Gewagtes Spiel um deine Liebe

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"Wenn ich gewinne, gehörst du mir. Solange, wie ich es will." Fürst Wladimirs Worte lassen Bree erschauern. Vor zehn Jahren hat der ebenso attraktive wie skrupellose Milliardär ihr bereits das Herz gestohlen, in dieser Nacht in Las Vegas will er noch um ihre Unschuld spielen. Doch sie hat keine Wahl. Um ihre Schulden begleichen zu können, muss sie sich auf die größte Wette ihres Lebens einlassen: Ihr Körper gegen eine Million Dollar! Gegen ihren Willen erfasst sie heiße Erregung, als sie unter Wladimirs kaltem unergründlichen Blick alles auf eine Karte setzt …


  • Erscheinungstag 10.11.2015
  • Bandnummer 2204
  • ISBN / Artikelnummer 9783733702199
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Bree, wach auf!“

Bree Dalton wurde unsanft aus dem Schlaf gerüttelt. Sie schrak hoch und blinzelte in der Dunkelheit.

Ihre sechs Jahre jüngere Schwester Josie saß auf der Bettkante. Im Mondlicht glitzerten Tränen auf ihren blassen Wangen.

„Was ist los?“ Bree setzte die nackten Füße auf die kalten Bodenfliesen, sofort bereit, den Kampf mit jedem Menschen aufzunehmen, der ihre kleine Schwester zum Weinen gebracht hatte.

Josie holte tief Luft.

„Diesmal habe ich es gründlich vermasselt.“ Sie wischte die Tränen weg. „Aber bevor du jetzt durchdrehst, sollst du wissen, dass ich alles in Ordnung bringen werde. Ich weiß auch schon, wie.“

Doch anstatt sich von dieser Ankündigung beruhigen zu lassen, stieg nun erst recht Angst in Bree hoch. Ihre zweiundzwanzigjährige Schwester hatte ein Talent dafür, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Außerdem trug sie, wie Bree feststellen musste, anstelle der grauen Uniform der Zimmermädchen des hawaiianischen Luxusresorts Hale Ka’nani eines der sexy Minikleider, die den Cocktailkellnerinnen des Hotels vorbehalten waren.

„Hast du an der Bar gearbeitet?“, fragte Bree scharf.

„Hast du mal wieder Angst, dass mich jemand angebaggert hat?“ Josie lachte verbittert. „Ich wünschte, das wäre das Problem.“

„Was ist es dann?“

Josie fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Ich bin es so leid, Bree“, flüsterte sie. „Du hast alles aufgegeben, damit du dich um mich kümmern kannst. Mit zwölf hatte ich das vielleicht nötig, aber mittlerweile möchte ich dir wirklich nicht mehr zur Last fallen …“

„Als Last habe ich dich nie empfunden“, erwiderte Bree verletzt.

Josie starrte auf ihre gefalteten Hände. „Ich dachte, dies sei meine Chance, unsere Schulden zurückzuzahlen, damit wir aufs Festland zurückkönnen. Ich habe heimlich geübt und gedacht, dass ich gewinnen würde.“

Ein eisiger Schauer lief Bree über den Rücken.

„Du hast gepokert?“, fragte sie tonlos.

„Es hat sich zufällig ergeben.“ Josie atmete hörbar aus. „Ich war gerade dabei, den Ballsaal aufzuräumen, als Mr Hudson mir über den Weg lief. Er bot mir Geld, wenn ich bei seiner privaten Pokerpartie Getränke reichen würde. Ich wusste, dass du dagegen wärst, aber ich dachte, nur dieses eine Mal …“

„Ich habe dir doch gesagt, dass man ihm nicht trauen kann!“

„Es tut mir so leid“, rief Josie. „Als er mich einlud, am Pokertisch Platz zu nehmen, konnte ich nicht Nein sagen!“

Bree fuhr sich mit den Händen durchs lange blonde Haar. „Und dann?“

„Ich habe gewonnen“, entgegnete Josie trotzig. Dann schluckte sie schwer. „Am Anfang zumindest. Dann fing ich an zu verlieren. Zuerst waren es nur die Chips, die ich gewonnen hatte, dann war es unser Haushaltsgeld und schließlich …“

„… hat Mr Hudson freundlicherweise angeboten, dir so viel zu leihen, wie du brauchst“, beendete Bree den Satz.

Josie blickte erstaunt drein. „Woher weißt du das?“

Woher? Bree kannte Typen wie Greg Hudson, die andere Menschen nur als Spielfiguren einsetzten. In ihrem früheren Leben war sie dieser Sorte Männer zuhauf begegnet – doch dieses Leben hatte sie schon vor zehn Jahren hinter sich gelassen. Nachdem sie sich verliebt hatte und ihr Leben in einem Scherbenhaufen geendet war. Nachdem der Mann, den sie liebte, sie den Wölfen zum Fraß vorgeworfen hatte: eine Achtzehnjährige, elternlos und ohne einen Penny, die für ihre zwölfjährige Schwester sorgen musste.

Bree schloss die Augen. Allein bei dem Gedanken an den Hotelmanager mit den kalten Augen, dem jovialen Grinsen und dem bunten Hawaiihemd, das sich über dem dicken Bauch spannte, wurde ihr übel. In den zwei Monaten, die vergangen waren, seit die Dalton-Schwestern nach Hawaii gekommen waren, hatte sich Bree mehr als einmal gefragt, warum Mr Hudson sich die Mühe gemacht hatte, sie extra aus Seattle einfliegen zu lassen. Er selbst hatte zwar behauptet, ihre Zeitarbeitsfirma habe sie empfohlen, doch das klang wenig überzeugend. Es musste in Honolulu doch etliche Frauen auf Jobsuche geben.

Josie hatte sie ausgelacht und damit aufgezogen, dass sie wieder einmal alles „schwarzsehen“ würde. Aber während Bree die Badezimmer und Fußböden des Luxusresorts geputzt hatte, hatte das Rätsel sie nicht mehr losgelassen. Und dabei war ihre böse Vorahnung nur noch gewachsen.

Doch die unschuldige, vertrauensselige Josie mit ihrem naiven Blick auf die Welt erkannte nun einmal nicht, wenn jemand ein böses Spiel mit ihr trieb. Und sie hatte nie begriffen, warum Bree nach dem Tod des Vaters vor zehn Jahren das Pokern aufgegeben und darauf bestanden hatte, schlecht bezahlte Jobs anzunehmen, um aus dem Blickfeld der skrupellosen Gangster zu verschwinden. Josie hatte keine Ahnung, wie böse es in der Welt zugehen konnte.

Bree wusste das nur allzu gut.

„Glücksspiel zahlt sich nicht aus“, sagte sie jetzt betont ruhig. „Das solltest du allmählich begriffen haben.“

„Oh, doch, das tut es!“, erwiderte Josie erbost. „Vor zehn Jahren hatten wir haufenweise Geld.“ Sie wandte den Kopf und blickte wehmütig aus dem Fenster. „Ich dachte, wenn ich nur ein klein wenig mehr von dir und Dad hätte …“

„Du hast dir uns zum Vorbild genommen? Hast du den Verstand verloren?“, fuhr Bree sie an. „Die letzten zehn Jahre habe ich versucht, dir ein anderes Leben zu zeigen!“

„Meinst du etwa, das weiß ich nicht?“, rief Josie. „Du hast alles für mich geopfert.“

Bree holte tief Luft. „Das habe ich nicht nur für dich getan.“ Sie stand auf. „Wie viel hast du verloren?“

Josie blickte schweigend zu Boden. Draußen hörte man Seevögel schreien. Nach einer Weile sagte sie leise: „Hundert.“

Eine Zentnerlast fiel von Bree. Beinahe hätte sie vor Freude aufgeschrien. Sie hatte mit weit mehr gerechnet. Versöhnlich legte sie die Hand auf Josies Schulter. „Das kriegen wir schon hin. Wir sparen diesen Monat am Essen, dann haben wir das Geld bald zusammen. Aber lass dir das eine Lehre sein …“

Josie saß noch immer reglos da.

„Hunderttausend, Bree“, flüsterte sie. „Ich schulde Mr Hudson einhunderttausend Dollar.“

Für einen Moment begriff Bree nicht, was Josie soeben gesagt hatte. Dann starrte sie ihre Schwester fassungslos an.

Einhunderttausend Dollar.

Bree stand auf und begann nervös im Zimmer auf und ab zu laufen. Ihr schlimmster Albtraum war wahr geworden. Verzweifelt suchte sie nach einer Lösung.

„Du musst dir keine Sorgen machen!“, rief Josie. „Ich habe bereits einen Plan.“

Abrupt blieb Bree stehen. „Und zwar?“

„Ich werde das Land verkaufen.“

Ungläubig riss Bree die Augen auf.

„Wir haben keine andere Wahl“, fügte Josie hinzu. „Wir verkaufen, begleichen unsere Schulden bei den Männern, die hinter uns her sind. Dann bist du endlich frei …“

„Das Land wird treuhänderisch für dich verwaltet“, erwiderte Bree energisch. „Es geht erst in deinen Besitz über, sobald du fünfundzwanzig oder verheiratet bist. Also, denk nicht einmal daran.“

Verzweifelt schüttelte Josie den Kopf. „Aber ich weiß schon, wie …“

„Selbst wenn du einen Weg finden würdest, würde ich es verhindern“, unterbrach sie Bree. „Dad hat das Land nicht ohne Grund dem Treuhandverwalter anvertraut.“

„Weil er geglaubt hat, ich könnte damit nicht umgehen.“

„Nein, weil du vom ersten Tag deines Lebens an jedem Menschen blindlings vertraut hast und von jedem nur das Beste erwartest.“

„Du hältst mich für dumm und naiv.“

Bree zwang sich, Ruhe zu bewahren. „Das ist eine gute Eigenschaft“, erklärte sie ruhig. „Ich wünschte, ich hätte mehr davon.“

Tatsächlich meinte Bree das auch so. Schon immer hatte Josie mehr an andere als an sich selbst gedacht. Als Fünfjährige in Alaska war sie einmal davongestiefelt, um im Schnee nach der verschwundenen Nachbarskatze zu suchen. Die elfjährige Bree und ihr vor Sorge völlig aufgelöster Vater hatten zusammen mit einem halben Dutzend Nachbarn stundenlang die Straßen nach ihr abgesucht, bis sie Josie völlig durchgefroren im Wald gefunden hatten.

Damals wäre Josie beinahe umgekommen, während die vermisste Katze die ganze Zeit über in einer warmen Scheune gedöst hatte.

Bree atmete tief ein. Im Herzen ihrer kleinen Schwester war Platz für die ganze Welt. Deshalb brauchte sie jemanden, der nicht ganz so großherzig und unschuldig war. „Läuft das Spiel noch?“

„Ja“, gab Josie kleinlaut zurück.

„Wer sitzt mit am Tisch?“

„Mr Hudson und ein paar von den Villenbesitzern: Texas-Hut, Silicon Valley und Belgien-Bob“, zählte Josie auf, wobei sie die Spitznamen benutzte, die unter den Hotelangestellten kursierten. Dann kniff sie die Augen zusammen. „Und noch ein Mann, den ich nicht kannte. Gutaussehend, arrogant. Er hat mich aus dem Spiel gekickt.“ Ihr Blick verfinsterte sich. „Die anderen hätten mich länger mitspielen lassen, aber …“

„Du hättest nur noch mehr verloren“, antwortete Bree sachlich. Sie ging zum Schrank, öffnete die Tür und streifte ihr Nachthemd über den Kopf. Dann zog sie einen BH und ein schlichtes schwarzes T-Shirt an. „Und wir würden ihm statt einhunderttausend Dollar eine Million schulden.“

„Was macht das für einen Unterschied“, murmelte Josie. „Wenn ich das Land nicht verkaufe, können wir keinen einzigen Penny zurückzahlen!“

Bree zog eine enge dunkle Jeans über die schlanken Beine. „Und was, glaubst du, wird passieren, wenn du deine Schulden nicht bezahlst?“

„Mr Hudson wird mich seinen Fußboden umsonst schrubben lassen?“, überlegte Josie.

Bree trat hinter der Schranktür hervor und blickte sie ungläubig an. „Den Fußboden schrubben?“

„Was kann er sonst schon von mir verlangen?“

Rasch wandte Bree den Kopf. Josie hatte keine Ahnung, in welchen Schwierigkeiten sie steckte. Wie auch? Schließlich hatte es Bree sich zur Aufgabe gemacht, sie vor allem Übel zu beschützen.

Bree hatte gehofft, auf Hawaii endlich Frieden zu finden – Tausende von Meilen entfernt vom kalten Alaska. Sie hatte gebetet, dass sie endlich aufhören würde, von dem Mann zu träumen, den sie einmal geliebt hatte. Vergeblich. Jede Nacht spürte sie noch immer Wladimirs starke Arme, hörte seine sexy Stimme. Ich liebe dich, Breanna. Noch immer sah sie das Leuchten in seinen Augen, als er ihr damals unter dem Weihnachtsbaum den funkelnden Diamantring präsentiert hatte. Willst du meine Frau werden?

Schnell schob Bree die Erinnerung beiseite. Kein Wunder, dass sie Weihnachten bis heute nicht ausstehen konnte und auch gestern das Fest nicht feierlich begangen hatte. Für Bree war es ein ganz normaler Arbeitstag gewesen. Und wie jedes Jahr hatte sie versucht, nicht an den magischen Weihnachtsabend zurückzudenken, als sie achtzehn Jahre alt gewesen war und ihr Leben ändern wollte, um Wladimirs Liebe auch zu verdienen. An jenem Abend hatte sie sich geschworen, nie wieder zu spielen, zu betrügen oder zu lügen. Und obwohl er sie verlassen hatte, hatte sie sich an diesen Schwur gehalten. Bis heute.

Schnell bückte sie sich und holte die schwarzen Stiefeletten mit den Stilettoabsätzen aus dem Schrank.

„Bree?“, sagte Josie ängstlich.

Ohne eine Antwort zu geben, setzte sich Bree aufs Bett und zog die Stiefeletten an. Es war das erste Mal seit ihrer Zeit als rebellischer Teenager, dass sie die hochhackigen Schuhe trug. In ihnen wurde sie abermals zu der Frau, die sie eigentlich niemals wieder hatte sein wollen. Doch um ihre Schwester zu retten, musste sie heute Nacht noch einmal in diese Rolle schlüpfen. Ein Blick auf den Wecker sagte ihr, dass es bereits drei Uhr morgens war. Die perfekte Zeit, um ins Spiel einzusteigen.

„Du musst das nicht tun“, flüsterte ihre Schwester. „Ich habe doch einen Plan.“

Bree ignorierte den Einwand und erhob sich. „Du bleibst hier.“ Sie straffte die Schultern und kappte die Verbindung zwischen ihrem Gehirn und dem pochenden Herzen. Bei ihrem Vorhaben waren Gefühle nur hinderlich. „Ich kümmere mich darum.“

„Nein! Alles ist meine Schuld, und ich bringe es in Ordnung. Heiligabend habe ich einen Mann kennengelernt, der mir gesagt hat, dass …“

Bree wartete nicht ab, bis Josie ihr eine weitere Rührgeschichte erzählen konnte, die ihr irgendein Typ aufgetischt hatte. Sie griff nach ihrer schwarzen Lederjacke und ging zur Tür.

„Bree, warte doch!“

Ohne sich noch einmal umzudrehen, verließ sie das kleine Apartment und durchquerte den Laubengang des Gebäudes, in dem die Angestellten des Hale Ka’nani Resorts untergebracht waren.

Es ist wie mit dem Fahrradfahren, redete sie sich ein, als sie die moosbewachsenen Treppenstufen hinuntersprintete. Man verlernt es nicht. Obwohl sie zehn Jahre lang kein Kartenspiel angefasst hatte, konnte sie immer noch gewinnen. Hoffentlich.

Ein Lufthauch zog über ihre kalte Haut. Sie streifte die Lederjacke über und schlug den beleuchteten Pfad ein, der zum eleganten Hauptgebäude des Fünf-Sterne-Resorts führte. Dort vertrieben sich die reichen Touristen und die noch reicheren Besitzer der Privatvillen den Abend.

Mein Herz ist eiskalt, sagte sie sich. Ich fühle nichts.

Der Vollmond stand über dem Pazifik und zog eine gespenstische Bahn über dem dunklen Wasser. Palmen wiegten sich in der warmen Brise. In der Ferne hörte sie den Schrei eines Nachtvogels. Und sie roch den exotischen Duft der Blumen, der sich mit dem salzigen Aroma des Ozeans vermischte.

Über ihrem Kopf hoben sich die Palmenkronen vom violetten Himmel mit den unzähligen Sternen ab. Trotz Vollmond war die Nacht fast schwarz und so endlos wie das Meer. Bree folgte dem Pfad um den verlassenen Swimmingpool herum. Als sie in die Nähe des Strands kam, hörte sie, wie sich die Wellen am Ufer brachen.

Die an den Seiten offene Bar mit dem Strohdach war fast leer. Über den verstreuten Betrunkenen und turtelnden Flitterwöchlern wiegten sich Lichterketten im Wind. Bree nickte dem müde aussehenden Barmann zu, bevor sie den angrenzenden Laubengang betrat, der zu den exklusiven Privaträumen der Villenbesitzer führte. Dorthin brachten reiche Männer ihre billigen Geliebten oder vergnügten sich bei illegalen Glücksspielen.

Bree ballte die Hände zu Fäusten, atmete tief durch und befahl ihrem Herzen, sich in einen Eisblock zu verwandeln. Kalt, kälter, eiskalt. Poker war ein leichtes Spiel. Bereits mit vierzehn Jahren hatte sie die Touristen in den Hafenstädten Alaskas ausgenommen. Und sie hatte früh gelernt: Um keine Gefühle zu zeigen, durfte man diese gar nicht erst aufkommen lassen.

Spiel nie mit dem Herzen, Kind. Nur ein Dummkopf spielt mit dem Herzen. Egal, wie viel man gewinnt, am Ende hat man verloren.

Ihr Vater hatte ihr das als Kind mindestens eine Million Mal gesagt. Doch begriffen hatte sie diese Lektion erst auf die harte Tour. Nur ein einziges Mal hatte sie mit dem Herzen gespielt – und alles verloren.

Du darfst nicht daran denken. Doch sosehr sie sich auch zusammenriss, bei der Erinnerung lief ihr ein Kälteschauer über den Rücken. Sie war fest entschlossen gewesen, dieses Leben hinter sich zu lassen. Was würde geschehen, wenn sie das Spielen verlernt hatte? Wenn es ihr nicht mehr gelang, die Männer durch Charme zu überzeugen, sie ohne Geld ins Spiel einsteigen zu lassen? Wenn sie keine guten Karten bekam und nicht mehr bluffen konnte?

Wenn sie heute Abend versagte, dann … Schweißperlen traten ihr auf die Stirn. Die Flucht aufs Festland wäre vermutlich alles, was ihnen dann noch übrig blieb. Da sie allerdings keinen Penny besaßen, würden sie vermutlich nach Amerika zurückschwimmen müssen.

Sie holte tief Luft und zwang ihren Puls, langsamer zu schlagen. Es ist nur Poker, sagte sie sich. Dein Herz ist eiskalt. Du fühlst nichts.

Bree durchquerte den Laubengang. Vor der massiven Eichentür am anderen Ende saß ein Berg von einem Mann.

Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Hey, Kai.“

Der gewichtige Wachmann nickte ihr einmal zu, wobei sein Doppelkinn erzitterte. „Was machst’n du hier, Bree? Hab gesehen, deine Schwester ist gegangen. Is’ sie krank, die Kleine?“

„So was in der Art.“

„Springst du für sie ein?“ Skeptisch betrachtete Kai sie von oben bis unten: schwarze Lederjacke, dunkle enge Jeans, schwarze Stiefeletten. „Wo is’n deine Uniform?“

„Das ist mein Poker-Outfit“, erklärte sie und sah ihn durchdringend an.

„Ach so.“ Sein rundes, freundliches Gesicht blickte verwirrt. „Na, dann, immer reinspaziert.“

„Danke.“ Sie ermahnte sich noch einmal, eiskalt zu bleiben, und öffnete die Tür.

Das Spielzimmer für die Villenbesitzer hatte eine höhlenartige Decke und keine Fenster. Die Wände waren mit dickem roten Stoff schalldicht isoliert worden. Dadurch wirkte der Raum glamourös und gemütlich, aber auch seltsam beengend. Bree hatte den Eindruck, in das Haremszelt eines Scheichs zu treten. Doch als sie zu dem großen Tisch weiterging, an dem die reichen Männer Karten spielten, war jeder Hauch von Angst verflogen.

Sie hatte ihre Gefühle abgestellt.

Am Tisch erkannte sie Chris – wie hieß er noch gleich mit Nachnamen? –, der offenbar zum Kartengeber auserkoren worden war. Als er sie erblickte, runzelte er überrascht die Stirn.

Zu den vier Spielern gehörten Greg Hudson und die drei Villenbesitzer, die Josie genannt hatte: der Ölbaron aus Texas, der Internet-Tycoon aus dem Silicon Valley und der Immobilienhai aus Belgien. Doch wo steckte der arrogante Fremde, von dem Josie gesprochen hatte? War er bereits ausgestiegen?

Grußlos ließ sich Bree auf einen der beiden leeren Stühle nieder, zwischen dem Geber und Greg Hudson.

„Ich spiele mit“, sagte sie lässig.

Die Männer blinzelten irritiert. Einer lachte, der nächste runzelte die Stirn, der dritte höhnte: „Noch eine Cocktailkellnerin?“

„Oh, nein“, erwiderte Bree. „Ich bin Zimmermädchen. Genau wie meine Schwester.“

Die drei Männer blickten sich unsicher an.

„Soso, Bree Dalton.“ Greg Hudson leckte sich über die Lippen. Die Knopfaugen in seinem verschwitzen roten Gesicht funkelten sie an. „Haben Sie die hunderttausend Dollar dabei, die Ihre Schwester mir schuldet?“

„Sie wissen genau, dass wir nicht so viel Geld haben.“

„Dann muss ich wohl meine Männer schicken, damit sie es aus dem Versteck holen.“

Brees Knie fingen an zu zittern, doch sie empfand keine Angst. Auch wenn ihr Körper unwillkürlich reagierte, hatte sie ihr Herz völlig unter Kontrolle. Sie schlug die Beine übereinander und lehnte sich zurück. „Ich werde so lange spielen, bis ich die Schulden zurückzahlen kann.“

„Und was haben Sie als Einsatz zu bieten?“ Greg Hudson schnaubte verächtlich. „Der Mindesteinsatz beträgt fünftausend Dollar. Selbst wenn Sie jahrelang im gesamten Resort die Fußböden schrubben, werden Sie so viel Geld nicht zusammenbekommen.“

„Ich schlage Ihnen einen Deal vor.“

„Sie besitzen nichts Wertvolles.“

„Ich besitze meinen Körper.“

Ihr Boss starrte sie an, dann leckte er sich die Lippen. „Soll das heißen …“

„Das soll heißen, dass Sie mit mir ins Bett gehen können.“ Sie sah ihm fest in die Augen, ohne irgendetwas zu empfinden. Ihr Herz war so kalt wie der Eisberg, der die Titanic versenkt hatte. „Sie wollten mich, Mr Hudson. Hier bin ich.“

Jemand pfiff durch die Zähne.

Bree schaute die Männer, die um den Tisch herum saßen, der Reihe nach herausfordernd an. Alle waren wesentlich größer, älter und mächtiger als sie. „Wer von Ihnen lässt sich auf den Handel ein?“

Der texanische Ölbaron schob den Cowboyhut nach hinten. „Ah, jetzt wird das Spiel langsam interessant.“

Aus dem Augenwinkel bemerkte Bree einen Schatten, der sich aus einer dunklen Ecke löste und an den Tisch trat. Ein Mann setzte sich auf den letzten freien Stuhl, auf der anderen Seite des Gebers. Bree drehte lässig den Kopf in seine Richtung. „Wenn Sie mich einsteigen lassen, könnte ich bald Ihnen gehören …“

Ihr blieb die Luft weg. Sie kannte diese kalten blauen Augen. Die hohen Wangenknochen. Das kantige Kinn, das eine skrupellose Stärke verriet. Unergründlich attraktiv, ungeheuer sinnlich.

„Nein“, flüsterte sie. Nicht nach zehn Jahren. Nicht hier. „Das kann nicht sein.“

In Wladimir Chendzows Augen blitzte der Funke des Wiedererkennens auf, bevor ihr sein Hass daraus entgegenschlug.

„Kennen Sie Fürst Wladimir schon?“, säuselte Greg Hudson.

„Fürst?“, stieß Bree aus. Sie konnte den Blick nicht von Wladimirs Gesicht wenden. Es war das Gesicht, von dem sie seit zehn Jahren geträumt hatte.

Er verzog den sinnlichen Mund zu einem grausamen Lächeln und lehnte sich lässig zurück.

„Miss Dalton“, sagte er gedehnt. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie auf Hawaii sind. Und dazu noch am Spieltisch. Was für eine nette Überraschung.“

Seine tiefe, sexy Stimme verursachte bei Bree eine Gänsehaut. Geschockt sah sie ihn an.

Ihre große, verlorene Liebe. Kein Geist. Kein Traum. Hier am Tisch, nicht einmal zwei Meter entfernt.

„Wie ich höre, bieten Sie Ihren Körper als Spieleinsatz?“ Wladimirs Worte trieften vor Spott. „Was für ein bezaubernder Preis. Obwohl ich vermute, dass schon Hunderte in den Genuss gekommen sind.“

In diesem Moment zersprang das Eis um Brees Herz in Millionen Splitter.

Wladimir Chendzow war der Mann gewesen, den sie mit der unschuldigen Leidenschaft eines reinen Herzens geliebt hatte. Aber er hatte ihre Liebe weggeworfen und damit ihr Leben zerstört. Brees Lippen bebten. „Wladimir.“

Er straffte die Schultern. „Für Sie immer noch Eure Durchlaucht.“

Bree hatte nicht bemerkt, dass sie seinen Namen laut ausgesprochen hatte. Sie blickte nach links und rechts, dann sagte sie in ebenso bissigem Tonfall: „Dann benutzen Sie jetzt also Ihren Titel.“

Seine blauen Augen durchbohrten sie. „Der Titel steht mir rechtmäßig zu.“

Bree wusste, dass das der Wahrheit entsprach. Sein Urgroßvater war einer der letzten russischen Großfürsten gewesen, bevor er von den Revolutionären erschossen worden war. Glücklicherweise hatte er seine Frau und den neugeborenen Sohn zuvor ins rettende Exil nach Alaska schicken können. Wladimir, der in armen Verhältnissen aufgewachsen war, hatte als Kind wegen des Titels viel Spott über sich ergehen lassen müssen. Als Fünfundzwanzigjähriger hatte er ihr erklärt, dass er den Titel niemals tragen wolle, da er wertlos geworden sei.

Offensichtlich hatte er seine Meinung geändert.

„Früher haben Sie nicht auf Ihrem Titel bestanden“, sagte Bree.

„Ich bin nicht mehr der Junge, den Sie früher einmal gekannt haben“, erwiderte er gelassen.

Sie schluckte. Vor zehn Jahren hatte sie geglaubt, Wladimir sei der letzte aufrichtige Mann, den es auf der Welt gab. Sie hatte ihn so sehr geliebt, dass sie für ihn sogar das Spielen aufgegeben hatte. Als er sie in jener Nacht in Alaska in den Armen gehalten und sie gebeten hatte, seine Frau zu werden, war das der glücklichste Tag ihres Lebens gewesen. Aber am nächsten Morgen war er einfach aus ihrem Leben verschwunden, bevor sie ihm die Wahrheit hatte gestehen können. Dabei hatte sie ihn damals so sehr gebraucht. „Was machen Sie auf Hawaii?“

Ohne auf ihre Frage einzugehen, wandte er sich an die anderen Spieler. „Wir werden uns nicht auf den Deal einlassen, oder?“

„Sie vielleicht nicht, Durchlaucht“, murmelte einer der Männer und warf einen anzüglichen Blick in Brees Richtung.

Sie fuhr zusammen, da sie die anderen Männer, die sie aus hungrigen Augen anstarrten, völlig vergessen hatte.

Du fühlst nichts, befahl sie sich. Dein Herz ist aus Eis. Dann blickte sie wieder in die Runde. Von den Männern hatte sie nichts zu befürchten. Der Einzige, der ihr wehtun konnte, war Wladimir. Aber was sollte er ihr nach allem, was er ihr vor zehn Jahren angetan hatte, heute noch anhaben können?

Eins gibt es noch, sagte eine innere Stimme. Damals hatte er ihr das Herz und die Seele genommen.

Nicht aber die Unschuld.

Und das wird ihm nie gelingen, sagte sie sich. Was auch immer Wladimir in Honolulu wollte, es kümmerte sie nicht mehr. Er war Schnee von gestern. Jetzt galt es nur noch, die Schwester zu beschützen.

Um ihre kleine Schwester zu retten, würde Bree mit dem Teufel höchstpersönlich Karten spielen.

Sie holte tief Luft. „Nur in der ersten Runde setze ich meinen Körper als Spieleinsatz. Falls ich verliere, darf der Gewinner eine Nacht mit mir verbringen und erhält zusätzlich das Geld aus dem Pot. Wenn ich gewinne, werde ich danach nur noch Geld setzen. So lange, bis ich die Schulden meiner Schwester begleichen kann.“

Langsam beruhigte sich ihr Puls wieder. Kartenspiele und Bluffen waren ihr Metier. Ihr Vater hatte ihr das Pokern beigebracht, als sie gerade einmal vier Jahre alt gewesen war. Mit sechs – ihre Mutter war kurz zuvor, nur zwei Monate nach Josies Geburt, gestorben – hatte Bree ihren Vater zu Pokerturnieren begleitet und war so zur Komplizin seiner kriminellen Machenschaften geworden.

Sie lehnte sich vor, blickte jedem der Männer in die Augen. „Wie lautet also Ihre Antwort?“

„Wir sind zum Pokern hier“, beschwerte sich einer, „nicht weil wir eine Nutte suchen.“

Bree wickelte eine blonde Haarsträhne um einen Finger. Dann sah sie den Internet-Tycoon aus Silicon Valley an. „Erinnern Sie sich nicht mehr an mich, Mr McNamara?“

„Sollte ich das?“

„Vermutlich nicht. Aber Sie kannten meinen Vater, Black Jack Dalton.“ Sie legte eine Kunstpause ein. „Haben Sie einen schönen Platz für das Gemälde gefunden, das er für Sie aus dem Getty Museum in Los Angeles beschafft hat? Oder haben Sie herausgefunden, dass es eine Fälschung ist?“

Der Internet-Tycoon räusperte sich.

„Und Mr Vanderwald …“ Sie wandte sich an den grauhaarigen, übergewichtigen Mann, der neben ihrem Boss saß. „… vor zwölf Jahren wären Sie beinahe bankrottgegangen, nachdem Sie in eine nicht existierende Ölquelle in Alaska investiert hatten, nicht wahr?“

Die Miene des belgischen Immobilienhais verhärtete sich. „Woher, zum Teufel, wissen Sie …“

„Sie dachten, mein Vater hätte sie hereingelegt. Aber in Wahrheit war es meine Idee“, flüsterte sie und senkte die Wimpern. „Ganz allein meine.“

„Nein.“ Der dicke Mann starrte sie an.

Na also. Sie schlug sich wacker. Doch dann spürte Bree Wladimirs spöttischen Blick wie die Spitze eines Eiszapfens. Er war der einzige Mann, der sie je richtig gekannt hatte. Der einzige Mann, den sie je hinter die Maske hatte blicken lassen. Jetzt spürte sie seinen Hass, seine ganze Verachtung.

Sollte er sie nur hassen. Ihre Gefühle für ihn sahen nicht anders aus. Früher hatte sie geglaubt, er sei absolut perfekt. Und sie hatte alles versucht, um seiner würdig zu sein. Aber als er die Wahrheit über ihre Vergangenheit erfahren hatte, hatte er sie verlassen, ohne ihr eine Chance zu geben, alles richtigzustellen.

So viel zu seiner Liebe.

Um Brees Mundwinkel zuckte es. Schnell wandte sie den Kopf und lächelte die übrigen Männer verführerisch an. „Der Gewinner der ersten Runde kann seine Rache an mir nehmen und mit mir tun und lassen, was er will.“ Sie öffnete leicht die Lippen. „Mein Geschick mit den Karten ist nichts im Vergleich zu dem, was ich im Bett mit Ihnen anstellen kann. Ich kenne mich in der Kunst der Verführung bestens aus“, flüsterte sie lasziv. „Nur eine Stunde mit mir wird Ihr Leben verändern.“

Natürlich war das alles nur geblufft. Sie kannte sich in der Kunst der Verführung bestens aus? Himmel, was für ein Witz! Seit Wladimir hatte sie keinen Mann an sich herangelassen, und mit achtundzwanzig Jahren war sie immer noch Jungfrau.

Doch die Männer starrten sie mit offenem Mund an.

„Ich bin dabei“, krächzte Greg Hudson.

„Ich auch.“

„Und ich.“

„Ja.“

Autor

Jennie Lucas
<p>Jennie Lucas wuchs umringt von Büchern auf! Ihre Eltern betrieben einen kleinen Buchladen und so war es nicht weiter verwunderlich, dass auch Jennie bald deren Leidenschaft zum Lesen teilte. Am liebsten studierte sie Reiseführer und träumte davon, ferne Länder zu erkunden: Mit 17 buchte sie ihre erste Europarundreise, beendete die...
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