Cops lieben gefährlich

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Die reiche Emily und der Agent Judd haben eigentlich nur eines gemeinsam: Sie beide wollen den Waffenhändler Donner verurteilt sehen - aus verschiedenen Gründen. Doch schon bald verbindet sie etwas ganz anderes, etwas Faszinierendes, das ihre Pläne in höchste Gefahr bringt...


  • Erscheinungstag 23.03.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733767525
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Sie hatte die größten braunen Augen, die Judd jemals gesehen hatte.

Sie sah außerdem verdammt unschuldig aus, trotz ihrer albernen Verkleidung, zu der auch eine riesige, ausgefranste Leinentasche gehörte, die sie sich über die Schulter gehängt hatte. Bildete sie sich wirklich ein, in dieser Umgebung nicht aufzufallen, nur weil sie einen zerlumpten Mantel und einen zerdrückten Hut trug? Glaubte sie wirklich, dass man sie für eine Obdachlose halten könnte?

Was tat sie also hier mitten in der Nacht? Diese Gegend von Springfield war ganz sicher nicht der richtige Ort für eine anständige junge Frau. Wieder ging sie an Judd vorbei und streifte ihn kurz mit dem Blick.

Judd durchfuhr es wie ein Blitz. In dem schwachen Licht des Mondes und der trüben Straßenlaterne hatte er gesehen, dass sie errötet war. Sie hatte eine wunderbar zarte Haut.

Verdammt. Er hatte wirklich genug um die Ohren, auch ohne sich Gedanken zu machen, warum eine junge Frau, die offensichtlich einer anderen Gesellschaftsschicht angehörte, sich so verkleidet hatte. Judd war nur vor die Tür der Bar getreten, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Die Luft in dem engen Raum war zum Schneiden und hatte ihm nahezu den Atem genommen.

Die Musik hinter ihm wurde lauter, und Judd wusste, dass das das Zeichen für die Stripper war. In weniger als zehn Minuten würde er wieder hineingehen und sich ausziehen müssen.

Zum Teufel, er hasste diese Art der Tarnung. Welcher anständige, verantwortungsvolle Polizist zog sich schon gern vor einer Gruppe von sexhungrigen Frauen aus, die gierig die Hände nach ihm ausstreckten? Beinahe zwei Wochen lang hatte er das weibliche Publikum nun schon mit dem Anblick seines Körpers unterhalten, immer in der Hoffnung, genug Beweismaterial zu finden, um endlich Clayton Donner verhaften zu können. Judd war ein gut aussehender Mann von zweiunddreißig und hatte auch keiner Ehefrau Rechenschaft für sein Verhalten zu geben. Er war also der ideale Kandidat für eine derartige Undercover-Mission. Er wusste, dass in dem Raum über der Bar illegale Waffengeschäfte getätigt wurden, aber bisher hatte er keine stichhaltigen Beweise dafür. Clayton Donner ließ sich Zeit.

Es war entmutigend, aber Judd gab nicht auf. Er würde Donner erwischen, da war er sicher. Das bedeutete aber noch lange nicht, dass er Spaß daran hatte, sich im Scheinwerferlicht zu entblößen.

Jeder Stripper musste einen bestimmten Typ verkörpern, und Judd spielte den rauhbeinigen Polizisten. Seine schwarzen engen Hosen waren an strategischen Stellen nur mir Klettverschlüssen zusammengehalten, die sich bei dem leichtesten Zupfen öffneten. Er trug sogar Max’ echte Polizistenjacke, um dem Ganzen einen authentischen Anstrich zu geben, und die Frauen gerieten außer sich.

Ob Max wohl gewusst hatte, wie sehr Frauen durch den Typ des Polizisten angetörnt wurden? Ob es ihn überhaupt interessiert hätte?

Er musste aufhören, an Max zu denken, sonst würde er seine Rolle nicht gut genug spielen können. Donner sollte ihn schließlich für skrupellos halten, damit er ihm einen Job anbot. Clayton brauchte immer neue Leute, die die schmutzige Arbeit für ihn erledigten, und Judd wollte der nächste sein. Nur so würde er genug Beweise sammeln können, um ihn endlich festzunehmen.

Das hieß aber auch, dass er sich jetzt nicht von der jungen Frau mit den großen braunen Augen ablenken lassen durfte. Unwillkürlich sah er wieder zu ihr hinüber. Sie stand unter der Straßenlaterne, drückte die schäbige Tasche an sich und versuchte, gleichgültig auszusehen. Ihr alter Mantel war bis unter das Kinn zugeknöpft. Judd schnaubte kurz. Was tat sie hier?

Aber es ging ihn nichts an. Er wollte sich schon abwenden und in die Bar gehen, als drei junge Männer auf die Frau zugingen. Sie wich unwillkürlich einen Schritt zurück, faßte sich dann aber und nickte den Männern einen Gruß zu. Sie blieben dicht vor ihr stehen.

Judd zog die Augenbrauen zusammen. Wenn sie doch verschwinden würde! Sie war diesen Typen niemals gewachsen. Jetzt sagte sie etwas zu den Männern. Aber als einer sie beim Arm packte, schrie sie unwillkürlich auf, drehte sich nach Judd um und sah ihn hilfesuchend an.

Sie hielt ihn tatsächlich für einen normalen Polizisten! Er durfte sich zwar nicht wie ein Polizist verhalten, wenn er nicht die Arbeit von zwei Wochen zunichte machen wollte, aber er konnte auch nicht zulassen, dass man ihr etwas tat. Judd löste sich aus dem Schatten der Bar und ging langsam auf die Männer zu. Sie waren offensichtlich betrunken. Einer von ihnen versuchte ungeschickt, die junge Frau an sich zu ziehen, aber sie machte sich los.

„Nun mal langsam, Jungs.“ Judds Stimme war tief und leise, dabei aber bestimmend. „Lasst lieber die junge Frau in Ruhe.“ Er sah, wie sie zitterte. Ihr Gesicht sah im Schein der gelben Lampe kreidebleich aus.

„Geh doch zum Teufel.“ Der Betrunkene ergriff das Mädchen wieder beim Oberarm.

Seine Worte kamen undeutlich. Wie betrunken mochten die drei sein? Selbst wenn sie ihn für einen echten Polizisten hielten, so bedeutete das in dieser Gegend nicht viel. Hier verachtete man die Vertreter des Gesetzes. Auf der anderen Seite konnte er sich nicht auf eine Schlägerei einlassen, bei der er buchstäblich die Hose verlieren konnte. Wo war die Polizei, wenn man sie brauchte?

„Liegt Ihnen etwas an diesen Männern?“ Er sah die Frau abwartend an.

Sie schluckte und schüttelte heftig den Kopf. „Nein.“

Einer der Männer trat leicht schwankend einen Schritt auf Judd zu und drohte ihm mit der Faust. „Sie will doch mit uns ins Geschäft kommen.“ Er grinste und fuhr fort: „Man kann schließlich nicht erwarten, dass eine Mieze wie sie ohne Waffe auskommt.“

Einer seiner Kumpane schlug ihn auf den Mund. „Halt’s Maul, du Idiot.“

Judd musterte das Gesicht der Frau. „Also?“

Sie schluckte wieder. „Was heißt hier, also?“

„Warum brauchen Sie eine Waffe? Wollen Sie jemanden umbringen?“ Judds Stimme war leise, aber bestimmt.

Sie schüttelte den Kopf und sah sich verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit um. Judds Interesse war erwacht. Sie wollte ihm nicht sagen, was sie vorhatte. Hielt sie ihn wirklich für einen Polizisten?

Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah die Frau ärgerlich an. „Möchten Sie gern ein wenig Zeit mit diesen Männern verbringen, oder nicht?“

Sie sah vorsichtig in das Gesicht des Betrunkenen, der sie immer noch festhielt, und verzog dann verächtlich den Mund. „Nein, eigentlich nicht.“

Judd musste lächeln. Sie hatte wirklich Mut, obwohl sie so zierlich war, dass sie beinahe in dem alten Mantel versank. „So ist es also, Leute.“ Judd zuckte mit den Schultern. „Die Dame ist nicht besonders von euch beeindruckt. Am besten geht ihr und sucht euch andere Spielkameraden.“

„Ich bin mit dieser Puppe aber ganz zufrieden.“ Der Mann lockerte anscheinend seinen Griff, denn die Frau riß sich plötzlich los und stieß ihm dann das Knie in die Leistengegend.

Das war wohl das Dümmste, was sie tun konnte. Judd schüttelte ungläubig den Kopf und zog sie mit einem schnellen Griff hinter sich. Er hob die Fäuste, wusste aber, dass eine Schlägerei zuviel Aufmerksamkeit auf ihn lenken würde und seine Tarnung gefährden könnte. Einer der Betrunkenen stolperte auf ihn zu.

In dem Augenblick schoß das Mädchen hinter Judds Rücken hervor und sprang dem Angreifer auf den Rücken. Sie konnte kaum hundert Pfund wiegen, aber sie griff dem Mann ins Haar und zog mit aller Kraft.

Genug der Albernheiten. Judd sah kurz auf die Uhr. Er würde gleich auf der Bühne stehen müssen. Er packte den Betrunkenen fest am Hemd und zog ihn so schnell zu sich heran, dass die Frau von seinem Rücken abglitt. Dann versetzte er ihm einen kräftigen Kinnhaken und sah die anderen beiden drohend, bis sie sich schimpfend davonmachten.

Judd wandte sich zu der jungen Frau um, die zu seinem Erstaunen damit beschäftigt war, ihre Frisur in Ordnung zu bringen. Ihre Leinentasche lag in einer Pfütze, aber sie machte keine Anstalten, sie aufzuheben.

„Brauchen Sie Ihre Tasche nicht?“ Der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören.

„Oh.“ Sie sah ihn kurz an. „Doch, natürlich…“ Sie machte einen Schritt in Richtung Pfütze, aber Judd schüttelte nur den Kopf. Er hatte gesehen, dass nichts als alte Kleidung in der offenen Tasche war, und wenn es etwas gab, was diese junge Frau nicht brauchte, so waren es alte Klamotten.

Er nahm sie sanft, aber fest beim Arm und führte sie auf den Eingang der Bar zu. Judd konnte sich genau drei Sekunden beherrschen, dann brach es aus ihm heraus: „Was, um Himmels willen, haben Sie sich bloß dabei gedacht, mitten in der Nacht allein hier auf den Straßen herumzulungern?“ Vielleicht war sie eine Journalistin, auf der Suche nach einer Story? Es war offensichtlich, dass sie nicht in dieses Milieu gehörte. Selbst in der alten Kleidung besaß sie eine gewisse vornehme Eleganz, eine stolze Anmut, die darauf hinwies, dass sie nicht in einer Gegend wie dieser aufgewachsen war.

Sie sah ihn kurz von unten her an, und Judd nahm jetzt ihren zarten Duft wahr. Sie umgab kein schweres, billiges Parfüm wie die Frauen in der Bar, sondern ein zarter, frischer und sehr weiblicher Hauch. Ihr schulterlanges braunes, leicht gewelltes Haar lag weich um ihr Gesicht und wippte im Rhythmus ihrer schnellen Schritte, als er sie eilig hinter sich her zog. Sie musste beinahe laufen, um Schritt zu halten, aber Judd konnte darauf jetzt keine Rücksicht nehmen. Er würde zu spät kommen, wenn er sich nicht beeilte. Er konnte schon die Musik hören, die seinen Auftritt ankündigte.

Die Frau neben ihm räusperte sich. „Vielen Dank für Ihre Hilfe, Officer.“

Ohne seinen Schritt zu verlangsamen, sah er sie ärgerlich von der Seite an. „Beantworten Sie mir die eine Frage: Wer sind Sie? Und was haben Sie vor?“

„Das sind schon zwei Fragen.“

Er fluchte ungeduldig. „Verdammt noch mal, antworten Sie mir.“

Sie stolperte und sah ihn dann trotzig an. „Das geht Sie wirklich nichts an.“

Judd biß die Zähne zusammen. „Von wegen.“ Als er versuchte, sie in die Bar zu ziehen, wehrte sie sich plötzlich. Er sah, dass sie mit offenem Mund und weit geöffneten Augen auf das Innere des Raumes und die Gäste starrte. Aus ihrer Stimme klang Panik. „Was wollen Sie mit mir?“

Aber Judd hatte weder Zeit, auf ihre Empfindsamkeit Rücksicht zu nehmen, noch ihr irgend etwas zu erklären. Jeder hier in dieser Gegend hielt ihn für einen geldhungrigen, sexbesessenen Opportunisten, einschließlich Clayton Donner. Es war Judds notwendige Tarnung, wenn er Donners Machenschaften endlich aufdecken wollte. Donner würde sich zeigen, und wenn er erst einmal davon überzeugt war, dass Judd hier sozusagen zum Inventar gehörte, dann würde er bald versuchen, ihn anzuwerben, dessen war Judd sich sicher.

Er führte die junge Frau zum nächsten Barhocker. „Sie bleiben hier.“ Er starrte sie unter zusammengezogenen Augenbrauen drohend an. Die Musik wurde schneller, er musste sich beeilen.

Die falsche Obdachlose rutschte sofort wieder von dem Hocker hinunter. „Also hören Sie mal, ich denke doch nicht daran, hier auf Sie zu warten.“

Ohne ein Wort zu sagen hob er sie hoch und drückte sie wieder auf den Barhocker. „Sie soll hierbleiben, Freddie“, rief er dem Barmann zu. „Achte darauf, dass sie sich nicht wegrührt.“

Freddie grinste breit und zeigte dabei zwei große Zahnlücken. „Was hat sie denn gemacht?“

„Sie schuldet mir einiges. Paß auf sie auf.“

„Und wenn sie versucht abzuhauen?“

Judd zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Sieh zu, dass sie es bereut, wenn sie auch nur eine Bewegung in Richtung Ausgang macht.“

Freddie sah gefährlich aus, aber Judd wusste, dass er keiner Fliege etwas zuleide tun konnte. Aber die Kleine wusste das nicht, und Judd wollte unbedingt herausbekommen, was es mit ihr auf sich hatte. Obgleich sein Gefühl ihm sagte, dass es vielleicht Schwierigkeiten geben würde.

Plötzlich bewegte sich der Kegel des Scheinwerfers wie suchend durch den Raum. Judd fluchte leise, zwang sich dann zu einem Lächeln und schlenderte mit wiegenden Schritten in das Licht. Die Frauen kreischten.

In der kurzen Zeit, seit er hier auftrat, hatte Judd schon viel über den Waffenhändler herausgefunden und war gleichzeitig zum Liebling der Zuschauerinnen geworden. Der Besitzer der Bar hatte versprochen, seinen Lohn zu verdoppeln, aber das meiste verdiente Judd durch die Banknoten, die ihm von den begeisterten Frauen in den knappen Slip geschoben wurden. Er hatte sich von Anfang an geweigert, einen Tanga zu tragen. Seine entblößte Hinterseite zeigte er nur einer Frau zur Zeit, und selbst das passierte äußerst selten. Aber seine Schamhaftigkeit reizte die Zuschauerinnen nur noch mehr.

Während Judd sich im Rhythmus der aufpeitschenden Musik bewegte, blickte er zur Theke hinüber, um sich zu vergewissern, dass sein Schützling noch da war. Sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt, sondern sah ihn mit großen, glänzenden Augen schockiert und ungläubig an. Er hielt ihren Blick fest, während er jetzt langsam den Reißverschluß der schwarzen Lederjacke aufzog. Die Kleine auf dem Barhocker schlug die Hand vor den Mund.

Ihre offensichtliche Faszination und gleichzeitig der Ausdruck von Naivität, Erstaunen und Neugier in ihrem Gesicht ärgerten Judd, der plötzlich befangener war als sonst und spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. Verdammt, er war doch wirklich zu alt und zu zynisch, um zu erröten. Er würde sie schon dazu bringen, den Blick abzuwenden.

Er sah ihr weiterhin in die Augen, während er den Klettverschluß löste und die Hose einen Knopf nach dem anderen langsam öffnete. Mit einem betonten Wiegen der Hüften brachte er die Zuschauerinnen zum Rasen, aber ihm kam es nur auf eine an. Er sah, wie sie wie erstarrt dasaß und die Hand auf die Brust legte. Sie wirkte fassungslos und wie gelähmt, aber sie wandte den Blick nicht von ihm ab.

Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Es war unerhört. Stand da wirklich dieser große, gutaussehende Mann auf der Bühne und zog sich vor ihren Augen aus? Emily versuchte sich einzureden, dass das, was sie da vor sich sah, nur ein Phantasiegebilde war, dass diese Szene in Wirklichkeit nicht stattfand, aber sie konnte die Augen nicht von dem Fremden abwenden. Er hatte die Stiefel abgestreift und entledigte sich jetzt mit einer geschmeidigen Bewegung seiner Hosen. Emily war wie hypnotisiert.

Sie nahm nur ganz vage wahr, dass die Menge ihn laut anfeuerte. Endlich wandte der Mann den Blick von ihr ab, aber sie starrte weiterhin gebannt auf die Bühne. Er war der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte. Er erschien ihr ungezähmt und unglaublich sexy, gleichzeitig aber auch irgendwie anständig. Sie hatte das schon empfunden, als sie auf der Straße an ihm vorbeigegangen war, hatte gemerkt, dass er ebensowenig in diese zwielichtige Gegend paßte wie sie.

Aber sie waren beide hier. Sie hatte einen guten Grund. Sie musste herausfinden, wer ihrem Bruder die fehlerhafte Pistole verkauft hatte, die ihn beinahe ein Auge gekostet hätte. Er hatte die Pistole illegal erworben, hatte also mit Leuten Geschäfte gemacht hatte, die gefährlich waren, und würde ein Leben lang häßliche Narben im Gesicht haben. Emily musste den Mann finden, der dafür verantwortlich war. Was für ein Ungeheuer würde einem Sechzehnjährigen eine Pistole verkaufen, dazu noch eine defekte?

Ihre Eltern hatten sich geweigert, mit der Sache zur Polizei zu gehen. John hatte die Pistole nur zum Scheibenschießen verwendet, und niemand wusste sonst davon. Das Wichtigste war, dass niemand sonst verletzt worden war. Wenn man sich ausmalte, was noch hätte passieren können…

Aber das war Vergangenheit. Sie musste jetzt dafür sorgen, dass der Händler nicht noch mehr Unheil anrichtete. Sie würde die nötigen Beweise finden, ohne ihren Bruder in die Sache hineinzuziehen, und dann zur Polizei gehen. Ihre Eltern würden ihr niemals verzeihen, wenn sie den Familiennamen wieder besudelte.

Ihr Herz schlug schneller, als sich der Polizist, der ja offensichtlich keiner war, auf sie zubewegte. Emily konnte den Blick nicht von seinem muskulösen, breiten Oberkörper lösen, von seinen schlanken, festen Oberschenkeln, von dem knappen, enganliegenden schwarzen Slip. Sie stöhnte unwillkürlich.

Gut erzogene junge Damen wie sie durften eigentlich nicht so reagieren. Es gab schließlich gewisse gesellschaftliche Regeln, ein anständiges Verhalten, das man von ihr erwarten konnte. Aber all das war vergessen, als der Mann unmittelbar vor ihr stehenblieb.

Seine grünen Augen funkelten herausfordernd, als er so dicht an sie herantrat, dass sie seinen sauberen männlichen Duft wahrnehmen konnte und die Wärme seiner Haut spürte.

Emily atmete schnell, als ihr bewußt wurde, was er von ihr erwartete. Verschiedene Geldscheine steckten in seinem glänzenden Slip, und sie wusste, dass er sich nicht von der Stelle rühren würde, bis sie es den anderen Frauen gleichgetan hätte. Sie steckte die Hände suchend in die Taschen ihres unförmigen Mantels, bis sie einen Geldschein in den Fingern spürte. Sie zog die Hand heraus und hielt ihm den Schein hin.

Mit einem leichten Lächeln schüttelte er beinahe unmerklich den Kopf. Emily ließ den Blick einen Augenblick dahin sinken, wo sein Slip von Banknoten nahezu überquoll. Sie hatte zugesehen, wie die Frauen das Geld da hineingesteckt hatten, in der Hoffnung, ihn zu berühren, aber er hatte sich ihren Fingern immer schnell entzogen.

Aber sie wollte ihn doch gar nicht berühren.

Von wegen! Natürlich wollte sie ihn berühren, aber nicht hier, nicht vor allen Leuten. Sie war eine anständige Frau, war schließlich … Mit einem kleinen Schrei fuhr sie zusammen, als der falsche Polizist eine Hand neben sie auf den Barhocker legte und sich mit der anderen oberhalb des Bartresens abstützte. Emily war gefangen und kaum in der Lage zu atmen. Sie konnte die Feuchtigkeit in seinem weichen Brusthaar glänzen sehen, das Dunkel seiner Achselhöhle. Emily überlief es heiß, und die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Der Stripper stand wartend vor ihr, und so steckte sie schließlich mit einer schnellen Bewegung den Geldschein unter das Gummiband seines Slips.

Der falsche Polizist lächelte, lehnte sich dann vor und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Wange. Die Berührung war nahezu unmerklich, aber Emily war kurz davor, ohnmächtig zu werden, und musste sich mit Gewalt zusammenreißen.

Die Zuschauer rasten vor Begeisterung, und der Stripper ging auf die Bühne zurück und bewegte sich weiterhin aufreizend zu der Musik. Andere Frauen versuchten ohne Erfolg, seine Aufmerksamkeit zu erregen, um vielleicht auch einen Kuss zu erhalten. Wahrscheinlich genügt es ihm, eine Frau unter den Zuschauern lächerlich zu machen, dachte Emily.

Es dauerte mehrere Minuten, bis sich ihr Herzschlag wieder beruhigt hatte. Aber sie sah ihm weiterhin zu, denn sie musste sich eingestehen, dass der Mann sie erregte. Sein dunkles, leicht gelocktes Haar war im Nacken etwas länger. Mit jeder Bewegung zeigte er seine starken, durchtrainierten Muskeln, und sein kleiner Po, der von dem schwarzen Slip nur notdürftig bedeckt war, war fest gerundet. Er hatte die Beine eines Sportlers. Auch sein Gesicht war attraktiv, sehr sogar, ein Gesicht, das unschuldige Mädchen alles andere vergessen ließ. Seine grünen Augen waren von dunklen, dichten Wimpern umgeben und konnten unter den starken Augenbrauen zynisch und humorvoll, dann wieder beinahe schmerzhaft direkt und prüfend blicken. Seine Nase war schmal und gerade, sein Kinn ausdrucksvoll.

Emily merkte, wie sie sich in Träumereien verlor, und riß sich zusammen. Sie musste sich auf ihre Aufgabe konzentrieren, den Waffenhändler zu finden. Ihr Bruder hatte die Pistole angeblich hier in der Gegend gegen Bargeld einem Mann auf der Straße abgekauft. John hatte hier natürlich eigentlich nichts zu suchen, aber er befand sich zur Zeit in einer Phase der Rebellion und schien Umgang mit Typen der Halbwelt zu suchen. Emily hoffte, dass sie ihn von diesem gefährlichen Weg abbringen könnte. Das Wichtigste war jetzt erst einmal, den Waffenhändler unschädlich zu machen.

John glaubte seit seinem Unfall, dass sein Leben so gut wie vorbei sei. Wer würde sich schließlich für einen Teenager mit einer häßlichen Narbe im Gesicht interessieren? Emily musste an die Jugendlichen denken, die vielleicht von demselben Händler eine ähnlich defekte Waffe kaufen würden und die vielleicht nicht mit einer Wunde davonkommen würden. Sie konnte nicht einfach tatenlos zusehen, auch wenn ihre Eltern dagegen waren, dass sie sich einmischte.

Die Vorführung war endlich beendet, und Musik und Licht wurden zurückgefahren, bis die Bühne im Dunkeln lag. Der Applaus, der darauf folgte, war ohrenbetäubend. Aber nur wenige Sekunden später stand der falsche Polizist wieder neben Emily, die Lederjacke über die Schulter gehängt und Stiefel und Hosen in der Hand. Er dankte dem Barmann, nahm Emily ohne Erklärung beim Arm und zog sie zu einer hinteren Tür. Er schob sie in den Raum und schloß die Tür schnell wieder, bevor die begeisterten Zuschauerinnen ihn erreicht hatten.

Judd schaltete das Licht an, und Emily sah, dass sie in einer Art Besenkammer standen, an deren Wänden Regale mit Putzmitteln angebracht waren. Eine Ledertasche lag in einer Ecke. Judd warf die Kleider auf die Tasche und trat ganz dicht an Emily heran.

„Sie haben mir einen Fünfziger gegeben.“

Emily sah ihn verdutzt an. Sie hatte etwas ganz anderes erwartet. „Was meinen Sie?“

Judd zog die Scheine aus seinem Slip. „Sie haben mir eine Fünfzigdollarnote gegeben. Ich wusste gar nicht, dass ich so gut war.“

Himmel, Emily. Sie konnte ihm doch nicht sagen, dass es ein Versehen war. Er hatte sie so verwirrt, dass sie nicht darauf geachtet hatte, was sie ihm gab. Und mit diesem Geld hatte sie doch wichtige Informationen kaufen wollen! Aber vielleicht war ja noch nicht alles verloren.

Sie zuckte mit den Schultern und zwang sich, den Blick von seinem Körper abzuwenden. „Da Sie ja offensichtlich kein richtiger Polizist sind, hatte ich gehofft, Sie mit dem Geld dazu zu bringen, mir zu helfen.“

Er lachte kurz auf. Offenbar glaubte er ihr nicht, aber Emily war dankbar, dass er es nicht sofort sagte. Er sah sie statt dessen abwartend an. „Was für eine Art von Hilfe brauchen Sie denn?“

Es fiel ihr unglaublich schwer, die Worte zu formulieren. Er stand zu dicht neben ihr, sein nahezu nackter Körper duftete warm und männlich und verlockend, auch wenn sie sich geschworen hatte, so gefährlichen Gefühlen wie Lust und Leidenschaft nie mehr nachzugeben.

Emily fuhr sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen. Sein Blick verweilte auf ihrem Mund und überflog dann ihren Körper. Sie wusste, dass sie sich nicht gerade attraktiv zurechtgemacht hatte. Sie hatte lange überlegt, wie sie sich verkleiden sollte, ob als Obdachlose oder als Prostituierte. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass man sie je für eine Nutte halten könnte. Sie war zierlich, und ihre Oberweite hatte sich nie zu dem entwickelt, was sie sich erhofft hatte. Also hatte sie sich für die Rolle der Obdachlosen entschieden.

Emily räusperte sich und nahm entschlossen die Schultern zurück. „Ich brauche Informationen.“

„Haben Ihre drei Betrunkenen Ihnen da nicht helfen können?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Sie wussten eigentlich nichts. Aber es ist wichtig, dass ich ein paar Tatsachen herausfinde, und Sie scheinen sich gut in dieser Gegend hier auszukennen.“

Er nickte.

„Gut. Ich möchte wissen, wer hier Waffen verkauft.“

Judd schloß kurz die Augen und grinste ironisch. „Waffen? Sie wollen einfach mal eben so wissen, wer mit Waffen handelt? Dabei sehen Sie aus, als könnten Sie in die nächste Waffenhandlung spazieren und sich kaufen, was Sie wollen.“ Er trat noch einen Schritt näher an sie heran und berührte ihr Haar. „Ich weiß nicht, wem Sie mit Ihrer komischen Aufmachung etwas vormachen wollten, aber es ist offensichtlich, dass Sie Geld haben und in einen ganz anderen Stadtteil gehören. Finden Sie es spannend, hier als Schlampe aufzutreten?“

Emily sog scharf den Atem ein und fühlte, wie die Wut in ihr hochstieg. „Sie haben schon fünfzig Dollar von mir eingesteckt. Das mindeste, was ich dafür vielleicht erwarten könnte, ist eine gewisse Höflichkeit.“

Er trat noch näher an sie heran, beugte sich zu ihr hinunter und sah ihr ernsthaft in die Augen. „Das mindeste, was ich für Sie tun kann, ist, Sie wieder dorthin zurückzuschicken, wohin Sie gehören. Suchen Sie sich gefälligst Ihre Abenteuer dort, wo es nicht so gefährlich ist.“

Emily holte tief Luft. Ihr war heiß vor Empörung und heiß in seiner beunruhigenden Nähe. „Gut. Sie wollen mir nicht helfen. Ich werde schon jemanden finden. Ich bin schließlich bereit, tausend Dollar zu zahlen.“ Sie wandte sich mit hoch erhobenem Kopf um und war sicher, dass es ihm leid tat, soviel Geld auszuschlagen. „Leben Sie wohl.“

Emily hatte die Tür gerade einen Spalt geöffnet, als hinter ihr ein Fluch ertönte und eine große Hand die Tür wieder zuschlug. Der falsche Polizist stand so dicht hinter ihr, dass er sie gegen die Tür drückte und sie sich kaum rühren konnte.

Seine Lippen berührten ihr Ohr, als er flüsterte: „Du bleibst erst einmal hier, Süße.“

2. KAPITEL

Emily war schwindelig, aber sie riß sich zusammen und lächelte abschätzig. Er wollte ihr angst machen. Sie versuchte, sich umzudrehen. „Würden Sie vielleicht ein bißchen von mir abrücken?“

„Vielleicht.“ Er rührte sich nicht.

Emily schüttelte den Kopf. „Sie haben die unangenehme Angewohnheit, mir immer zu nahe zu treten, Mr. …?“

Autor

Lori Foster
Bisher hat die US-amerikanische Bestseller-Autorin Lori Foster über siebzig Liebesromane geschrieben. Unter dem Namen L.L.Foster schreibt sie Fantasy-Romane. Mit dem Schreiben begann Lori Foster erst im Alter von 30 Jahren, vorher dachte sie nie daran, eine Geschichte zu schreiben. Als sie mit einer Lungenentzündung das Bett hüten musste, brachte ihre...
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