Collection Baccara Band 391

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VERLOBT, VERFÜHRT ... VERLIEBT? von GARBERA, KATHERINE
Eine Scheinverlobung mit ihrem besten Freund Derek Caruthers? Für Bianca die einfachste Lösung, um die Verkuppelungsversuche ihrer Mutter abzuwehren - mehr nicht! Bis Derek sie zum ersten Mal küsst und sie überraschend ein gefährlich erregendes Prickeln verspürt …

STARKÖCHIN GESUCHT, LIEBE GEFUNDEN von BEVARLY, ELIZABETH
Dank seinem unverhofften Millionenerbe könnte Mechaniker Hogan Dempsey plötzlich jede Frau haben. Aber er verliebt sich ausgerechnet in die kratzbürstige Köchin Chloe! Obwohl sie sich ihm in heißen Nächten hingibt, scheint ihr Herz für immer einem anderen zu gehören…

KÜSS MICH HEIß, COWBOY! von YATES, MAISEY
Hayley ist lange genug brav gewesen. Jetzt will sich die Pfarrerstochter ins wilde Leben stürzen und sinnliche Abenteuer erleben! Da kommt ein Flirt mit sexy Bad Boy Jonathan gerade recht. Doch als sie ihm ihre Unschuld schenken will, scheut er jäh zurück. Warum nur?


  • Erscheinungstag 27.03.2018
  • Bandnummer 0391
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724948
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Katherine Garbera, Elizabeth Bevarly, Maisey Yates

COLLECTION BACCARA BAND 391

KATHERINE GARBERA

Verlobt, verführt ... verliebt?

Um die lästigen Avancen seiner neuen Chefin abzuwehren, behauptet Derek Caruthers spontan, er sei längst vergeben. Ein Fehler? Zwar ist seine beste Freundin Bianca bereit, seine Verlobte zu spielen – aber nur vorübergehend! Doch als Derek sie das erste Mal zu einem leidenschaftlichen Kuss verführt, erwacht plötzlich ein unstillbares Verlangen in ihm …

ELIZABETH BEVARLY

Starköchin gesucht, Liebe gefunden

Seit Jahren kennt Chloe Merlin nur eine Leidenschaft: Kochen! Bis sie von Hogan Dempsey engagiert wird. Von Anfang an fühlt sie sich zu ihrem gut aussehenden, bodenständigen Boss hingezogen. Und ehe sie sichs versieht, lässt sie sich zu einer lustvollen Liebesnacht verführen. Aber Vorsicht: Sie hat sich geschworen, nie wieder ihr Herz zu riskieren!

MAISEY YATES

Küss mich heiß, Cowboy!

Auf den ersten Blick ist Hayley eine graue Maus, aber bald bemerkt Jonathan Bear ihre verführerische Sinnlichkeit. Doch auch wenn es zwischen dem raubeinigen Rancher und der unschuldigen Pfarrerstochter erregend knistert, sollte er sich besser zurückhalten. Denn ein Mann mit seiner Vergangenheit kann ihr auf Dauer nicht das geben, was sie verdient. Oder doch?

1. KAPITEL

Derek Caruthers war ein cooler Typ. Er wusste es, und es wussten auch alle anderen, denen er auf den Gängen des Regional Medical Center von Cole’s Hill begegnete. Er war einer der jüngsten Herzchirurgen des Landes, und abgesehen von ein paar Kleinigkeiten war in seinem Leben alles glatt gelaufen. Er hatte den Ruf verdient, der Beste zu sein. Heute war er besonders zufrieden mit sich, da man ihn zum Meeting des Verwaltungsrates eingeladen hatte. Er war einigermaßen sicher, dass er zum Leiter der neuen Kardiologie ernannt werden würde. Die erweiterte Abteilung für Herzchirurgie sollte demnächst eröffnet werden.

Im Geiste klopfte er sich auf die Schulter, als er den Konferenzraum betrat. Die meisten waren bereits anwesend. Es fehlte nur noch das neue Mitglied, das für die Verwaltung zuständig sein sollte. Derek hatte keine Ahnung, wer dieser Neuzugang war, aber in einer überschaubaren Stadt wie Cole’s Hill konnte er davon ausgehen, dass er den Mann kannte.

„Derek, schön, dich zu sehen.“ Dr. Adam Brickell trat zu ihm, um ihm die Hand zu schütteln. Er war Dereks Mentor gewesen, und die beiden Männer hielten immer noch eine enge Verbindung. Der ältere Arzt hatte sich vor zwei Jahren zur Ruhe gesetzt und war nun Mitglied des Verwaltungsrats. Er hatte Derek für die medizinische Leitung der Kardiologie vorgeschlagen.

„Dr. Brickell.“ Derek lächelte. „Ich freue mich sehr auf dieses Meeting. Das kommt sonst höchst selten vor.“

„Es freut mich, dass du das so siehst, aber es gibt da ein kleines Fragezeichen. Was, wenn das neue Mitglied des Verwaltungsrates andere Vorstellungen für die Kardiologie hat? Wir kennen sie ja noch nicht.“

„Sie? Eine Frau? Bisher habe ich noch alle Frauen dazu bringen können, sich meinen Vorstellungen anzuschließen.“ Derek wollte sich keine Nervosität oder Zweifel anmerken lassen und versuchte sich an einem Scherz. Wer auch immer das neue Mitglied war – er würde ihn oder sie überzeugen.

Dr. Brickell schlug ihm lachend auf die Schulter. „Freut mich, das zu hören.“

Dereks Telefon machte sich bemerkbar. Dr. Brickell trat beiseite, um ihm die Gelegenheit zu geben, sich darum zu kümmern. Als Chirurg ignorierte er seine Anrufe nie.

Das Display zeigte, dass Bianca ihn zu erreichen versuchte. Sie war seit Ewigkeiten seine beste Freundin. Es war ziemlich blöd für ihn gewesen, als er sich in der High School in sie verliebt hatte, es sich aber nicht anmerken lassen wollte, um ihre Freundschaft nicht zu gefährden. Die Ernüchterung folgte, als sie nach Paris zog, um dort als Modell zu arbeiten. Sie verliebte sich später in einen Rennfahrer und heiratete ihn.

Biancas Romanze und die anschließende Ehe waren jedoch nur von kurzer Dauer gewesen. Nach drei gemeinsamen Jahren kam ihr Mann bei einem Flugzeugabsturz ums Leben und ließ sie mit ihrem kleinen Sohn allein zurück.

Das war der Grund, wieso Derek es wieder zu seiner Top-Priorität gemacht hatte, Bianca ein Freund zu sein.

Sie war nach Cole’s Hill zurückgekehrt und lebte im Haus ihrer Eltern. Sie war oft gereizt. Er wusste, dass ihre Mom sie unter Druck setzte, sich wieder einen Mann zu suchen, damit Bianca und ihr Sohn ‚nicht allein‘ waren.

Er warf einen Blick zu Dr. Brickell hinüber und signalisierte ihm, dass er den Anruf annehmen musste. Dann ging er auf den Korridor hinaus, um ungestört zu sein.

„Hi, Bia. Was ist los?“

„Ich bin so froh, dich zu erreichen. Hat das Meeting noch nicht begonnen?“

„Noch nicht. Was ist los?“, wiederholte er.

„Mom hat wieder einen Kandidaten aufgetan, mit dem ich mich treffen soll. Besteht der Hauch einer Chance, dass du heute Abend Zeit hast?“

Nein. Auch wenn es anders gewesen wäre, hätte er sich nicht darauf eingelassen. Sie waren Freunde – weil sie es so wollte und weil es sicher auch für ihn das Beste war. Diesen Zustand wollte er nicht durch Dates gefährden. Er hätte einiges für sie abgesagt, aber es war Mittwoch. Alle in Five Families, dem Stadtteil, in dem sie beide lebten, wussten, dass die Caruthers mittwochs im Club aßen und dann Pool spielten. „Heute ist Pool-Abend mit meinen Brüdern – das weiß deine Mutter sicher. Sie würde dir nichts anderes glauben.“

„Verdammt. Okay, es war einen Versuch wert.“

„Ja, sicher. Tut mir leid. Wer ist es denn heute Abend?“

„Jemand vom Sender. Ein Produzent oder so etwas.“

Biancas Mom arbeitete als Moderatorin einer Morgensendung im lokalen Fernsehen. Sie hatte schon diverse Dates für ihre Tochter arrangiert, seit Bianca wieder in Cole’s Hill war.

„Klingt … interessant“, bemerkte Derek.

„Wie man’s nimmt. Mom hat keine Ahnung, was mir an einem Mann wichtig ist.“

Das war ein Thema, auf das Derek sich im Moment lieber nicht einlassen wollte. „Ich muss gehen. Die Mitglieder des Verwaltungsrates sind schon fast alle da.“

„Kein Problem. Ich drücke dir die Daumen. Es gibt mit Sicherheit keinen besseren Kandidaten als dich.“

„Finde ich auch“, stimmte Derek zu. „Bis später.“

„Bis später.“

Er steckte das Smartphone wieder ein. Das Stakkato sich nähernder High Heels ließ ihn aufsehen. Und dann vergaß er für einen Moment vor Erstaunen, den Mund zu schließen.

Die Frau, die auf ihn zukam, war Dr. Marnie Masters. Verdammt. Ein durchdringender Blick, perfekt gezupfte Augenbrauen, das blonde Haar um ihr etwas kantiges Gesicht kunstvoll gestylt. Ihre Bewegungen erinnerten ihn irgendwie an eine Löwin, die sich ihrer Beute näherte. Und es bestand kein Zweifel daran, wer hier die Beute war.

„Marnie! Es ist doch immer eine Freude, dich zu sehen“, versicherte er ihr, obwohl er während der vergangenen achtzehn Monate all ihre Anrufe, SMS und Einladungen ignoriert hatte.

„Ich würde es ja glauben, wenn es nicht so kompliziert wäre, dir einmal rein zufällig über den Weg zu laufen. Dafür musste ich extra diesen Posten im Verwaltungsrat übernehmen“, bemerkte sie trocken.

„Du lebst wieder in Cole’s Hill?“ Er hatte Mühe, seine entgeisterte Reaktion zu verbergen.

„Daddy hat – auf meinen Wunsch hin – Geld für die Kardiologie gestiftet. Im Gegenzug hat der Verwaltungsrat zugestimmt, dass ich die Leitung für das Projekt übernehme. Ich habe gerade etwas Ähnliches in Houston gemacht, und Daddy lag sehr daran, dass ich wieder nach Hause komme … Es sieht also ganz so aus, als würden wir beide in Zukunft eng zusammenarbeiten.“

„Es freut mich, dass der Verwaltungsrat sich für jemanden mit deinen Qualifikationen entschieden hat.“

„Ich nehme an, wir werden uns jetzt besser kennenlernen. Da ich nun hier lebe, können wir uns öfter sehen und auch privat einiges unternehmen.“

Unter gar keinen Umständen würde er sich noch einmal mit ihr einlassen. „Ich fürchte, das ist nicht möglich.“

„Wieso? Es gibt keine Regeln, die dagegen sprächen.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Ich habe extra nachgesehen.“

„Natürlich gibt es keine Regeln. Es ist nur – ich bin verlobt“, erklärte er spontan. „Ich möchte nicht, dass meine Verlobte einen falschen Eindruck bekommt.“

„Verlobt?“ Ethan Caruthers sah seinen Bruder verblüfft an, als sie später am Abend im Country Club eine Runde Drinks bestellten. „Wieso hast du das gesagt?“

„Du kennst doch Marnie. Sie hätte kein Nein akzeptiert. Ich bin in Panik geraten.“

„Und deswegen hast du ihr solchen Schwachsinn erzählt? Derek, das ist doch verrückt. Wenn sie rausfindet, dass du keine Verlobte hast, geht die Sache richtig nach hinten los.“

Ethan hatte natürlich recht. Schon jetzt belastete die Lüge seine Aussichten, medizinischer Leiter der Kardiologie zu werden. Marnie war alles andere als erfreut gewesen, als sie von seiner Verlobung erfahren hatte. Prompt hatte sie den Verwaltungsrat darüber informiert, dass sie noch weitere Anwärter für den Posten des Leiters der Kardiologie habe. Dr. Brickell unterstützte Derek weiterhin und forderte, die Entscheidung möglichst bald zu treffen. Marnie beharrte auf ihrem Standpunkt. Die Entscheidung sei frühestens in zwei Monaten zu treffen. Sie fand genügend Unterstützer im Gremium, sodass der Termin schließlich vertagt wurde.

Nach dem Meeting war Derek wieder an die Arbeit gegangen. Zwei Operationen hatten das Problem mit seiner nicht vorhandenen Verlobten erst einmal in den Hintergrund treten lassen. Er beschäftigte sich erst jetzt wieder damit. Ethan war als einziger seiner Brüder schon da.

„Damit könntest du natürlich recht haben“, sagte Derek nachdenklich. „Wenn ich nur eine Frau finden würde … eine Frau, die nur an einer Liaison für ein paar Monate interessiert ist.“

„Würde Marnie dir denn glauben, wenn du eine deiner Kurzaffären als deine Verlobte ausgibst?“ Ethan war skeptisch.

„Nein. Ich habe ihr gesagt, dass es etwas ganz Besonderes ist und ich daher noch nicht darüber gesprochen habe.“

Ethan nippte an seinem Scotch. Er schüttelte den Kopf. „Verdammt, du hast schon immer ein Talent für absurde Geschichten gehabt.“

„Ich weiß. Aber was soll ich jetzt machen?“

„Worum geht’s?“ Hunter war zu ihnen getreten. Er war unlängst nach Cole’s Hill zurückgekehrt, nachdem er gut zehn Jahre in der National Football League gespielt hatte und anschließend durch die Staaten gereist war, um Fitnesskurse zu promoten. Dabei war er immer auf der Flucht vor einem Skandal gewesen – er hatte unter dem Verdacht gestanden, seine Freundin am College ermordet zu haben. Erst vor Kurzem war der wahre Täter aufgespürt und vor Gericht gestellt worden, sodass Hunter endlich von jedem Verdacht freigesprochen war. Er war jetzt verlobt und plante die Hochzeit des Jahrhunderts – wenn man seiner Mutter glauben durfte und Ferrin, seiner Verlobten. Ganz Cole’s Hill hatte das Hochzeitsfieber erfasst.

„Er braucht eine Verlobte“, erklärte Ethan grinsend.

Derek knuffte seinen Bruder in die Seite. Natürlich fand Ethan das Ganze witzig! Zwischen ihnen lagen nur elf Monate Altersunterschied, was sie fast zu Zwillingen machte. Ethan war der Ältere von ihnen und behandelte ‚den Kleinen‘ immer ein wenig herablassend.

„Will ich wissen, wieso?“ Hunter bedeutete der Kellnerin, ihm einen Drink zu bringen, während er es sich bequem machte.

„Marnie Masters.“

Hunter warf den Kopf zurück und lachte. „Ich dachte, du hättest dich schon vor Jahren von ihr getrennt.“

„Vor achtzehn Monaten“, korrigierte Derek. Er hatte die Verbindung vor zwei Jahren gelöst, war aber ein halbes Jahr später noch einmal schwach geworden und hatte eine Nacht in Houston mit ihr verbracht. Das hatte Marnie in ihrem Glauben bestärkt, dass er noch etwas für sie empfand und sie es daher noch einmal miteinander versuchen sollten. Seither war er ihr aus dem Weg gegangen.

„Wozu brauchst du eine Verlobte?“, wollte Hunter wissen.

„Marnies Vater hat großzügig für die neue Kardiologie des Krankenhauses gespendet. Im Gegenzug hat sie eine Stelle im Verwaltungsrat erhalten und darf entscheiden, wer die medizinische Leitung übernimmt. Ich bin in Panik geraten, als ich sie sah. Nachdem sie erklärt hatte, wir könnten mehr Zeit miteinander verbringen, habe ich eine Verlobte vorgeschoben.“

„Aha.“ Auch Hunters Mitgefühl schien sich in Grenzen zu halten. „Hast du dir denn schon überlegt, wer dafür in Frage kommen könnte?“

„Nein, mir fällt niemand ein.“ Derek musste sich eingestehen, dass das gelogen war. Eine Frau tauchte in seinen Überlegungen immer wieder auf. Gebräunte Haut, langes schwarzes Haar und faszinierende dunkelbraune Augen. Ein Blick, in dem man sich verlieren konnte. Sie war nicht an einer Ehe interessiert und brauchte etwas Ruhe vor ihrer Mutter, die sie partout verkuppeln wollte. An sich ideale Voraussetzungen, aber sie müsste schon verrückt sein, wenn sie bei seiner Idee mitmachte.

Und sie war alles andere als verrückt.

Sie war eine alleinerziehende Mutter, die sich darauf verließ, dass ihr bester Freund für sie da war. Mit Sicherheit lag ihr nichts daran, dass er seinen langgehegten heimlichen Traum verwirklichte, Bianca Velasquez als seine zukünftige Frau auszugeben.

Auch wenn es nur für zwei Monate war. Höchstens drei.

Verdammt.

In dem Moment sah Derek sie hereinkommen, in Begleitung eines Mannes, der ein paar Jahre älter als sie sein mochte. Sie lächelte höflich, aber er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie sich den Club ganz bewusst ausgesucht hatte. Hier konnte sie sich nach dem Essen höflich verabschieden und die paar Blocks zu Fuß nach Hause gehen.

Sie war elegant. Anmutig. Der Typ Frau, auf den die Männer flogen. Keine Frau, die bei einer vorgetäuschten Verlobung mitmachen würde.

„Oh-oh …“ Ethan schüttelte den Kopf. Er war Dereks Blick gefolgt.

„Was meinst du?“ Hunter sah ihn fragend an.

„Also ich finde das überhaupt nicht witzig“, protestierte Derek.

„Wo bleibt eigentlich Nate?“, fragte Hunter jetzt. Nate war ihr ältester Bruder und kam als Letzter. Er war frisch verheiratet mit der Mutter seiner dreijährigen Tochter Penny. Es gefiel Derek, wie sein Bruder in die Rolle des Ehemanns und Vaters hineinwuchs.

„Er kommt später. Er wollte noch mit Penny reiten gehen, bevor er in die Stadt kommt“, erklärte Ethan. „Das Dasein als Daddy hat ihn sehr verändert.“

„Er ist ruhiger geworden“, bestätigte Hunter. „Ihr beiden solltet es auch versuchen.“

„Das mache ich ja. Gewissermaßen.“ Derek räusperte sich. Die Vorstellung, tatsächlich zu heiraten und eine Familie zu gründen, hatte nichts Verlockendes für ihn. Er war mit seinem Job verheiratet. Die Arbeit als Chirurg verlangte seine ganze Konzentration. Die meisten Frauen – zu denen im Übrigen auch Marnie gehörte – verstanden das nicht. Sie wollten einen Mann, der ihnen mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit widmete wie seinem Beruf.

„Was du da vorhast, zählt nicht“, erklärte Hunter ihm. „Bianca hat etwas Besseres verdient als eine vorgetäuschte Verlobung.“

„Mehr wird bei mir wohl nicht herauskommen“, räumte Derek ein. Er war neben Ethan der einzige noch ungebundene der Caruthers-Brüder. Ethan liebte die Frau eines Freundes. Bei ihm war also nicht viel zu erwarten, was das Thema Ehe anging. „Wir sind ja auch dazu verpflichtet, die Gerüchteküche in Cole’s Hill mit Stoff zu versorgen. Immerhin gelten wir als die ‚wilden Caruthers‘. Wie sollen wir unserem Ruf gerecht werden, wenn wir alle verheiratet sind?“

„Darauf lasst uns anstoßen“, sagte Ethan.

Die drei hoben ihre Gläser. Als Nate einige Minuten später eintraf, wandte sich das Gespräch erfreulicherweise von Dereks vorgetäuschter Verlobung ab. Derek aß und trank mit seinen Brüdern und behielt den Tisch im Blick, an dem Bianca und ihr Date saßen. Er war jederzeit bereit, ihr zu Hilfe zu kommen. Als Freund. Das war alles. Hunter hatte recht. Keine anständige Frau würde sich auf eine vorgetäuschte Verlobung einlassen.

Bianca Velasquez machte gerade keine gute Lebensphase durch. Vor einem Jahr hatte sie Silvester allein auf dem Balkon einer Villa in Sevilla gefeiert, während Jose auf dem Weg zu ihr gewesen war. Seine Maschine war abgestürzt. Es war … erschütternd gewesen. Sie hatte keine Gelegenheit mehr gehabt, die Sache mit ihm zu beenden. Sie war wütend auf ihn gewesen und hatte sich eingeredet, ihn zu hassen. Aber die Wahrheit war, dass er ihre erste große Liebe gewesen war. Sie hatten ein Kind zusammen, und ganz gleich, mit wie vielen Frauen er schlief, während er mit der Formel 1 um die Welt tourte … Nein, sie war nicht darauf vorbereitet gewesen, dass er derart abrupt aus ihrem Leben verschwand.

Sie rieb sich den Nacken, während ihr Begleiter sich endlos über ein Hobby ausließ, dem er neuerdings frönte. Sie hatte keine Ahnung, worum es ging. Sie hatte sich schon vor geraumer Zeit aus dem Gespräch ausgeklinkt. Dabei schien er durchaus ein netter Mann zu sein. Ein Mann, der eine Frau verdient hätte, die wirklich an einem Gespräch mit ihm interessiert war, statt heimlich auf die Uhr zu sehen und so schnell zu essen, dass sie sich beinahe verschluckt hätte. Nein, sie war ganz gewiss nicht die Richtige für ihn.

„Ich habe dich verloren“, konstatierte er bedauernd.

Sie lächelte ihn an. Er sah gut aus und war charmant. Alles, was ihr normalerweise an einem Mann gefallen hätte. „Es tut mir leid. Es liegt nicht an dir. Ich bin nur …“

Er schüttelte den Kopf. „Ich verstehe schon. Deine Mom hat mich gleich gewarnt, aber ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, herauszufinden, ob du tatsächlich so hübsch bist wie auf dem Foto.“

Sie errötete. Mit achtzehn hatte sie begonnen, als Model zu arbeiten. Dann hatte sie einen Vertrag in Paris bekommen und ihre Karriere als Supermodel gestartet. In Paris hatte sie auch Jose kennengelernt und sich in ihn verliebt. Jetzt war sie älter und fühlte sich schon lange nicht mehr wie das unbeschwerte Mädchen von einst. „Die Fotos sind vor langer Zeit entstanden.“

„Welche Fotos? Ich rede von dem, das auf dem Schreibtisch deiner Mutter steht“, sagte er.

„Oh, entschuldige. Ich stehe heute Abend irgendwie neben mir“, bekannte sie. „Es tut mir leid, dass ich deine Zeit verschwendet habe.“

„Unsinn! Falls du je Lust haben solltest, es noch einmal zu versuchen, ruf mich an.“ Damit erhob er sich und ging.

Bianca blieb allein an ihrem Tisch zurück. Sie starrte aus dem Fenster auf den Golfplatz. Die Sonne war längst untergegangen. Sie sollte nach Hause gehen, aber ihr Sohn war schon im Bett, und ihre Mom würde sie wahrscheinlich über das Date ausfragen. Keine guten Aussichten.

Sie bedeutete dem Ober, den Tisch abzuräumen, und bestellte einen Martini.

„Darf ich mich zu dir setzen?“

Wie aus dem Hut gezaubert stand plötzlich Derek Caruthers neben ihrem Tisch. Das Haar fiel ihm glatt in die Stirn. Als sie noch Kinder gewesen waren, war sein dunkelblondes Haar immer wild und ungezähmt gewesen, so wie Derek selbst. Heute war er ein Chirurg, dessen Können in den höchsten Tönen gelobt wurde.

„Leider bin ich heute keine gute Gesellschaft.“

Er nahm Platz. „Das kann ich nicht glauben.“

„Es stimmt aber. Ich war ein schreckliches Date. Ich komme mir richtig gemein vor.“

Er bestellte einen Drink. Kurze Zeit später hielt er ein Glas mit Scotch in den Händen und sie ihren Martini.

„Auf alte Freunde“, sagte er.

„Auf alte Freunde.“ Sie stieß mit ihm an. „Wie ist das Meeting gelaufen?“ Sie beneidete Derek. Er hatte sein Leben im Griff. Er wusste, was er wollte, und er bekam es. Im Gegensatz zu ihr schien er glücklich zu sein mit seinem Singledasein.

„Nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.“

Sie nippte an ihrem Drink. „Das passt ja gar nicht zu dir. Was ist passiert?“

„Eine Ex von mir ist aufgetaucht und hat Probleme gemacht. Wie immer.“ Derek leerte sein Glas in einem Zug.

„Was war los? Erzähl es mir, und ich helfe dir, das Problem zu lösen.“

Es tat gut, ein Problem mit Derek zu besprechen. Ein Problem, bei dem es nicht um sie ging. Um die erwachsene Frau, die wieder bei ihren Eltern eingezogen war. Die Klatschtanten in Cole’s Hill zerrissen sich darüber das Maul. Vom Supermodel zur Loserin. Sie schob den Martini beiseite. Der Drink machte sie melancholisch.

„Du könntest mir tatsächlich helfen.“ Derek beugte sich vor und nahm ihre Hand in seine.

„Sag mir, was ich machen soll. Du bist mein bester Freund, und du weißt, ich würde alles für dich tun.“

„Ich habe gehofft, dass du das sagst.“

Sie lächelte. Natürlich würde sie Derek helfen – so wie er ihr. Als sie davon geträumt hatte, Texas zu verlassen und nach Paris zu gehen, hatte er sich alles angehört und ihr geholfen, ihre Träume zu verwirklichen. Im ersten Jahr in Paris war sie oft einsam gewesen – und er hatte ihr jeden Tag eine Mail oder eine SMS geschickt.

„Was brauchst du?“

„Eine Verlobte.“

2. KAPITEL

Eine Verlobte? Hatte er den Verstand verloren?

Bianca begann zu lachen – und konnte nicht mehr aufhören.

„Danke, das habe ich gebraucht“, keuchte sie schließlich. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie schrecklich die vergangene Woche war.“

Derek lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Unwillkürlich registrierte Bianca, wie sich sein Bizeps unter dem Stoff des Hemdes abzeichnete. Es war ihr in den langen Jahren ihrer Freundschaft immer schwerer gefallen zu ignorieren, wie gut Derek aussah. Er ging regelmäßig ins Fitnessstudio. Irgendwann hatte er ihr mal erklärt, ein Chirurg müsse funktionieren wie eine Präzisionsmaschine. Dazu müsse alles – Körper und Verstand – in einem Top-Zustand sein.

„Das war kein Witz.“

„Wie bitte?“ Bianca war müde. Irgendwie kam sie sich vor wie Alice im Wunderland, die den Tunnel hinunter in den Kaninchenbau geht. Es war alles so unwirklich.

„Ich brauche eine Verlobte“, sagte Derek. „Es gibt ein neues Mitglied im Verwaltungsrat. Eine Frau. Und die entscheidet über meine Zukunft. Leider ist sie wie besessen von mir – wir waren vor langer Zeit zusammen. Ich kann sie mir nur vom Hals halten, wenn ich ihr klarmache, dass ich vergeben bin.“

„Und was für eine Rolle soll ich dabei spielen?“

Derek musterte sie nachdenklich. „Eine vorgetäuschte Verlobung könnte auch für dich nützlich sein.“

Sie konnte ihm immer noch nicht folgen. Derek war einer ihrer besten Freunde, und das, was er jetzt vorschlug, klang irgendwie nicht ganz einwandfrei.

„Inwiefern?“

„Wenn wir verlobt wären, würden uns alle in Ruhe lassen. Ich könnte mich darauf konzentrieren, die Mitglieder des Verwaltungsrates so zu beeindrucken, dass sie keine andere Wahl haben, als mich zum Leiter der Kardiologie zu ernennen. Und du könntest dir überlegen, was du mit deinem Leben machen willst – ohne den Druck, den deine Eltern zurzeit auf dich ausüben.“

Sie dachte nach. So betrachtet wäre es dumm, ihm nicht zuzustimmen. „Bist du dir sicher?“

„Natürlich.“

Wann war Derek sich seiner Sache nicht sicher? Sie hätte seine Antwort kennen sollen.

„Wenn wir verlobt wären – wieso hätten wir es geheim halten sollen?“

„Um Hunter und Nate nicht die Show zu stehlen. Hunters Hochzeit steht wirklich im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.“

„Das stimmt. Kinley hat viel mit den Vorbereitungen zu tun. Sie wird sich allerdings fragen, wieso ich nicht einmal erwähnt habe, dass wir zusammen sind.“

Bianca und Kinley waren gute Freundinnen. Sie waren beide alleinerziehende Mütter mit Kleinkindern im gleichen Alter gewesen. Jetzt war Kinley nicht mehr allein. Sie hatte ihr Glück mit Nate gefunden, Dereks ältestem Bruder.

„Sag ihr, ich hätte dich gebeten, es für dich zu behalten.“

„Hmmm … es könnte funktionieren. Kann ich es mir bis morgen früh überlegen?“

Er nickte.

Sie entzog ihm ihre Hand und lehnte sich zurück. Ja zu sagen, wäre sehr einfach. Aber was war mit ihrem Sohn? Benito würde nicht verstehen, dass das alles nur ein Spiel war. Andererseits war er gerade einmal zwei Jahre alt. Wahrscheinlich begriff er überhaupt nicht, was vorging. Er hatte sich mit Kinleys Tochter angefreundet – und in letzter Zeit des Öfteren nach seinem Vater gefragt. Er hatte keinerlei Erinnerungen mehr an Jose.

„Das klingt sehr gut“, sagte sie nachdenklich, „aber wir leben im richtigen Leben.“

„Wirklich? Das ist mir gar nicht aufgefallen bei den beiden Operationen, die ich heute gehabt habe.“

Sein Sarkasmus war nur ein Mittel der Abwehr, und sie machte ihm keinen Vorwurf dafür. Sie hatte Angst. Das letzte Mal, als sie einem Mann vertraut hatte, war es Jose gewesen – und dessen Wort hatte nicht viel bedeutet.

„Ich sage es nicht, um die Sache kompliziert zu machen. Ich habe einen Sohn. Er wird nicht verstehen, wieso du kurz in unserem Leben auftauchst und dann wieder verschwindest. Wir sind nicht mehr zwanzig, Derek. Es ist nicht mehr wie damals, als du nach Monaco gekommen bist und wir noch frei und wild waren. Ich bin eine Mutter. Du möchtest Chef der Kardiologie werden. Wir … wir sind erwachsen.“

„Verdammt, wir können erwachsen sein und trotzdem wir selbst. Du kennst mich, Bia. Schon ewig. Ich werde nicht einfach aus deinem Leben verschwinden, wenn diese Sache vorbei ist. Wir werden immer noch Freunde sein, und ich würde Benito niemals ausschließen. Er ist dein Sohn und mir genauso wichtig wie du.“

Derek erhob sich. „Komm, lass uns einen Spaziergang machen. Irgendwo, wo wir nicht fürchten müssen, dass jemand mithört.“

Sie sah sich um und bemerkte, dass sie Blicke auf sich zogen. Sie hätte eher daran denken sollen. „Was ist mit deinem Pool-Spiel?“

„Meine Brüder kommen auch ohne mich klar. Das hier ist wichtiger.“

Sein Blick war ernst. Sie wollte ihm glauben. Aber war Verlass auf ihr Bauchgefühl? Sie dachte, sie sei inzwischen immun gegen den Charme gut aussehender Männer. Natürlich war dies Derek und nicht irgendein Playboy, dessen Eltern sie nicht kannte.

Aber dennoch – ihr Herz pochte eine Spur schneller, als er sagte, sie sei ihm wichtig. Sie hatte Derek schon immer gemocht. In der Schulzeit war er ihr engster Freund gewesen. Er hatte das gute Aussehen aller Caruthers, und zudem war er klug und intelligent. Er hatte die High School schon sehr früh beendet und war dann gleich zum College gegangen, um anschließend Medizin zu studieren. Die ganzen Jahre über hatten sie immer Verbindung gehalten, zunächst per Mail, dann über die üblichen Kanäle der Social Media.

Jahre waren vergangen, bis sie ihn als Erwachsenen wiedersah. Sie konnte kaum glauben, was für ein attraktiver Mann ihr Freund geworden war. Natürlich hatte sich ihr Leben inzwischen auch geändert, aber es gab doch immer noch Momente, in denen es sie überraschte. Alles an ihm faszinierte sie – das markante Kinn, der durchdringende Blick und die Art, wie ihm das Haar in die Stirn fiel. Er hatte etwas an sich, das den Wunsch in ihr weckte, den Blick gar nicht wieder von ihm zu wenden.

Es war gefährlich.

So gefährlich wie seine Idee von dieser vorgetäuschten Verlobung. Etwas Absurderes ließ sich wirklich kaum denken – sah man einmal von den vielen Verkupplungsversuchen ihrer Mutter ab.

„Wie würde das Ganze denn konkret aussehen?“, fragte sie.

Derek wagte nicht aufzuatmen. Dies war Bianca. Bianca Velasquez. Sie war das hübscheste Mädchen der Schule gewesen. Auch als er schon in Houston gewesen war, waren sie immer in Verbindung geblieben. Zuerst dachte er, es sei wegen ihrer Familien. Während der Schulzeit hatte es viele Anlässe gegeben, zu denen ihre Mütter sie gemeinsam geschickt hatten. Als sie beide erwachsen wurden, hatte er erwartet, seine Gefühle für sie würden vergehen.

Dazu war es nicht gekommen.

Sie war nicht mehr das Mädchen, von dem er in der Schule geträumt hatte. Aber es blieb dabei, er verspürte nach wie vor den Wunsch, sie für sich zu haben. Sie sollte ihm gehören.

Wenn auch nur auf Zeit.

Er bemerkte, wie sie ihn argwöhnisch beobachtete. Fast so als habe sie Angst, ihm zu vertrauen. Es tat weh. Mehr, als angezeigt gewesen wäre.

Gut, sein Vorschlag war haarsträubend. Sein Vater hätte sich totgelacht über ihn. Aber sie brauchte eine Pause von den arrangierten Blind Dates ihrer Mutter. Und er brauchte eine Verlobte. Er hatte nicht die Absicht, sich noch einmal mit Marnie einzulassen, und sie wäre gnadenlos, wenn er sie nicht irgendwie stoppen konnte.

„Der Verwaltungsrat hat beschlossen, die Entscheidung über die Besetzung des Chefarztpostens in zwei Monaten zu fällen. Du müsstest die Rolle meiner Verlobten also ungefähr für drei Monate spielen – sodass du noch zur Einweihungsfeier der neuen Abteilung und zur Feier meiner Ernennung kommen könntest.“ Drei Monate. Das sollte genug Zeit sein, um sich darüber klar zu werden, dass alle alten Gefühle für sie erloschen waren. Dann konnte er wieder einfach nur ihr Freund sein und aufhören, heiße Träume von ihr zu haben.

„Drei Monate? Würden wir zusammen wohnen?“, fragte sie. „Ich habe einige Aufträge als Model an Land gezogen. Ich wäre also nicht die ganze Zeit in der Stadt. Wäre das ein Problem?“

Derek lehnte sich zurück. Er versuchte, seinen Optimismus zu dämpfen, aber es sah doch ganz so aus, als ließe sich seine Idee verwirklichen. „Ich glaube nicht. Vielleicht könnte ich mir auch freinehmen und dich begleiten. Das würde die Verlobungsgeschichte noch weiter stützen.“

„Stimmt. Was ist mit der Junggesellen-Auktion? Soweit ich weiß, stehst du auf der Liste. Würde ein Verlobter dabei mitmachen?“

„Ja, weil wir unsere Verlobung geheim gehalten haben. Du könntest auf mich bieten und mich gewinnen.“ Er zwinkerte ihr zu.

„Wieso sollte ich auf dich bieten, wenn wir schon verlobt sind?“ Sie lachte leise. „Mein Bruder hat mir schon einen ganzen Monat Babysitten versprochen, wenn ich ihn gewinne.“

Derek musste nun auch lachen. Diese Junggesellen-Auktion war traditionell der ertragreichste Programmpunkt, wenn die Frauen-Liga der Stadt ihre Spenden sammelte, aber die Männer versuchten immer, sich irgendwie davor zu drücken. Die Vorstellung, jemandem ausgeliefert zu sein, der einen gewonnen hatte, war wenig verlockend.

„Ich verspreche dir drei Monate ohne Blind Dates“, sagte er.

„Da kann Diego natürlich nicht mithalten.“

„Die Leute würden es dir sicher auch nicht abnehmen, dass du auf ein Date mit deinem Bruder bietest.“

„Wohl nicht.“ Bianca lachte. Der Anflug von Panik, den seine Idee bei ihr ausgelöst hatte, schien verschwunden.

„Also was meinst du? Machen wir es?“ Er sah sie fragend an.

„Wo würde ich wohnen?“

„Bei mir oder wo auch immer du möchtest. Die Entscheidung liegt bei dir. Wie siehst du das?“

Bisher hatte er nicht weiter gedacht als daran, eine Frau zu finden, die bei seinem Plan mitmachte, sodass er Marnie von ihr erzählen konnte. Aber als Bianca jetzt davon sprach, wo sie leben sollte, wollte er nur noch, dass sie zu ihm in sein Haus kam.

Spontan hatte er eine Vision von ihr in seinem Bett. Sah im Geiste vor sich, wie sich ihr dichtes dunkles Haar über seine Kissen ausbreitete und wie sie ihn mit ihren braunen Augen auffordernd ansah. Ihr Körper nackt …

„Derek?“

„Ja?“ Er war ganz in seine Fantasien versunken.

„Hättest du etwas dagegen, wenn ich zu dir ziehe? Ich bin schon zu lange bei meinen Eltern. Mein Sohn und ich brauchen wieder unseren Freiraum.“

Er nickte. „Das klingt doch perfekt. Was muss ich machen, um alles für euch vorzubereiten?“

Sie beugte sich vor. Er sah die Unsicherheit in ihrem Blick. Ganz gleich, was auch immer er für Fantasien haben mochte – nie sollte Bianca das Gefühl haben, er sei nicht mehr ihr Freund. Sie sollte immer auf ihn zählen können. Auch wenn er dafür sein eigenes Verlangen ignorieren musste.

„Ich sage es dir morgen früh.“ Sie schob sich eine Strähne hinter das Ohr. „Ich möchte sichergehen, nichts übersehen zu haben. Außerdem möchte ich mit Benito sprechen. Ich will sehen, wie er dazu steht, wenn es noch einen weiteren Mann in meinem Leben gibt.“

„Er ist zwei, oder?“

„Ja, wir haben ein sehr enges Verhältnis, und ich … nachdem er schon seinen Vater verloren hat, möchte ich, dass für ihn alles in Ordnung ist.“

Derek nickte. Er wollte sie nicht unter Druck setzen. Es überraschte ihn ohnehin, dass sie überhaupt bereit war, über seine Idee nachzudenken.

„Das ist nur fair.“ Er zog sein Smartphone aus der Tasche und warf einen Blick auf den Terminplaner. „Morgen früh sind keine OPs angesetzt, ich habe also frei. Hättest du Lust, mit Benito zu mir zum Frühstück zu kommen? Du kannst dir die Wohnung ansehen, und er kann mich kennenlernen.“

„Das klingt nach einem Plan.“

Nur schade, dass sie noch unsicher zu sein schien. Er hatte keine Ahnung, wie er sie überzeugen sollte. Dies war keine OP, wo er alle Möglichkeiten kannte und sicherstellen konnte, dass nichts schief ging. Dies war das Leben, wo auch er Fehler machte. Blieb nur zu hoffen, dass dies – wenn überhaupt – kein allzu großer würde.

Bianca wusste, dass eine Nacht nicht genug war, um sicher sein zu können, dass sie die richtige Wahl traf. Andererseits war sie zwei Jahre mit Jose verlobt gewesen, und rückblickend betrachtet hatte diese lange Zeit sie auch nicht vor Schaden bewahren können. Diese Idee würde funktionieren. Sie musste funktionieren.

Seit sie nach Cole’s Hill zurückgekehrt war, war das Leben ein Kampf für sie. Sie war noch einige Monate nach Joses Tod in Spanien geblieben. Sie wusste damals nicht, wie es weitergehen sollte. Ihr Entschluss, die Scheidung einzureichen, als sie von Joses letzter Affäre erfahren hatte, war nicht weniger gewesen als der Versuch, einer schlechten Ehe zu entkommen. Sie wollte ihn so verletzen, wie er sie verletzt hatte. Jetzt, wo er tot war, hatte sie gehofft, dass ihr Zorn auf ihn verrauchen würde, aber er war immer noch da.

Das Leben bei ihren Eltern ließ ihr ausreichend Zeit, über die Vergangenheit zu grübeln – es gab genügend Angestellte, die alle Hausarbeiten erledigten, und ihre Eltern wollten sogar eine Nanny für Beni einstellen. Die Situation war allerdings demütigend und brachte sie nicht weiter.

Dereks Idee war ein wenig verrückt, aber irgendwie gefiel sie ihr. In mancher Hinsicht war es die Lösung für all ihre Probleme. Sie wollte wieder auf eigenen Beinen stehen. Sie konnte sich überlegen, welche anderen beruflichen Möglichkeiten außer Modeln es für sie gab. Und es war ihre Chance, die Mom für Beni zu sein, die sie sein wollte.

„Ja, das klingt gut“, wiederholte Bianca. Ihr wurde klar, dass sie Derek wahrscheinlich eine ganze Weile stumm angestarrt hatte. Als ihre Blicke sich trafen, schien es plötzlich zwischen ihnen zu knistern.

Ein ganz neues Bewusstsein füreinander.

So, wie es noch nie gewesen war.

Oh, nein! Hatte er gemerkt, dass sie in den vergangenen Monaten heimlich für ihn geschwärmt hatte? Wie peinlich. Sie bedachte ihn mit dem kühlen Lächeln, mit dem sie früher die aufdringlichen Jungen ihrer Klasse auf ihre Plätze verwiesen hatte, und schob ihren Stuhl zurück. „Ich glaube, ich sollte jetzt nach Hause gehen.“

„Ich begleite dich“, erbot er sich. „Wir könnten natürlich auch ein Golfmobil nehmen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich dachte, wir hätten abgemacht, das Wort Golfmobil nie wieder in den Mund zu nehmen.“

„Niemand würde uns verdächtigen …“

„Das hast du beim letzten Mal auch gedacht. Der Platzwart hat todsicher gewusst, dass wir den Wagen genommen hatten – auch wenn er es nicht beweisen konnte.“

„Wahrscheinlich hast du recht. Es ist wohl besser, wir gehen zu Fuß.“

Sie kam sich albern vor bei dem Gedanken, zwischen ihnen hätte etwas sein können. Wahrscheinlich ging es nur ihr so. Sie hatte lange keinen Sex gehabt. Das letzte Mal war vor Benis Geburt gewesen. Dabei war sie ja nun nicht tot. Irgendwie hatte sie gehofft, es könnte sich etwas mit einem der Dates ergeben, die ihre Mutter für sie arrangiert hatte, aber bisher Fehlanzeige.

„Ist alles in Ordnung?“ Derek musterte sie besorgt.

„Ich bin nur müde. Ein Date mit einem Fremden ist ziemlich anstrengend.“

Derek legte ihr eine Hand auf den Rücken – und sie spürte ihn wieder. Diesen kleinen Kick. Einen prickelnden Schauer. Rasch trat sie beiseite und griff nach ihrer Handtasche.

Er folgte ihr hinaus. Sie hatten ein Konto hier wie alle Mitglieder der Familien, die zum Club gehörten, daher mussten sie nicht auf den Ober warten, um die Rechnung zu bezahlen.

„Ich muss nur schnell meine Brüder informieren, dass ich gehe“, sagte er.

Sie nickte. In Gedanken war sie schon wieder bei seiner Idee.

Der Abend war warm, die Hitze des Tages noch nicht verflogen. Der Parkplatz war gut belegt, und obwohl es mitten in der Woche war, fühlte es sich wie das Wochenende an. Die Nacht war voller Leben. Bianca begriff, dass es das war, was sie vermisst hatte.

So hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Sie wollte nicht behaupten, das Dasein als Mutter voll im Griff zu haben, aber zwischen ihr und Beni hatte sich eine Art Routine entwickelt. Wahrscheinlich war das auch der Grund, wieso sie erwog, auf Dereks Idee einzugehen. Es war das erste Mal, dass etwas Unvorhergesehenes, Überraschendes in ihrem Leben geschah, seit … seit sehr langer Zeit.

„Ich bin wirklich froh, dass du wieder in Cole’s Hill bist“, sagte er.

„Ich auch. Weißt du noch, wie sehr wir uns damals danach gesehnt haben, von hier fortzukommen? Ich war wirklich überzeugt, dass das Modeln das richtige Leben für mich ist. Ich dachte, ich könnte so sein wie Kate Moss und den Rest meines Lebens mit dem Jet Set verbringen … aber nun bin ich froh, wieder hier zu sein.“

„War Benito geplant?“, fragte er.

„Das ist eine sehr persönliche Frage!“, protestierte sie – aber nur, weil Derek unwissentlich einen Punkt angeschnitten hatte, über den es zwischen ihr und Jose immer wieder zum Streit gekommen war.

„Wir werden ‚verlobt‘ sein, und wir sind Freunde“, sagte er. „Ich frage nur, weil damals in deinem Lebenstraum Kinder nie vorkamen.“

„Das stimmt. Ich habe nie daran gedacht, einmal selbst eine Familie zu haben. Mir schwebte vor, die coole Tante für meine Neffen und Nichten sein.“

„Was ist passiert?“

„Na ja …“ Sie sprach nicht weiter, als sie in den Pfad einbogen, der zu dem künstlichen See am Haus ihrer Eltern führte. Auf der Brücke, die über den See führte, blieb sie stehen.

„Und?“

Sie legte eine Hand auf das Geländer und sah zu Derek hinüber. Er war ihr bester Freund, aber es gab so vieles von ihr, das er nicht wusste. Die Peinlichkeiten, über die sie nie mit jemandem sprach. Und dies war etwas, das sie ihm nicht sagen musste. Diese Demütigung war zusammen mit Jose verschwunden.

Sie sah Derek in die Augen und sagte, was sie immer sagte, wenn sie nach dem Kind gefragt wurde. Aber im Geiste erinnerte sie sich nur zu deutlich daran, wie Jose ihr versichert hatte, ein Baby könne ihn davon abhalten, sich außerhalb des Ehebetts nach weiblicher Gesellschaft umzusehen. Eine Familie könne ihm einen Halt geben wie sonst nichts anderes.

3. KAPITEL

Derek hatte erwartet, Bianca habe irgendeine simple Erklärung für ihre Schwangerschaft. Ihre Karriere als Model war ungünstig für ein Leben mit Kindern, aber sie kam wie er aus einer großen Familie. Er war ganz traditionell davon ausgegangen, dass die Hochzeit mit dem Wunsch nach Kindern einhergegangen war. Ihr Zögern verriet ihm, dass mehr daran war. Ohne es zu wollen, hatte er offensichtlich einen wunden Punkt berührt. Er hätte es dabei bewenden lassen sollen.

Aber dies war Bianca, und ihr Blick enthielt eine Spur von Trauer, wie er sie nur selten sah. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. Dabei spürte er Verlangen in sich aufsteigen, verdrängte es aber gleich. Sie brauchte jetzt einen Freund, keinen Mann, der von ihr angeturnt war. Ihr Parfum war dabei keine große Hilfe. Es war ein zarter blumiger Duft. Wenn der Wind ihn in seine Richtung trieb, musste er unwillkürlich tiefer durchatmen.

„Bia?“ Er sah sie fragend an. „Es ist in Ordnung, wenn du mir nicht antworten möchtest.“

Sie sah ihn mit ihren großen braunen Augen an, und er war verloren. Er begriff, dass es eben dieser Blick war, der ihn in ihren Bann gezogen hatte. Sie hatte sehr ausdrucksvolle Augen, und ein Blick von ihr genügte, um in ihm den Wunsch zu wecken, sie zu trösten und für sie da zu sein. Um Drachen für sie zu töten. Jose war tot. Falls er der Drache war, der sie quälte, dann gab es niemanden, gegen den er antreten konnte.

Außerdem hatte sie ihr Märchen bekommen, die Hochzeit mit ihrer ersten großen Liebe. Jose. Das konnte also nicht das Problem sein.

„Heh, vergiss meine Frage. Es war nur Smalltalk“, beteuerte er, obwohl das weit von der Wahrheit entfernt war.

Im Geiste hörte er die Stimme seines Vaters: Fang so an, wie du weitermachen willst. Zu lügen schien nicht das Richtige zu sein für einen Anfang. Aber er hatte sie gebeten, seine Verlobte zu spielen – nicht, sie zu sein. Vielleicht hieß das, dass sie beide ein Recht auf ihre Geheimnisse hatten.

„Das ist schon in Ordnung. Es ist nur – mit der Heirat hat sich mein Leben geändert. Ich meine, ich habe neue Prioritäten gesetzt. Ich wurde schwanger, und als ich Beni dann in meinen Armen hielt …“ Sie sah zu ihm hinüber. „Du darfst jetzt nicht lachen.“

„Wieso sollte ich?“

„Na ja, als ich meinen Sohn sah, war es, als sei ein Schleier von meinem Leben genommen. Ich begriff, wie hohl alles bisher gewesen war. Ich wollte plötzlich mehr. Wollte ihm die Welt schenken. Nicht die materiellen Dinge, sondern Erfahrungen. Liebe. Es hat mich verändert.“

Das konnte Derek nachvollziehen. Er hatte sie mit dem kleinen Jungen in der Stadt gesehen. Sie schien in ihrem Element zu sein, wenn er bei ihr war. Sie schien förmlich zu leuchten, wenn sie von ihrem Sohn sprach.

Er erinnerte sich an etwas, das sein Bruder Hunter einmal gesagt hatte – dass Frauen, die liebten, schöner wurden. Jetzt begriff er, was Hunter gemeint hatte. Er musste sehr behutsam sein, wenn Bianca bei ihm einzog. Sie mochte seine heimliche Liebe aus Jugendzeiten sein, aber sie war jetzt eine Frau, eine Mutter. Er durfte seinem Verlangen nicht nachgeben, falls sie nicht dieselben Wünsche hatte.

Er ließ den Blick über das Wasser gleiten. Er war auf der Rockin’ C Ranch aufgewachsen. Seither hatte sich vieles verändert. Es gab jetzt ein Ausbildungszentrum der NASA hier. Bianca war ein berühmtes Model und sein Bruder ein bekannter Ex-Footballprofi. Er selbst ein anerkannter Chirurg. Es war unglaublich.

„Ich glaube, in meinem Leben hat noch nichts den Schleier gelüftet“, sagte er nachdenklich. Er war immer noch derselbe wie früher, entschlossen, zielstrebig seine Karriere als Chirurg zu verfolgen. Er hatte die Ranch und Cole’s Hill mit fünfzehn verlassen, um das College zu besuchen und anschließend Medizin zu studieren. Nichts hatte ihn aufhalten können. „Vielleicht war es deswegen so ein Schock, nicht ganz ohne Probleme zum Leiter der Kardiologie ernannt zu werden. Ich habe mich immer nur darauf konzentriert, Chirurg zu werden und dann der Beste in meinem Fach zu sein.“

„Du kannst dich glücklich schätzen, Derek. Du hast immer ganz genau gewusst, was du wolltest. Wir andern stochern oft lange hilflos im Nebel herum, bis wir unser Ziel finden.“

„Du? Ich habe dich nie hilflos erlebt.“

Sie lachte. Er hörte ihr lächelnd zu. Sie hatte ein wundervolles Lachen.

„Das ist nur, weil ich nach außen nur das zeige, was ich zeigen will“, bekannte sie.

„Aber jetzt nicht mehr, oder? Nun hast du Beni.“

Bianca zuckte mit den Schultern. „Manchmal spiele ich immer noch eine Rolle. Ich meine, er hat meinem Leben einen Sinn gegeben, aber eine Mom zu sein, kann sehr hart sein. Wenn ich darüber nachdenke, was alles passiert ist, frage ich mich, ob ich ihm nicht vielleicht geschadet habe … Deswegen möchte ich auch noch einmal in Ruhe über deine Idee nachdenken. Ich möchte nicht zustimmen und dann feststellen, dass es nicht in seinem Sinne war.“

Derek nickte. Er hatte großes Selbstvertrauen, sowohl in seinem privaten Leben als auch in seiner Arbeit, aber manchmal ging etwas schief, und er musste immer wieder alles durchgehen, um herauszufinden, was passiert war. Hatte er etwas übersehen? Hatte er einen Fehler gemacht? Wie konnte er verhindern, dass so etwas noch einmal geschah? Nie hätte er gedacht, dass es Bianca ähnlich erging.

Sie schien so selbstsicher. Schien jedes Hindernis überwinden zu können. Zu sehen, dass auch sie ihre Zweifel hatte und nicht perfekt war, erhöhte sein Verlangen nach ihr nur noch. Es machte sie menschlich. Das war nicht mehr das Mädchen, in das er sich verliebt hatte – das war eine Frau. Eine begehrenswerte Frau.

Die Stimmung war umgeschlagen. Bianca wusste nicht, ob sie etwas dagegen hatte. Sie hatte sich danach gesehnt, dass etwas Neues passierte. Sie war die immer gleichen Mittwochabende leid – ihre Blind Dates fielen zusammen mit dem Männerabend, den ihr Vater traditionell mit ihren Brüdern und jetzt auch mit Benito genoss. Er hatte die erste Phase mit Beni nach der Geburt verpasst, weil sie damals noch in Spanien lebten. Das wollte er jetzt wettmachen. Die Männer suchten das Western Two Step auf, eine Art Sportbar mit vielen Angeboten an Aktivitäten. Die Speisekarte bot das, was ihr Vater ‚Essen für richtige Männer‘ nannte – vorwiegend Burger, Steaks und Pommes Frites.

Während die Männer unter sich waren, suchte Bianca als Teenager jeden Mittwoch mit ihrer Mutter ein Spa auf, wo sie sich Maniküre und Pediküre machen ließen oder sich eine Gesichtsmaske und eine Massage gönnten. Der Wunsch ihrer Mutter, sie wieder mit einem Mann zusammenzubringen, hatte den gemeinsamen Abend in den Hintergrund gedrängt. Bianca wusste, dass nichts ihre Mutter im Moment mehr freuen würde als die Erklärung, sie habe sich mit Derek verlobt. Nichts war ihr wichtiger, als ihre Tochter wieder glücklich zu sehen.

Das hatte sie ihr mehrfach gesagt.

Und nun stand sie hier auf der Brücke, im Hintergrund sangen die Zikaden, und Derek betrachtete sie mit diesem intensiven Blick, den er für gewöhnlich nur hatte, wenn er sich auf ein medizinisches Problem konzentrierte. Aber jetzt konzentrierte er sich ganz auf sie.

Sie wusste, wie wichtig es ihm war, Leiter der Kardiologie zu werden. Er hatte ihr seine Pläne für das Leben bereits offengelegt, als sie fünfzehn waren. Er stand damals im Begriff, zum College zu gehen, und sie hatte ihre ersten Jobs als Model. Sie waren die beiden Außenseiter. Die beiden, die die Stadt verlassen wollten. Und nun waren sie beide wieder zurück.

Sie verspürte so etwas wie prickelnde Erregung. Ein Gefühl, das sie nicht mehr gehabt hatte, seit Beni zu laufen und zu sprechen begonnen hatte. Sie fluchte unterdrückt.

„Was ist? Alles in Ordnung?“, fragte Derek.

Sie nickte. „Ich hasse es einfach, wenn meine Mom recht hat. Ich meine, es wäre doch schön, wenn sie sich irgendwann einmal irren könnte. Aber jedes Mal, wenn ich dagegen protestiere, dass sie sich in mein Leben einmischt, passiert etwas, das mir beweist: Sie hat schon wieder recht gehabt.“

„Wovon redest du?“

Ihr wurde klar, dass es nicht klug wäre, von ihren Gefühlen zu sprechen. Er brauchte eine Freundin, keine Frau, die ihn heimlich begehrte. Ihr Blick hing an seinen Lippen. Er hatte wunderbare Lippen. Wieso fiel ihr das jetzt auf? Und wieso fragte sie sich, wie sich diese Lippen wohl auf ihren anfühlen mochten?

„Ach, nichts. Ich glaube, ich kann ganz gut allein nach Hause gehen. Ich meine, falls du zurück zu deinen Brüdern möchtest …“ Je schneller sie sich von der Versuchung löste, desto besser. Vielleicht war es einfach ihre Reaktion auf einen Mann, der … Der was? Der Mann, mit dem ihre Mutter sie an diesem Abend zusammengebracht hatte, war auch attraktiv gewesen. Wieso fühlte sie sich nicht zu ihm hingezogen, sondern zu Derek?

War das nicht ein Argument gegen die fingierte Verlobung?

Sie wusste, sie würde nicht Nein sagen. Nicht jetzt. Nicht, seit sie seine Lippen bewusst wahrgenommen hatte und sich fragte, ob er gut küsste oder nicht.

Es war albern, aber zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, dass die Last, die seit Joses Tod auf ihr lag, verschwunden war. Sie fühlte sich fast wieder so wie … ja, wie früher. Wie ihr altes Ich. Nichts würde sie davon abhalten, bei dieser Sache mitzumachen.

Sie hatte schon ganz vergessen, wie prickelnd es war, nicht zu wissen, was als Nächstes kam. Wie sehr sie es genoss, sich zu einem Mann hingezogen zu fühlen. Und in diesem Fall war es sicher. Oder? Derek wollte eine gespielte Verlobte. Das konnte sie sein. Sie konnte ihm nah sein und es genießen, ohne ihr Herz dabei zu gefährden. Sie würde sich nicht in Derek Caruthers verlieben. Der Mann war mit seinem Job verheiratet.

Das wussten alle.

Nie würde sein Interesse an einer Frau länger als ein paar Monate vorhalten. Eben deswegen hatte er ja eine vorgetäuschte Verlobung auf Zeit vorgeschlagen.

„Du hast einen ganz merkwürdigen Gesichtsausdruck“, bemerkte Derek. „Ich bringe dich auf jeden Fall nach Hause. Mein Dad würde mir sonst eine Tracht Prügel verpassen.“

Sie lächelte – weil sie wusste, dass er das erwartete. „Du kannst mich bis zum Bürgersteig vor unserem Haus bringen. Wenn du mit zur Tür kommst, würde meine Mom uns beide verhören, und wir haben uns noch nicht entschieden. Du hast mir versprochen, dass ich bis morgen Zeit habe, darüber nachzudenken.“

Als ob Nachdenken jetzt noch etwas genützt hätte, wo die Lust mit im Spiel war! Sie schloss die Augen und versuchte sich zu erinnern, wie Derek als Fünfzehnjähriger ausgesehen hatte. Groß, schlaksig, mit Zahnspange und leichter Akne. All das war jetzt egal, denn sobald sie die Augen öffnete, fiel ihr Blick wieder auf seine Lippen.

Der erwachsene Derek hatte einen verführerischen Mund. Seine Lippen waren wie zum Küssen gemacht. Sie hatte schon viele Männer geküsst, und viele Küsse waren enttäuschend gewesen, aber seine Lippen … sie sahen nicht so aus, als würden sie sie enttäuschen.

„Bianca, ich versuche, es zu ignorieren, aber du starrst auf meine Lippen“, sagte er.

„Mmm-hmm.“

„Das bringt mich dazu, deine Lippen anzusehen, und das wiederum bringt mich auf ganz andere Gedanken.“

„Welche denn?“ Sie schlug jetzt alle Vorsicht in den Wind. Vielleicht küsste er nicht gut, und dann konnte sie das Thema abhaken.

Oder auch nicht.

Derek ahnte, dass er sich einem Punkt näherte, an dem es kein Zurück mehr gab. Er konnte diese ganze platonische Freundes-Hilfsaktion nur durchziehen, wenn er nicht an den Schwung ihrer Hüften dachte oder daran, wie sie an ihrer Unterlippe nagte, wenn sie über etwas nachdachte. Aber wenn sie seine Lippen so ansah wie jetzt, dann gehörte nicht viel dazu zu wissen, woran sie dachte.

Zum ersten Mal seit seiner unglückseligen Affäre mit Marnie stand er im Begriff, etwas zu tun, das seine Karriere gefährden konnte. Er war nicht bereit, eine Familie zu gründen, ehe er nicht Chef der Kardiologie geworden war. Er wollte sich auf die Medizin konzentrieren. Er brauchte eine Frau wie Bianca, weil sie respektabel war, beliebt und weil Marnie nicht auf die Idee kommen würde, er hätte Bianca dazu gebracht, seine Verlobte nur zu spielen. Das hätte ein kluger Mann bedacht, statt seine Finger nach einer Strähne auszustrecken, die der Wind Bianca ins Gesicht blies – und damit vielleicht seine Chance zunichte zu machen, dass sie bei seinem irrwitzigen Plan mitmachte.

Ein kluger Mann hätte zwei Schritte zurück getan, statt einen halben Schritt auf sie zuzugehen und seine Hand an ihre Wange zu legen. Ihre Haut war weich. Perfekt. Erneut stieg ihm ein Hauch ihres Parfums in die Nase. Sie neigte den Kopf und schloss die Augen.

Sie wollte seinen Kuss.

Und er wollte sie küssen.

Derek beugte sich zu ihr hinunter und spürte ihren Atem an seinem Kinn, bevor er seine Lippen leicht auf ihre legte. Nur ganz flüchtig. Mehr wollte er nicht. Aber ihre Lippen waren weich und öffneten sich ihm. Er brachte es nicht über sich, sich von ihr zu lösen. Und so vertieften sie den Kuss. Er ließ seine Zunge in ihren Mund gleiten. Bianca schmeckte nach Sommer. Nach einem Sommer voller Verheißungen.

Er legte seine Hand in ihren Nacken. Sie war die süßeste Versuchung, der er je erlegen war. Dieses Gefühl würde er nie wieder vergessen, das wusste er. Er wollte sie.

Derek spürte, wie seine Erregung wuchs. Plötzlich hatte er das Gefühl, seine Haut wäre zu eng für seinen Körper. Er wollte Bianca fester an sich ziehen, hielt dann aber inne. Er würde nichts überstürzen. Er wünschte sich, dass diese Umarmung nie zu Ende ging.

Dies war Bianca. Das Mädchen, das immer zu hübsch und zu klug – einige würden auch sagen, zu gut – für ihn gewesen war. Er wollte den Kuss nicht beenden. Wollte nicht, dass sie zu sich kam.

Vielleicht war es der Mond, vielleicht auch die Nacht oder der warme Luftzug, der sie vergessen ließ, dass sie eigentlich nur Freunde waren. Sie hatte ihn schon vor langer Zeit in die Kategorie des besten Freundes geschoben, aber er wusste, dass er sie jetzt nicht gehen lassen konnte. Noch nicht.

Und doch, er musste es tun.

Er hob den Kopf und sah sie an. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, feucht und ein wenig geschwollen von seinem Kuss. Langsam öffnete sie die Augen.

„Derek … das war …“

Er legte einen Finger auf ihre Lippen. „… nur ein Kuss unter Freunden. Als ich dich so im Mondlicht gesehen habe, konnte ich einfach nicht widerstehen.“

Sie räusperte sich. „War das ein Versehen? Wird es nie wieder passieren?“

Sich selbst konnte er belügen, aber sie? „Offen gestanden weiß ich es nicht. Ich kann nicht behaupten, ich wäre nicht versucht, dich wieder zu küssen.“

„Das geht mir ebenso“, gestand sie. „Ich hatte nur Angst, dass du es anders siehst.“

„Der Kuss war …“

„… wie Magie. Es ist ein so schöner Abend, und das hat wahrscheinlich dazu geführt, dass wir uns vergessen haben. Wir sind Freunde. Wir tun einander einen Gefallen. Wir sollten die Situation nicht noch komplizierter machen mit Küssen und nicht-freundschaftlichen Gedanken …“

„Nicht-freundschaftliche Gedanken?“, unterbrach er sie. „Mir war nicht klar, dass Freunde sich nicht küssen dürfen.“

„Du weißt schon, was ich meine.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

„Deine Freundschaft wird bei mir immer an erster Stelle stehen. Ich gebe zu, ich will dich schon küssen, seit du wieder nach Hause gekommen bist. Ich wusste nicht, wie sehr du dich verändert hast. Du bist noch hübscher als in meiner Erinnerung, und das will was heißen. Du warst schon das hübscheste Mädchen der Schule.“

„Danke. Das ist süß von dir. Ich sollte jetzt nach Hause gehen.“

Er nahm ihre Hand und führte Bianca von der Brücke zum Bürgersteig vor dem Haus ihrer Eltern. Sie schwiegen beide. Er hatte das Gefühl, dass an diesem Abend schon zu viel zwischen ihnen passiert war. Er brauchte sie.

Für seine Karriere.

Und er begehrte sie.

Für sich selbst.

Noch nie war er so uneins mit sich gewesen. Was wollte er überhaupt?

„Dann also gute Nacht.“

„Gute Nacht. Sehe ich dich und Benito morgen früh?“

„Ja. Wahrscheinlich gegen acht, falls das nicht zu früh für dich ist.“

Normalerweise wäre ihm das an einem freien Tag tatsächlich zu früh gewesen, aber hier ging es um Bianca. Sein Gefühl sagte ihm, dass sie Ja sagen würde. Sie würde bei ihm einziehen. Nun musste er sich nur noch überlegen, wie er mit der Situation umgehen wollte, ohne ihre Freundschaft zu gefährden.

„Das ist perfekt“, versicherte er ihr.

Er wartete, bis sie im Haus verschwunden war, bevor er zum Club zurückkehrte.

4. KAPITEL

Bianca zog die Schuhe aus und ging ins Wohnzimmer. Sie hatte es geahnt, ihre Mutter wartete auf sie. Sie setzte sich zu ihr auf die Couch.

„Noch eine Niete?“, fragte ihre Mom beklommen.

Sí“, sagte Bianca auf Spanisch. „Aber mir ist etwas Interessantes passiert.“

„Erzähl …“

„Noch nicht. Vielleicht morgen. Ich bin müde, und ich muss noch darüber nachdenken.“

Ihre Mutter strich ihr eine Strähne aus der Stirn. „Ist alles in Ordnung?“

Bianca zuckte mit den Schultern. Sie hatte ihren Eltern nie erzählt, dass Jose sie mit anderen Frauen betrogen hatte, aber ihre Mom hatte es irgendwie geahnt. Sie hatte sich immer eingebildet, darüber zu sprechen würde es noch schmerzlicher machen. Wenn sie schwieg, würde es vielleicht sonst niemand mitbekommen. Das war natürlich Unsinn.

„Ich komme schon klar“, sagte sie − und spürte, dass es wirklich so war. „Ich glaube, du hast recht. Es könnte eine gute Idee sein, wieder Dates zu haben.“

„Natürlich habe ich recht.“ Ihre Mutter lächelte. „Möchtest du etwas trinken?“

„Vielleicht ein Mineralwasser mit Zitrone.“

„Ich habe morgen Frühdienst“, sagte ihre Mutter, als sie in die Küche gingen. Die Haushälterin hielt immer einen Vorrat an Zitronen, Maraschino-Kirschen und Oliven in der Bar bereit.

Biancas Mom pendelte nach Houston zur Arbeit im Sender. Sie hätte darauf bestehen können, dass die Familie ihretwegen umzog, aber sie hatte es nie getan. Die Velasquez-Familie gehörte nach Cole’s Hill. Vor vielen Generationen hatte sie vom spanischen König Land geschenkt bekommen. Es war unwichtig, dass sie inzwischen ihr Geld nicht mehr mit der Ranch, sondern mit der Zucht reinrassiger Pferde verdiente.

„Beni wird mich auch früh aus dem Bett holen. Außerdem habe ich einen Termin um acht.“

„Der Kleine ist wirklich ein Frühaufsteher“, bemerkte ihre Mom. „Setz dich doch. Ich mache die Drinks. Ich habe Caz den Abend frei gegeben. Wozu soll sie bleiben, wenn ich allein hier bin?“

„Das ist richtig. Habt ihr eigentlich vor, euch einmal zu verkleinern?“ Bianca fragte sich schon seit geraumer Zeit, wie lange ihre Eltern das große Haus noch halten wollten, nachdem sie nun nur noch zu zweit hier lebten. Es fiel kaum auf, dass sie mit Beni dazugekommen war. Auch als sie noch mit ihren vier Brüdern hier gelebt hatte, war es nie beengt gewesen.

„Ich weiß nicht. Dein Poppa möchte nicht umziehen. Es soll genügend Platz für die Enkel da sein. Hast du die Absicht, woanders hinzuziehen?“

„Ich bin unsicher. Ich finde es sehr schön, wieder hier zu sein. Ich versuche, irgendeine Arbeit zu finden, sodass Beni in Cole’s Hill aufwachsen kann.“

Ihre Gedanken wanderten zu Derek. Seine Idee war vielleicht die Lösung. Darüber musste sie nachdenken. Einerseits war da das Risiko, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Andererseits war es eine Chance herauszufinden, was sie wirklich wollte. Die vorgetäuschte Verlobung würde ihr Zeit verschaffen, ihre Zukunft zu klären. Falls sie mit Beni hier bei ihren Eltern blieb, war zu befürchten, dass sie irgendwann nicht mehr wusste, was sie selbst wollte, sondern sich nur noch den Wünschen ihrer Eltern anschloss.

Ihre Mutter sprach über die Haushälterin und die neue Idee ihres Vaters, seinen Pickup gegen eine Harley zu tauschen. Bianca hörte nur mit halbem Ohr zu. Sie vermisste ihren Sohn, der mit seinem Großvater und seinen Onkeln unterwegs war. Seine Nähe würde ihr helfen, zu einer Entscheidung über Dereks Idee zu kommen.

Es war schwer zu glauben, dass sie ernsthaft erwog, sich darauf einzulassen. Wieso sollte sie das tun?

Der Kuss war ein Grund mehr, über seinen Vorschlag nachzudenken. Es war nicht mehr so simpel, wie es anfangs geklungen hatte. Aber sie bedauerte den Kuss nicht. Wie sollte sie auch?

„Findest du nicht?“, fragte ihre Mom.

„Was?“

„Du hörst mir überhaupt nicht zu. Ist alles in Ordnung, Süße?“

Bianca zuckte die Schultern. „Ja. Aber ich muss eine Entscheidung fällen, und ich bin mir nicht sicher, was ich machen soll.“

„Kann ich helfen?“

„Nein!“

„Ich meinte ja nur …“

„Tut mir leid, Mom. Ich wollte dich nicht kränken. Aber es ist etwas, das ich allein entscheiden muss. Es belastet mich. Was hast du gesagt? Etwas über Dad und ein Motorrad?“

Ihre Mutter legte eine Hand auf ihre und drückte sie. „Als ich entscheiden musste, ob ich meinen Job aufgebe und zu Hause bei den Kindern bleibe, wie alle es von mir erwarteten, habe ich auch viel gegrübelt. Und wie du weißt, habe ich mich dann für den Job entschieden.“

„Ich weiß. Es muss schwer gewesen sein, Mom.“

„Nicht so schwer, wie später mit der Entscheidung zu leben. In den ersten drei oder vier Monaten war ich mir sehr unsicher. Hätte ich zu Hause sein sollen, als Diego von seinem Skateboard gestürzt ist und sich den Arm gebrochen hat? War mein Job schuld daran, dass es überhaupt passiert ist? Die Zweifel trieben mich fast in den Wahnsinn, und ich war sehr unglücklich. Eines Abends hat dein Poppa mich dann beiseite genommen und mir gesagt, dass ich immer zweifeln würde, ganz gleich, wie meine Entscheidung ausgefallen wäre. Er riet mir, zu meiner Wahl zu stehen – und das Leben zu genießen.“

Bianca musste zugeben, dass ihre Mom wie immer die richtigen Worte gefunden hatte.

„Danke, Mom. Jedes Mal, wenn ich glaube, ganz erwachsen zu sein und zu wissen, was du sagen wirst, überraschst du mich wieder.“

„So sollte es sein.“ Ihre Mutter zwinkerte ihr zu. „Möchtest du noch reden oder dir lieber eine Show im Fernsehen ansehen?“

Sie sahen fern, bis ihr Dad mit Beni nach Hause kam. Der Kleine schlief bereits, und ihr Vater brachte ihn in sein Schlafzimmer. Nachdem ihre Eltern gegangen waren, zog Bianca ihrem Sohn den Pyjama an und legte sich dann zu ihm aufs Bett, um ihm beim Schlafen zuzusehen.

Sie wollte Ja sagen zu Dereks Vorschlag. Wenn sie vorsichtig war, konnte es ein Übergang sein zur nächsten Phase ihres Lebens. Er wollte nur eine Verlobung auf Zeit, und das war im Moment vielleicht genau das Richtige für sie.

Außerdem, es ging um Derek. Auf ihn konnte sie sich immer verlassen, und er erwartete nie eine Gegenleistung. Bisher hatte er sie noch nie um etwas gebeten. Irgendwie faszinierte sein Vorschlag sie.

Wieso zögerte sie noch?

Das letzte Mal, als sie ihrem Bauchgefühl vertraut hatte, war es nicht sehr gut ausgegangen.

Derek hatte den langen Weg zurück zum Club genommen und ging gleich zum Pool-Zimmer, wo seine Brüder noch beisammensaßen.

„Was hat sie gesagt?“, fragte Nate sofort, als Derek hereinkam.

Was hatte sie gesagt? Er hatte nur immer an den Kuss denken müssen und daran, wie kompliziert doch alles war. Wesentlich komplizierter, als er zunächst angenommen hatte, als er auf die Idee gekommen war, sie um Hilfe zu bitten. Sie waren Freunde, aber er hatte festgestellt, dass er nicht viel von Bianca wusste. Es wäre gelogen, wollte er behaupten, er sei nicht fasziniert von ihr. Gleichzeitig fürchtete er, sie könne ihn ständig nur ablenken, falls sie Ja sagte. Sollte sie allerdings Nein sagen, würde er nicht aufhören können, an den Kuss zu denken – und er würde etwas mit ihr anfangen.

Seine Erfahrungen mit Langzeit-Beziehungen waren nicht die besten. Was im Klartext hieß, dass sie aus seinem Leben verschwinden würde, sobald ihre Beziehung zu Ende war. Er wusste selbst nicht, was er falsch machte, aber er war mit keiner Frau mehr befreundet, mit der er geschlafen hatte.

„D? Hast du etwas mit den Ohren?“ Hunter sah ihn fragend an.

Derek öffnete eine Flasche Bier und nahm einen langen Zug.

„Sie denkt darüber nach“, erklärte er dann.

„Das ist ja nicht viel mehr als ein offenes Nein“, kommentierte Hunter. „Bist du dir sicher, dass du das durchziehen möchtest?“

Ja, natürlich. Hätte er Zweifel gehabt, wären sie größer geworden, als ihre Lippen unter seinen dahinschmolzen. Er rieb sich den Nacken und warf dabei verstohlen einen Blick auf die Uhr. Es war noch nicht einmal eine Stunde vergangen, seit er sich von Bianca verabschiedet hatte. Wie sollte er es bis acht Uhr am nächsten Morgen schaffen, wenn die Zeit derart kroch?

Natürlich hatte er nicht die Absicht, seinem Bruder das zu sagen.

„Ich bin mir einer Sache noch nie so sicher gewesen“, verkündete er.

Hunter schlug ihm aufmunternd auf den Rücken. „Okay. Aber du wirst damit leben müssen, dass wir dich damit aufziehen.“

„Macht ihr das nicht immer? Und was das Aufziehen betrifft – vergiss nicht, dass du vor einer Hochzeit stehst. Da dürfte dir auch einiges in dieser Hinsicht bevorstehen.“

„Und was ist mit der Junggesellen-Auktion?“, feixte Hunter. „Du wirst zusammen mit Ethan die Caruthers repräsentieren. Lass uns nicht im Stich. Oder nimmst du deine Verlobung als Vorwand, dich davor zu drücken? Ich könnte dir nicht einmal einen Vorwurf machen.“

„Eine gute Idee. Ich sollte mir einen Ersatzmann suchen. Wir müssen das große Geld hereinbringen, wie immer“, warf Ethan ein. Die Erlöse der Auktion flossen an das Frauenhaus.

„Immer sind wir ja auch nicht die Ersten. Im vergangenen Jahr haben die Velasquez-Männer uns geschlagen. Und die Callahans glauben, dass sie in diesem Jahr besser sind als wir, weil Nate und Hunter nicht mehr dabei sind“, gab Ethan zu bedenken. „Liam hat gestern Abend im Bull Pit damit geprahlt.“

„Wie ist es für ihn ausgegangen?“, erkundigte sich Derek interessiert. Ethan mochte Anwalt sein – zudem ein sehr guter –, aber er war auch ein Caruthers, und sie waren alle Kämpfer.

„Er hat ein schönes Veilchen. Ich wollte, ich hätte auf Dad gehört und meine Linke noch besser trainiert.“

Derek lachte. Ethan war wirklich unmöglich. Er spürte, dass seinen Bruder etwas beschäftigte, aber im Moment hatte er genug mit seinen eigenen Problemen zu tun.

„Gut“, sagte Nate. „Wir haben im letzten Jahr nur gegen die Velasquez verloren, weil Hunter nicht da war. Auch wenn er jetzt vom Markt ist, bringt er immer noch Glück. Er zieht die Frauen an, denen das Geld locker sitzt. Weißt du noch, wie die New Yorkerin auf dich geboten hat?“

Hunter schnitt eine Grimasse. „Ja. Sie war interessant – gelinde gesagt. Ich bin bloß froh, dass ich in diesem Jahr nicht mehr dabei bin.“

„Freu dich nicht zu früh. Mom möchte im nächsten Jahr eine Auktion veranstalten, bei der Ehefrauen auf Ehemänner bieten, um Geld für das Frauenhaus zusammenzubekommen.“

„Oh Gott! Lasst uns Pool spielen und trinken, damit wir nicht weiter darüber nachdenken müssen“, schlug Hunter vor. „Außerdem sollten wir die Gelegenheit nutzen, Derek mit seiner großartigen Verlobung aufzuziehen.“

„Kommt es denn dazu?“, fragte Nate. „Ich dachte, Bianca denkt noch darüber nach.“

„Ich hätte nicht gedacht, dass sie sich auf so etwas einlässt.“

„Da kannst du mal sehen, dass du auch nicht alles weißt, Ethan. Sie überlegt noch. Wir sind Freunde, da ist es ja wohl nicht so abwegig.“

„Ganz wie du meinst.“ Ethan grinste. „Solange es dich und nicht mich betrifft …“

Sie spielten bis weit nach Mitternacht. Ethan hatte zu viel getrunken und konnte nicht mehr fahren. Nate nahm ihn mit zur Ranch, während Derek zu Fuß ging.

Er hatte das Haus ganz in der Nähe des Clubs gekauft, nachdem er nach Cole’s Hill zurückgekommen war. Er hätte in einer größeren Stadt sicher eine bessere Karriere machen können, aber darum ging es ihm nicht. Er wollte die Arbeit tun, die er liebte, und den Menschen seiner Stadt helfen.

Das Haus erschien ihm leerer als sonst. Er musste daran denken, wie schön es doch wäre, in ein Haus zu kommen, in dem Bianca auf ihn wartete.

Und noch schöner wäre es, dann mit ihr ins Bett zu gehen und zu beenden, was der Kuss begonnen hatte.

Beni weckte Bianca um fünf Uhr mit seiner kleinen Hand auf ihrem Gesicht. Sie sah direkt in seine großen Augen und musste lächeln. Es war nicht ihre Absicht gewesen, neben ihm einzuschlafen. „Guten Morgen, Changuito.“

Sie nannte ihn ihr kleines Äffchen, so wie es schon ihr Vater mit ihr gehalten hatte, als sie klein war.

„Morgen, Mama. Hast du mich vermisst?“, fragte er.

„Das habe ich. Deswegen habe ich hier bei dir geschlafen.“ Sie hauchte ihm einen Kuss auf den Kopf. „Ist das in Ordnung?“

Er nickte.

Autor

Elizabeth Bevarly
<p>Elizabeth Bevarly stammt aus Louisville, Kentucky, und machte dort auch an der Universität 1983 mit summa cum laude ihren Abschluss in Englisch. Obwohl sie niemals etwas anderes als Romanschriftstellerin werden wollte, jobbte sie in Kinos, Restaurants, Boutiquen und Kaufhäusern, bis ihre Karriere als Autorin so richtig in Schwung kam. Sie...
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