Dein verführerischer Kuss

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Erleben Sie die glanzvolle 7-teilige Familiensaga: Nach dem plötzlichen Tod des Familienoberhaupts herrscht Aufruhr in der Familie Lassiter. Die Erben müssen sich gegen Lügen und Intrigen wehren - und für ihre große Liebe kämpfen!

"Wie viel nehmen Sie pro Stunde?" Logan Whittaker muss lächeln: Hannah hält ihn für den Klempner! Dabei ist der Anwalt gekommen, um ihr mitzuteilen, dass ihre Geldsorgen für immer ein Ende haben. Und vielleicht auch, um sich in die temperamentvolle Schönheit zu verlieben …


  • Erscheinungstag 31.10.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733769574
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Der Mai begann wirklich äußerst vielversprechend: mit einem lächerlichen Einkommen und einer undichten Rohrleitung.

Es schien jedoch, als würde das dringlichste Problem schon bald beseitigt werden. Hannah Armstrong konnte ihr Glück kaum fassen. Bereits zwanzig Minuten, nachdem sie gegen fünf Uhr nachmittags die Notfallnummer einer Klempnerfirma gewählt hatte, klingelte es an ihrer Haustür. Dabei hatte der Angestellte zuvor geäußert, er wüsste nicht, ob er heute noch jemanden schicken könnte, er würde es natürlich versuchen.

Hannah watete so schnell es ging durch ihre überflutete Küche und tapste vorsichtig über den nassen Boden des Esszimmers, auf dem sie Handtücher ausgebreitet hatte. Im Wohnzimmer musste sie einen Hindernisparcours ganz anderer Art bewältigen. Der Fußboden war übersät mit Spielsachen und Puppenkleidern. „Cassie, Süße, du musst noch deine Sachen wegräumen, bevor du zu Michaela gehst“, rief sie auf dem Weg zur Eingangstür.

„Gleich, Mama“, schallte es, wie nach solchen Aufforderungen üblich, aus dem Zimmer zu ihrer Rechten.

Hannah war einen Moment lang versucht, ihre Tochter auszuschimpfen. Aber sie ließ es bleiben, denn sie war viel zu erpicht darauf, ihren Ritter mit dem glänzenden Werkzeuggürtel zu begrüßen. Als sie jedoch die Tür öffnete, schnappte sie verblüfft nach Luft. Und was für ein Ritter! Der Mann, der dort stand, war ganz bestimmt der attraktivste Klempner von Boulder. Nein, korrigierte sie sich. Von ganz Colorado.

Es dauerte nicht lange, bis sie alle Einzelheiten erfasst hatte. Es handelte sich um ein ziemlich groß gewachsenes und muskulöses Exemplar. Das Haar war fast schwarz und glänzte im Sonnenlicht. Seine Augen hatten die Farbe von Kaffee mit einem ordentlichen Schuss Milch. Er trug ein marineblaues Sportjackett, ein weißes Hemd, dessen Kragen offen stand, verwaschene Jeans und hellbraune Cowboystiefel. Vermutlich hatte sie ihn durch ihren Anruf bei irgendetwas gestört, vielleicht bei einem Familienausflug. Oder sie hatte ihn eher von einem Date abgehalten – er trug keinen Ehering.

„Sind Sie Mrs Armstrong?“, fragte er. Seine Stimme klang rau und tief.

In Anbetracht ihrer bequemen – na ja, man könnte auch sagen: etwas schlampigen – äußeren Erscheinung war ihr erster Impuls, ihre Identität zu verleugnen und die Tür sofort wieder zuzuschmeißen. Dann jedoch ignorierte sie tapfer die Tatsache, dass sie ausgelatschte löchrige Jeans und ein schlabbriges T-Shirt trug, keine Schuhe anhatte und ihr Haar zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengewurschtelt war. Undichte Rohrleiten erforderten andere Prioritäten als weibliche Eitelkeit. „Höchstpersönlich. Und ich bin wirklich glücklich, Sie zu sehen.“

„Sie haben mich erwartet?“ Sowohl sein Tonfall als auch seine Miene drückten ehrliche Verwunderung aus.

Bestimmt machte er nur einen Scherz. „Natürlich. Allerdings bin ich sehr überrascht, dass Sie so schnell kommen konnten. Und da ich Ihnen bestimmt einen Strich durch Ihre Pläne für den Freitagabend mache, möchte ich Ihnen versichern, dass ich Ihren Einsatz sehr zu schätzen weiß. Nur noch eine Frage, bevor Sie anfangen: Welchen Stundensatz berechnen Sie für Arbeiten außerhalb der üblichen Geschäftszeit?“

Unbehaglich trat er von einem Fuß auf den anderen. „Zwischen zweihundertfünfzig und vierhundert. Unabhängig von der Tageszeit.“

„Dollar?“, fragte sie fassungslos.

„Ja.“

Das war ja lächerlich. „Ist das nicht ein bisschen viel für einen Klempner?“

Für einen Moment wirkte sein Gesicht wie ein Fragezeichen, dann verwandelte sich der ratlose Ausdruck in ein sympathisches Grinsen. Dabei zeichneten sich auf seinen Wangen zwei Grübchen ab, die jeder Frau auf diesem Planeten zu weichen Knien verhelfen würden. „Viel zu viel. Allerdings bin ich kein Klempner.“

Hannah spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde. Wie konnte sie nur so dumm sein? Wenn sie nur einen Moment nachgedacht hätte, wäre ihr aufgefallen, dass dieser Mann unmöglich ein Handwerker sein konnte. „Was sind Sie dann? Und wer sind Sie?“

Er zog eine Visitenkarte aus der Tasche seines Jacketts und reichte sie ihr. „Logan Whittaker, Rechtsanwalt.“

Hannah verschlug es für einen Moment die Sprache. Dann verspürte sie einen Anflug von Besorgnis, obwohl es keinen Grund dafür gab. Sie hatte keinen Anlass, sich vor einem Rechtsanwalt zu fürchten. Also riss sie sich zusammen und las die Visitenkarte. Leider gab sie keinen Aufschluss darüber, warum dieser Mann hier war. Sie hatte von der Kanzlei Drake, Alcott und Whittaker noch nie etwas gehört. Und sie kannte auch niemanden in Cheyenne, Wyoming.

Sie blickte auf und stellte fest, dass er sie genauso sorgfältig studierte wie sie seine Karte. „Worum geht es denn?“

„Ich bin damit betraut, den Nachlass des kürzlich verstorbenen J. D. Lassiter zu regeln“, antwortete er und sah sie erwartungsvoll an. Als müsste ihr dieser Name etwas sagen.

„Es tut mir leid, aber ich kenne niemanden namens Lassiter. Da muss ein Missverständnis vorliegen.“

Er runzelte die Stirn. „Sie sind doch Hannah Lovell Arm­strong, oder?“

„Ja.“

„Und der Name Ihrer Mutter ist Ruth Lovell?“

Diese Unterhaltung wurde mit jeder Sekunde merkwürdiger. „War. Sie ist vor zwei Jahren gestorben. Warum?“

„Weil sie als zweite Begünstigte benannt wurde. Für den Fall, dass Ihnen etwas zustoßen sollte, bevor Sie Ihr Erbe antreten können.“

Erbe antreten. Nein, das konnte nicht stimmen. Nicht nach all diesen Jahren, in denen sie gebangt und gehofft hatte, dass eines Tages …

Langsam jedoch begann sie, die Worte des Anwalts zu begreifen. Und sie hörte die warnende Stimme ihrer Mutter: „Du musst nichts über deinen charakterlosen Vater und seine halsabschneiderische Familie wissen. Er hat sich nie um dich gekümmert. Nicht eine Sekunde lang. Es ist besser für dich, wenn du nichts weißt …“

Hannah war so schockiert über die Möglichkeit, dass dieser Besuch etwas mit ihrem Erzeuger zu tun haben könnte, dass sie kein Wort herausbrachte. Sie konnte nur stumm auf die Visitenkarte blicken, die sie in der Hand hielt.

„Ist alles in Ordnung, Mrs Armstrong?“

Die Frage des Anwalts riss sie aus ihrer Starre. „Ich bin im Moment ein bisschen verwirrt.“ Das war reichlich untertrieben.

„Ich verstehe“, sagte er. „Als Erstes sollten Sie wissen, dass es nicht meine Aufgabe ist, Sie nach Ihrer Beziehung zu J. D. Lassiter zu befragen. Ich wurde damit beauftragt, Ihnen die Bedingungen Ihrer Erbschaft zu erklären. Alles, was Sie mir eventuell preisgeben, wird absolut vertraulich behandelt.“

Als sie begriff, worauf er möglicherweise anspielte, beschloss sie, die Dinge von Anfang an ins richtige Licht zu rücken. „Mr Whittaker, weder habe ich noch hatte ich jemals eine Beziehung zu jemandem namens Lassiter. Und wenn Sie andeuten wollten, ich könnte eine heimliche Geliebte sein, dann täuschen Sie sich. Und zwar gründlich.“

„Ich will überhaupt nichts andeuten, Mrs Armstrong. Ich bin nur hier, um Mr Lassiters letzten Wunsch zu erfüllen.“ Er blickte nervös nach hinten zu Nancy, der schlimmsten Klatschbase in der Nachbarschaft, die gerade ihre Gießkanne abgestellt hatte und neugierig zu ihnen herüberschaute. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Hannah zu. „Um die Diskretion zu wahren, würde ich es vorziehen, Ihnen die Konditionen an einem weniger öffentlichen Ort als der Veranda zu erläutern.“

Obwohl sein Anliegen durchaus berechtigt war, fühlte Hannah sich nicht gerade wohl bei dem Gedanken, einen völlig Fremden in ihr Haus zu lassen. Schließlich ging es nicht nur um ihre eigene Sicherheit, sondern auch um die ihrer Tochter. „Ich brauche ein wenig Zeit, um diese Informationen zu verdauen.“ Und um im Internet Recherchen über Logan Whittaker anzustellen und zu entscheiden, ob er seriös war oder ein aalglatter Betrüger. „Könnten wir uns heute Abend treffen, um diese Angelegenheit zu besprechen?“ Sofern sie nichts Verdächtiges über ihn entdeckte.

„Ich kann gegen halb acht wiederkommen.“

„Ich würde einen öffentlichen Ort vorziehen. Ich habe eine Tochter und möchte nicht, dass sie von unserem Gespräch etwas mitbekommt.“

„Kein Problem“, erwiderte er. „In der Zwischenzeit können Sie gern die Einträge über mich im Internet überprüfen. Oder rufen Sie doch in meiner Kanzlei an. Fragen Sie nach Becky. So erhalten Sie alle sachdienlichen Informationen über mich und können sicher sein, dass ich der bin, für den ich mich ausgebe.“

Dieser Mann konnte Gedanken lesen. „Vielen Dank für Ihr Verständnis.“

„Es ist nur vernünftig, dass Sie sich und Ihr Kind schützen wollen.“ Er klang, als ob er das wirklich verstehen würde. Besonders die Tatsache, dass es hier auch um ein Kind ging.

Sie lehnte sich gegen den Türrahmen. „Ich vermute, Sie erleben in Ihrem Beruf viele unvorstellbare Sachen. Besonders wenn Kinder darin verwickelt sind.“

„Zum Glück beschäftige ich mich fast ausschließlich mit Körperschaftsrecht. Also habe ich es nur mit geschäftlichen Transaktionen, Nachlässen und Leuten mit viel zu viel Geld zu tun.“

„Die habe ich am liebsten“, entgegnete sie mit unmissverständlichem Sarkasmus.

„Ach, Sie halten also nicht so viel von den Reichen und Berühmten?“, fragte er amüsiert.

„Das können Sie laut sagen. Aber das ist eine andere Geschichte, eine lange Geschichte.“ Und bestimmt keine, die ihn auch nur im Mindesten zu interessieren hatte.

„Ich bin im Crest Lodge abgestiegen. Das ist nicht weit von hier“, erklärte er. „Dort gibt es ein akzeptables Restaurant, in dem wir unsere Unterhaltung ungestört fortsetzen können. Kennen Sie es?“

„Ich war einmal da.“ Vor sechs Jahren. Mit ihrem Mann, um ihren Hochzeitstag zu feiern. Kurz darauf wurde er durch einen schrecklichen Arbeitsunfall aus dem Leben gerissen. „Es ist ziemlich teuer.“

Er grinste. „Deshalb wurden Spesenkonten erfunden.“

„Leider besitze ich keins.“

„Aber ich. Betrachten Sie es als Einladung.“

Und was für eine Einladung! Sie würde mit diesem unerhört attraktiven Mann in einem teuren Restaurant zu Abend essen. Mit einem Mann, den sie überhaupt nicht kannte. Allerdings würde ihr Gespräch rein geschäftlicher Natur sein. „Sehr gern.“

„Schön. Meine Mobilnummer steht auf der Visitenkarte. Lassen Sie es mich wissen, falls Sie Ihre Pläne ändern. Wenn nicht, sehen wir uns um halb acht.“

Damit hatte Hannah gut zwei Stunden Zeit, um zu duschen und sich umzuziehen. Immer vorausgesetzt, dass der richtige Klempner nicht doch noch auftauchte. Aber das schien höchst unwahrscheinlich. „Da Sie gerade von Telefonnummern sprechen, warum haben Sie die Sache nicht einfach mit einem Anruf erledigt?“

Seine Miene wurde ernst. „Persönliche Angelegenheiten sollte man nicht am Telefon besprechen. Diese gehört dazu. Zudem hätte ich Ihnen am Telefon schwerlich beweisen können, dass ich tatsächlich Anwalt bin. Bis heute Abend also.“

Mit diesen Worten drehte er sich um, ging geschmeidig den Gartenweg entlang, stieg in einen schnittigen schwarzen Mercedes und fuhr davon. Mit einem beklommenen Gefühl in der Magengegend blickte Hannah ihm nach.

Dann eilte sie ins Haus und setzte sich in ihrem Schlafzimmer an den Computer. Sie gab den Namen des Anwalts in eine Suchmaschine ein und erhielt eine Fülle von Informationen, darunter verschiedene Fotos und zahlreiche anerkennende Kommentare. Logan Whittaker hatte seinen Abschluss an der Universität von Texas gemacht. Vor zwölf Jahren begann er seine Karriere als Rechtsanwalt in Dallas. Vor sechs Jahren war er nach Cheyenne umgezogen. Außerdem war er nicht verheiratet. Das allerdings interessierte Hannah nicht. Jedenfalls nicht sehr.

Plötzlich hatte sie den Einfall, J. D. Lassiter ebenfalls zu überprüfen, was sie auch tat. Sie fand einen langen Artikel, der Lassiters untrüglichen Geschäftssinn und seinen unermesslichen Reichtum pries. Dieser Mogul war milliardenschwer. Hannah wurde auf einmal ganz flau im Magen. Und als sie die Porträtaufnahme erblickte, die dem Artikel beigefügt war, zuckte sie erschreckt zusammen. Dieses Gesicht gehörte einem Mann, den sie vor über zwanzig Jahren vor dem Haus ihrer Mutter gesehen hatte.

An diesem Tag war sie von der Schule nach Hause gekommen, um ihre Mutter und ihn heftig streitend auf der Veranda vorzufinden. Sie war noch nicht alt genug gewesen, um den Inhalt der lautstarken Auseinandersetzung zu begreifen. Als sie später ihre Mutter nach ihm fragte, erwiderte Ruth lediglich, dass sie sich wegen dieses Mannes keine Sorgen zu machen brauchte. Aber sie hatte sich dennoch Sorgen gemacht. Und jetzt fragte sie sich, ob …

Hannah war auf einmal sehr aufgeregt und gleichzeitig traurig. Selbst wenn sie den unwiderlegbaren Beweis hätte, dass J. D. Lassiter tatsächlich ihr Vater war, würde sie niemals die Chance erhalten, ihn kennenzulernen. Ihr war zumute, als hätte ihr jemand ein ganz besonderes Geschenk überreicht, nur um es ihr sofort wieder wegzunehmen. Aber letztlich spielte das keine Rolle. Dieser Mann hatte offenbar unerhört viel Geld besessen, ohne auch nur einen Dollar darauf zu verwenden, ihre Mutter und sie zu unterstützen. Das warf die Frage auf, warum er ihr jetzt einen Teil seines Vermögens hinterlassen hatte. Vielleicht aus Schuldbewusstsein. Der Versuch, etwas wiedergutzumachen. Aber dazu war es viel zu spät.

Sie würde mit Logan Whittaker zu Abend essen und sich anhören, was er zu sagen hatte. Danach würde sie ihm unverblümt mitteilen, dass sie nicht bereit war, auch nur einen Dollar des Lassiter-Vermögens anzunehmen.

Um Viertel vor acht ging Logan davon aus, dass Hannah Arm­strong ihre Pläne geändert hatte. Aber als er von seiner Uhr aufsah, erblickte er sie in der Eingangstür des Restaurants.

Er musste zugeben, dass er sie vom ersten Moment an unglaublich attraktiv gefunden hatte. Und zwar vom Kopf mit der rotbraunen Mähne bis hin zu ihren hübschen kleinen Füßen. Ihr ebenmäßiges frisches Gesicht war nicht geschminkt gewesen. Sie war jedoch auch ohne Make-up atemberaubend schön. Außerdem besaß sie die grünsten Augen, die ihm in seinen achtunddreißig Lebensjahren je untergekommen waren.

Und jetzt …

Sie hatte ein dezentes Make-up aufgelegt. Nur so viel, um ihre fein geschnittenen Gesichtszüge und die unglaublichen Augen zu betonen. Ihr glänzendes Haar fiel ihr auf die Schultern. Sie trug ein ärmelloses, knielanges schwarzes Kleid, das ihre weiblichen Kurven betonte. Und was für Kurven! Hannah Armstrong erinnerte ihn an einen der Filmstars aus längst vergangenen Tagen, als das Modediktat noch nicht vorschrieb, dass Frauen spindeldürr sein mussten.

Als ihre Blicke sich trafen, setzte Hannah sich in Bewegung und gestattete Logan einen Blick auf ihre langen Beine. Vorhin an der Tür ihres Hauses war sie ihm schon überdurchschnittlich groß erschienen. Aber jetzt wirkte sie für eine Frau tatsächlich sehr groß gewachsen. Möglicherweise lag es an ihren Pumps. Allerdings konnten die Pfennigabsätze nicht höher als fünf Zentimeter sein. Vermutlich war es auf ihren selbstbewussten geschmeidigen Gang zurückzuführen. Vielleicht sollte er jetzt besser die Augen von ihrer sensationellen Figur abwenden. Denn wenn er die Grenze zwischen Geschäft und Vergnügen ignorierte, konnte das fatale Folgen haben. Ganz abgesehen davon, dass sie ihm nicht den geringsten Anlass gegeben hatte, sie als mögliche Eroberung zu betrachten.

Als sie seinen Tisch erreichte, stand er höflich auf und rückte ihr einen Stuhl zurecht.

„Danke“, sagte sie, nachdem sie sich gesetzt hatte.

Er nahm wieder Platz und reichte ihr die Speisekarte. „Ich habe schon befürchtet, Sie würden mich versetzen.“

„Bitte entschuldigen Sie meine Verspätung“, erwiderte sie. „Meine Tochter musste sich geschlagene drei Mal umziehen, bevor wir endlich das Haus verlassen konnten. Ich habe Cassie zu Freunden gebracht. Sie übernachtet dort.“

Trotz der bittersüßen Erinnerungen bei ihrer Bemerkung lächelte er. „Wie alt ist sie?“

„Gina ist dreißig. Genauso alt wie ich.“

Logan musste lachen. „Ich meinte Ihre Tochter.“

Die feine Röte auf ihren Wangen machte sie nur noch hübscher. „Ja, natürlich. Entschuldigen Sie. Ich muss gestehen, dass ich ein wenig nervös bin wegen dieser Erbschaftsgeschichte.“

Logan erging es kaum anders, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Jedes Mal, wenn sie ihre grünen Augen auf ihn richtete, beschleunigte sich sein Pulsschlag. „Dazu besteht kein Grund. Es ist völlig normal, dass Sie neugierig sind.“

„Nicht so neugierig, dass ich nicht bis nach dem Essen warten könnte. Ich habe nämlich Hunger.“ Sie öffnete die Speisekarte und studierte das Angebot. „Ich habe ganz vergessen, wie groß die Auswahl hier ist.“

Logan hingegen hatte ganz vergessen, was für ein Gefühl es war, einer schönen Frau gegenüberzusitzen. In den vergangenen Jahren hatte er lediglich ein paar flüchtige Affären gehabt. Mit Frauen, die keinen Wert auf ein romantisches Dinner bei Kerzenlicht legten. Es war einfach nur um Sex gegangen. Und das war ihm mehr als recht gewesen. Er blickte von der Speisekarte auf. „Ja. Es ist schwierig, eine Entscheidung zu treffen. Übrigens, sind Ihre Rohre repariert worden?“

„Leider nicht. Ein Angestellter der Firma hat angerufen und gesagt, dass es frühestens morgen Nachmittag etwas werden könnte. Anscheinend gibt es im Moment noch mehr kaputte Rohre in Boulder.“

„Können Sie etwas aus der Karte empfehlen?“

„Haben Sie schon einmal Bison gegessen?“, fragte sie.

„Nein. Ich bin mehr der Typ für Rindersteak und Kartoffeln.“

„Da zeigt sich, dass Sie Ihre Wurzeln in Texas haben.“

Offenbar hatte sie seinen Rat befolgt. „Also haben Sie im Internet Erkundigungen über mich eingezogen.“

„Ja, das habe ich. Stört es Sie?“

Nur wenn sie den Teil seiner Vergangenheit entdeckt hätte, den er vor jedem Einwohner Wyomings geheim hielt. Jedenfalls vor fast jedem Einwohner. „Überhaupt nicht. In diesen Zeiten ist es nur ratsam, jemanden zu überprüfen, bevor man sich mit ihm verabredet.“

„Danke für Ihr Verständnis. Sie haben wirklich einen bemerkenswerten Lebenslauf.“

Er zuckte mit den Schultern. „Nur das Übliche.“

„Jedenfalls bin ich beeindruckt.“

Und sie beeindruckte ihn. „Haben Sie denn schon einmal Bison gegessen?“

„Ja. Wirklich empfehlenswert. Viel magerer und gesünder als Rindfleisch.“

„Ich glaube, ich bleibe trotzdem bei dem, was ich kenne.“

Jetzt lächelte sie – und dieses Lächeln zog ihm beinah die Schuhe aus. „Vielleicht sollten Sie Ihren Horizont erweitern.“

Und vielleicht sollte er damit aufhören, verstohlen auf ihr Dekolleté zu linsen. „Irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt tue ich das bestimmt.“ Aber nicht heute Abend.

Ein schlaksiger Kellner, der wie ein Collegestudent aussah, kam an ihren Tisch und lächelte Hannah strahlend an. „Hi. Ich heiße Chuck. Kann ich Ihnen schon einmal Getränke bringen? Vielleicht ein Cocktail vor dem Essen?“

Einen Bourbon ohne Eis und Wasser wollte Logan schon sagen. Aber ihm fiel rechtzeitig ein, dass Alkohol und eine schöne Frau in seiner Nähe keine gute Mischung ergaben. „Einen Kaffee bitte, schwarz.“

Hannah schenkte Chuck ein bezauberndes Lächeln. „Ich hätte gern ein Mineralwasser.“

Der Kellner antwortete mit einem schiefen Grinsen. „Haben Sie schon entschieden, was Sie essen möchten?“

Sie warf noch einen kurzen Blick auf die Speisekarte. „Ich nehme das kleine Bisonfilet mit sautierten Pilzen und Spargel.“

Logan räusperte sich, um die Aufmerksamkeit des Kellners zu erlangen. „Für mich das New-York-Strip-Steak, medium. Mit einer Ofenkartoffel und allem, was dazugehört.“

Chuck notierte sich ihre Bestellung. Während er die Speisekarten einsammelte, konnte er kaum den Blick von Hannah abwenden. „Wie steht es mit einer Vorspeise? Die Austern kann ich sehr empfehlen.“

Natürlich, dachte Logan. Womöglich noch ein Dutzend für jeden. „Ich glaube, das lasse ich lieber sein.“

„Ich auch“, sagte Hannah. „Ein Salat mit Vinaigrette wäre gut.“

Dem jungen Flegel gelang es endlich, seinen Blick von Hannah loszureißen. Er wandte sich Logan zu. „Darf ich Ihnen auch einen Salat bringen, Sir?“

Nein, aber du darfst jetzt eine Fliege machen. „Nur den Kaffee und ein Glas Wasser.“

Der Kellner trat einen Schritt zurück. „Sofort, Sir.“

„Was für ein Idiot“, murmelte Logan, nachdem Chuck in der Küche verschwunden war.

Hannah runzelte die Stirn. „Ich fand ihn zuvorkommend.“

„Oh, ja. Vor allem Ihnen gegenüber. Und das hatte nichts mit der Bestellung zu tun.“ Verdammt, er hörte sich an wie ein eifersüchtiger Liebhaber.

Hannah sah ihn irritiert an. „Ich verstehe nicht ganz.“

„Haben Sie nicht bemerkt, wie er Sie angestarrt hat?“

„Er wollte nur freundlich sein.“

Sie hatte offenbare keine Ahnung, wie sie auf das andere Geschlecht wirkte. „Sehen Sie, ich mache dem Kerl eigentlich keinen Vorwurf. Sie sind eine sehr schöne Frau. Aber er müsste uns doch für ein Paar halten. Und da waren seine Blicke unverschämt.“

Sie schlug kurz die Augen nieder und wurde rot. „Erstens sind wir kein Paar, und zweitens hat er mich nicht angestarrt.“

„Glauben Sie mir, er hat.“ Bei genauer Betrachtung konnte er dem Kerl daraus tatsächlich keinen Vorwurf machen.

Hannah faltete ihre Serviette auseinander und legte sie sich auf den Schoß. „Wenn das stimmt, dann habe ich es nicht bemerkt. Ich bin in den letzten Jahren selten ausgegangen.“

„Seit Ihr …“ Er brach ab, denn er wagte sich auf gefährlichen Boden. Er wusste, welchen Verlust sie in der Vergangenheit erlitten hatte. Und er kannte diesen Schmerz nur allzu gut.

Sie hob die Augenbrauen. „Seit dem Tod meines Mannes, ja. Es ist schon in Ordnung, falls Sie das erwähnen wollten. Seit vier Jahren kann ich darüber sprechen, ohne in Tränen auszubrechen.“

Dafür verdiente sie zweifellos seine Bewunderung. Selbst jetzt noch, nach neun Jahren, war er nicht in der Lage, ohne heftige Gefühlsausbrüche über seinen Verlust zu reden. „Ich bewundere Ihre Haltung.“ Er wünschte sich, er hätte nur halb so viel von ihrer Selbstbeherrschung.

Chuck suchte sich diesen Moment aus, um ihnen die Getränke und Hannahs Salat zu bringen. „Hier, meine Herrschaften“, sagte er munter, während er die Sachen auf den Tisch stellte. „Das Essen kommt gleich.“

So schwer es Logan auch fiel, er musste zugeben, dass er froh über diese Unterbrechung war. Sie gab ihm Gelegenheit, das Thema zu wechseln. „Vielen Dank, Chuck.“

„Keine Ursache, Sir.“

Nachdem der Kellner wieder verschwunden war, wandte sich Logan an Hannah. „Soweit ich verstanden habe, haben Sie kürzlich Ihr Diplom bekommen.“

Sie trank einen Schluck Wasser und bedachte ihn mit einem stolzen Lächeln. „Ja, so ist es. Sie haben ganz offensichtlich auch Ihre Hausaufgaben gemacht, was die Nachforschungen über mich anbelangen.“

„Das musste ich. Um Ihren Aufenthaltsort herauszufinden.“ J. D. Lassiter hatte nicht besonders viele Informationen preisgegeben.

Sie nahm ihre Gabel zur Hand und pickte im Salat herum. „Das gute alte Internet ist doch eine hervorragende Quelle, wenn es darum geht, Leute zu erforschen.“

Er wünschte sich, sie würde ihn auch einmal gründlich erforschen. Und zwar nicht am Computer. Woher, fragte er sich irritiert, kam dieser Gedanke nur plötzlich?

Er räusperte sich erneut und rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. „Ich nehme an, Sie sind froh darüber, dass ich keine verkrachte Existenz bin, die sich nur als Anwalt ausgibt.“

„Natürlich. Aber offen gesagt bin ich neugierig, warum Sie von Dallas nach Cheyenne gezogen sind. Das muss doch ein Kulturschock gewesen sein.“

Logan war jedoch nicht bereit, darüber zu sprechen, warum er sein früheres Leben hinter sich gelassen hatte. „Oh, so schlimm war es nicht. Cowboys gibt es sowohl in Dallas als auch in Cheyenne.“

„Waren Sie früher ein Cowboy? Oder versuchen Sie gerade, einer zu werden?“

„Ich habe ziemlich viel Zeit im Sattel verbracht. Falls es das ist, was Sie meinen.“

Sie lächelte. „Lassen Sie mich raten. Sie wurden in eine wohlhabende Rancherfamilie hineingeboren.“

Autor

Kristi Gold
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