann.“

„Danke, Mom.“ Julian warf seine Serviette auf den Tisch und stand auf. „Das Essen war ausgezeichnet, wie immer.“ Er ging zu seiner Mutter und küsste sie auf die Wange. „Wir reden später“, flüsterte er.

Josiah sah ihn strafend an. „Und du bist wie immer der Erste, der geht!“

„Josiah!“, tadelte Angelique ihn ungehalten.

Julian wandte sich ab. Ursprünglich hatte er geglaubt, dass sein Beruf als Sportarzt ihm bei seinem Vater Respekt verschaffen würde. Aber er war eines Besseren belehrt worden. Es verdross Josiah ungeheuer, dass Julian sich bei den Cougars nicht als Spieler oder Team-Manager einbrachte. Dass der Sohn dafür sorgte, dass die Spieler gesund und einsatzfähig blieben, war Josiah nicht genug. Er diskutierte mit Roman lieber, wie man mit Merchandising-Artikeln mehr Geld verdienen konnte, oder spielte Football mit Xavier. Allerdings nur bis zu Xaviers Unfall. Danach musste er nämlich seine Karriere als Quarterback aufgeben.

Julian beachtete sein Schimpfen nicht, umarmte kurz Giana und Shantel, drückte Roman die Hand und verließ den Raum. Dass er nicht der Lieblingssohn war, wusste er schon lange, aber es war immer wieder schwer, sich damit abzufinden.

Er war schon fast an der Eingangstür, als er das Klackern von Absätzen hinter sich hörte. Er drehte sich um. Giana. „Julian, warte!“ Sie winkte ihm zu, ihr dunkles schönes Gesicht, umrahmt von schwarzen Locken, bildete einen atemberaubenden Kontrast zu ihrem feuerroten Kleid, das in der Taille mit einem schwarzen Gürtel zusammengehalten wurde. „Willst du auch vor mir davonlaufen?“

Er grinste kurz. „Eigentlich schon.“

„Du weißt doch, dass Daddy es nicht böse meint.“

Julian zuckte mit den Schultern. „Er ist so, wie er ist. Ja, ich weiß. Aber ich wundere mich, warum du ihn und sein schlechtes Benehmen ständig verteidigst.“

„Und ich frage mich, warum du immer das Schlechteste von ihm denkst.“

„Weil ich ziemlich sicher bin, dass er lieber einen anderen Sohn hätte als mich. Ich bin anders als Roman oder Xavier. Beide sind nach seinem Herzen, voller Ehrgeiz und Machtstreben. Diese Eigenschaften sind mir fremd. Manchmal denke ich tatsächlich, die haben mich im Krankenhaus vertauscht und ich gehöre zu einer ganz anderen Familie.“

„So was darfst du nicht sagen.“ Giana sah sich kurz um, als fürchte sie, Josiah würde plötzlich aus dem Nichts auftauchen.

Giana war einfach zu gut für diese Welt. Seine Schwester war Josiahs kleine Prinzessin, sein Augapfel. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Vater seine Kinder nicht alle in gleichem Maße liebte. „Aber es ist die Wahrheit, Giana. Du willst es dir nur nicht eingestehen. Okay, wenn du deinen Kopf weiter in den Sand stecken willst … Aber ich lebe in der Realität und weiß, dass ich es ihm nie recht machen kann, egal, was ich versuche.“

„Jetzt hörst du dich an wie Roman.“

„Tatsächlich? Von Anfang an hat Vater Roman und mich gegeneinander aufgehetzt. Wir sind total verschieden. Und das ist auch gut so. Ich fühle mich mit mir selbst sehr wohl, und es ist mir vollkommen egal, ob Josiah das akzeptiert oder nicht.“

„Also das“, Giana lachte leise, „ist eine dicke, fette Lüge.“

Wusste sie etwas, was er nicht wusste?

Sie trat dicht vor ihn hin. „Mach mir nichts vor und vor allem dir nicht. Vollkommen egal, dass ich nicht lache. Du würdest deinen linken Arm hergeben, wenn Daddy dir nur halb so viel Aufmerksamkeit schenken würde wie Roman oder Xavier.“

„Wiedersehen, Giana.“ Julian drehte sich abrupt um und stürzte zur Haustür. Er hasste es, dass seine kleine Schwester ihn so gut kannte. Denn vielleicht hatte er tief in seinem Inneren, das er nur ungern erforschte, doch den Wunsch vergraben, sein Vater würde ihn genauso lieben wie seine anderen Kinder.

„Komm schon, Daddy!“ Elyse Harper versuchte, die gut achtzig Kilo von Frank Robinson vom Boden hochzuziehen. Wie schon oft war er in seiner Lieblingsbar volltrunken zusammengebrochen. „Zeit, nach Hause zu gehen.“

„Warte, Elyse, ich helf’ dir.“ Bartender Matt kam hinter dem Tresen hervor, ein blonder, muskelbepackter Mann mit reichlich Tattoos.

Elyse wusste, dass Matt etwas für sie übrighatte. Sie versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen, aber wenn er sie wegen ihres Vaters anrief, hatte sie keine Wahl. Heute war sie gerade erst nach Hause gekommen, als das Telefon klingelte. Ohne sich umzuziehen, war sie aus der Tür gestürzt, und wunderte sich nicht, dass Matt sie wie eine Erscheinung anstarrte. Noch nie hatte er sie in Kostüm und High Heels gesehen. Auch zum Abschminken hatte sie keine Zeit gehabt.

„Danke, Matt.“

Gemeinsam schleppten sie Frank Robinson zu Elyses kleinem Toyota, den sie direkt vor der Bar geparkt hatte. Nachdem sie Frank auf die Rückbank verfrachtet hatten, schlug Elyse mit einem erleichterten Seufzer die Wagentür zu. „Danke noch mal, dass du mich angerufen hast.“

„War doch selbstverständlich. Aber, Elyse, dein Vater muss unbedingt eine Entziehungskur machen. Es wird immer schlimmer mit seiner Trinkerei.“

„Ich weiß. Glaub mir, ich habe schon so oft versucht, ihn zu überzeugen, aber er stellt sich einfach taub.“

„Da kann man wohl nichts machen. Komm gut nach Hause.“

Elyse nickte und setzte sich hinter das Lenkrad. Bis zu Franks bescheidenem Zweizimmer-Apartment waren es nur zwei Meilen. Durch tüchtiges Schütteln und Rufen schaffte sie es, ihn aus seinem trunkenen Schlummer so weit aufzuwecken, dass sie ihn in seine Wohnung schleppen konnte, die glücklicherweise im Parterre lag. Im Schlafzimmer ließ er sich aufs Bett fallen. Elyse zog ihm die Schuhe aus und deckte ihn mit einer schäbigen Wolldecke zu.

Als sie schließlich das Gebäude verließ, atmete sie auf. Doch im Auto kamen ihr die Tränen. Wie sollte das bloß weitergehen? Wie lange noch konnte sie ihren Vater immer wieder aus diesem Schlamassel herausholen, aus dem sein Leben bestand? Wie war es nur so weit gekommen? Früher war er ein Mann mit großen Träumen und fantastischen Ideen gewesen, bewundert und geliebt von Frau und Tochter. Warum war alles nur so schiefgelaufen?

Elyse wusste, warum. Ein Mann war daran schuld. Josiah Lockett. Und er würde dafür büßen.

Der Mann, der heute die Atlanta Cougars besaß, an denen Frank Robinson früher einmal fünfzig Prozent der Anteile gehalten hatte, erfuhr eines Tages von Franks Spielsucht. Und anstatt dafür zu sorgen, dass sein Partner Frank eine Therapie machte, hatte er ihn noch in seiner Sucht bestärkt und ihm bei einem Pokerspiel die Cougars-Aktien abgenommen. Damit fielen Frank und seine Familie in ein Leben in Armut. Am Ende des Monats wussten sie oft nicht, wovon sie sich die nächste Mahlzeit kaufen sollten.

Noch schlimmer wurde es, als Elyses Mutter Nadine Harper Robinson an Brustkrebs erkrankte und starb, als Elyse gerade vierzehn war. Ihr Vater wusste nicht, wie er die Arzt- und Krankenhausrechnungen bezahlen sollte, und brach vollkommen zusammen. Er trank mehr und mehr. Auch bei dieser Sucht wollte Josiah seinem ehemals besten Freund nicht helfen. Stattdessen entwickelte er als alleiniger Eigner voller Elan neue Geschäftsideen, um noch mehr aus den Cougars herauszuholen. Allein mit dem Merchandising verdiente er Millionen.

Und Frank Robinson? Hangelte sich von einer Flasche Whiskey zur nächsten. So durfte es nicht weitergehen, das war Elyse klar. Aber was konnte sie tun?

Ping! Das war ihr Smartphone. Elyse hatte einen Alarm eingestellt, der anzeigte, wenn der Name Lockett in den Medien auftauchte. Sie blickte auf das Display. Hm, das war interessant: Julian Lockett wurde zusammen mit einer geheimnisvollen Schönheit gesehen. Läuteten nun auch für Atlantas begehrtesten Junggesellen die Hochzeitsglocken?

Elyse schloss die App. Von dem zweiten Lockett-Sohn wusste sie eigentlich nur, dass er laufend neue Freundinnen hatte und sich offenbar nicht festlegen wollte. Schlimmer noch, er ließ die Frauen fallen wie heiße Kartoffeln, sobald sie mehr von ihm wollten.

Wer wohl die geheimnisvolle Schöne war? Und falls Elyse das herausfand, wie konnte sie das zu ihrem Vorteil nutzen?

2. KAPITEL

Die Atlanta Cougars hatten natürlich nicht nur einen Sportarzt. Jeden Montag traf Julian in einem offiziellen Meeting seine Kollegen, die Physiotherapeuten, Trainer und wer sonst noch für die Gesundheit und die Kondition der Spieler verantwortlich war. Er wusste, dass einige glaubten, sein Vater habe ihm den Job verschafft, aber das kümmerte ihn nicht.

Sollten sie denken, was sie wollten. Letzten Endes wusste Julian, dass er sehr gut in seinem Job war. Unter anderem war er auch auf die Johns-Hopkins University gegangen und hatte seine Assistenzzeit in den besten Sportkliniken des Landes absolviert. Am liebsten wäre er orthopädischer Chirurg geworden, aber da gab es eine enorme Konkurrenz. Und seine Noten, obwohl sehr gut, waren nicht gut genug gewesen.

Josiah liebte es, ihn darauf hinzuweisen.

Nach dem Meeting zog Julian sich seinen Kittel über, um bei der Behandlung eines Bänderrisses zu assistieren, die in einer Technik durchgeführt wurde, die ihn besonders interessierte. Auf dem Weg zum Behandlungsraum begegnete er Xavier, der in Shorts und Tank-Top offenbar in Richtung Fitnessraum unterwegs war. „He, wo warst du denn gestern Abend?“

„Ich war … also, ich hatte zu tun.“ Ganz offensichtlich war Xavier die Frage peinlich.

„Mit einer Frau?“ Julian ließ nicht locker. Mit seinen ein Meter fünfundachtzig und gut hundert Kilo war Xavier der ideale Quarterback gewesen. Und mit seinem kurzen Haar und dem kaffeebraunen Teint machte er so manches Frauenherz schwach.

„Du hast nicht viel versäumt“, fuhr Julian fort, als er sah, dass Xavier ihn nur verärgert anstarrte. „Vater war schlecht gelaunt und musste mich wieder daran erinnern, dass Roman viel besser ist als ich. Und Mom will mich verkuppeln.“

Xavier lachte kurz auf. „Na, toll! Wahrscheinlich träumt sie von einem Leben mit unzähligen Enkelkindern, jetzt, wo wenigstens Roman verheiratet und Shantel schwanger ist. Du darfst dir das nicht gefallen lassen.“

Julian verdrehte die Augen. „Als wenn ich sie daran hindern könnte.“

„Und was willst du nun tun?“

„Ich werde sie machen lassen. Sie darf ein paar Dates arrangieren. Danach wird sie schon sehen, wie sinnlos das war, und wird mich in Ruhe lassen.“

Xavier schlug Julian lachend auf die Schulter. „Da kennst du Mom aber schlecht. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht sie das auch durch. Sie gibt erst auf, wenn du vor dem Altar stehst. Ciao, Bruder!“

Julian war nachdenklich stehen geblieben. Er hatte nichts dagegen, sich irgendwann an eine Frau zu binden, aber momentan war er noch nicht so weit. Er würde ein paar arrangierte Dates seiner Mutter über sich ergehen lassen. Aber dass die Richtige darunter war, das bezweifelte er stark.

Julian war zu Tode gelangweilt.

Cassandra Harris war das zweite Date, das seine Mutter in den letzten zwei Wochen angesetzt hatte. Das erste war ein ausgesprochenes Desaster gewesen, nicht zuletzt, weil er länger arbeiten musste und sich verspätet hatte. Er war nach Hause gestürzt, hatte sich umgezogen, aber als er ihr schließlich am Restauranttisch gegenübersaß, war auch mit seinem erprobten Charme nichts mehr auszurichten. Die junge Anwältin war verärgert und ging ziemlich schnell. Sie habe noch einen Fall für morgen vorzubereiten. Julian war ihr deshalb nicht böse gewesen.

Und nun saß er hier mit der zweiten Frau, die Angelique für ihn ausgesucht hatte. Angelique hatte ihm vorgeschwärmt, dass Cassandra Harris nun wirklich alle wünschenswerten Qualitäten besitze. Sie kam aus einer guten Familie, sah gut aus und hatte eine Karriere als Literaturprofessorin vor sich.

Nur hatten sie und Julian leider keinerlei Gemeinsamkeiten. Cassandra liebte akademische Vorträge, las gern, schrieb selbst und schwärmte für Opern. Julian hatte zwar nichts dagegen, hin und wieder mal eine Oper zu hören, aber er kam sehr gut ohne zurecht und ging lieber ins Theater. Als er Cassandra fragte, ob sie Lust habe, mal zu einer Modenschau oder einem Footballspiel zu gehen, sah sie ihn an, als habe er den Verstand verloren.

Offenbar war ihr nicht klar, dass seiner Familie ein Football-Team gehörte. Sich Footballspiele anzusehen, war bei den Locketts ein Muss. So war er erleichtert, als sie auf den Nachtisch verzichtete und meinte, sie müsse morgens früh raus. Immerhin war er so höflich, sie zu ihrem Wagen zu begleiten und sich formvollendet von ihr zu verabschieden. Sowie er in seinem eigenen Wagen saß, drehte er seinen Lieblingssender mit Pop-Musik auf volle Lautstärke. Irgendwie hatte er das Bedürfnis, sich von dem ganzen Operngesäusel zu entstauben. Wenn das nach Moms Meinung die ideale Partnerin für ihn war, dann irrte sie sich gewaltig.

Als Julian eine halbe Stunde später auf den Parkplatz vor seinem Wohnhaus einbog, klingelte sein Telefon. Mom! Seufzend nahm er das Handy aus der Halterung und stieg aus.

„Hi, Mom, was gibt’s?“

„Hallo, mein Junge. Ich wollte nur mal hören, wie der Abend mit Cassandra gelaufen ist“, zwitscherte sie.

Julian stöhnte tief auf.

„Oh, nein! Habt ihr euch nicht gut verstanden?“

Sie war enttäuscht, und das schmerzte Julian. „Aber, Mom! Was soll eine introvertierte, akademisch gebildete Frau wie Cassandra mit jemandem wie mir anfangen, der Partys liebt, gern Horrorfilme sieht und neugierig auf die verrücktesten Dinge ist?“

„Hm, vielleicht hast du recht. Aber ich hatte gehofft, dass sie einen beruhigenden Einfluss auf dich haben könnte.“

„Ich weiß, dass du es gut meinst.“ Inzwischen stand Julian in der Halle vor dem Fahrstuhl und drückte auf die Taste für das Penthouse. „Aber mit diesem Typ Frau kann es nicht klappen. Ich brauche eine, die lebhaft ist und eine ungewöhnliche und spannende Persönlichkeit hat. Nicht eine dieser zu wohlerzogenen und vernünftigen Frauen.“

„Okay, das sollte ich berücksichtigen. Aber ich verlasse mich darauf, dass du dich in der Zwischenzeit mit deinen Affären zurückhältst und der Presse kein Futter gibst.“

„Ja, das habe ich dir versprochen. Und meine Versprechen halte ich.“ Leider. „So, jetzt kommt mein Fahrstuhl. Bis später!“

Oben angekommen, öffneten sich die Fahrstuhltüren, und Julian schloss die Tür zu seinem luxuriösen Dreizimmer-Apartment auf. Er ließ sich auf die weiche Couch im Wohnzimmer fallen, schleuderte die Schuhe von den Füßen und zog sein Handy aus der Tasche.

Seine Mutter würde nicht leicht eine passende Kandidatin finden. In der Zwischenzeit hielt er sich zwar zurück, was Frauen betraf, das bedeutete aber nicht, dass er sich nicht anderweitig vergnügen könnte. Er tippte eine Nummer ein. „Hallo, Xavier! Wie wär’s mit einer Pokerrunde?“

„Das ist fantastisch!“ Elyses Chef Pierre King war begeistert, nachdem sie ihm ihre Strategie vorgestellt hatte. Sie hatten den Auftrag, das Image eines Rockstars, der momentan unter einem Shitstorm litt, wieder aufzumöbeln. „Sie haben es wirklich raus, die Sache auf den Punkt zu bringen. Es muss einfach funktionieren.“

„Danke.“ Elyse strahlte vor Stolz. Seit drei Jahren arbeitete sie für Pierre Kings PR-Firma und hoffte, eines Tages als Partnerin einsteigen zu können. Denn sie wollte in der Lage sein, den Kampf mit Josiah Lockett aufzunehmen und den guten Ruf ihres Vaters wiederherzustellen.

„Nur weiter so!“, sagte Pierre lächelnd. „Dann werden Sie noch Großes erreichen.“

Elyse schwebte wie auf Wolken, als sie das Chefbüro verließ. Auf dem Weg zu ihrem Büro stand plötzlich ihre Freundin Andrea Stevens vor ihr. Die große, schlanke Frau strahlte über das ganze sommersprossige Gesicht und machte das Siegeszeichen. „Alles gut gegangen, das sehe ich dir an. Herzlichen Glückwunsch!“

„Danke.“

„Das muss gefeiert werden. Wie wäre es mit Lunch? Zahle ich natürlich.“

„Hört sich gut an.“

Zwanzig Minuten später saßen die beiden in einem angesagten Restaurant, nippten an ihrem Perrier und warteten auf ihr Essen. Graved Lachs und Waldorfsalat mit Huhn waren hier besonders gut.

„Ich kann immer noch nicht glauben, wie gut das heute gelaufen ist.“ Elyse lehnte sich in ihrem Rattan-Sessel zurück.

„Nun hör aber auf, Elyse“, meinte Andrea. „Du bist gut, du bist ehrgeizig und willst an die Spitze.“

„Ist das schlimm?“ Elyse setzte sich wieder gerade hin und musterte die Freundin. „Du weißt doch am allerbesten, wie schwierig alles für mich ist.“

„Ja, ich weiß.“ Andrea nickte. „Wie geht es deinem Vater?“

„Immer das Gleiche mit ihm. Er schwimmt in Selbstmitleid. Irgendwie verstehe ich es nicht. Ich habe ihm die neue Wohnung verschafft, habe mich um einen Job für ihn bemüht, und trotzdem packt er es nicht. Ich weiß nicht, was ich tun soll.“

„Du kannst so nicht weitermachen, Elyse. Du musst ihm klarmachen, dass du ihm nicht mehr helfen wirst, wenn er nicht mit dem Trinken aufhört.“

„Das ist leichter gesagt als getan, Drea.“ Elyse seufzte. „Er ist das Einzige, was ich an Familie habe.“

„Du hast doch mich, Elyse.“

Die beiden kannten sich seit dem College, und Andrea war eine von Elyses ältesten und besten Freundinnen. Sie hatte Elyse unterstützt, als die sich bei King-PR bewarb.

„Ich weiß, ich weiß“, sagte Elyse schnell. Aber sie wollte nicht weiter über ihren Vater sprechen, nicht heute, wo sie allen Grund hatte, glücklich zu sein. Sie stand auf. „Entschuldige mich kurz.“

„Natürlich.“

Die Toilettenräume in dem Restaurant waren luxuriös eingerichtet. Die geräumigen Kabinen waren sogar mit Spiegel und Waschbecken ausgestattet. Elyse erschrak, als sie ihr Spiegelbild erblickte. Blass und elend sah sie aus. Andrea hatte recht, so ging es nicht weiter. Sie sollte ihren Vater sich selbst überlassen. Aber das brachte sie nicht fertig. Ihr Vater hatte nur sie. Sie musste versuchen, ihn aus dem Sumpf herauszuziehen.

Sie zog sich gerade die Lippen nach, als die Tür zum Vorraum aufgestoßen wurde.

„Mann, ich bin ja schon so aufgeregt wegen meines Dates heute Abend“, sagte eine junge weibliche Stimme.

„Tatsächlich? Jemand, den ich kenne?“ Das war wohl die Freundin.

„Du wirst es nicht glauben.“

„Warum denn nicht?“

„Es ist Julian Lockett“, flüsterte die erste Stimme.

„Das kann nicht wahr sein!“

„Doch, es kann, Janis. Julians Mutter und meine Mom kennen sich schon lange. Und Mrs. Lockett ist sauer, dass ihr Sohn nicht daran denkt, sesshaft zu werden, sondern wegen seiner Affären dauernd in der Klatschpresse auftaucht.“

„Und da hat deine Mom dich vorgeschlagen? Tiffany, das ist ja wahnsinnig! Er ist so attraktiv und soll fantastisch im Bett sein.“

„Aber, Janis“, sagte Tiffany lachend. „Ich geh doch nicht mit ihm aus, um ihn ins Bett zu kriegen. Zumindest nicht gleich. Erst wenn ich seinen Ring am Finger habe.“

„Julian Lockett wird nie heiraten und eine Familie gründen.“

„Warte es ab. Bisher hat er mich ja noch nicht kennengelernt.“

„Glaubst du das im Ernst? Wo trefft ihr euch?“

„Wir sind zum Dinner im Bacchanalia verabredet.“

„Tatsächlich? Da wollte ich immer schon mal hin.“

„Ich auch.“ Tiffany lachte leise.

Autor

Yahrah St John
Yahrah St. John hat bereits dreißig Bücher geschrieben. Wenn sie nicht gerade zu Hause an einer ihrer feurigen Liebesgeschichten mit unwiderstehlichen Helden und temperamentvollen Heldinnen arbeitet und sie mit einem Schuss Familientragödie würzt, kocht sie gern aufwändige kulinarische Leckereien oder reist auf der Suche nach neuen Abenteuern um die Welt....
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