Eine süße Versuchung für Marcy

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Ich soll auf ein komplett leeres Haus aufpassen?" Ein merkwürdiges Jobangebot. Marcy nimmt es an, obwohl ihr das Anwesen ein wenig unheimlich ist. Aber der Besitzer, Eric Sheridan, soll ein knochentrockener Mathematikprofessor sein. Was kann ihr also hier schon passieren? Als Marcy sich noch in Sicherheit wähnt, steht er eines Nachts plötzlich vor ihr: Eric Sheridan. Stark, groß und die Versuchung in Person … "


  • Erscheinungstag 18.06.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733757373
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich soll auf ein komplett leeres Haus aufpassen? Ohne Möbel? Ohne alles?“ Verblüfft starrte Marcy Monroe ihre Chefin an. Das hatte sie in den vier Jahren, die sie für die angesehene Arbeitsvermittlungsfirma „Stets zu Diensten“ in Sacramento tätig war, noch nie erlebt. „Wer verlangt denn so etwas?“

„Offenbar ein sehr vorsichtiger Mensch.“ Julia Swanson, die Inhaberin des Unternehmens, verzog den Mund zu ihrem typischen Lächeln. „Da Ihr anderer Haussitter-Job abgesagt wurde, wäre das doch ideal für Sie. Der Besitzer stellt Ihnen ein Feldbett oder einen Schlafsack zur Verfügung.“ Sie reichte Marcy ein Blatt Papier. „Hier steht, was er in den nächsten Tagen erledigt haben möchte. Wie Sie sehen, gibt es eine Menge zu tun. Er hat das Haus bei einer Zwangsversteigerung erworben; es ist also nicht in perfektem Zustand. Und weil Sie mehr machen müssen, als nur aufs Haus aufpassen, zahlt er auch doppelt so viel wie üblich.“

„Wenn er den Lohn verdreifacht, putze ich sogar noch für ihn“, murmelte sie und überflog die Liste. „Er spart sich eine Reinigungskraft, und ich bin beschäftigt.“

Julia griff zum Hörer und wählte eine Nummer.

Marcy wehrte mit beiden Händen ab. „Julia, nein! Das war ein Witz.“

„Sie wollen also nicht sauber machen?“

„Doch, ja, ich würde es tun, aber …“

„Hallo, Eric, hier spricht Julia Swanson … Ja, sie ist gerade in meinem Büro. Ich soll Ihnen ausrichten, dass sie gegen ein Zusatzhonorar auch das Putzen übernimmt …“

Richtig hinterlistig, dachte Marcy. Julia weiß genau, dass ich jetzt keinen Rückzieher mehr machen kann. „Keine Fenster“, flüsterte sie vernehmlich.

„Natürlich. Ich gebe sie Ihnen.“ Julias Augen blitzten, als sie Marcy den Hörer reichte. „Er möchte persönlich mit Ihnen reden.“

Kopfschüttelnd nahm Marcy das Telefon entgegen. „Hier ist Marcy Monroe.“

„Eric Sheridan. Guten Tag, Miss Monroe. Vielen Dank, dass Sie den Auftrag annehmen. Mir fällt ein Stein vom Herzen.“

Sie seufzte. Jetzt kam sie aus der Nummer nicht mehr raus. „Ich freue mich, dass ich helfen kann.“

„Wie Sie wissen, steht das Haus seit Monaten leer. Da wartet eine Menge Arbeit auf Sie. Es hat eineinhalb Stockwerke und viele Fenster.“

Na toll, dachte sie. „Schön.“

Er zögerte eine Sekunde. „Hat Julia Ihnen die Liste gezeigt?“

„Ja, und ich sehe auch keine Probleme, Mr Sheridan. Sie können ganz beruhigt sein. Ich kann so etwas ganz gut.“

„Das hat man mir schon gesagt. Ich reise heute aus New York ab und fahre mit dem Wagen quer durchs Land. Falls Sie Fragen haben, können Sie mich jederzeit anrufen. Das ist mir lieber, als wenn ich bei meiner Ankunft unliebsame Überraschungen erlebe.“

„Kein Problem, wird gemacht.“

„Kann ich noch mal mit Julia sprechen?“

Marcy gab ihr den Hörer zurück. Julia lachte über eine Bemerkung des Mannes. Seltsam. Bei ihr hatte er kühl und geschäftsmäßig geklungen. Lachten die beiden vielleicht über sie?

Nach ein paar Sekunden legte Julia den Hörer auf. „Er will einen Fensterputzservice beauftragen.“

Marcy spürte, wie sie errötete. „Hat er etwa gehört, was ich gesagt habe?“

„Offenbar. Oder er ist Hellseher.“

„Was macht er denn?“

„Ab nächstem Monat unterrichtet er Mathematik an der Universität von Davis.“

Ein Mathematikprofessor! Vermutlich ein Pedant, knochentrocken und vollkommen humorlos. Als sie noch als Stewardess gearbeitet hatte, waren ihr einige Männer von dieser Sorte begegnet. „Habe ich nur mit ihm und sonst niemandem zu tun?“

„Richtig.“ Julia beugte sich nach vorn. „Marcy, Sie müssen sich nicht gezwungen fühlen, den Auftrag anzunehmen. Wenn Sie überhaupt kein Interesse haben …“

„Nein, ich mache es. Aber es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, in einem leeren Haus zu wohnen. Irgendwie unheimlich.“

„Bitten Sie doch eine Freundin, mit Ihnen dort zu übernachten.“ Sie drückte Marcy einen Umschlag in die Hand. „Hier sind der Schlüssel und etwas Bargeld für Lebensmittel. Strom ist vorhanden; es gibt einen Kühlschrank, einen Herd, Licht und Wasser. Danke nochmals, dass Sie es tun. So haben Sie mir geholfen, einen dankbaren Kunden zu gewinnen. Er bleibt uns bestimmt gewogen.“

Marcy verabschiedete sich und verließ das Büro, das im zweiten Stock eines Gebäudes im Zentrum von Sacramento lag. Weil Julia häufig Jobs wie diese vermittelte, wurde ihre Firma oft herablassend „Frauen zur Miete“ genannt.

Marcy beschloss, einen Blick auf das Haus ihres Klienten zu werfen, bevor sie einkaufen ging. Deshalb fuhr sie nach Davis, das eine halbe Stunde von Sacramento entfernt lag. Sie parkte vor einem Gebäude, das ganz im Stil der dreißiger Jahre errichtet war – mit Holzverkleidung, Säulen und einer Terrasse, die um das ganze Haus herumführte. Es machte einen sehr … männlichen Eindruck. Das war die positive Seite.

Leider war der Garten vollkommen verwildert. Sträucher, Pflanzen und Rasen waren verdorrt, weil sie wer weiß wie lange nicht bewässert worden waren.

Und die Fenster? Allein an der Vorderfront gab es vierundzwanzig.

Sie stieg aus dem Wagen. Die Hitze des Augustnachmittags traf sie wie ein Hieb ins Gesicht. Seit sieben Tagen herrschten Temperaturen von fast vierzig Grad. Da halfen auch die mächtigen Bäume nicht, die rund um das Haus standen und viel Schatten spendeten. Die Häuser in der Nachbarschaft waren restauriert und machten einen sehr gepflegten Eindruck. In dieser Gegend konnten Eltern ihre Kinder unbesorgt auf der Straße spielen lassen.

Marcy war froh, dass ihr das Fensterputzen erspart blieb. Erwartungsvoll schloss sie die Haustür auf. Innen sah es aus, als habe es vor Jahren als Treffpunkt für eine studentische Verbindung gedient. Das Wohnzimmer war riesig. Der Putz bröckelte von den Wänden, die alle gestrichen werden mussten. Die Böden waren schmutzig, aber sie schienen die Jahrzehnte gut überstanden zu haben.

Wie die meisten Häuser, die im sogenannten Craftsman Style errichtet worden waren, verfügte es nicht über Räume, die ineinander übergingen, sondern getrennte Zimmer. Das Esszimmerfenster war zerbrochen; Glassplitter lagen auf dem Boden. Im Staub zeichneten sich Fußspuren ab – von Menschen und Tieren. Das Gäste-WC war ebenso schmutzig wie die Küche. Die Schränke waren funktionsfähig, aber die Armaturen und die Arbeitsflächen mussten ersetzt werden.

Im ersten Stock gab es drei Schlafzimmer und zwei Bäder, von denen eines in den letzten zwanzig Jahren offenbar modernisiert worden war. Die Lampen waren abmontiert. Obwohl die Wände hier nicht so ramponiert waren, mussten auch sie gestrichen werden.

Wenn das Haus erst einmal renoviert war, würde es funkeln wie ein Diamant. Aber bis dahin war es noch ein weiter Weg.

Jetzt bedauerte sie, dass sie dem Besitzer versprochen hatte, alles sauber zu machen. Es war viel mehr Arbeit, als sie gedacht hatte.

Marcy warf einen Blick auf ihre Liste. Die Anstreicher sollten am nächsten Tag kommen. Ein Innenarchitekt war ebenfalls angekündigt. Der Umzugswagen wurde in vier Tagen, am Freitag, erwartet. Mr Sheridan selbst wollte am Samstag, vielleicht aber auch erst am Sonntag eintreffen.

Marcy trat in den Garten hinter dem Haus. Sie entdeckte eine Sonnenterrasse und einen gemauerten Grill, der Wind und Wetter getrotzt hatte. Das Grundstück war von überschaubarer Größe, und die Nachbarhäuser standen nicht weit entfernt. Doch ein hoher Zaun und dichte Hecken sorgten für genügend Privatsphäre.

Ein etwa sechzehn- oder siebzehnjähriger Junge radelte die Einfahrt hinauf.

„Hallo“, sagte er und stieg vom Rad. „Ich bin Dylan. Ich habe gesehen, dass das ‚Zu Verkaufen‘-Schild verschwunden ist. Sind Sie die neue Besitzerin? Ich suche nämlich Arbeit, und hier gibt es eine Menge zu tun. Ich weiß, dass ich nicht so aussehe, aber ich bin ziemlich stark.“

Er klang irgendwie traurig, was ihn Marcy sofort sympathisch machte. Der Junge war ziemlich dünn, und seine Haare hatten lange keinen Friseur gesehen.

„Tut mir leid, Dylan, aber ich bin nicht befugt, Leute einzustellen. Vielleicht kommst du nächste Woche noch mal vorbei?“

In seiner Miene zeichnete sich mehr als Enttäuschung ab. Verzweiflung? Hoffnungslosigkeit?

Sie griff in ihre Tasche und zog eine Zwanzigdollarnote heraus, die sie ihm in die Hand drückte. „Komm nächste Woche wieder, okay?“

Ohne Widerrede akzeptierte er das Geld. Offensichtlich konnte er es sehr gut gebrauchen. Dann murmelte er ein Dankeschön und fuhr davon.

Sie sah ihm nach, bis er aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Dann setzte sie ihre Besichtigungstour fort. Der Garten war ebenso vernachlässigt wie der Rest des Anwesens. Im Haus vervollständigte sie die Liste der Dinge, die erledigt werden mussten, ehe sie den Besitzer anrief.

„Mr Sheridan, hier ist Marcy Monroe. Ich bin gerade in Ihrem Haus. Wann haben Sie es zuletzt gesehen?“

„Nennen Sie mich bitte Eric. Vor drei Monaten. Warum?“

„Fast alle Zimmer müssen renoviert werden.“ Sie berichtete ihm, was sie entdeckt hatte. „War das Haus schon in diesem Zustand, als Sie es besichtigt haben?“

„Nein.“ Er klang ziemlich verärgert.

„Wir sollten die Anstreicher erst kommen lassen, wenn die Wände ausgebessert sind, finden Sie nicht auch? Ich weiß, dass es Ihren Zeitplan durcheinanderbringt, aber ich fürchte, Ihnen bleibt keine Wahl.“

Er holte hörbar Luft. „Davon hat mir die Maklerin nichts gesagt.“

„Vielleicht wusste sie es selbst nicht. Schwer zu sagen, wann es passiert ist. Ich denke, als Erstes muss das zerbrochene Fenster repariert werden. Und ehrlich gesagt möchte ich auch erst dann hier übernachten, wenn ich weiß, dass es einbruchssicher ist.“

„Ein bewohntes Haus wird Einbrecher eher abschrecken. Deshalb habe ich ja darum gebeten, dass sich dort nachts jemand aufhält.“

„Aber …“

„Was das Fenster angeht, stimme ich Ihnen zu“, unterbrach er sie. „Bestellen Sie einen Glaser – am besten noch heute, wenn Sie das schaffen. Bieten Sie ihm einfach mehr Geld, wenn nötig. Aber dann hätte ich gern, dass Sie wie geplant dort übernachten. Es sei denn, Sie wollen den Auftrag jetzt doch nicht mehr annehmen?“

Das hätte Marcy wirklich am liebsten getan, aber da sie stolz auf ihre Zuverlässigkeit war, würde sie durchhalten. Außerdem wurde sie anständig bezahlt, und das Geld konnte sie gut gebrauchen. Es wäre ein Ausgleich für das zweiwöchige Häuserhüten, aus dem nun doch nichts geworden war.

„Nein, nein“, wehrte sie ab. „Ich bin es gewohnt, in fremden Häusern zu übernachten – obwohl die meistens nicht leer stehen. Erlauben Sie mir, einen Staubsauger zu kaufen?“

„Ich habe einen, aber der ist im Umzugswagen. Da hilft er Ihnen nicht viel, oder?“

„Ich kann einen ausleihen. So, und jetzt muss ich anfangen. Es gibt eine Menge zu tun.“

„Danke für Ihren Anruf.“

Sie beendete das Gespräch und starrte auf ihr Handy. Er hatte eine angenehme Stimme. Mehr noch – eine sehr einnehmende Stimme, klar und sonor, auch wenn er sehr förmlich klang. Bestimmt hörten ihm seine Studenten gern zu.

Sie hätte Julia nach seinem Alter fragen sollen, denn sie konnte sich überhaupt kein Bild von ihm machen. Er klang sehr … gesetzt. Professoral. Vermutlich war er in seinen Sechzigern, trug Pullunder und ein Jackett mit Lederflicken an den Ellbogen.

Marcy schmunzelte über das Klischee, das sie in ihrer Vorstellung hatte. Sie war alles andere als gesetzt. Mit achtundzwanzig Jahren war sie immer noch auf der Suche nach einem Beruf, der sie durch gute wie schlechte Zeiten führen sollte.

Sie hätte stundenlang über ihre Zukunft nachgrübeln können. Aber hier wartete Arbeit auf sie. Sie musste das Fenster reparieren lassen, damit sie die erste Nacht einigermaßen sicher in der Hütte verbringen konnte, die Eric Sheridan sein Zuhause nannte.

Ein letztes Mal lief Eric durch seine leere Wohnung. Gleich würde er ins Auto steigen und losfahren. Er freute sich auf die Fahrt nach Kalifornien. Unterwegs würde er sich nur auf die Straße konzentrieren und nicht länger über sein Leben in New York nachdenken und grübeln.

Er musste endgültig einen Schlussstrich ziehen. Vor einem Jahr war ihm Jamie genommen worden, und was seine Trauerarbeit anging, so war Eric noch immer im Stadium der ohnmächtigen Wut. Höchste Zeit, dass diese Phase endete.

Aus diesem Grunde hatte er sich entschlossen, seinen Lehrstuhl am Massachusetts Institute of Technology aufzugeben – hier hatte auch sein Vater viele Jahre lang unterrichtet – und auf die andere Seite des Kontinents zu ziehen. Ein Umzug an die Westküste schien das Vernünftigste zu sein, um sein Leben wieder in den Griff zu bekommen.

Er war fast vierzig und hatte genug vom Alleinsein. Deshalb wollte er in der Nähe seiner Familie wohnen und sie nicht nur an den Feiertagen sehen. Seine Brüder waren übers ganze Land verstreut; nur seine Schwester lebte in der Nähe von Sacramento. Sie hatte erst kürzlich geheiratet und würde nicht so bald wieder umziehen.

Aber was noch wichtiger war: Er wollte selbst heiraten und Kinder haben. Deshalb hatte er ein Haus gekauft, in dem eine Familie leben konnte. Seit Jahren wollte er schon sesshaft werden, doch zunächst hatte er andere Verpflichtungen erfüllen müssen, ehe er an sich selbst denken konnte. Nach dem Tod ihrer Eltern hatte er sich um seine vier jüngeren Geschwister gekümmert. Er bereute nicht, was er getan hatte, doch nun war die Zeit gekommen, an sich selbst zu denken.

Das Klingeln seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken. Marcy Malone. „Was gibt’s, Marcy?“

„Ich hoffe, ich störe Sie nicht.“

„Ich laufe gerade noch ein letztes Mal durch meine leere Wohnung. Was kann ich für Sie tun?“

„Ich wollte Ihnen nur sagen, dass das Fenster repariert worden ist.“

„Gut.“

„Allerdings habe ich gerade festgestellt, dass es weder Vorhänge noch Jalousien gibt.“

„Das weiß ich.“

„Haben Sie bereits welche bestellt? Auf der Liste habe ich keinen entsprechenden Posten entdeckt.“

Sie schien noch gereizter zu sein als bei ihrem letzten Gespräch. „Darum kümmert sich der Innenarchitekt. Verstehe ich Sie recht – Sie haben Angst, in einem Haus ohne Vorhänge zu sein?“

Ein langes Schweigen entstand, als ob sie ihren Klienten mit einer überstürzten Antwort nicht verärgern wollte. „Nein, ist schon in Ordnung.“ Sie klang, als müsste sie sich selbst davon überzeugen.

Eric hätte sich vorher bei Julia Swanson über Marcy Malone erkundigen müssen. Er hätte gern ein Gesicht zu dieser Stimme. Sie hörte sich sehr jung an. „Wenn Sie lieber …“, begann er. Er wollte sie nicht gegen jemand anderen austauschen, aber sie sollte sich auch nicht in dem leeren Haus fürchten.

„Nein, nein, ist schon in Ordnung“, unterbrach sie ihn.

„Ich freue mich, dass Sie angerufen haben. Zögern Sie nicht – egal, wie nichtig der Anlass auch zu sein scheint.“

„Danke. Gute Fahrt.“

Er verabschiedete sich und trat ans Wohnzimmerfenster, das zum Central Park hinausging. Dort war er oft mit Jamie gewesen. Sie waren Rollschuh gelaufen, hatten Eis gegessen und viel geredet – über Gott und die Welt und welche Basketballmannschaft die beste war.

Jamie hatte Eric die Augen geöffnet für ein Leben, wie er es selbst für sich haben wollte. Eine liebevolle Frau, die Beständigkeit versprach. Und die mütterlich sein sollte. Vor allem mütterlich.

Und die ihre Karriere hintanstellte, solange die Kinder klein waren. Eine hoffnungslos chauvinistische und politisch unkorrekte Einstellung – aber er war nun mal kein junger, idealistischer Mann mehr. Er wusste, was er wollte, womit er leben und was er auf keinen Fall hinnehmen konnte. Davon würde er sich auch nicht abbringen lassen. Nach allem, was er durchgemacht hatte, glaubte er, sich das Recht auf sein Glück redlich verdient zu haben.

Zum letzten Mal verschloss Eric die Tür seiner Eigentumswohnung. Er fühlte sich genauso erleichtert wie neulich, als ihn die Maklerin durch das Haus geführt hatte, das er dann auch gekauft hatte.

Hoffentlich war das ein gutes Zeichen.

Nachdem er drei Tage lang unterwegs gewesen war, wurde Eric allmählich unruhig. Er konnte sich nicht auf die Talkrunden im Autoradio konzentrieren, und die Musik nervte ihn. Selbst der Thriller, den er als Hörbuch heruntergeladen hatte, vermochte ihn nicht zu fesseln.

Wie war er nur auf die Idee gekommen, eine Fahrt quer durchs Land sei ein guter Übergang in sein neues Leben? Er fühlte sich elend. Um sich abzulenken, telefonierte er mit seinen Geschwistern, alten Freunden und einigen Kollegen, die allerdings keine Lust auf lange Gespräche hatten.

Die Einzige, die keine Ausreden erfand und am Handy blieb, war Marcy Monroe, aber schließlich bezahlte er sie ja. Trotzdem fand er immer mehr Gefallen an den Unterhaltungen mit ihr.

Sein Handy klingelte. Wenn man vom Teufel spricht, überlegte er grinsend. „Hallo, Marcy.“

„Hi. Wie geht’s?“

„Ich bin gerade durch Lincoln, Nebraska, gefahren. Am Stadtrand habe ich einen tollen Hamburgerladen entdeckt. Was gibt’s Neues?“

„Die Waschmaschine und der Wäschetrockner sind geliefert worden. Ich wollte mich nur noch mal vergewissern, ob Sie sie tatsächlich in Hellblau bestellt haben.“

Als er den Zweifel in ihrer Stimme hörte, musste er lächeln. „So ist es.“

„Warten Sie.“ Ihre Stimme wurde ein wenig leiser. „Ja, ist in Ordnung. Bringen Sie alles rein.“

„Wahrscheinlich können Sie sich Hellblau im Zusammenhang mit mir nicht vorstellen“, meinte er.

„Es ist merkwürdig, aber ich erledige all diese persönlichen Dinge für Sie und weiß von Ihnen bloß, dass Sie Mathematikprofessor sind. Darf ich fragen, warum Sie hierher ziehen?“

„Wegen der Frauen.“

„Wie bitte?“

Er lachte. „Weil ich heiraten und Kinder haben möchte. Ich habe die Nase voll von New York.“

Sie zögerte, ehe sie weitersprach. „Was genau suchen Sie denn? Ich kenne viele Frauen …“ Sie biss sich auf die Zunge, weil sie das Gefühl hatte, zu weit vorgeprescht zu sein. Das Privatleben eines Mannes, von dem sie nur die Stimme kannte, ging sie ja nun wirklich nichts an. Aber er hatte bereits angebissen.

„Wirklich? Ich habe nämlich keine Lust auf diese Internetbekanntschaften. Eine persönliche Empfehlung wäre nicht schlecht. Es wäre übrigens meine zweite Familie. Ich habe bereits vier Kinder großgezogen.“

„Vier?“ Sie klang überrascht. „Und wie alt soll sie sein?“

„Nicht zu jung, aber auch nicht zu alt. Wegen der Kinder.“

„Sie sind also verwitwet? Oder geschieden?“

„Weder noch.“

„Alleinerziehender Vater?“

Eric hatte keine Lust, zu sehr ins Detail zu gehen. Außerdem sollte das Gespräch nicht zu ernsthaft werden. Die ernsten Seiten des Lebens wollte er ja gerade hinter sich lassen. „Das ist eine lange Geschichte“, entgegnete er schließlich.

„Darf ich fragen … hatten sie alle denselben Vater?“

„Auf jeden Fall.“

Ein längeres Schweigen entstand. „Vielleicht erzählen Sie mir die Geschichte irgendwann mal.“

„Versprochen.“

„Gut. Inzwischen gehe ich mal mein Adressbuch durch. Vielleicht finde ich jemand Passenden.“

„Das geht aber weit über Ihre Pflichten hinaus, Marcy. Vielen Dank.“

Er beendete das Gespräch und begann leise zu pfeifen. Im Radio fand er Musik, die er mitsingen konnte. Er wurde optimistischer, was seinen Neustart anging. Jetzt hatte er sogar eine hilfsbereite Heiratsvermittlerin gefunden.

Er ließ die Scheibe herunter, während er über die Autobahn rollte. Auf einmal konnte er es kaum erwarten, nach Kalifornien zu kommen. Ob sie tatsächlich eine Frau für ihn finden konnte?

2. KAPITEL

Am Freitagmorgen schälte Marcy sich aus ihrem Schlafsack und schlurfte ins Bad, wo sie sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzte und ihr übermüdetes Spiegelbild betrachtete.

„Nur noch eine Nacht“, tröstete sie sich. Die Woche war sehr lang gewesen, aber Eric kam gut voran und hoffte, am Samstagnachmittag einzutreffen. Eigentlich war sie froh, etwas Neues machen zu können, aber da ihr nächster Auftrag geplatzt war, wusste sie nicht so recht, was die nächste Woche brachte.

Normalerweise konnte sie bei ihrer Freundin Lori übernachten, doch diese bekam Besuch von außerhalb und hatte kein Bett frei für Marcy. Zwei andere Freundinnen, die sie anrief, lebten seit Neuestem mit ihren Freunden zusammen, sodass auch in deren Wohnungen kein Platz für sie war.

Zum ersten Mal seit langer Zeit würde sie in ein Motel ziehen müssen.

Doch egal, wohin es sie verschlug – sie würde wenigstens wieder durchschlafen können. In Erics Haus hörte sie die ganze Nacht unheimliche Geräusche. Fensterläden quietschten, Holzdielen knarrten, und der Wind schlug die Äste gegen die Scheiben. Manchmal glaubte sie, Schritte zu hören. Am Morgen deutete allerdings nichts darauf hin, dass jemand eingebrochen war.

Sie wusste, dass sie sich lächerlich machte. Vermutlich war sie paranoid. Es lag wohl nur daran, weil sie sich in einem unbewohnten Haus aufhielt. Die Möbel, Gardinen und Teppiche schluckten jeden Laut, aber menschenleere Zimmer verstärkten jedes noch so leise Geräusch, sodass sie jedes Mal aufschreckte.

Sie hatte den Schlafsack direkt neben die Tür gelegt und war kein einziges Mal aufgestanden, um nachzuforschen, woher die Laute kamen.

Nur noch eine Nacht …

Sie duschte in Windeseile, öffnete die Schlafzimmertür und lugte hinaus. Alles still. Nach einer Minute schlich sie auf Zehenspitzen die Treppe hinunter, schaute in jedes Zimmer, entdeckte nichts Ungewöhnliches. Das Tageslicht vertrieb die Geister und verminderte die Angst. Erleichtert öffnete sie den Kühlschrank. Die Einkäufe für Eric hatte sie bereits erledigt, aber auch für sich hatte sie einige Getränke gekühlt. Kleine Flaschen mit Orangensaft zum Beispiel. Als sie danach griff, stellte sie fest, dass es die Letzte war.

Sie hatte fünf Flaschen gekauft. Das war erst der vierte Tag.

Marcy durchsuchte den Kühlschrank, fand aber keine Flasche. Hatte einer der Handwerker sie mitgenommen?

Ansonsten fehlte nichts, wie sie schnell feststellte. Aus einem der Schränke holte sie ein Brot und ein Glas Erdnussbutter, das zur Hälfte leer war.

Sie hatte sich nur ein einziges Brot gemacht.

Marcy stellte das Glas ab. Auch eine Hälfte des Brotes war verschwunden. Das bildete sie sich nicht ein.

Wer konnte die Lebensmittel genommen haben? Was war sonst noch berührt worden? Es musste jemand sein, der während der beiden vergangenen Tage im Haus gewesen war. Wen hatte sie nicht genügend im Auge behalten?

Der Maurer hatte den ganzen Dienstag und den halben Mittwochnachmittag im Haus gearbeitet. Vielleicht war er es gewesen. Sie hatte ihn nämlich allein gelassen, als die Waschmaschine und der Trockner geliefert worden waren. Aber der Wäscheraum befand sich neben der Küche. Marcy hätte es bemerkt, wenn der Mauer hereingekommen wäre. Die Dekorationen für die Fenster waren kurze Zeit später eingetroffen, doch der Lieferant hatte das Wohnzimmer nicht verlassen.

Blieben die Anstreicher. Sie waren am längsten im Haus gewesen.

Was sollte sie tun? Natürlich könnte sie sich bei ihrem Boss beschweren. Die Männer würden wahrscheinlich alles abstreiten. Außerdem hatte sie keinerlei Beweise. Jetzt musste sie Inventur machen und alles ersetzen, was fehlte.

Irgendwie war ihr die Sache unheimlich.

Sie wollte den Abfall nach draußen in die Tonne bringen. Die Tonne war ebenfalls verschwunden! Genauer gesagt, zwei Tonnen: die für den Abfall und die für den Plastikmüll. Auch die Gipskartonplatten, die der Maurer entsorgt hatte, waren nicht mehr da.

Marcy lief in den Vorgarten und entdeckte die Tonnen sowie die Gipskartonplatten, zerkleinert und auf dem Gehweg gestapelt, bereit zum Abtransport. Die Mülltonne war mit Papierresten und Putz gefüllt.

„Heute haben wir viel Abfall, was, Lucy?“, hörte sie eine Frauenstimme.

Marcy drehte sich um. Auf dem Nachbargrundstück mühte sich eine Frau mit der Mülltonne ab. Sie zerrte sie an den Straßenrand, während sie ein Kleinkind im Arm hielt. Marcy eilte zu ihr.

„Kann ich Ihnen helfen?“

„Danke.“ Sie folgte Marcy auf die Straße. „Sind Sie meine neue Nachbarin?“

„Nein. Ich bringe nur das Haus in Ordnung, bevor der Eigentümer kommt.“ Sie streckte die Hand aus. „Ich heiße Marcy.“

„Ich bin Annie, und das ist Lucy. Sie ist zwei Jahre alt. Sag Hallo, Schätzchen.“ Die Frau war groß und schlank, etwa Anfang dreißig und hatte schulterlanges blondes Haar. Sie trug keinen Ehering.

Das kleine Mädchen sah Marcy kokett an, sodass diese lachen musste. „Nett, dich und deine Mommy kennenzulernen, Lucy.“

„Ich bin froh, dass das Haus endlich wieder bewohnt ist.“ Sie warf einen Blick hinüber. Ihr eigenes Haus sah ebenso viktorianisch aus wie Erics.

„Das glaube ich gern. Sagen Sie, haben Sie meinen Abfall auf die Straße gestellt? Als ich heute Morgen aufgewacht bin, war alles schon weggeräumt.“

„Nein. Aber die Nachbarn sind sehr hilfsbereit. Wahrscheinlich werden Sie noch herausbekommen, wer es getan hat. Tut mir leid, aber wir müssen zum Babyschwimmen. Vielleicht können wir ja später noch ein bisschen reden.“

In Marcys Kopf begann es zu arbeiten. Annie war möglicherweise etwas zu jung, aber durchaus eine mögliche Kandidatin für Eric. Marcy nahm sich vor, mehr über sie herauszufinden. Natürlich konnte die enge Nachbarschaft zum Problem werden, vor allem, wenn die Beziehung in die Brüche gehen sollte.

Als sie zurück in die Küche kam, blieb sie wie vom Donner gerührt stehen. Jetzt erst fiel ihr auf, dass das Geschirr weggeräumt war. Es war zwar nicht viel gewesen, aber die Küchentheke war sauber.

Das bedeutete, dass jemand in der Nacht im Haus gewesen war, während sie geschlafen hatte.

Es klingelte. Vor der Tür standen die Fensterputzer. Sie würden vier Stunden im Haus sein – genau wie die Maler, die zwei Räume im oberen Stockwerk zu Ende streichen mussten. Sie war froh über die Ablenkung. Der Möbelspediteur hatte die Ankunft des Wagens für zehn Uhr angekündigt. Daraufhin hatte Marcy den Dekorateur angerufen.

Alles musste fertig sein, wenn sie zu ihrem anderen Job ging. Sie kellnerte am Wochenende. Selbst die Tatsache, dass sie vermutlich die halbe Nacht auf den Beinen sein würde, erschien ihr nach dieser Woche wie Urlaub.

Ein paar Stunden später machte einer der Fensterputzer Marcy auf ein aufgehebeltes Fenster im Wohnzimmer aufmerksam. Das war ihr noch gar nicht aufgefallen. Auf den ersten Blick sah es so aus, als sei es geschlossen, aber man konnte es ohne Weiteres von draußen aufstoßen.

Noch ein Punkt auf ihrer Auftragsliste. Und ein Grund mehr zur Sorge vor ihrer letzten Nacht.

Sie suchte den Wohnzimmerboden nach Einbruchsspuren ab. Da sie den Garten jeden Tag gegossen hatte, war die Erde vor dem Fenster feucht. Jeder, der durch das Fenster gekommen wäre, hätte Schlamm an den Schuhen gehabt. Sie entdeckte jedoch keinen Schmutz.

Auf einmal hatte sie Angst, nach ihrer Arbeit in der Dunkelheit hierher zurückzukommen. Es wäre weit nach Mitternacht, das Haus einsam und leer, und ein Einbruch wäre ein Kinderspiel. Offenbar hatte es ja schon jemand getan. Ob Eric sauer auf sie wäre, wenn sie die Nacht woanders verbrächte?

Vor allem, da seine Sachen bereits im Haus standen.

Na gut. Dann würde sie eben wach bleiben müssen. Immerhin hatte sie ein Handy und eine Dose Pfefferspray.

Autor

Susan Crosby
Susan Crosby fing mit dem Schreiben zeitgenössischer Liebesromane an, um sich selbst und ihre damals noch kleinen Kinder zu unterhalten. Als die Kinder alt genug für die Schule waren ging sie zurück ans College um ihren Bachelor in Englisch zu machen. Anschließend feilte sie an ihrer Karriere als Autorin, ein...
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