Die Devonshire Brüder (3-teilige Serie)

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Drei uneheliche Söhne, ein unerwartetes Erbe: Die Devonshire Brüder führt das Schicksal unverhofft zusammen - und in die Arme ihrer Angebeteten.

HEIßE KÜSSE IM MONDSCHEIN

Ein sinnlicher Flirt im Büro? Nie wieder! Das hat Astrid sich fest geschworen. Und dennoch knistert es heiß zwischen ihr und ihrem neuen Boss Henry Devonshire - dem attraktiven Manager von Everest-Music. Eines Abends bringt er sie von der Arbeit nach Hause und küsst sie im glitzernden Mondschein so leidenschaftlich, wie es noch kein Mann vermocht hat. Astrid vergisst die guten Vorsätze und lässt sich auf eine Affäre mit ihm ein, träumt vom absoluten Liebesglück - da kommt Henry hinter ihr tiefstes, gefährliches Geheimnis, und plötzlich ist alles anders …

SÜßE RACHE & SÜNDIGE KÜSSE

Weil sie bei ihrer ersten Begegnung noch keine Superfigur hatte und keinen so gewagt geschnittenen Rock trug, erkennt Steven Devonshire sie jetzt nicht?! Chefredakteurin Ainsley ist empört. Aber sie will dem smarten Londoner Kaufhausboss zeigen, wie es ist, erst heiß verführt und dann eiskalt fallen gelassen zu werden. Beim Interview wirft sie ihm immer wieder vielsagende Blicke zu - und bekommt selbst weiche Knie, als Steven sie zum Abschied küsst. Wieder hat er eine verzehrende Leidenschaft in ihr geweckt. Doch darf Ainsley seinen sanften Worten dieses Mal trauen?

SÜß, SEXY - SKANDALÖS ...

Wie hypnotisiert wenden sich die Partygäste Amelia Munroe zu. Auch Geoff Devonshire, der sich von ihrer Lebensfreude magisch angezogen fühlt! Aber für ihn als Mitglied der königlichen Familie kommt eine Beziehung mit der skandalträchtigen Millionenerbin nicht infrage. Und dennoch bittet er sie um ein Date. Er will mit ihren dunklen Locken spielen, ihren Mund küssen, sie lieben … Außerdem wirkt Amelia gar nicht wie das Partygirl, das unentwegt Schlagzeilen macht! Oder täuscht Geoff sich, weil er der sexy Schönheit mit dem schlechten Ruf bereits vollständig erlegen ist?


  • Erscheinungstag 10.12.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783751505109
  • Seitenanzahl 438
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Katherine Garbera

Die Devonshire Brüder (3-teilige Serie)

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IMPRESSUM

BACCARA erscheint 14-täglich im CORA Verlag GmbH & Co. KG,

20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

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Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)

Cheflektorat:

Ilse Bröhl

Lektorat/Textredaktion:

Daniela Peter

Produktion:

Christel Borges, Bettina Schult

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,

Marina Grothues (Foto)

Vertrieb:

asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-29277

Anzeigen:

Christian Durbahn

Es gilt die aktuelle Anzeigenpreisliste.

 

© 2010 by Katherine Garbera

Originaltitel: „Master of Fortune“

erschienen bei: Silhouette Books, Toronto

in der Reihe: DESIRE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe: BACCARA

Band 1655 (6/2) 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Übersetzung: Gabriele Ramm

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

ISBN: 978-3-86349-674-6

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

BACCARA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, HISTORICAL MYLADY, MYSTERY, TIFFANY HOT & SEXY, TIFFANY SEXY

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Katherine Garbera

Heiße Küsse im Mondschein

PROLOG

„Warum sind wir hier?“,fragte Henry Devonshire. Er stand im Konferenzzimmer des Everest-Konzerns, dessen Firmensitz sich in der Innenstadt von London befand. Das große Panoramafenster bot einen reizvollen Blick auf die Themse.

„Malcolm hat eine Nachricht für Sie vorbereitet.“

„Und warum sollten wir uns die anhören?“ Henry musterte den Anwalt, der am Konferenztisch saß.

„Ich denke, dass das, was Ihr Vater Ihnen …“

„Nennen Sie ihn nicht meinen Vater, sondern Malcolm.“

Der Everest-Konzern war der Lebensinhalt von Malcolm Devonshire gewesen. Jetzt, da der alte Herr siebzig geworden war, war es allerdings keine Überraschung, dass er sich mit Henry und dessen Halbbrüdern in Verbindung gesetzt hatte. Er wollte wohl sicherstellen, dass sein Lebenswerk nicht zerstört wurde, wenn er starb.

Henry wusste allerdings wenig über seine Halbbrüder. Genauso wenig wie von Malcolm, seinem leiblichen Vater. Geoff war der älteste von ihnen, und seine sehr aristokratisch aussehende Nase verriet sein blaues Blut – er gehörte zur königlichen Familie.

„Mr. Devonshire liegt im Sterben“, sagte Edmond. „Er möchte, dass das Imperium, für das er so hart gearbeitet hat, durch Sie alle weiterlebt.“

„Er hat sein Imperium nicht für uns geschaffen“, warf Steven ein. Er war der jüngste der drei Brüder.

„Wie auch immer, jetzt möchte er Ihnen jedenfalls ein Angebot machen“, fuhr Edmond fort.

Henry hatte Edmond, den Anwalt und persönlichen Assistenten seines Vaters, häufiger getroffen als seinen Vater selbst. Edmond war derjenige gewesen, der Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke gebracht hatte, als er noch jünger gewesen war.

„Wenn Sie sich bitte setzen würden, dann erkläre ich Ihnen alles.“

Henry setzte sich ans Ende des Tisches. Er war Rugbyspieler gewesen, noch dazu ein ziemlich guter, aber selbst das hatte ihm nicht das eingebracht, was er sich immer gewünscht hatte – nämlich Malcolms Anerkennung. Sein eigener Vater hatte Henrys Leistungen niemals gewürdigt. Also hatte Henry schließlich aufgegeben, danach zu streben, und war seinen eigenen Weg gegangen.

Was natürlich nicht erklärte, warum er heute hier war. Vielleicht war es einfach nur Neugier bezüglich des alten Herrn.

Edmond reichte jedem von ihnen eine Aktenmappe. Henry öffnete sie und sah als Erstes den Brief, den sein Vater an seine drei Söhne gerichtet hatte:

Geoff, Henry, Steven,

vor Kurzem erhielt ich die Diagnose, dass ich einen unheilbaren Hirntumor habe. Nachdem ich alles versucht habe, um mein Leben zu verlängern, gehe ich jetzt davon aus, dass mir nur noch sechs Monate bleiben.

Keiner von Euch schuldet mir Loyalität, aber ich hoffe, dass die Firma, die mich in Kontakt mit Euren Müttern gebracht hat, weiterhin unter Eurer Führung wachsen und gedeihen wird.

Ich möchte, dass jeder von Euch einen Teilbereich übernimmt. Ihr werdet danach beurteilt, welchen Profit Ihr in dieser Sparte erwirtschaftet. Derjenige, der den besten Geschäftssinn auf seinem Gebiet beweist, übernimmt die Leitung des Gesamtkonzerns.

Geoff – Everest-Airlines. Deine Zeit als Pilot bei der Royal Air Force und Deine ausgedehnten Reisen werden Dir dabei sicherlich zugutekommen.

Henry – Everest-Music. Ich erwarte, dass Du die Gruppen, denen Du schon einen Weg in die Charts ermöglicht hast, unter Vertrag nimmst.

Steven – Everest-Kaufhäuser. Hoffentlich wird Dich Dein Instinkt, zu wissen, was der Kunde will, nicht verlassen.

Edmond wird Eure Fortschritte beobachten und mir Bericht erstatten. Ich hätte heute gern selbst mit Euch gesprochen, doch meine Ärzte haben mir Bettruhe verordnet.

Es gibt eine Bedingung. Ihr müsst Euch darauf konzentrieren, Eure Sparte zu leiten, denn wer sich in einen Skandal verwickeln lässt, ist aus dem Rennen, unabhängig vom erwirtschafteten Profit. Der einzige Fehler, den ich in meinem Leben gemacht habe, war der, mich durch mein Privatleben vom Geschäft ablenken zu lassen. Ich hoffe, Ihr drei könnt aus meinen Fehlern lernen, und ich vertraue darauf, dass Ihr die Herausforderung annehmt.

Malcolm Devonshire

Henry schüttelte den Kopf. Der alte Herr hatte gerade erklärt, dass er ihre Existenz als einen Fehler betrachtete. Henry wusste nicht, wie Geoff und Steven das empfanden, doch ihn ärgerte es maßlos. „Kein Interesse.“

„Bevor Sie Malcolms Angebot ausschlagen, sollten Sie Folgendes wissen: Wenn einer von Ihnen nicht darauf eingeht, fließt das Geld, das für Ihre Mütter und für Sie angelegt wurde, bei Malcolms Tod zurück in die Firma.“

„Ich brauche sein Geld nicht“, erklärte Geoff.

Henry brauchte es auch nicht, aber seine Mutter vielleicht. Sie und ihr zweiter Mann hatten zwei Söhne, für deren Ausbildung sie aufkommen mussten. Gordon verdiente zwar nicht schlecht als Cheftrainer des London-Irish-Rugbyteams, doch zusätzliches Geld konnten sie immer gebrauchen, vor allem, wenn irgendwann die Studiengebühren für die Jungs gezahlt werden mussten.

„Können wir das Ganze kurz unter uns besprechen?“, fragte Steven.

Edmond nickte und verließ das Zimmer. Sobald die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, stand Steven auf. „Ich finde, wir sollten es machen“, meinte er.

„Ich bin mir nicht sicher“, erwiderte Geoff. „Er sollte keine Bedingungen an sein Testament knüpfen. Will er uns etwas hinterlassen, dann soll er es tun und gut.“

„Aber es betrifft auch unsere Mütter“, warf Henry ein und schlug sich damit auf Stevens Seite. Malcolm hatte jeglichen Kontakt zu seiner Mutter abgebrochen, nachdem sie schwanger geworden war. Henry würde ihr gern etwas von Malcolm geben … nämlich das, was Malcolm immer als wichtiger als alles andere in seinem Leben angesehen hatte – selbst als die Menschen, die ihm eigentlich am nächsten stehen sollten.

„Stimmt, es betrifft sie auch“, sagte Geoff nachdenklich und lehnte sich zurück. „Ich verstehe, was ihr meint. Wenn ihr zwei euch darauf einlassen wollt, mache ich auch mit. Ich brauche zwar weder seine Zustimmung noch sein Geld, aber was soll’s. Betrachten wir es einfach als sportliche Herausforderung.“

„Gute Idee.“

„Also machen wir es?“, fragte Henry.

„Ich bin dabei“, erklärte Geoff.

„Ich finde, er schuldet unseren Müttern mehr als nur die Unterhaltszahlungen. Und die Chance, einen größeren Profit zu erwirtschaften, als er es getan hat, ist eine Herausforderung, der ich, ehrlich gesagt, nicht widerstehen kann.“

1. KAPITEL

Astrid Taylor hatte genau vor einer Woche bei Everest-Music angefangen zu arbeiten, und ihre Jobbeschreibung klang so, als wäre sie ein besseres Kindermädchen. Doch sie verdiente gut, und das war im Augenblick das Wichtigste. Sie war einem von Malcolm Devonshires Söhnen als Assistentin zugeteilt worden.

Ihre Erfahrung als Vertriebsassistentin für den legendären Musikproduzenten Mo Rollins hatte ihr den Job bei Everest-Music gesichert. Glücklicherweise hatte man ihr nicht allzu viele Fragen bezüglich der Kündigung ihres letzten Jobs gestellt.

„Hallo, Miss Taylor. Ich bin Henry Devonshire.“

„Hallo, Mr. Devonshire. Freut mich, Sie kennenzulernen.“

Henry streckte ihr die Hand hin, und sie schüttelte sie. Er hatte große, raue Hände mit kurz geschnittenen, gut gepflegten Nägeln. Sein Kinn war ein wenig kantig, und seine Nase sah aus, als wäre sie mehr als einmal gebrochen gewesen. Kein Wunder, schließlich war er ein erstklassiger Rugbyspieler gewesen, bevor eine Verletzung ihn gezwungen hatte, den Sport aufzugeben. Er war jedoch noch immer schlank und athletisch gebaut.

„Ich brauche Sie in fünf Minuten in meinem Büro“, sagte er. „Bringen Sie alles mit, was Sie über Everest-Music haben. Finanzberichte, Gruppen, die wir unter Vertrag haben, Gruppen, deren Verträge wir nicht verlängern sollten.“

„Ja, Mr. Devonshire“, antwortete Astrid.

Er blieb auf der Türschwelle zu seinem Büro stehen und lächelte sie an. „Nennen Sie mich Henry.“

Sie nickte. Wow, er hatte ein perfektes Lächeln. Eins, bei dem einem die Knie weich wurden. Was ihr natürlich nicht passieren konnte. Schließlich kannte Astrid die Artikel, die über ihn in der Klatschpresse standen – er war ein Spieler. Einer, der jede Nacht eine andere hat, erinnerte sie sich.

Trotzdem war sie ein wenig atemlos, als sie bat: „Bitte nennen Sie mich Astrid.“

„Gern. Arbeiten Sie schon lange hier?“

„Erst seit einer Woche. Ich wurde extra für Sie eingestellt.“

„Gut, dann kommen Sie ja nicht in Loyalitätskonflikte, sondern wissen, wer hier das Sagen hat.“

„Ja, Sir, Sie sind der Chef“, erwiderte sie keck.

„Das bin ich“, bekräftigte er und schlenderte in sein Büro. Astrid sah ihm hinterher und bewunderte seinen knackigen Po. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich. Ein Flirt im Büro war keine gute Idee, zumal eine Büroaffäre sie letztlich ihren letzten Job gekostet hatte. Damals hatte sie sich geschworen, sich künftig absolut professionell zu verhalten. Sie mochte Männer, das war schon immer so gewesen, und sie flirtete auch gern, aber zum Glück bestand ja keine Gefahr, dass Henry Devonshire ihr Avancen machte. Er bewegte sich in Kreisen, in denen er sich mit Supermodels umgab. Doch für blaue Augen und ein verführerisches Lächeln hatte sie leider schon immer eine Schwäche gehabt. Außerdem hatte sie schon vor Jahren für ihn geschwärmt, als er einer der Topspieler der London-Irish-Rugbymannschaft gewesen war.

Seufzend ermahnte Astrid sich erneut, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, und begann, die Berichte zusammenzusuchen, nach denen Henry verlangt hatte.

Gerade als sie zu ihm gehen wollte, klingelte das Telefon. Ein Blick auf die Telefonanlage zeigte ihr, dass Henry ebenfalls telefonierte.

„Everest-Music, Henry Devonshires Büro“, meldete Astrid sich.

„Wir müssen reden.“

Astrid zuckte zusammen. Es war Daniel Martin, ihr ehemaliger Chef und einstiger Liebhaber. Daniel war ein wenig wie Simon Cowell, ein Musikproduzent, der alles, was er anfasste, zu Gold machte. Aber wenn das Gold seinen Glanz verlor, ging Daniel weiter. Etwas, was Astrid am eigenen Leib hatte erfahren müssen.

„Ich glaube nicht, dass es zwischen uns noch etwas zu besprechen gibt.“ Mit Daniel zu reden war wirklich das Letzte, was sie wollte.

„Henry Devonshire könnte das anders sehen. Wir treffen uns in zehn Minuten im Park zwischen City Hall und Tower Bridge.“

„Ich kann nicht, ich muss gleich zu meinem Chef.“

„Er wird nicht lange dein Chef sein, wenn du nicht mit mir redest. Du weißt schon, was ich meine. Ich verlange ja nicht viel, nur ein paar Minuten deiner kostbaren Zeit“, meinte Daniel sarkastisch.

„Gut“, willigte Astrid widerstrebend ein. Daniel konnte ihre Karrierechancen bei Everest-Music zerstören, indem er einfach nur ein paar abfällige Bemerkungen über ihre Arbeitsmoral machte.

Sie war nicht sicher, was er wollte – ihre Beziehung hatte auf sehr unschöne Art und Weise geendet. Vielleicht wollte er etwas wiedergutmachen, jetzt, da sie wieder in der Musikindustrie arbeitete. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, dachte sie.

Sie schickte Henry eine E-Mail, in der sie ihm mitteilte, dass sie gleich zurück sei, und stellte den Anrufbeantworter an. Fünf Minuten später marschierte sie am Ufer der Themse entlang. Viele Büroangestellte saßen draußen vor den Bürokomplexen zum Rauchen. Astrid eilte an ihnen vorbei und hielt nach Daniel Ausschau. Sein hellblondes Haar entdeckte sie zuerst. Es war ein bewölkter Tag und ein wenig frisch, und Daniel trug seinen Lieblingstrenchcoat von Ralph Lauren.

Trotz der Tatsache, dass sie längst über ihre Gefühle für ihn hinweg war, musste sie zugeben, dass er gut aussah. Die Frauen schauten ihm bewundernd hinterher, und Astrid sah die Enttäuschung in ihren Augen, als er sich zu ihr wandte. Früher hatte sie die neidischen Blicke anderer Frauen genossen. Jetzt wusste sie, dass es nichts gab, worauf man eifersüchtig sein musste. Daniel verfügte leider nur über ein ansprechendes Äußeres. Seine inneren Werte ließen einiges zu wünschen übrig.

„Astrid.“

„Hallo, Daniel. Ich habe nicht viel Zeit. Weshalb wolltest du mich treffen?“

„Was hast du dir dabei gedacht, einen Job bei Everest-Music anzunehmen?“

„Wieso? Sie haben mich eingestellt. Ich brauche einen Job, da ich leider nicht so reich bin, dass ich ohne leben kann“, erwiderte Astrid grimmig.

„Sehr witzig.“

„Sollte es nicht sein. Was versuchst du, mir zu verstehen zu geben?“

„Machst du dich auch nur an einen meiner Künstler heran … dann ruiniere ich dich.“

Sie schüttelte den Kopf. „Das würde ich niemals tun. Ich habe nicht die Absicht, meine Karriere voranzutreiben, indem ich jemand anderen benutze.“

„Ich warne dich nur. Sollte ich mitbekommen, dass du dich auch nur in die Nähe von einem meiner Künstler begibst, werde ich Henry Devonshire anrufen und ihm alles erzählen, was die Presse nicht über unsere Affäre herausgefunden hat.“

Er machte auf dem Absatz kehrt und ließ sie, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stehen. Astrid sah ihm hinterher und fragte sich zum einen, wie sie jemals auf Daniel hereinfallen konnte, und zum anderen, wie sie sich vor ihm schützen sollte.

Besorgt eilte sie zurück ins Büro und stand kurz darauf an der Tür zu Henrys Zimmer.

Er telefonierte noch, winkte sie aber herein. Sie ging zum Schreibtisch und legte die Akten, um die er sie gebeten hatte, auf den Tisch.

„Das hört sich gut an. Ich komme heute Abend gegen neun“, sagte Henry. „Nein, nicht allein, zu zweit.“

Er legte auf und wandte sich an Astrid. „Bitte setzen Sie sich. Vielen Dank für die Sachen, die Sie vorbereitet haben. Bevor wir uns an die Arbeit machen, erzählen Sie mir doch erst einmal ein wenig über sich.“

„Was wollen Sie wissen?“, fragte sie. Irgendwie war es wohl eher unpassend, gleich ihre gesamte Vergangenheit herauszuposaunen. Und sie hatte inzwischen gelernt, dass sie, wenn sie bei solchen Fragen nicht genauer nachhakte, dazu neigte, Dinge zu enthüllen, die besser im Verborgenen geblieben wären.

Sie hoffte, dass der Job hier bei Everest-Music eine Art Puffer zwischen ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft darstellte. Ein Job, der sie so in Anspruch nahm, dass sie vergaß, ständig an verpasste Chancen zu denken, und stattdessen wieder anfing zu leben.

„Zunächst einmal würde mich interessieren, warum Sie für den Everest-Konzern arbeiten“, meinte Henry, während er sich zurücklehnte. Der eng anliegende schwarze Pulli, den er trug, spannte sich über seinen kräftigen Muskeln. Oh, dachte Astrid, er treibt wohl noch immer regelmäßig Sport.

„Weil sie mich eingestellt haben“, erklärte sie. Nach ihrem Gespräch mit Daniel fürchtete sie, zu viel zu sagen.

Er lachte. „Also ist es nur ein Job zum Geldverdienen für Sie?“

„Ein bisschen mehr steckt schon dahinter. Ich begeistere mich wirklich für Musik, und Teil Ihres Teams zu sein klang so, als könnte es Spaß machen. Die Aussicht, das nächste große Talent zu entdecken …“ Sie zuckte mit den Schultern und lächelte leicht. „Ich habe mich immer für eine Trendsetterin gehalten, jetzt wird sich herausstellen, ob ich es tatsächlich bin.“

Eine Zeit lang hatte sie daran geglaubt, selbst Musikproduzentin zu werden. Sie verstand ihren Job und wusste, wie viel Arbeit nötig war, aber irgendwann war ihr klar geworden, dass ihr etwas fehlte, um wirklich erfolgreich sein zu können. Sie konnte Künstler, deren Aufstieg sie begleitet hatte, nicht einfach fallen lassen, wenn deren Stern zu sinken begann. Dafür besaß sie wohl zu viel Integrität.

„Das macht es auf jeden Fall leichter, wenn Sie für mich arbeiten. Ich brauche nicht so sehr eine Sekretärin, sondern eher eine persönliche Assistentin. Sie müssten rund um die Uhr erreichbar sein, denn in diesem Geschäft können wir uns nicht an die üblichen Bürozeiten halten. Außerdem habe ich vor, diesen Zweig von Everest an die Spitze des Konzerns zu bringen. Haben Sie irgendwelche Einwände?“

„Nein, Sir. Mir wurde schon bei der Einstellung gesagt, dass dies ein fordernder Job sein würde“, erwiderte sie. Sie freute sich darauf. Sie brauchte eine Arbeit, in die sie sich vertiefen konnte, um sich von ihrem gescheiterten Privatleben abzulenken.

Er nickte und lächelte sie an. „Normalerweise arbeiten wir nicht hier in diesem Büro. Ich ziehe es vor, die Sachen von meinem Haus in Bromley oder meiner Wohnung hier in London aus zu regeln. Im Grunde werden wir jedoch die meiste Zeit damit verbringen, uns abends neue Gruppen und Sänger anzuhören.“

„Das ist in Ordnung, Sir.“ Zum Glück brauchte sie nicht viel Schlaf.

„Gut, kümmern wir uns jetzt also ums Geschäft. Ich möchte, dass Sie einen Ordner anlegen, in dem Sie sämtliche Informationen der Talentscouts sammeln. Ich schicke Ihnen eine Mail mit den Namen der Leute, die für mich arbeiten.“

Astrid nickte und machte sich Notizen, während Henry sie weiter in ihren Job einwies. Trotz der Tatsache, dass er in der Presse immer nur als Playboy dargestellt wurde, schien Henry ein ausgesprochen großes Netzwerk aufgebaut zu haben, das er für seine Geschäfte nutzen konnte.

„Gibt es noch etwas?“

„Ja. Ich habe bisher immer ein ziemlich gutes Gespür für neue Gruppen bewiesen, wenn ich sie in Nachtclubs gehört habe, aber ich freue mich darauf, auch Ihre Meinung zu hören.“

„Und worauf führen Sie Ihr Gespür zurück?“, hakte sie nach.

„Vermutlich liegt es daran, dass ich zu der Zielgruppe gehöre, die die meisten Labels ansprechen wollen. Ich bin jung, offen für Neues und kenne die Szene.“ Er nickte. „Das hat mir ein gutes Ohr für die Trends vermittelt. Wie sieht es mit Ihnen aus, Astrid?“

„Ich liebe Musik.“ Als sie nach London gezogen war, hatte sie sich ins Nachtleben gestürzt. Zusammen mit ihrer Schwester Bethann hatte sie sich eine kleine Wohnung geteilt. Tagsüber hatten sie studiert beziehungsweise irgendwelche Hilfsjobs ausgeübt, und abends waren sie zusammen mit Freunden von Club zu Club gezogen. Aber seit Bethann als Anwältin arbeitete und sich verlobt hatte, war auch Astrids Privatleben anders geworden. „Einer der Gründe, warum ich eingestellt wurde, war der, dass ich die persönliche Assistentin von Daniel Martin gewesen bin.“

„Tatsächlich?“, fragte er, ohne weiter darauf einzugehen. „Und wo liegen Ihre Vorlieben? Welche Art von Musik mögen Sie?“

„Mir gefällt Soul.“

„Hört sich …“

„Retromäßig an?“

„Nein, interessant“, erwiderte er und zwinkerte ihr zu.

Lächelnd verließ Astrid sein Büro und versuchte, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Doch sie musste zugeben, dass sie das Gespräch mit Henry viel zu sehr genossen hatte – er war ihr Chef, das durfte sie nicht vergessen, sonst litt sie bald wieder an Liebeskummer und hatte keinen Job mehr.

Henry sah Astrid hinterher, als sie das Zimmer verließ. Seine neue Assistentin war attraktiv, humorvoll und ein bisschen keck. Ihre Anwesenheit in seinem Büro und in seinem Team würde seinen Job eindeutig spannender machen.

Trotz der Tatsache, dass die meisten Menschen ihn für nichts weiter als einen berühmten Sportberichterstatter und Lebemann hielten, besaß Henry eine durchaus ernste Seite. Er genoss sein Leben, aber die wenigsten wussten, dass er auch hart arbeitete.

Es war eine Lektion, die er von Gordon Ferguson, seinem Stiefvater, gelernt hatte. Er war acht gewesen, als er Gordon das erste Mal getroffen hatte. Zwei Jahre bevor seine Mutter und Gordon heirateten. Gordon war jetzt der Cheftrainer der London-Irish, doch damals war er nur einer der Assistenten gewesen. Er hatte Henry geholfen, seine Fähigkeiten beim Rugby zu verfeinern, und ihn zu einem der besten Mannschaftsführer seiner Generation gemacht.

Jetzt blickte Henry sich in seinem Büro um, das sich im obersten Stockwerk des Everest-Firmengebäudes befand. Ein großes, luxuriös ausgestattetes Eckbüro mit Aussicht auf das London Eye. Trotzdem fühlte Henry sich ein wenig fehl am Platz. Er wusste, in einem Zimmer, das trotz seiner Größe so beengend und steril wirkte, konnte er nicht arbeiten.

Er musste hier raus. Doch zuerst wollte er mehr über seine Assistentin und auch über die Aufgabe, die er übernommen hatte, erfahren.

Anfangs, als er von Malcolms Angebot erfahren hatte, war es ihm noch egal gewesen, ob er den internen Wettbewerb gewann oder nicht, doch jetzt, da er hier war, meldete sich seine Spielernatur. Er gewann gern. Schließlich gab es einen Grund, warum man ihn zum Rugbyspieler des Jahres gekürt hatte. Ihm gefiel es, der Beste zu sein, und danach strebte er – nicht nur auf dem Spielfeld.

Er überflog die Berichte, die Astrid vorbereitet hatte, und machte sich Notizen. Dabei versuchte er immer wieder, den Gedanken an Astrids lange Beine zu verdrängen, die ihr kurzer Rock besonders gut zur Geltung gebracht hatte. Auch Astrids Lächeln hatte es ihm angetan … ihr Mund war sehr verführerisch. Mehr als einmal hatte er sich überlegt, wie ihre Lippen wohl schmecken würden. Und wenn sie lächelte, dann waren sie einfach unwiderstehlich.

Henry rief sich zur Ordnung. Affären im Büro waren nie eine gute Idee. Doch er kannte sich und musste zugeben, dass er seine neue Assistentin äußerst attraktiv fand und sich zu ihr hingezogen fühlte. Sein Verstand riet ihm, die Sache auf sich beruhen zu lassen … es sei denn, Astrid zeigte Interesse an ihm. Er brauchte sie, um diese Herausforderung gewinnen zu können, und wenn er ehrlich war, war ihm ein Sieg wichtiger als ein Techtelmechtel im Büro.

„Henry?“

Astrid stand in der Tür. Langsam ließ Henry den Blick über sie schweifen. Dieser kurze enge Rock, der wirkte wirklich sehr verführerisch, und ihre schwarzen kniehohen Stiefel ließen ihre Beine noch länger erscheinen. Der schlichte schwarze Pullover umschmeichelte ihre Brüste, und Henry ertappte sich dabei, wie er sie anstarrte. Astrid räusperte sich.

Er riss sich von dem Anblick los. „Ja, Astrid?“

„Ich muss schnell mal in die Rechtsabteilung, um die Einzelheiten von Steph Cordos Vertrag prüfen zu lassen. Ist es in Ordnung, wenn das Telefon solange unbesetzt ist?“

„Ja, natürlich. Sie sind ja schnell.“ Es hatte eindeutig seine Vorteile, in einer großen Firma zu arbeiten. Man konnte Aufgaben delegieren, und sie wurden zügig erledigt – das hatte er schon seit geraumer Zeit benötigt.

Henry hatte selbst produziert, während er sich gleichzeitig darum gekümmert hatte, bestimmte Sportschuhe und -getränke zu vermarkten. Außerdem hatte er eine Sportshow im Fernsehen speziell für Kinder moderiert, die zwei Jahre lang gelaufen war. Ihm gefielen die Annehmlichkeiten, die er aufgrund seiner Berühmtheit genießen konnte. Was ihm nicht so gut gefiel, war die Tatsache, dass er bisher all den Kleinkram hatte selbst erledigen müssen.

Astrid zwinkerte ihm zu. „Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, zu gefallen.“

„Das gelingt Ihnen ausgezeichnet“, lobte er sie lächelnd.

Sie ging wieder hinaus, und Henry drehte sich mit seinem Stuhl herum, sodass er zum Fenster hinausschauen konnte. Trotz all des Trubels, der immer um seine Person gemacht wurde, war er eigentlich eher ein Einzelgänger gewesen, und das war ihm durchaus recht. Aber dass er jetzt jemanden hatte, der für ihn arbeitete, gefiel ihm. Sie ist wie eine Art Butler, dachte er.

Von wegen. Als würde er die Beine eines Butlers so anstarren. Dennoch sollte er lieber nicht vergessen, dass Astrid für ihn arbeitete. Die Affäre seiner Mutter mit dem Musikproduzenten Malcolm Devonshire hatte dazu geführt, dass sie mit Henry schwanger geworden war und ihre Karriere als Sängerin aufgegeben hatte. Schon so manches Mal hatte er sich gefragt, ob sie das je bedauert hatte, doch sie hatte nie etwas Derartiges verlauten lassen.

Er schob den Gedanken beiseite. Sie lebten im einundzwanzigsten Jahrhundert. Heute hatte man andere Einstellungen als damals in den Siebzigern. Trotzdem wollte er nicht, dass Astrid sich im Büro mit ihm unwohl fühlte.

Gleichzeitig wusste er aber auch, dass er der Versuchung wohl nicht lange widerstehen konnte, Astrid in die Arme zu ziehen, um herauszufinden, wie ihr süßer, frecher Mund schmeckte.

Sein Telefon klingelte, und er griff nach dem Hörer. „Devonshire.“

„Henry? Hier ist deine Mum.“

Er musste immer schmunzeln, wenn sie sich so meldete. Dabei hätte er sie nie mit jemand anderem verwechselt. „Hallo, Mum. Was gibt’s?“

„Tust du mir einen Gefallen?“, fragte Tiffany Malone-Ferguson. „Kennst du jemanden bei Channel Four?“

Natürlich kannte er ein paar Leute bei dem Fernsehsender. Er fürchtete nur, dass dies ein erneuter Versuch seiner Mutter war, zurück ins Rampenlicht zu kommen. Als Popstars und Berühmtheiten aus den Siebzigern und Achtzigern begannen, wieder in Fernsehshows aufzutreten, wurde seine Mutter ganz kribbelig. Jetzt, da seine Halbbrüder älter waren, fand sie, auch sie könnte wieder auf die Bühne zurück.

„Ich habe mit allen, die ich dort kenne, schon mehr als einmal gesprochen.“

„Kannst du es nicht noch mal versuchen? Gordon hat vorgeschlagen, dass ich so eine Show wie die amerikanische Sendung ‚The Bachelor‘ machen könnte, nur für Rugbyspieler. Ich kenne mich in der Szene aus und könnte bestimmt dabei helfen, die richtigen Mädchen zu finden. Nicht diese Tussis, die ständig in der Klatschpresse auftauchen.“

Die Idee war gar nicht mal so schlecht. Henry machte sich Notizen und stellte ein paar Fragen, um eine genauere Vorstellung von der Idee seiner Mutter zu bekommen. „Ich sehe mal, was ich machen kann.“

„Du bist der Beste, Henry. Ich liebe dich.“

„Ich dich auch, Mum“, erwiderte er und verabschiedete sich.

Er hielt den Hörer noch einen Moment lang in der Hand, bis sich jemand räusperte. Als er aufsah, entdeckte er Astrid in der Tür.

„Ja?“

„Ich brauche Ihre Unterschrift. Der Bote des Talentscouts Roger McMillan hat diese Demo-CD vorbeigebracht und darauf hingewiesen, dass die Gruppe heute Abend spielt. Außerdem benötige ich noch ein paar Informationen über Steph“, sagte sie und hielt einen Stapel Papier hoch.

Er bedeutete ihr hereinzukommen.

„Der Chef der Rechtsabteilung würde gerne Vertragsbedingungen mit Ihnen besprechen. Ich weiß ja, dass Sie gesagt haben, Sie würden meistens von Bromley aus arbeiten, aber die Abteilungsleiter würden auch gern eine Besprechung mit Ihnen abhalten. Soll ich ihnen sagen, sie sollen sich an Ihr anderes Büro wenden?“

Henry lehnte sich zurück. „Nein. Ich denke, es ist besser, wenn wir einen Tag in der Woche hier im Büro für Besprechungen reservieren. Mir unterstehen sechs direkte Abteilungen, oder?“

„Ja, Sir.“

„Machen Sie mit allen Termine für morgen“, wies er sie an. Das Rugbyspiel hatte ihn auf harte Weise gelehrt, dass man sein Ziel nur erreichte, wenn man darauf zusteuerte. Und Teamwork war eine der Voraussetzungen, um gewinnen zu können.

„Astrid, seien Sie so nett und bringen Sie mir die entsprechenden Personalakten. Nachdem ich sie mir angeschaut habe, können Sie die Termine planen. Hat irgendjemand etwas ganz Dringendes?“

„Nur die Rechtsabteilung und die Buchhaltung. Sie müssen erst autorisiert werden, bevor sie diesen Vertrag unterzeichnen können.“

„Haben Sie das entsprechende Formular?“

„Liegt ganz unten im Stapel. Sobald Sie es unterschrieben haben, bringe ich es in die Buchhaltung.“

Er zog das Schriftstück heraus und unterschrieb es.

„Vielen Dank, Astrid“, sagte er und reichte ihr die Sachen zurück. „Sie sind eine sehr effiziente Assistentin. Ich bin sicher, dass Daniel äußerst unglücklich darüber war, Sie zu verlieren.“

Sie wurde rot und wandte den Blick ab, ohne darauf einzugehen. „Gern geschehen, Sir. Gibt es sonst noch etwas, bevor ich gehe?“

Er starrte einen Augenblick lang auf ihren Mund, wohl wissend, dass seine Besessenheit mit ihren Lippen ihn noch in große Bedrängnis bringen würde. Wieso konnte er an nichts anderes denken als daran, sie zu küssen?

2. KAPITEL

Astrid hoffte, dass Henry nicht auf die Idee kam, Daniel anzurufen, um zu hören, warum sie die Stelle bei ihm verloren hatte. Auch wenn sie und Daniel sich während ihrer Affäre nahegekommen waren, wusste sie, dass er ihr kein gutes Zeugnis ausstellen würde. Das hatte er ja gerade erst versichert.

Zum Schluss war sie zu lange krank gewesen, und Daniel war, was das betraf, nicht sehr verständnisvoll gewesen. Sie kämpfte einen Moment lang mit den Erinnerungen, bevor sie sie entschlossen verbannte.

Den Rest des Vormittags gelang es ihr, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Henry rief sie ziemlich häufig in sein Büro, während er sich einarbeitete. Und jedes Mal, wenn sie zu ihm ging, verspürte sie ein merkwürdiges Kribbeln im Bauch. Schon nach so wenigen Stunden stellte sie fest, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte.

Er war klug und humorvoll und so … sexy.

Doch selbst harmloses Flirten konnte gerade im Büro durchaus gefährlich werden. Das hatte sie am eigenen Leib erfahren müssen.

Als sie aus der Rechtsabteilung zurückkam, stellte sie fest, dass Henry nicht mehr in seinem Büro war. Sie nutzte die Zeit, um sich einige der Lieder von Steph Cordo anzuhören, der Sängerin, die Henry als Erstes unter Vertrag nehmen wollte. Das war etwas, was sie bei Daniel gelernt hatte. Man musste sich mit den Künstlern, die von der Firma vertreten wurden, gut auskennen. Steph war die Erste von vielen weiteren, die sie sich anhören würde. So bekam sie ein Gespür dafür, was Henry mochte.

Einige Minuten später kam Henry in Begleitung von drei ihr fremden Männern zurück ins Büro.

„Bitte stellen Sie jetzt keine Anrufe durch“, wies er Astrid an.

„Natürlich, Sir. Darf ich Sie kurz sprechen?“

„Was gibt es?“

„Diese Besucher – ein Termin mit ihnen war nicht in Ihrem Kalender vermerkt … Wollen Sie nicht, dass ich Ihre Termine verabrede?“

„Doch, natürlich. Ich bin es nur noch nicht gewohnt, eine Assistentin zu haben“, erklärte Henry lächelnd.

„Okay. Brauchen Sie mich in der nächsten halben Stunde?“

„Ich glaube nicht, wieso?“

„Ich würde gern Mittagspause machen. Meine Schwester hat angerufen und gefragt, ob wir uns treffen können.“

„Dann los mit Ihnen. Meine Besprechung wird mindestens so lange dauern.“

„Soll ich Ihnen etwas mitbringen?“

„Nein, ich treffe mich mit meinen … Halbbrüdern.“ Er lachte. „Hört sich für mich immer noch merkwürdig an, wenn ich es sage.“

„Sie haben sich erst kürzlich getroffen, oder?“

„Ja. Woher wissen Sie das?“

„Äh … na ja, ich habe es in der Hello! gelesen.“ Astrid weigerte sich, deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben. Hello! und andere Klatschmagazine waren in dieser Branche eine unverzichtbare Informationsquelle. Daniel hatte sie immer angewiesen, Artikel über seine Künstler auszuschneiden, um deren Popularität im Auge zu behalten.

„Sie lesen diese Klatschblätter?“

Sie hob eine Augenbraue. „Woher sollte ich es wohl sonst wissen? Wir verkehren ja nicht gerade in denselben Kreisen.“

„Stimmt. Aber normalerweise verkehre ich auch nicht mit Mitgliedern des Königshauses.“

„Nein, Sie umgeben sich eher mit anderen Berühmtheiten und Sportlern, oder? Das ist wohl auch einer der Gründe, warum Sie immer den Finger am Puls der Zeit haben und wissen, was als Nächstes in ist.“

„Vielleicht. Es ist wohl eher ein Gespür dafür, wonach die Massen verlangen.“

„Sie sind ein kluger Mann.“

„Meinen Sie?“, fragte er, während er sich umwandte, um in sein Büro zu gehen.

Einmal mehr konnte Astrid nicht umhin, seinen knackigen Po zu bewundern. Dummerweise drehte Henry sich an der Tür um und ertappte sie dabei. Sie errötete, als er wissend lächelte.

„Ich vermute, dass Sie noch immer viel Sport treiben, auch wenn Sie nicht mehr selbst spielen“, versuchte sie sich herauszureden.

„Stand in der Hello! etwa nichts über meine Mitgliedschaft im Fitnesscenter?“, fragte er.

„Nein, noch nicht. Ich hatte gehofft, mir ein kleines Zubrot zu verdienen, indem ich ihnen die Exklusivstory verkaufe.“

Henry warf den Kopf zurück und lachte. Und Astrid stimmte in sein Lachen ein. Es machte Spaß, für ihn zu arbeiten, und nach all dem Stress im letzten Jahr war es eine willkommene Abwechslung. „Sie werden Ihre Sache gut machen, Astrid, davon bin ich überzeugt.“

Sie zwinkerte ihm zu. „Das werde ich.“

Henry ging in sein Büro, und Astrid machte sich auf den Weg, um sich mit ihrer Schwester zu treffen.

Bethann saß auf einer der Bänke an der Themse in der Sonne – genau an der Stelle, an der Astrid vorhin Daniel getroffen hatte. Dieser Teil von London war neu, Glas- und Stahlgebäude säumten das Ufer, doch auf der anderen Seite des Flusses konnte man den Tower sehen.

Astrid eilte zu ihrer Schwester und umarmte sie.

„Wie ist dein neuer Job?“, wollte Bethann sofort wissen.

„Gut. Ich glaube, die Arbeit ist genau das, was ich brauchte. Henry ist darauf fokussiert, neue Künstler aufzutun.“

Bethann reichte ihr ein Sandwich. „Sei vorsichtig. Der letzte Job hat dich fast umgebracht.“

Lächelnd schüttelte Astrid den Kopf. Obwohl sie beide erwachsen waren, sah Bethann sie immer noch als kleine Schwester an, um die sie sich kümmern musste.

„Das ist mir bewusst. Ich meinte nur … ach, egal.“

Bethann legte einen Arm um Astrids Schultern. „Ich möchte nur vermeiden, dass du wieder verletzt wirst, Liebes.“

„Noch mal passiert mir so etwas nicht“, erwiderte Astrid. Als sie entlassen wurde, hatte sie sich geschworen, sich niemals wieder benutzen zu lassen. Aber das hieß ja nicht, dass sie es nicht genießen konnte, für Henry zu arbeiten.

In Anbetracht der Tatsache, dass sie alle vom selben Vater stammten, hatten er, Geoff und Steven nicht wirklich viel gemeinsam. Henry überlegte, dass das wohl an den Müttern lag, drei sehr unterschiedlichen Frauen.

Malcolm hatte nie etwas von Treue gehalten. Die Paparazzi hatten ihn stets fotografiert, wenn er aus der Wohnung seiner Geliebten gekommen war, und Henry wusste, dass es Tiffany tief verletzt hatte, ihn mit seinen anderen Frauen zu sehen.

Tiffany hatte in den sechs Monaten vor Henrys Geburt einen völligen Persönlichkeitswandel durchgemacht. Verschwunden war auf einmal die freche irische Sängerin, die die Herzen der Männer reihenweise gebrochen hatte. Stattdessen war sie unsicher geworden, hatte niemandem mehr getraut und vor allem nicht mehr an ihre Fähigkeiten als Sängerin geglaubt.

Selbst als sie die Beziehung zu Malcolm beendet hatte, war sie von den Paparazzi verfolgt worden, bis sie schließlich ihr Glück bei Gordon fand. Die Art von Liebe, die sie mit Gordon verband, hatte sie mit Malcolm niemals erlebt. Das vertraute sie Henry einmal an. Sie erklärte ihm, dass ihre Liebe zu Malcolm wie ein schnelles, kurz aufflackerndes Feuer gewesen war, während ihre Zuneigung zu Gordon wie ein langsames, stetes Feuer schwelte. Als Teenager hatte Henry das nicht verstanden, doch allmählich begann er zu begreifen, was sie gemeint hatte.

Er war sich bewusst, dass die Paparazzi wahrscheinlich ihren großen Tag hätten, wenn sie jetzt die drei Brüder zusammen erwischen konnten. Genau aus diesem Grund hatte er vorgeschlagen, dass sie sich in einem Privatclub trafen statt in einem öffentlichen Pub. Schon als Jugendlicher hatte er gelernt, dass es das Beste war, wenn man die Reporter möglichst ignorierte und sein Leben normal lebte.

Als er den Club betrat, sah er, dass Geoff bereits an einem der Tische saß, und nickte ihm zu. Er wurde jedoch mehrere Male von Fans angehalten. Mit jedem von ihnen wechselte Henry ein paar Worte, schüttelte Hände oder gab Autogramme. Sein Stiefvater hatte den Spielern immer gesagt, dass sie daran denken sollten, dass sie ohne die Fans nichts waren und wieder auf irgendeinem kleinen Platz zum Vergnügen statt um Geld spielen müssten.

Und Henrys Fans hatten ihn sehr reich gemacht.

Da er sah, dass Geoff telefonierte, ließ Henry sich Zeit. Natürlich wollten alle immer wissen, wen er im Sechs-Nationen-Cup favorisierte. Selbstverständlich drückte Henry dem englischen Team die Daumen.

Als er zu Geoff kam, bedeutete der ihm, dass es noch eine Minute dauern würde, also ging Henry zur Bar und bestellte sich ein Bier. Er war nicht sonderlich erpicht auf dieses Treffen mit seinen Brüdern gewesen, doch die beiden hatten darauf bestanden. Vielleicht war es ja auch ganz interessant, sie kennenzulernen.

Gerade als er zu Geoffs Tisch zurückkehrte, beendete der sein Telefonat, stand auf und reichte ihm die Hand.

„Wo ist Steven?“

„Seine Sekretärin hat angerufen, dass er sich verspätet.“

„Ich kann leider nicht lange bleiben, weil ich für heute Abend noch eine Tour durch die Clubs geplant habe. Wie war dein erster Tag?“

Geoff hob eine Augenbraue. „Vermutlich genau wie deiner. Die Fluglinie hat schon bessere Zeiten gesehen, aber ich gehe trotzdem davon aus, dass wir am Ende der von Malcolm vorgegebenen Zeit Profit ausweisen können.“

Henry erkannte, dass Geoff annahm, diesen Wettbewerb zu gewinnen. Aufgrund seiner adligen Herkunft war er wohl auch prädestiniert, den Gesamtkonzern zu leiten, doch Henry war nicht bereit, sich kampflos geschlagen zu geben. Er brauchte nur eine einzige phänomenale Gruppe unter Vertrag zu nehmen, um die Gewinne von Geoffs Fluglinie zu überbieten. Und er war wild entschlossen, sie zu finden.

„Was macht die Musiksparte?“

„Dort läuft alles bestens. Sie ist gut organisiert, und ich habe die richtigen Leute am richtigen Platz.“

„Ich hörte, du warst schon immer ein Teamplayer“, meinte Geoff.

„Ja, und damit bin ich mein Leben lang gut gefahren.“

Nachdem Henry einen großen Schluck Bier getrunken hatte, sprachen er und Geoff über Sport, wobei Henry auffiel, dass sein Halbbruder sich in seiner Gesellschaft ein bisschen unwohl zu fühlen schien.

Geoff stand als Mitglied der königlichen Familie im Rampenlicht und war in ganz anderen Kreisen aufgewachsen. Henry fragte sich, ob Geoff sich unbehaglich fühlte, weil er sich in Gesellschaft eines Rugbyspielers befand. Obwohl Rugby ein ziemlich harter Sport war, wurde er eher von Leuten aus der Mittel- oder Oberschicht gespielt.

„Siehst du deine Mutter häufig?“, wollte Geoff kurz darauf wissen.

„Jeden Sonntag zum Brunch“, erwiderte Henry. Seine Mutter hatte ihre Sache gut gemacht. Sie hatte dafür gesorgt, dass er in der Sicherheit einer Familie aufwachsen konnte. Auch wenn Malcolm sie verlassen hatte, ihren Traum von einer Familie hatte er nicht zerstören können.

„Wie schön. Meine Cousine Suzanne ist ein großer Fan von ihr …“

„Möchte sie ein Autogramm, oder will sie Tiffany treffen?“, fragte Henry. Für ihn war seine Mutter nichts weiter als seine Mutter, aber er war sich durchaus bewusst, dass sie für andere noch ein Popstar war. Auch wenn sie seit fünfzehn Jahren keinen Hit mehr gelandet hatte, war sie noch immer berühmt. Damals in der Schule hatten alle seine Schulkameraden ihre Platten gehört. Tiffany konnte nicht über die Straße gehen, ohne erkannt zu werden.

Geoff lachte. „Ich glaube, sie begnügt sich mit einem Autogramm.“

„Schick mir ihren Namen, und ich bitte Mum um eine Autogrammkarte.“

„Danke. Wenn es je etwas gibt, was ich für dich tun kann, dann sag Bescheid.“

„Okay, ich merke es mir.“

Ein paar Minuten später tauchte Steven auf. „Hallo, am Eingang ist eine Frau, die nach dir fragt, Henry.“

„Eine Frau?“

„Astrid soundso. Ich habe gesagt, ich würde dir Bescheid geben.“

„Danke. Das heißt, ich muss los.“

„Ehrlich?“, fragte Geoff. „Wer ist sie?“

„Meine neue Assistentin. Astrid Taylor.“

Steven gab dem Butler ein Zeichen und bestellte einen Drink.

„Hat sie mal für Daniel Martin gearbeitet?“, fragte Geoff nachdenklich.

„Ja, hat sie. Wieso?“

„Wenn ich mich recht erinnere, hab ich in der Zeitung über sie was gelesen. Sie hat die Firma verklagt, weil sie ihr keine anständige Abfindung gezahlt haben. Pass bloß auf.“

„Tue ich immer“, meinte Henry. „Ich kenne mich aus, wenn es darum geht, ein Gewinner-Team aufzubauen.“

„Mag sein. Hast du noch Zeit für einen weiteren Drink, bevor du dich mit ihr triffst?“, fragte Steven.

„Nein, leider nicht. Wir haben noch ein paar Termine heute Abend. Aber noch mal vielen Dank für die Information, Geoff. Ich werde meine Augen offen halten.“

Geoff lachte. „Ich komme mir vor wie meine Schwestern, die ständig irgendwelchen Klatsch und Tratsch austauschen.“

„Du hast Schwestern?“, meinte Steven erstaunt.

Henry musste lachen. Sie waren seit ihrer Geburt verbunden – zumindest waren ihre Namen immer in Verbindung gebracht worden, aber im Grunde waren sie sich völlig fremd.

„Ich habe zwei jüngere Brüder“, warf Henry ein.

„Ich bin Einzelkind.“ Steven nippte an seinem Drink. „Aber über unsere Familien können wir ein andermal reden.“

„Ich fürchte, Malcolm wirft noch weitere Fallstricke für uns aus“, erklärte Geoff.

„Du könntest recht haben. Mich hat es schon überrascht, dass sein baldiges Ende ihn dazu gebracht hat, sich mit uns in Verbindung zu setzen“, stimmte Henry zu.

Geoff nickte.

„Mir ist sein verdammtes Vermächtnis egal“, bemerkte Steven. „Mir geht es in erster Linie um das Geld und die Herausforderung.“

Henry lachte über Stevens Worte. Ihm gefiel es, dass er sich so offen und ohne Rücksicht auf die Konsequenzen äußerte.

„Übrigens … bevor du gehst, Henry. Ich wurde von der Chefredakteurin der Zeitschrift Fashion Quarterly angesprochen …“

„Ist das nicht eine Frauenzeitschrift?“, fragte Henry.

„Stimmt. Ich konnte der Chefredakteurin einen Gefallen tun. Dafür musste sie mir versprechen, ein paar Artikel über uns zu bringen.“

„Über uns?“, fragte Geoff. „Alles, was ich mache, muss erst durch das Pressebüro im Palast abgesegnet werden.“

„Es soll natürlich vornehmlich um unsere Mütter gehen, aber sie werden unsere Firmen erwähnen und jeden von uns einzeln portraitieren“, erläuterte Steven.

„Das wird meiner Mum gefallen“, vermutete Henry.

„Ich bin mir nicht sicher …“, verkündete Geoff.

„Red einfach mit ihr“, sagte Steven. „Wir brauchen die Publicity, und das ist doch ein netter Ansatz.“

„Ich bin dabei. Mich brauchst du nicht zu überzeugen“, stimmte Henry zu und sah auf die Uhr. „Gibt’s noch etwas, was wir dringend bereden müssen?“

„Mir gefällt deine Idee, die Flugzeuge mit den Alben-Covern deiner Künstler zu schmücken. Das ist eine gute Marketingidee“, sagte Geoff. „Am besten, ich rufe dich morgen mal an, damit wir überlegen, wie wir das Ganze auf die Beine stellen.“

„Gute Idee“, erwiderte Henry. „Steven, ich habe auch noch ein paar Einfälle, wie wir deine Warenhäuser nutzen könnten, um meine neuen Künstler zu promoten. Hast du diese Woche noch mal Zeit für ein Treffen?“

„Sicher. Schick mir eine Mail mit Terminvorschlägen, dann kriegen wir das schon hin“, antwortete Steven.

„Okay“, meinte Henry. „Wollen wir uns dann nächste Woche wieder zu dritt treffen?“

„Ja, ich finde, solch ein wöchentliches Treffen ist eine gute Idee“, meinte Steven.

Henry verabschiedete sich von seinen Halbbrüdern und ging nachdenklich durch den Club. So langsam begann er sich für seine Brüder zu interessieren. Obwohl sie im Moment Konkurrenten waren, arbeiteten sie zusammen. Er war gespannt, was sich daraus noch entwickeln würde. Aber im Augenblick interessierte er sich jedoch noch wesentlich mehr für Astrid und die Sache mit ihrem ehemaligen Chef.

Er entdeckte seine Assistentin telefonierend an der Garderobe. Und als er die Treppe herunterkam, winkte sie ihm lächelnd zu. Er erwiderte das Lächeln und entschied, dass er sich, trotz Geoffs warnender Worte, auf die Zusammenarbeit mit ihr freute.

Astrid schaltete das Handy aus, als Henry zu ihr trat. Er sah gut aus mit seiner modischen, legeren Kleidung. Er trug graue Hosen, ein Hemd ohne Krawatte und einen blauen kurzen Mantel, der seine Augen noch mehr strahlen ließ. Henry schaute sie an, und sie stand eine Sekunde lang da, ohne ein Wort herauszubringen.

Die Tatsache, dass sie als Teenager für ihn geschwärmt hatte, machte es jetzt, da sie nicht im Büro waren, noch schwerer, ihn als ihren Chef anzusehen.

„Hallo, Astrid. Was gibt’s Dringendes?“

„Ich brauche eine Unterschrift. Ohne Ihre Unterschrift können die Mitarbeiter ihren Lohn nicht bekommen“, erklärte sie. Sie wurden monatlich bezahlt, und da sie erst so kurz in der Firma war, war sie mit all diesen Regelungen noch nicht so vertraut und hatte es auch nicht geschafft, der Buchhaltung einen Tag Aufschub abzuringen. Und wenn die Mitarbeiter ihr Gehalt nicht bekamen, könnte das ziemliche Unannehmlichkeiten bereiten.

Sie reichte Henry die Papiere, und er setzte schwungvoll seinen Namen darunter. Genau wie er selbst, hatte auch seine Unterschrift Stil.

Ach, du meine Güte, dachte sie. Sie begann schon wieder, für ihn zu schwärmen. Für ihren Chef! Das musste sofort aufhören.

„Danke.“

„Kein Problem. Fahren Sie jetzt zurück ins Büro?“

„Nein, ich habe einen Kurier, der bereits darauf wartet, die Unterlagen zurückzubringen. Zufällig bin ich in einer Viertelstunde mit meinem Chef verabredet. Und wenn ich gleich an meinem ersten Arbeitstag unpünktlich bin, wäre er bestimmt nicht begeistert.“

Henry lachte. „Ja, es ist schon ein Kreuz mit diesen Chefs. Ich hoffe aber, Sie betrachten mich nicht als Sklaventreiber?“ Als sie lächelnd den Kopf schüttelte, fuhr er fort: „Haben Sie schon gegessen?“

Noch einmal schüttelte Astrid den Kopf. Dafür hatte sie keine Zeit gehabt. Sie reichte dem Kurier den Umschlag, der ihn nickend entgegennahm und verschwand.

„Wollen Sie etwas essen?“, fragte Henry. „Ich bin nämlich hungrig.“

„Gern.“

Er führte sie aus dem Club. „Haben Sie einen Wagen dabei?“

„Nein, ich besitze gar keinen, sondern nehme meist die U-Bahn. Die Umweltgebühr und das Parken sind einfach zu teuer geworden.“

„Da haben Sie recht. Dort, wo ich wohne, greift diese Umweltgebühr auch, das heißt, ich muss dafür zahlen, nach Hause zu fahren.“ Der Verkehr war in einigen Londoner Bezirken zu einem großen Problem geworden, sodass man eine Gebühr eingeführt hatte, die den Verkehr in der Rushhour etwas eindämmen sollte.

„Aber doch nicht so oft“, meinte sie leicht spöttisch. „Wie ich hörte, kommen Sie doch sowieso immer erst in den frühen Morgenstunden nach Hause.“

„Auch da haben Sie recht“, erwiderte er lachend. „Aber wenn ich ein anständiger Bürger wäre und mich an normale Bürozeiten hielte, müsste ich zahlen.“

„Na, dann besteht jetzt wohl auch keine Gefahr, dass Sie zahlen müssen, wenn Sie abends in die Clubs wollen.“

„Mag sein. Und wie sieht’s bei Ihnen aus?“

„Was meinen Sie?“

„Gehören Sie zu den anständigen Bürgern?“

Astrid wusste nicht, worauf Henry mit dieser Frage hinauswollte. Da in diesem Moment Henrys Wagen gebracht wurde, konnte sie sich um eine Antwort drücken. Sie stieg in den Ferrari ein und bewunderte kurz darauf, wie lässig und geschickt Henry den Wagen durch den dichten Verkehr lenkte. So langsam kam sie zu der Überzeugung, dass es wohl wenig gab, was ihr neuer Chef nicht ausgezeichnet meisterte.

„Bekomme ich noch eine Antwort auf meine Frage?“, hakte Henry nach.

„Was? Oh, ja, natürlich.“

„Und als Sie bei Mo Rollins gearbeitet haben, waren Sie da auch anständig?“

Oje, hatte er etwa ihren beruflichen Werdegang überprüft? Die Sache mit ihrer Affäre herausgefunden? Bethann hatte vorgeschlagen, dass sie lieber in einer anderen Branche arbeiten sollte, bevor sie in die Musikindustrie zurückkehrte, doch das war die Branche, die sie kannte.

„Ich habe meinen Job sehr ernst genommen. Und ich war eine gute Angestellte und habe Daniel in jeder Weise unterstützt.“

„Aber trotzdem hat er Sie gehen lassen.“

„Ich hatte gesundheitliche Probleme.“ Das ist ein Albtraum, dachte Astrid. Während sie mit Daniel liiert war, war es ihr nie in den Sinn gekommen, dass sie sich irgendwann einmal dafür würde rechtfertigen müssen, warum sie nicht mehr für ihn arbeitete. Zum Glück hakte Henry nicht weiter nach.

In der Kensington High Street hielt Henry an. „Ist es okay, wenn wir im Babylon essen?“, fragte er.

„Ja, natürlich.“ In diesem teuren Restaurant war sie noch nie gewesen. Daniel wäre niemals auf die Idee gekommen, sie in derartige Lokalitäten mitzunehmen. Er gab nur für seine Kunden gern Geld aus.

Henry fuhr auf den Parkplatz und gab einem vom Parkservice den Autoschlüssel. Astrid stieg aus und wünschte, sie hätte sich die Zeit genommen, sich ein wenig mehr zu stylen. Inzwischen war ihr schon bewusst geworden, dass Henry anders war als Daniel. Doch das bedeutete ja nicht, dass er sie auch besser behandeln würde als ihr Ex. Dies ist ein Job, dachte sie. Weiter nichts. Ihr neuer Chef schien etwas mehr Größe zu besitzen als ihr vorheriger. Und sie wusste, dass sie sich verändern und auch ein bisschen über sich hinauswachsen musste, um mit ihm mithalten zu können. Sie straffte die Schultern und lief um den Wagen herum, um mit Henry zum Restaurant zu gehen.

Ein paar Paparazzi standen davor und schossen sofort Fotos von Henry, während Astrid rasch zur Seite trat. Henry posierte, redete mit den Fotografen und schrieb ein paar Autogramme, bevor er nach Astrids Hand griff und mit ihr hineinging.

Sie ahnte, dass Henry seine Fragestunde in Bezug auf ihre Vergangenheit und Daniel noch nicht beendet hatte. Sie musste ihre Karten richtig ausspielen und so versuchen, ihn heute Abend vom Thema abzubringen.

„Passiert Ihnen das häufiger?“, fragte sie, als sie ihre Mäntel abgegeben hatten.

Henry lächelte. „Ja, aber ich bin daran gewöhnt. Meine Mutter meint, das gehört nun einmal dazu, wenn man im Rampenlicht steht. Ich bin damit aufgewachsen. Und auch wenn ich mich nicht darum reiße, lasse ich mich fotografieren, wenn sie ein Foto von mir wollen.“

„Empfinden Sie das nicht als aufdringlich?“

Er blieb stehen. „Es ist mein Leben, und ich denke gar nicht weiter darüber nach. Als Spieler mochte ich die Reporter nicht sonderlich, weil sie eine Ablenkung darstellten und weil ein paar von den anderen Spielern zuließen, dass die Presseleute sie davon abhielten, sich auf das Spiel zu konzentrieren. Aber jetzt helfen sie mir im Grunde, meinen Lebensstil beizubehalten“, fügte er hinzu.

„Sie sind ein kluger Mann“, meinte Astrid anerkennend und kam zu dem Schluss, dass der charmante Playboy, den er der Öffentlichkeit vorspielte, nur eine Facette von ihm war.

„Wohl wahr. Genau deshalb merke ich es auch, wenn jemand versucht, vom Thema abzulenken. Sie haben mir noch immer nicht alles über Ihren letzten Arbeitgeber erzählt.“

3. KAPITEL

Astrid neigte den Kopf zur Seite und bedachte Henry mit einem Blick, der ihm wohl sagen sollte, dass er es etwas subtiler angehen musste, wollte er mehr über ihre Vergangenheit herausfinden. Er nickte und nahm ihren Arm, um dem Kellner zu folgen, der sie zu einem kleinen Tisch mit einer netten Aussicht führte. Die fand Henry allerdings im Moment völlig uninteressant, weil er nur Augen für Astrid hatte.

Sie gab ihm so manches Rätsel auf, und sie faszinierte ihn.

„Ich glaube, die Londoner Musikszene ist zurzeit wirklich richtig vielversprechend. Viele der Gruppen, die hier klein angefangen haben, kommen groß raus, und zwar nicht nur in England, sondern auch in den Staaten“, wechselte Astrid erneut das Thema.

„Aber sind sie auch bereit dafür?“, fragte Henry.

„Da bin ich mir nicht sicher. Sie selbst sind im Rampenlicht aufgewachsen und wissen, wie anders die Paparazzi in den Staaten drauf sind. Ich denke, dass einige der Gruppen noch nicht so weit sind, dass sie mit ihrem schnellen Ruhm wirklich umgehen können. Und der amerikanische Markt ist sehr wankelmütig.“

„Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Ich habe auch schon versucht, Steph darauf hinzuweisen, dass sie, wenn sie dort gut ankommt, einen kometenhaften Aufstieg vor sich hat, dem allerdings auch ein ganz schneller Fall folgen könnte.“

„Gut, dass Sie mit ihr darüber gesprochen haben. Ich habe mir vorhin ein paar Stücke von ihr angehört und das Demoband, das Roger vorbeigebracht hat. Ich glaube, ich kenne ein paar Clubs, die dem Musikstil entsprechen, nach dem Sie anscheinend suchen.“

„Und welche Art von Musik ist das Ihrer Meinung nach?“

„Musik, die wirklich einschlägt, natürlich, und die eingängig ist. Die Leute müssen sich daran erinnern. Aber wenn ich mich nicht täusche, dann muss es für Sie auch Musik mit Herz sein.“

Henry nickte. Sie hatte tatsächlich genau erkannt, wonach er suchte. Das beunruhigte ihn ein wenig. Er wirkte nach außen hin zwar wie ein lockerer Typ, den alle zu kennen glaubten und der auch Gott und die Welt kannte, aber genau genommen hielt er immer eine gewisse Distanz. Die einzige Frau, von der er wirklich behaupten konnte, dass sie ihn gut kannte, war seine Mutter. Und die war in den Augen aller anderen leicht exzentrisch.

Aber Astrid war anders. Sie war zwar schlagfertig, aber manchmal, so wie jetzt, ruhig und gelassen und hin und wieder auch etwas schüchtern.

Sie bestellten ihr Essen und unterhielten sich über die Musikszene und andere Dinge, bevor Henry noch einmal auf Astrids letzten Job zu sprechen kam. „Wie lange haben Sie für die Mo Rollins Group und Daniel Martin gearbeitet?“, fragte er. Mo Rollins war ein legendärer Produzent, der sein eigenes Label gegründet hatte, nachdem er sich von Sony-BMG getrennt hatte. Daniel war einer seiner Erfolg versprechenden Protegés.

„Für Daniel nur achtzehn Monate, aber davor habe ich bereits drei Jahre in verschiedenen anderen Abteilungen gearbeitet.“

„Hat es Ihnen gefallen?“, wollte er wissen. Es ergab keinen Sinn, dass sie solch einen Job aufgegeben hatte. Wenn sie in der Musikbranche arbeiten wollte, dann war es der ideale Job gewesen. Henry redete sich ein, dass er das alles nicht fragte, weil er an der Frau interessiert war, sondern weil er mehr über ihre Vergangenheit herausfinden wollte, um sicherzustellen, dass sie gut in sein Team passte. Denn nur ein gutes Team konnte ihn zum Erfolg führen. Außerdem hatte er immer noch Geoffs Warnung im Hinterkopf.

„Es war ein toller Job“, erwiderte sie, beugte sich vor und legte ihre Hand auf seine. Als Rugbyspieler hatte er immer raue und verletzte Hände gehabt, doch Astrids waren herrlich weich und angenehm kühl.

„Ich weiß, dass Sie gern verstehen möchten, warum ich solch einen interessanten Job aufgegeben habe. Dazu gäbe es viel zu sagen … Letztlich ging es um ein gesundheitliches Problem, über das ich nicht sprechen möchte …“ Sie hielt inne, und Henry sah, dass sie mit den Tränen kämpfte.

Er drehte seine Hand und hielt ihre locker fest. Er kannte sich mit Geheimnissen aus und würde jetzt nicht weiterbohren, doch es würde nicht mehr lange dauern, bis er Astrid alle ihre Geheimnisse entlockt hatte. Die Personalabteilung hatte sicherlich ihre Unterlagen geprüft, und man hätte sie nicht eingestellt, hätte es in ihrer Vergangenheit irgendetwas Zwielichtiges gegeben.

„In Ordnung. Heute Abend treffen wir Steph Cordo. Ihre Aufgabe besteht zum Teil darin, für meine Künstler eine Ansprechpartnerin und Assistentin zu sein, bis sie sich eigene Leute eingestellt haben“, meinte Henry.

„Okay. Etwas in der Art habe ich schon gemacht. Kann ich ganz gut.“

„Weiß ich, Astrid. Sie sind sehr effizient, wenn es darum geht, die Dinge zu erledigen, die erledigt werden müssen. Und dazu sind Sie noch zuvorkommend und freundlich.“

Sie wurde rot. „Meine Schwester meint, das sei eine besondere Gabe.“

„Was?“

„Na ja … Als wir noch jünger waren, habe ich mich wohl überall eingeschmeichelt. Sie fand das manchmal übertrieben, aber ich habe festgestellt, wenn man nett ist, öffnet einem das eine Menge Türen“, sagte sie lächelnd.

„Stimmt.“

Henry merkte, dass er noch immer Astrids Hand hielt. Langsam streichelte er mit dem Daumen über die samtweiche Haut und beobachtete ihr Gesicht. Sie errötete erneut und zog dann die Hand zurück. Ihre Zunge glitt über die vollen Lippen. Ihr Mund bewegte sich, und Henry wusste, dass sie etwas sagte, doch es gelang ihm einfach nicht, sich auf ihre Worte zu konzentrieren.

Gebannt starrte er auf Astrids Lippen, während er überlegte, wie sich dieser herrliche Mund wohl auf seinem anfühlen würde.

„Henry?“

„Hmm?“

„Der Kellner fragt, ob wir ein Dessert möchten“, sagte sie.

„Entschuldigung. Nein, danke. Möchten Sie noch etwas, Astrid?“

Sie schüttelte den Kopf, also bat Henry um die Rechnung, und Astrid entschuldigte sich kurz.

Um sich nicht länger den sinnlichen Gedanken an Astrids verführerischen Mund hinzugeben, dachte Henry an Malcolm. Schon seit Langem hatte er aufgehört, Malcolm als einen Verwandten anzusehen. Der Mann hatte zwar Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke geschickt, aber Henry kannte ihn im Grunde überhaupt nicht. Jetzt hatte er jedoch das Gefühl, dass er mehr über ihn wissen sollte. Malcolm hielt den Schlüssel für den zukünftigen Erfolg seines Teams in der Hand. Seine Gedanken wurden unterbrochen, als sein BlackBerry klingelte. Ein Blick auf das Display zeigte ihm, dass Alonzo, einer der Männer, die er dafür bezahlte, ihn mit Tipps zu versorgen, Henry riet, sich eine Gruppe anzuschauen. Da sie in einem Club spielte, der nicht weit entfernt war, notierte Henry sich den Termin.

Er war kein Mann, der sich eine Gelegenheit entgehen ließ. Vielleicht war das der Grund, warum es ihm so leichtgefallen war, vom Spielfeld ins Unternehmertum zu wechseln.

Er schaute auf, als Astrid wieder zum Tisch kam. Voller Bewunderung musterte er sie. Sie bewegte sich wie viele Frauen, wenn sie wussten, dass ein Mann zusah. Ihre Hüften schwangen bei jedem Schritt verführerisch hin und her.

„Sie starren mich an, Chef“, schalt sie ihn neckend.

„Sie sind eine sehr schöne Frau, Astrid.“

Sie legte den Kopf zur Seite. „Danke … wenn es ernst gemeint war.“

„Warum sollte ich es nicht ernst meinen?“

„Vielleicht wollen Sie sich nur einschmeicheln, weil Sie mir eine unangenehme Aufgabe übertragen wollen?“

Er schüttelte den Kopf und stand auf. Sanft legte er ihr eine Hand auf den Rücken und führte sie aus dem Restaurant. Natürlich wusste er, dass sie seine Hand nicht brauchte, um den Weg zu finden, aber er wollte sie berühren. Irgendwie war sie einfach … unwiderstehlich.

„Es war ernst gemeint. Wenn ich Sie bitte, eine Aufgabe zu übernehmen, die nicht so angenehm ist, dann werde ich sie nicht in irgendwelche Nettigkeiten verpacken.“

Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Sie standen jetzt so nahe beieinander, dass ihre Lippen sich fast berührten. „Versprochen?“

„Versprochen“, erwiderte er. Bevor er noch mehr sagen konnte, wurde er von einem Blitzlicht geblendet. Er wandte sich um, doch der Fotograf war schon verschwunden.

Im ersten Club, den sie besuchten, trafen Henry und Astrid auf Roger McMillan, einen Freund von Henry. Der Club war überfüllt, doch sie wurden sofort in einen VIP-Bereich geführt.

Roger schüttelte Astrid die Hand und sagte etwas. Da die Musik so laut war, konnte sie jedoch kein Wort verstehen. Sie nickte und ließ sich dann von Henry zu einem Tisch weiter hinten führen.

Hier war es ein bisschen ruhiger, und Roger stellte sich noch einmal vor.

„Astrid Taylor“, erwiderte sie.

„Sie ist meine Assistentin. Du rufst sie jeden Morgen gegen zehn an und berichtest ihr von den neuen Gruppen, die du aufgespürt hast.“

„Mach ich. Hier ist heute Abend nicht viel los. Aber der DJ hat einen heißen Tipp für uns. Sobald er Pause macht, kommt er und erzählt uns von der Gruppe.“

„Hört sich gut an“, meinte Henry.

„Ich mache mal meine Runde und schaue, ob hier irgendwelche Künstler sind, mit denen du dich treffen solltest“, sagte Roger.

Er entschuldigte sich und verließ den Tisch. Astrid erkannte, dass Henry seinen neuen Job nicht erst langsam angehen lassen würde, sondern schon mittendrin war. Anders als Daniel wusste er, wie man Sachen delegierte. Bei Henry musste sich nicht alles um ihn selbst drehen.

„Warum schauen Sie mich so verwundert an?“, fragte er.

„Sie scheinen Roger ja blind zu vertrauen.“

„Ja, das ist eine der Grundregeln, die ich beim Rugby gelernt habe. Wenn man seinen Mannschaftskollegen nicht traut, besitzt man kein Selbstvertrauen. Man kann nicht überall sein, also muss man sich mit Leuten umgeben, denen man vertraut.“

„Viele Leute in der Musikbranche meinen, sie müssten die Ellbogen benutzen, um es zu etwas zu bringen. Als ich für Daniel und Mo Rollings gearbeitet habe, gab es immer eine Reihe von Mechanismen, die einfach nur sicherstellen sollten, dass die Leute das taten, was sie tun sollten.“

Henry beugte sich vor. „Ist das einer der Gründe, warum Sie dort weggegangen sind?“

„Nein“, antwortete Astrid knapp.

Henry legte ihr einen Arm um die Schultern. „Ich kann nur dann erfolgreich sein, wenn ich jedes Mitglied meines Teams genau kenne – seine Stärken und Schwächen.“

„Es gibt keine Schwächen aus meiner Vergangenheit, über die Sie sich Sorgen machen müssten, Henry. Ich erzähle Ihnen alles, was Sie über mich wissen müssen.“

Langsam ließ Henry einen Finger über ihre Wange gleiten, und Astrid zitterte leicht. Sie wollte sich ein neues Leben aufbauen, und das konnte sie nicht, wenn sie wieder anfing, für ihren Chef zu schwärmen.

„Lassen Sie mich das beurteilen“, meinte er.

Mit diesen wenigen Worten überzeugte er sie davon, dass er nicht der lockere Typ war, den er der Welt vorspielte. Henry Devonshire war ein Mann, der es gewohnt war, seinen Willen durchzusetzen. Und im Moment bedeutete das, dass er versuchen würde, ihr ihre Geheimnisse zu entlocken.

Ihre Geheimnisse.

Sie hatte so viele. Und sie würde sie Henry auf keinen Fall anvertrauen. Die schlechte Erfahrung mit Daniel hatte sie Männern gegenüber misstrauisch gemacht.

„Noch nicht“, widersprach sie.

„Sie trauen mir nicht“, vermutete er.

„Ich kenne Sie nicht“, entgegnete sie. Das war eine der Lektionen, die sie gelernt hatte. Nicht jeder Mensch war genauso loyal seinen Freunden gegenüber, wie sie das für richtig hielt. Und solange sie nicht genau wusste, was für ein Mann Henry war, würde sie auf der Hut bleiben.

Als sie damals ihre Affäre mit Daniel begonnen hatte, war ihr bewusst gewesen, dass es riskant war, sich mit dem Chef einzulassen. Aber in der Aufregung, sich in jemanden zu verlieben, der so dynamisch wie Daniel war, hatten sich ihre Bedenken in Luft aufgelöst. Zumal sie geglaubt hatte, dass auch Daniel in sie verliebt war. Dadurch schien ihr das Risiko kalkulierbarer zu sein – bis Daniel sie verlassen hatte – schwanger mit seinem Kind. Erst da war ihr klar geworden, dass er eine andere Vorstellung von Loyalität hatte als sie.

„Okay“, stimmte Henry zu. „Was halten Sie von diesem DJ?“, wechselte er das Thema.

„Er ist in Ordnung“, sagte sie nach kurzem Nachdenken. „Sein Sound ist sehr funky und modern, aber es gibt nichts, was ihn besonders auszeichnet.“

„Stimmt. Er ist nur einer von vielen, aber er hat ein gutes Ohr. Wir suchen nach Künstlern, die sich aus der Menge hervorheben, sei es, weil sie geliebt oder gehasst werden, solange sie nur bemerkt werden. Ich werde mich mal mit ihm unterhalten, mal sehen, ob er ein paar Tipps für uns hat.“

Zwanzig Minuten später machten sie sich auf zu einem Club in Notting Hill. Astrid entdeckte zwei Freundinnen aus der Zeit, als sie noch häufiger die Nächte in Clubs verbracht hatte, und Henry ermunterte sie, zu ihnen zu gehen, während er von Stan Stubbing, einem Sportreporter, in ein Gespräch verwickelt wurde.

Molly und Maggie Jones waren Schwestern. Maggie, die ältere, war in Astrids Alter.

„Was machst du denn hier, Astrid?“

„Arbeiten. Neue Bands aufspüren.“

„Ich dachte, du arbeitest nicht mehr für diesen Musikproduzenten“, meinte Molly.

Astrid schluckte. Sie war inzwischen daran gewohnt, gefragt zu werden, warum sie Mo Rollins verlassen hatte, aber eine gute Antwort hatte sie leider immer noch nicht gefunden. „Ich habe gerade einen neuen Job bei Everest-Music angefangen.“

„Ach, deshalb bist du mit Henry Devonshire hier. Toller Typ.“

„Er ist mein Chef“, sagte Astrid.

„Wow! Für so einen gut aussehenden Chef würde ich auch gern arbeiten“, erklärte Maggie.

„Es hat seine Vorteile“, meinte Astrid, bevor sie fragte: „Was trinkt ihr da?“

„Granatapfel Martini. Möchtest du auch einen?“

„Ja, gern.“

Molly ging zur Bar, um ihr einen Drink zu holen. Währenddessen sahen Astrid und Maggie sich nach einem Sitzplatz um. Doch der Club war brechend voll.

Astrid blickte zum VIP-Bereich, wo Henry mit Roger an einem Tisch saß. Neben ihnen entdeckte sie eine Frau, die ihr bekannt vorkam. Henry winkte sie zu sich, als er aufschaute und sie entdeckte.

„Geh schon“, forderte Maggie sie auf.

„Ihr könnt mitkommen. Henry wird nichts dagegen haben.“

„Okay, warum nicht. Hier ist Molly mit deinem Drink.“

Gemeinsam gingen sie hinüber und setzten sich auf die gepolsterten Bänke in der U-förmigen Nische. Astrid saß neben der Frau, die Henry ihr sofort vorstellte.

„Astrid, das ist Steph Cordo. Steph, das ist meine Assistentin Astrid Taylor.“

Astrid schüttelte Steph die Hand. Sie war älter, als sie erwartet hatte. Die meisten Popsängerinnen waren heutzutage kaum älter als sechzehn, doch Steph war mindestens fünfundzwanzig. Ihre Augen verrieten, dass sie schon einiges erlebt hatte.

„Freut mich, Sie kennenzulernen.“

„Ich freue mich auch“, erwiderte Steph. „Wollen wir uns nicht duzen?“

„Gern. Das sind Freundinnen von mir, Maggie und Molly Jones“, stellte Astrid die beiden anderen vor.

Nachdem sich alle vorgestellt hatten, wandten sich Roger und Henry wieder ihrem Gespräch über die Musikbranche zu, während Astrid sich zu Steph wandte.

„Morgen haben wir eine Menge für dich zu tun. Hat Henry das schon erwähnt?“

„Ja. Er erzählte auch, dass ihr einen Kurzauftritt für mich in einem der Everest-Kaufhäuser arrangieren wollt.“

„Wollen wir das? Ich meine, natürlich wollen wir. Wir können morgen darüber reden. Wann kann ich dich am besten erreichen?“

„Jederzeit, nur nicht am Nachmittag. Da schlafe ich.“

Maggie lachte. „Ich wünschte, das könnte ich mir auch erlauben.“

Steph errötete ein wenig. „Ich bin schon immer eine Nachteule gewesen, und meine Mutter ist Krankenschwester. Früher hat sie immer die Nachtschicht gearbeitet … ich bin früh aufgestanden, um mit ihr reden zu können. Dafür habe ich mich nachmittags immer noch mal hingelegt.“

„Mein Dad hat auch eine Weile nachts gearbeitet, bevor er sich sein eigenes Taxi gekauft hat. Jeden Morgen vor der Schule haben wir zusammen gefrühstückt“, erzählte Astrid.

Ihr Dad war früher Taxifahrer gewesen. Noch immer besaß er ein Taxi, doch inzwischen hatte er aus gesundheitlichen Gründen jemanden engagiert, der es für ihn fuhr. Ihre Mum war zu Hause geblieben, als Astrid und Bethann noch klein gewesen waren, hatte dann jedoch wieder angefangen, als Lehrerin zu arbeiten.

„Das war bei uns genauso. Meine Freunde und ihre Familien aßen immer abends zusammen, aber bei uns war es das gemeinsame Frühstück.“

„Bei uns auch. Als mein Dad krank wurde, haben meine Schwester und ich versucht, die Tradition beizubehalten, und sind möglichst morgens im Krankenhaus vorbeigefahren.“

„Was hat dein Dad?“

„Diabetes“, erwiderte Astrid. „Er leidet schon lange darunter, doch er hasst es, sich gesund zu ernähren.“

„Meine Mum hätte ihm die Hölle heißgemacht, wenn er einer ihrer Patienten gewesen wäre. Sie findet es unverantwortlich, wenn man seine Gesundheit vernachlässigt, deshalb habe ich es mir auch angewöhnt, relativ gesund zu leben.“

„Ich auch. Wahrscheinlich weil mein Dad immer schon gesundheitliche Probleme hatte. Ich will nicht so enden wie er – er sitzt im Rollstuhl.“

„Oh, tut mir leid.“

„Hätte er sich gesünder ernährt, müsste er jetzt vielleicht nicht im Rollstuhl sitzen. Die Krankheit wäre wohl ausgebrochen, aber nicht so schlimm.“

„Ich verstehe“, sagte Steph. „Du willst einfach nur verhindern, dass es dir auch passiert.“

„Genau. Ich möchte einfach ein ganz normales Leben führen.“

„Ein normales Leben, das ist so ein merkwürdiger Begriff. Irgendwie hat doch keiner ein normales Leben. Wir müssen eigentlich selbst rausfinden, was für uns normal ist“, meinte Steph nachdenklich.

„Alles in Ordnung bei euch?“, fragte Henry.

„Ja, Astrid und ich unterhalten uns wunderbar. Sie gefällt mir. Sie ist nicht wie die meisten anderen in der Musikbranche“, antwortete Steph.

„Wieso nicht?“, wollte Henry wissen.

Autor

Katherine Garbera
<p>USA-Today-Bestsellerautorin Katherine Garbera hat schon mehr als neunzig Romane geschrieben. Von Büchern bekommt sie einfach nicht genug: ihre zweitliebste Tätigkeit nach dem Schreiben ist das Lesen. Katherine lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und ihrem verwöhnten Dackel in England.</p>
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