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"Niemals!" Rand Kincaid kann nicht fassen, was sein Vater testamentarisch verfügt hat: Damit "Kincaid Cruise Lines" nicht an die Konkurrenz fällt, muss Rand für zwölf Monate mit Tara Anthony zusammenarbeiten - mit der Frau, von der er sich vor fünf Jahren getrennt hat, weil sie ihn betrogen hat! Als Rand seiner ehemaligen Assistentin wieder begegnet, ballt er die Hände zu Fäusten. Nein, auf ihr sexy Lächeln wird er nicht hereinfallen. Er zwingt sich, den Blick von ihren aufregenden Kurven zu wenden. Dann macht Tara ihm ein Angebot, das zu verlockend ist ...


  • Erscheinungstag 15.08.2009
  • Bandnummer 0019
  • ISBN / Artikelnummer 9783862954599
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Ihr Vater hat mit seinem letzten Willen verfügt, dass Sie zu Kincaid Cruise Lines zurückkehren und dort für mindestens ein Jahr die Geschäftsführung übernehmen. Und noch etwas …“ Richards, der Notar und Anwalt der Familie, machte eine bedeutungsvolle Pause und sah Rand Kincaid dabei über seine schmale Brille hinweg an. „Ihr Vater wünschte außerdem, dass Sie Tara Anthony in die Firma zurückholen und sie zu Ihrer persönlichen Assistentin in der Geschäftsleitung machen.“

Die Worte trafen Rand wie ein Keulenschlag. „Zum Teufel, nein!“, polterte er los. „Das kommt überhaupt nicht infrage.“

Richards zeigte sich gänzlich unbeeindruckt von der Reaktion. Er kannte die Familie Kincaid schon lange und war solche Ausbrüche gewohnt, nicht zuletzt durch jenen Everett Kincaid, dessen Testament er gerade eröffnete.

„Für den Fall, dass Sie diese Bedingungen nicht erfüllen“, fuhr er ungerührt fort, „verwirken Sie nicht nur Ihren Erbteil, sondern auch den Ihrer Geschwister Mitch und Nadia. Und das gilt für jeden von Ihnen“, wandte er sich an alle drei Hinterbliebenen. „Wird eine der Auflagen dieses Testaments nicht erfüllt, hat Ihr Vater bestimmt, der Firma Mardi Gras Cruising die gesamte Hinterlassenschaft zum symbolischen Preis von einem Dollar zu verkaufen, sprich: die Kincaid-Firmengruppe, das geschäftliche und private Immobilienvermögen einschließlich des Familienstammsitzes Kincaid Manor sowie das Wertpapierdepot.“

Dieser Mistkerl, dachte Rand. Er sprang von seinem Sessel auf und ging, um sich abzureagieren, ein paarmal in dem großen Esszimmer von Kincaid Manor auf und ab, in dem die Testamentseröffnung stattfand. Rand blickte zu seinem Bruder Mitch und seiner Schwester Nadia hinüber. Besonders Mitch konnte er ansehen, dass er seinen Ärger und seine Enttäuschung nur mit Mühe im Zaum hielt.

Die Geschwister trafen sich an diesem Tag zum ersten Mal wieder. Fünf Jahre lang hatten Nadia und Mitch nichts von Rand gehört. Er hatte weder geschrieben noch angerufen – noch auf ihre verschiedenen Versuche reagiert, mit ihm in Kontakt zu treten. Demzufolge erwarteten sie auch nicht, dass Rand sich auf diese Bedingungen im Testament ihres Vaters einlassen würde. Rand würde der Familie erneut den Rücken kehren, wie er es schon vor fünf Jahren getan hatte. Damals hatte er allerdings auch mit Rücksicht auf Mitch und Nadia das Weite gesucht, denn er wollte nicht, dass die beiden weiterhin zwischen die Fronten des sich verschärfenden Kleinkriegs gerieten, den er jahrelang mit seinem Vater ausgefochten hatte.

Rand befand sich in einer Zwickmühle. Er konnte seine Geschwister dieses Mal nicht im Stich lassen. Mit einem Ruck drehte er sich um und sah den Notar an. „Jeden – nur nicht Tara Anthony.“

Allein ihren Namen auszusprechen brachte ihn zur Weißglut. Diese kaltblütige und berechnende Person! Erst hatte sie ihm ihre Liebe gestanden und gesagt, sie wollte den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen. Und keine drei Wochen später, als sie gemerkt hatte, dass er nicht heiraten wollte, hatte sie ihr Glück kurzerhand bei seinem Vater versucht.

„Es tut mir leid, Rand“, erklärte Richards sachlich, „aber der Verstorbene hat darauf bestanden. Niemand anders als Miss Anthony kommt infrage.“

Rand überraschte das nicht. Es war typisch für den Despoten Everett Kincaid und dessen geradezu krankhaften Drang, alles und alle nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Rand war dabei immer schon sein liebstes Opfer gewesen. Was Rand auch besaß, was ihm lieb und teuer war, Everett hatte es ihm weggenommen oder ihm die Freude daran verdorben – nur um seinem Sohn seine Überlegenheit zu beweisen. Und das hatte Everett nicht nur im Geschäft getan, sondern auch früher im Sport oder später bei den Frauen. Bis er es eines Tages zu weit getrieben hatte …

„Und wenn Miss Anthony den Job ablehnt?“

„… müssen Sie sie davon überzeugen, ihn anzunehmen. Wenn Sie das Erbe behalten wollen, bleibt Ihnen keine Wahl.“

Rand kochte regelrecht vor Wut. „Ich werde das Testament anfechten.“

Richards Miene blieb unbewegt. „Jede Anfechtung führt unweigerlich dazu, dass Sie alle drei Ihr Erbe verlieren.“

Rand verspürte das Bedürfnis, irgendetwas an die Wand zu werfen. Der alte Fuchs hatte kein Schlupfloch übersehen, bevor ihn – wahrscheinlich im Bett einer seiner Geliebten – der Schlag getroffen hatte. Trotzdem war Rand nicht bereit aufzugeben.

Er stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und beugte sich zu dem Notar. „Richards, Sie müssen doch einsehen, dass das unmöglich das Testament eines Mannes sein kann, der seine Sinne beisammen hatte.“

„Er war nicht verrückt“, antwortete Mitch, bevor Richards etwas sagen konnte. „Er war vollkommen klar, sonst hätte ich es gemerkt. Schließlich habe ich jeden Tag mit ihm zusammengearbeitet. Und wenn du hier gewesen wärst, wäre dir auch nichts Ungewöhnliches an ihm aufgefallen.“

Ein leiser Vorwurf schwang in Mitchs letztem Satz mit.

Nadia stimmte ihrem Bruder zu. „Wir wissen alle, wie Dad war: starrsinnig, unsensibel, rücksichtslos – such es dir aus. Nur eines war er ganz sicher nicht: verrückt.“

Rand drehte sich zu seinem Bruder um. „Und warum sagst du nichts dazu, Mitch? Du bist doch eigentlich an der Reihe, Boss der Kincaid Cruise Lines zu werden.“

Resigniert zuckte Mitch die Achseln. „Was soll’s. Dad wollte dich.“

Rand stieß einen verächtlichen Laut aus. „Du warst immer seine erste Wahl. Ich war bloß sein Fußabtreter.“ Er wandte sich an seine Schwester: „Diese Einer-für-alle-Nummer ist doch einfach lächerlich. Sein ganzes Leben hat er damit verbracht, uns gegeneinander auszuspielen.“

„Tja, und nun sieht es so aus, als wollte Dad uns zu guter Letzt doch zusammenbringen“, erwiderte Nadia.

Richards machte sich mit einem Räuspern bemerkbar und schaltete sich in das Gespräch ein: „Ich möchte anmerken, dass Everett Kincaid vor allem in den letzten Monaten seines Lebens eingestanden hat, dass er Fehler gemacht hat. Er hegte aber die große Hoffnung, dass seine Kinder ihm einmal helfen würden, diese Fehler wiedergutzumachen.“

„Wahrscheinlich hatte er Angst, sonst in aller Ewigkeit in der Hölle zu schmoren. Und das zu Recht“, erwiderte Rand gereizt. Trotzdem war ihm klar, dass er in der Falle saß. Sein Vater hatte es wieder einmal geschafft, ihn genau dahin zu bekommen, wo er ihn haben wollte.

Was immer du mit deinen Spielchen bezweckst, alter Mann – dieses Mal sorge ich dafür, dass du nicht damit durchkommst.

Auch wenn das bedeutete, Tara Anthony wiederzusehen.

Rand straffte die Schultern und sah Mitch an. „Ich mache es. Ich übernehme den Chefsessel bei KCL. Und ich werde Tara ein Angebot machen, das sie nicht ausschlagen kann.“

1. KAPITEL

Die Türklingel schrillte durch die hohe Eingangshalle. Tara Anthony, die gerade dabei war, nach einem anstrengenden und eintönigen Arbeitstag ihre Pumps abzustreifen, hielt inne. Einen Augenblick erwog sie, das Klingeln zu ignorieren. Aber es war zwecklos. Sie war gerade erst angekommen, und wer immer vor der Tür stand, musste gesehen haben, wie sie ins Haus gegangen war. Seufzend hielt sie sich am Geländerpfosten fest und zog sich die Schuhe wieder an. Ungeduldig wurde ein weiteres Mal geklingelt.

Wahrscheinlich war das wieder einer dieser Grundstücksmakler, die ihr schon seit geraumer Zeit die Tür einrannten, um ihr das Haus abzuschwatzen, dachte Tara. Das Viertel von Miami, in dem Taras Haus lag, wurde als Wohngegend immer beliebter, und deshalb war Baugrund sehr gefragt. Aber Tara wollte nicht verkaufen. Und sie konnte es auch nicht. Sie hatte ihrer Mutter versprochen, das Haus zu behalten. Für alle Fälle …

Widerwillig ging sie zur Tür, bereit, den Besucher, wer immer es war, so schnell wie möglich abzuwimmeln, damit sie endlich zu ihrem wohlverdienten Feierabend kam, für den sie sich ein leckeres Eis zum Abendessen und ein entspannendes Vollbad vorgenommen hatte.

Als sie die Tür öffnete und den groß gewachsenen, breitschultrigen und gut aussehenden Mann vor sich sah, blieb ihr der Mund offen stehen.

„Rand“, rief sie fassungslos aus und wich vor Schreck einen Schritt zurück.

Rand Kincaid trug einen taubengrauen maßgeschneiderten Anzug und eine bordeauxrote Seidenkrawatte. Eine leichte Abendbrise fuhr ihm durch das dunkelbraune Haar. Kritisch musterte er Tara von Kopf bis Fuß.

Die widersprüchlichsten Gefühle stürzten auf Tara ein. Scham, Schmerz, ohnmächtige Wut, unverhofft aber auch eine freudige Erregung. Tara war völlig verwirrt. Am meisten irritierte sie, dass sie sich zurückhalten musste, um dem unerwarteten Besucher nicht gleich um den Hals zu fallen.

„Darf ich hereinkommen?“

Seine tiefe männliche Stimme ging ihr immer noch durch und durch. Dabei waren die letzten Worte, die sie von ihm gehört hatte, alles andere als freundlich gewesen. Tara hatte sie noch gut im Ohr: Du hast es wohl ziemlich eilig, was? Versuchst du jetzt dein Glück bei Dad, nachdem du bei mir nicht landen konntest?

Tara schlang sich die Arme um den Leib. Nie mehr im Leben wollte sie an diesen furchtbaren Moment denken.

„Was willst du, Rand?“

Er wirkte ungewohnt steif, fast ein wenig schüchtern, wie er so dastand. Anscheinend war ihm bei diesem Wiedersehen genauso unbehaglich zumute wie ihr. „Es geht um den Letzten Willen meines Vaters“, erklärte er.

„Ich habe davon gehört, dass er gestorben ist. Mein Beileid.“

Rand wirkte nicht gerade erschüttert über den Verlust. „Nun, in seinem Testament wird auch dein Name genannt.“

„Er hat mir etwas hinterlassen?“, wunderte sich Tara. Rand presste die Lippen aufeinander. „Nein, das nicht. Es geht um eine Klausel, die auch dich betrifft. Wird sie nicht

erfüllt, hinterlässt er niemandem von uns etwas.“

Das klang auf eine beinahe lächerliche Art melodramatisch. Tara runzelte die Stirn, denn sie kannte Rand nicht als jemanden, der zu Übertreibungen neigte. Nervös strich sie sich durch die blonden Locken. Ob ihm auffällt, dass meine Haare jetzt kürzer sind?, fragte sie sich. Oder hat er inzwischen so viele Frauen gehabt, dass er sich nicht mehr daran erinnert, wie ich früher ausgesehen habe?

Damals hatte sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt, obwohl sie gehört hatte, dass er, was Frauen betraf, nicht den besten Ruf genoss. Aber sie war mit ihren vierundzwanzig Jahren noch dumm und unerfahren gewesen. Das hatte sich entscheidend geändert. In der Zeit danach hatte sie ihre Mutter langsam und qualvoll sterben sehen, und es kam ihr so vor, als hätten diese bitteren Erfahrungen sie nicht fünf Jahre, sondern Jahrzehnte altern lassen. Sie sollte Rand Kincaid hinauswerfen und endgültig aus ihrem Leben streichen. Aber nun war die Neugier doch stärker.

Tara trat einen Schritt zurück. „Komm herein“, sagte sie.

Als er dicht an ihr vorbeiging und das Haus betrat, merkte sie, dass er immer noch dasselbe Aftershave benutzte wie früher. Erinnerungen wurden wach – schöne, bittere. Nicht einmal drei Monate hatte ihre Affäre gedauert. Dann hatte er sie, Tara, fallen lassen. Nein, das zu behaupten war nicht fair. Er hatte ihr von Anfang an zu verstehen gegeben, dass er an einer dauerhaften Bindung kein Interesse hatte, und letztendlich hatte sie das Ende selbst herbeigeführt. Sie hatte ihn im Überschwang ihrer Gefühle nahezu erdrückt. Sie hatte ihn total überfordert, damals aber einfach nicht anders gekonnt. Er war der Mann ihrer Träume gewesen: witzig, intelligent, sexy, aufmerksam und im Bett einfach überragend.

Tara fragte sich, ob es anders mit ihnen ausgegangen wäre, hätte sie damals den Mund gehalten und einfach ihrer Freude am Sex freien Lauf gelassen, bis sich vielleicht ein wenig mehr Vertrauen zwischen ihnen aufgebaut hätte. Aber dazu war es nun zu spät.

Rand sah sich in der Halle um und warf einen Blick in die angrenzenden Zimmer. „So wohnst du jetzt also? Sieht ganz anders aus als früher in deiner Wohnung“, bemerkte er.

Er hatte also nicht alles vergessen. Kein Grund zum Jubeln, dachte Tara. Was besagte das schon? Natürlich sah es hier anders aus als in ihrer damaligen Wohnung. Hier standen die schweren, alten Möbel, die sie geerbt hatte, und nicht die leichten Korbmöbel, mit denen sie sich in ihrer ersten eigenen Wohnung eingerichtet hatte „Es ist das Haus meiner Mutter. Davor haben meine Großeltern hier gewohnt.“

„Ist deine Mutter zu Hause?“

„Sie ist gestorben.“

„Das tut mir leid. Jetzt kürzlich?“

„Vor einem Jahr.“ Rands Anteilnahme klang ehrlich, und Tara war dankbar dafür. Ihr Schmerz über den Verlust war noch frisch. Dennoch wurde sie allmählich ungeduldig. „Ich nehme nicht an, dass das ein Kondolenzbesuch ist. Könntest du mir also bitte sagen, was du von mir willst? Ich habe heute Abend noch etwas vor.“

Das war geschwindelt. Die Monate seit dem Tod ihrer Mutter waren einsam gewesen und die wenigen Versuche, dieser Einsamkeit zu entkommen, kläglich gescheitert. Sich mit einem Mann zu verabreden kam für sie nicht infrage, nachdem Rand sie verlassen hatte. Ein oder zwei Mal hatte sie es versucht und fühlte sich hinterher leerer und verlassener als zuvor.

Im Wohnzimmer angekommen, blieben sie beide stehen. Die Spannung zwischen ihnen war deutlich zu spüren. „Das Testament meines Vaters“, begann Rand umständlich, „bestimmt, dass ich zu Kincaid Cruise Lines zurückkehren und dort die Geschäftsleitung übernehmen soll.“

„Zurückkehren? Wieso das? Hattest du denn bei KCL aufgehört? Ich dachte, die Firma wäre dein Lebensinhalt.“

„Ich habe fünf Jahre für die Konkurrenz gearbeitet.“ Er verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln.

Tara betrachtete die dunklen Bartstoppeln an seinem Kinn, die seit der morgendlichen Rasur nachgewachsen waren. Unwillkürlich musste sie daran denken, wie sich seine Haut angefühlt hatte, wenn sie ihn gestreichelt und geküsst hatte. Schnell schüttelte Tara die Erinnerung ab.

„Und das ist nicht alles“, fuhr Rand fort. „Mein Vater verlangt in seinem Letzten Willen, dass du für mindestens ein Jahr ebenfalls wieder zu KCL kommst – als meine persönliche Assistentin.“

„Wieso ich? Und wenn ich nun nicht will?“

„Wenn du es nicht machst, werden wir nicht erben. Mitch und Nadia würden dadurch ihren Job, Kincaid Manor und alles andere verlieren.“

Tara erschrak. Nadia war jahrelang ihre Freundin gewesen, wahrscheinlich die beste, die sie jemals gehabt hatte. Als die Beziehung mit Rand auseinandergebrochen war, war auch zwischen ihnen ein Riss entstanden. Und als Everett Kincaid Tara sein „unmoralisches Angebot“ gemacht hatte, hatte sie es einfach nicht mehr gewagt, Nadia oder irgendjemandem in der Familie unter die Augen zu treten.

„Was hat Everett damit bezweckt? Ich verstehe es immer noch nicht. Warum soll ich meinen alten Job als Assistentin der Geschäftsleitung wieder aufnehmen?“

„Wer kann schon verstehen, was in diesem alten Querkopf vorging? Er hat uns schon zu Lebzeiten nach seiner Pfeife tanzen lassen. Wahrscheinlich hat ihm der Gedanke gefallen, das über seinen Tod hinaus fortzusetzen.“ Rands Worte klangen bitter.

„Kann man rechtlich nichts dagegen unternehmen und das Testament anfechten?“

Rand schüttelte den Kopf. „Ich habe ein ganzes Rudel von Juristen darauf angesetzt, die besten, die ich finden konnte. Sie haben es Wort für Wort auseinandergenommen, aber alles ist wasserdicht. Mein Angebot lautet: Wenn du den Job annimmst, zahle ich dir zehntausend Dollar im Monat plus Bonus.“

Mit großen Augen sah Tara ihn an. „Du machst Witze, oder?“

„Keineswegs.“

Das war das Doppelte von dem, was sie früher als Everetts persönliche Assistentin bei KCL verdient hatte. Und mehr als dreimal so hoch wie ihr gegenwärtiges Gehalt.

Nachdem sie damals gegangen war, hatte es vier Monate gedauert, bis sie wieder einen Job gefunden hatte. Sie besaß damals weder Arbeitszeugnis noch Empfehlungsschreiben und hatte auch nicht den Mut gehabt, danach zu fragen. Am Morgen nach Everetts „Angebot“ war Tara einfach nicht mehr zur Arbeit gekommen und hatte auch danach keinen Fuß mehr in die Firma gesetzt – nicht einmal um ihren Schreibtisch auszuräumen. Ihre persönlichen Sachen waren ihr später von einer Nachfolgerin in einem Pappkarton zugeschickt worden.

Als sie schließlich eine neue Arbeitsstelle gefunden hatte, war Tara in dieses Haus gezogen. Die Arbeitszeiten waren flexibel, und so konnte sie besonders während der furchtbaren Zeit der Chemotherapie für ihre Mutter sorgen. Nach deren Tod hatte Tara häufiger mit dem Gedanken gespielt, sich einen neuen Job zu suchen. Kürzlich hatte sie einen neuen Chef bekommen, einen arroganten Widerling, der Taras flexible Arbeitszeiten so interpretierte, dass sie ihm vierundzwanzig Stunden an sieben Tagen in der Woche zur Verfügung stehen sollte.

Andererseits schockierte sie der Gedanke, wieder mit Rand zusammenzuarbeiten, ihm jeden Tag zu begegnen – nach der Vorgeschichte, die sie beide hatten … Energisch schüttelte Tara den Kopf. „Tut mir leid, aber ich bin nicht interessiert.“

„Fünfzehntausend“, sagte Rand, ohne zu zögern.

Tara verschlug es die Sprache. Das war eine unverschämt hohe Summe. Ihr zitterten die Knie. Carol Anthony hatte in ihrem Friseursalon nicht übermäßig viel verdient. Für Kranken- und Rentenversicherungen hatte das Geld nicht gereicht. Dadurch hatte Tara nach ihrem Tod nicht nur das Haus und dessen Einrichtung, sondern auch einen Haufen Schulden geerbt, die vor allem durch die astronomischen Rechnungen der Ärzte und Krankenhäuser zusammengekommen waren. Die ersten Mahnungen waren schon eingetrudelt. Rands Angebot bedeutete eine realistische Chance, diesen Schuldenberg abzutragen.

Die Versuchung war gewaltig. Aber warum musste es gerade Rand Kincaid sein? Tara seufzte. „Es ist nicht wegen des Geldes, Rand …“

„Ich weiß, was du sagen willst“, unterbrach er sie unwirsch. Taras Blick fiel auf seine schmale Hüfte und seinen breiten Brustkorb, als er die Hände in die Seiten stemmte. „Wir brauchen uns nichts vorzumachen. Ich weiß, dass du es nicht für mich tun würdest. Aber dann tu es wenigstens für Nadia und Mitch. Sie haben es nicht verdient, dass man sie vor die Tür setzt. Nenn deinen Preis.“

Sie zögerte. Ihr Verstand sagte ganz eindeutig Nein. Aber da war noch etwas anderes: die Erinnerung daran, wie schön ihre Liebe gewesen war, wie gut sie zusammenpassten, sei es im Bett oder auch sonst, wie Rand ihr das Gefühl gegeben hatte, etwas Besonderes für ihn zu sein. Es kam nicht von ungefähr, dass sie von einem gemeinsamen Glück geträumt hatte.

Tara war nie damit fertig geworden, auf welch rüde Art er die Verbindung zu ihr abgebrochen hatte. Aber bevor sie richtig darüber nachdenken konnte, hatte sich der Zustand ihrer Mutter dramatisch verschlechtert. Carols Husten war immer quälender geworden. Dann kam die niederschmetternde Diagnose: Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Von diesem Zeitpunkt an hatte die Krankheit ihrer Mutter Taras Leben bestimmt. Hoffnung und Verzweiflung drehten sich nur noch ums Überleben. Tag für Tag waren schwerwiegende Entscheidungen zu treffen gewesen, und wie ein düsterer Schatten begleitete die Angst, ihre Mutter zu verlieren, Tara auf Schritt und Tritt. Da blieb kein Platz mehr dafür, an sich selbst oder einen Mann zu denken.

Als ihre Mutter nach einem vier Jahre langen kräftezehrenden Kampf schließlich starb, kamen zur Trauer auch noch Schuldgefühle. Tara fühlte sich leer und ausgebrannt und war gerade noch imstande, ihre Alltagsroutine zu bewältigen – arbeiten, essen, schlafen, Rechnungen bezahlen. Dieser banale, täglich wiederkehrende Ablauf war es, der ihr ein wenig Halt gab und an den sie sich mit der Verzweiflung einer Ertrinkenden klammerte. Was darüber hinausging, machte ihr Angst. Hinter jeder noch so geringen Veränderung witterte Tara die Gefahr einer neuen Krise. Vor allem darin lag der Grund dafür, dass sie es noch in ihrem Job aushielt, obwohl ihr diese Arbeit täglich verhasster wurde. Tara hatte es noch nicht einmal geschafft, die Kleider ihrer Mutter auszuräumen und einem wohltätigen Verein zu spenden. Selbst das Bett und den Nachtschrank hatte sie nicht zurück ins Schlafzimmer gestellt. Beides stand noch im Esszimmer, wohin sie das Krankenlager verlegt hatten, als die Mutter der ständigen Pflege und Aufsicht bedurfte. Seitdem das Bett verlassen war, hatte Tara dieses Zimmer nicht mehr betreten.

Nun stand sie unversehens wieder Rand gegenüber. Nervös nagte sie an der Unterlippe. Konnte sein plötzliches Auftauchen so etwas wie ein Weckruf für sie sein, eine Gelegenheit, aus ihrem Tal der Tränen wieder aufzutauchen? Unwillkürlich blickte sie zum Foto ihrer Mutter hinüber, das in einem Silberrahmen auf dem Kaminsims stand.

„Lebe dein eigenes Leben, Tara, versprich es mir. Du hast schon zu lange darauf verzichten müssen“, waren die letzten Worte ihrer Mutter gewesen. Zwei Dinge hätte Tara aus dem tapferen Überlebenskampf dieser Frau lernen sollen: dass die Gegenwart zu kostbar war, um Vergangenem nachzutrauern und dass es selbst in der größten Verzweiflung Dinge gab, um die es sich zu kämpfen lohnte. Vor allem was das Kämpfen betraf, hatte Tara kläglich versagt. Sie hatte Grund, daran zu zweifeln, ob sie wirklich alles in ihrer Macht Stehende für ihre Mutter getan hatte. Diese schrecklichen Zweifel würden sie bis an ihr Lebensende verfolgen. Und auch um Rand hatte sie nicht richtig gekämpft. Sie hatte kopflos die Flucht ergriffen, anstatt ihn dazu zu bringen, ihr zuzuhören, was wirklich im Schlafzimmer von Everett Kincaid vorgefallen war.

Rand sah sie die ganze Zeit unverwandt an und wartete. Mit keiner Regung verriet er, was er dachte, während Tara mit ihren Zweifeln kämpfte, hin- und hergerissen zwischen der Angst, eine einmalige Chance zu verpassen, und der, erneut ihr Herz zu verlieren und dafür bestraft zu werden.

Tara wandte sich von Rand ab, beobachtete aber heimlich sein Gesicht im Spiegel an der Wand gegenüber. Sie sah, wie er sie musterte, wie seine Augen funkelten, während sein Blick auf ihrem Körper ruhte. Als Rand bemerkte, dass er beobachtet wurde, wandte er rasch den Blick ab. Aber sie hatte genug gesehen. Er hatte nicht verbergen können, dass sie ihn nicht kalt ließ. Der Sex war immer gut gewesen. Vielleicht war das ein Anfang. Wenn sie es dieses Mal fertigbrachte, ihren Mund zu halten, und ihn nicht gleich mit ihren Gefühlen verschreckte … Allein der Gedanke, wieder mit Rand zu schlafen, nahm ihr den Atem. Es war eine merkwürdige Ironie des Schicksals, dass sie ihm jetzt das gleiche Angebot machen konnte, das Everett einst ihr unterbreitet hatte: Zieh in mein Haus, teile alles mit mir – wirklich alles –, und ich nehme dir deine Sorgen ab. Tara merkte, dass sie feuchte Hände bekam. Sie war entschlossen, es zu wagen.

„Okay“, sagte sie, „ich komme zu Kincaid Cruise Lines zurück. Aber nur unter zwei Bedingungen.“

„Und die wären?“

„Erstens bekomme ich von dir vorab ein Empfehlungsschreiben mit einem erstklassigen Zeugnis.“ Wenn dieses Experiment fehlschlug und sie sich wieder einen neuen Job suchen musste, wollte sie nicht noch einmal mit leeren Händen dastehen.

„Vorab? Wer garantiert mir, dass du dich mit dieser Empfehlung nicht schon vorher aus dem Staub machst?“

„Ich. Ich gebe dir mein Wort.“

Rand rieb sich das Kinn. „Gut, angenommen. Und die andere?“

Nervös fuhr sich Tara mit der Zungenspitze über die Lippen. „Die andere Bedingung bist du selbst, Rand. Ich möchte, dass du für die Dauer dieses Jahres Tisch und Bett mit mir teilst – und zwar ausschließlich mit mir.“

Erschrocken fuhr Rand zurück. „Das ist völlig inakzeptabel“, antwortete er.

Seine Reaktion enttäuschte Tara. Sie hatte keine Begeisterungsstürme erwartet, aber mit schierem Entsetzen hatte sie auch nicht gerechnet. Die starke Anziehung, die sie aufeinander ausübten, war ihr einziger Trumpf. Wenn der nicht stach, war das ganze Unternehmen zum Scheitern verurteilt, und sie würde am Ende wieder als Verliererin und mit einem gebrochenen Herzen dastehen. Tara seufzte. „Dann kann ich dir auch nicht helfen.“

Rand runzelte die Stirn. „Was soll das werden?“, fragte er misstrauisch. „Ist das wieder so ein Versuch, mich in deine Fänge zu locken? Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich keine dauerhaften Bindungen eingehe.“

Das wusste Tara nur zu genau. Sie musste die Chance bekommen, seinen Panzer zu durchbrechen, mit dem er sich umgeben hatte, und dazu musste sie klug und geduldig zu Werke gehen. Sie setzte ein gelangweiltes Lächeln auf und meinte: „Wieso dauerhaft? Wie ich es verstanden habe, ist hier von einem Jahr die Rede. Wenn ich für dich arbeite, ist abzusehen, dass die Tage lang werden. Ich habe sowieso kaum noch ein Privatleben, geschweige denn so etwas wie ein Liebesleben, und ich möchte nicht auf alles verzichten, wenn du verstehst, was ich meine. Man kann über unsere Zeit damals ja denken, was man will. Aber unser Sex war immer gut.“

Rand verstand. Der bloße Gedanke, mit Tara ins Bett zu gehen, erregte ihn. Er atmete tief durch.

Tara blieb seine Reaktion nicht verborgen. „Wann soll es losgehen?“, fragte sie.

„Das kannst du nicht von mir verlangen“, brachte Rand gepresst hervor. Es war eine verrückte Situation. Kein normaler Mann hätte etwas gegen die Aussicht haben können, mit einer so schönen Frau wie Tara ins Bett zu steigen. Er sah sie an. Die neue Frisur gefiel ihm. Auch wenn er den schönen, langen goldblonden Locken nachtrauerte, der kinnlange Schnitt ließ ihren Nacken und die Schultern frei und wirkte ausgesprochen sexy. Er lud geradezu dazu ein, mit beiden Händen durch diesen wilden Schopf zu fahren.

Und dennoch gab es gewichtige Gründe, die dagegen sprachen. Rand war, wollte er dem Urteil seiner Familie glauben, das getreue Abbild seines Vaters. Dessen abschreckendes Beispiel hatte er zur Genüge vor Augen. Seine Mutter war an ihrer Liebe zu diesem Mann zugrunde gegangen.

Rand selbst hätte beinahe ebenfalls ein Leben zerstört. Serita, seine frühere Freundin, hatte nur etwas mehr Glück gehabt als seine Mutter. Man fand sie gerade noch rechtzeitig, nachdem sie eine Überdosis Schlaftabletten genommen hatte. Kurz vorher hatte Rand sich von ihr getrennt.

Autor

Emilie Rose
Ihre Liebe zu romantischen Geschichten hat Emilie bereits im Alter von zwölf Jahren entdeckt. Zu der Zeit las sie einen Liebesroman nach dem anderen, sodass ihre Mutter die Bücher bald unter den Sofakissen versteckte, sobald Emilie ins Wohnzimmer kam.

Dabei verbrachte sie damals viel Zeit in der freien Natur, wenn sie...
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