Happy End für einen Millionär?

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Als der italienische Millionär Marco Borsatto zufällig seine Jugendliebe Stacey wiedertrifft, prickelt es sofort erregend. Obwohl sie ihn schon einmal betrogen hat, kann er ihrem Sex-Appeal nicht widerstehen. Ein Fehler, der ihn diesmal nicht nur sein Herz kostet?


  • Erscheinungstag 02.06.2022
  • Bandnummer 2
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514767
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sie würde sich von niemandem mehr ausnutzen lassen. Das rief Stacey Jackson sich ins Gedächtnis, als sie die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken versuchte. Und sie würde sich auch nichts mehr vormachen lassen. Kurzum: Sie würde ihren Job verlieren. Wieder einmal. Doch sie hatte die Arbeit in Decker’s Casino ohnehin satt. Die langen Nächte. Die stressigen Schichten, das Dauerlächeln – die Tätigkeit als Croupière war äußerst anstrengend.

Zu allem Überfluss hatte Bruce sie jetzt auch noch gezwungen, dieses dämliche Kleid zu tragen, falls man es überhaupt so nennen konnte. Denn es war eher ein Fummel, der von einigen wenigen Stoffstreifen zusammengehalten wurde und kaum etwas der Fantasie überließ. Sie sah darin eher wie eine Hure aus. Als sie es Bruce sagte, hatte er ihr den Mund verboten. Leider brauchte sie das Geld, daher hatte sie geschwiegen. Aber sobald sie sich vor ihm und seinen schmierigen Kunden über die Roulettescheibe gebeugt und deren lüsterne Blicke gesehen hatte, war Zorn in ihr aufgestiegen, und sie hatte nicht mehr an sich halten können.

Hatte sie sich mit ihrem losen Mundwerk nicht schon oft Probleme eingehandelt?

Nun stellte Stacey fest, dass ihr Eyeliner verschmiert war. Schnell griff sie nach ihrer Clutch und zog sowohl den Lidstrich als auch die Lippen nach. Dann betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel. Sie war sechsundzwanzig, und zum Glück sah man ihr die schweren Zeiten, die sie durchgemacht hatte, nicht an. Aber wie lange würde sie noch Kapital aus ihrem Aussehen schlagen können? Sie wollte endlich ernst genommen und nicht auf ihr hübsches Äußeres reduziert werden.

Ihre blauen Augen funkelten trotzig.

„Du musst dich selbst lieben lernen, bevor andere dich lieben“, hatte ihr Vater immer gesagt. Sein letzter Liebesbeweis hatte darin bestanden, ihr das Haar zu zerzausen. Dann war er in sein Wohnmobil gestiegen und weggefahren.

Stacey biss sich auf die Lippe. Sie konnte es sich nicht leisten, sentimental zu sein. Und sie würde nicht darauf warten, bis Bruce ihr kündigte, sondern gehen, ihre Sachen aus der schäbigen Wohnung holen und den nächsten Bus nach New York nehmen.

Warum auch nicht? Sie hatte es in Atlantic City und auf verschiedenen Kreuzfahrtschiffen versucht. Irgendwo auf der Welt musste es doch einen Ort geben, wo sie hinpasste. Denn sie würde auf keinen Fall nach Long Island zurückkehren, bis sie den Tratsch unterbunden hätte.

Ja, sie würde sich erst wieder in Montauk blicken lassen, wenn sie ein geregeltes Leben führte, wenn sie einen tollen Job und eine schöne Wohnung hatte. Und vielleicht einen Freund. Einen netten, ganz normalen Typen, der viel arbeitete und anständig und verlässlich war. Einen Mann, der sie auf Händen trug und sich um sie kümmerte.

Aber zuerst musste sie von hier verschwinden.

Stacey öffnete die Tür und ging an der Bar vorbei, wo der Geruch von Alkohol und Verzweiflung in der Luft hing. Das alles erschien ihr jetzt so widerlich, doch sie hatte ja nicht wahrhaben wollen, dass Bruce alles und jeden als Ware betrachtete. Als sie an dem privaten Casino vorbeiging, in dem er wartete, fiel ihr Blick auf die verspiegelten Türen. Wenigstens war der Fummel, den sie trug, ein Designerkleid, das sie sofort zu Geld machen konnte, denn das einbehaltene Trinkgeld und ihre Lohnnachzahlung würde sie jetzt nicht mehr bekommen.

Die Automatiktüren glitten auf, und sie ging die Stufen hinunter auf die Straße. Am Abend war es kalt gewesen, doch nun war es heiß. Sie spürte die Sonne im Gesicht und empfand plötzlich ein Gefühl der Freiheit. Dennoch war ihr natürlich bewusst, dass sie noch lange nicht aus dem Schneider war, denn sie war arbeitslos und hatte zwanzigtausend Dollar Schulden – dank einer gewissen Marilyn Jane Jackson, ihrer Mutter.

Doch Kritik würde ihre Mutter niemals akzeptieren. Sie war zu stolz, um irgendjemanden um Hilfe zu bitten. Außerdem wusste Stacey, dass ihre Mutter nur versucht hatte, wegen des gemeinen Tratsches den Schein zu wahren. Sie hatte sich verschuldet, neue Gardinen, Möbel und immer neue Klamotten gekauft. Ohne einen Mann an ihrer Seite hatte ihre Mutter die wichtigen Dinge aus den Augen verloren, und dafür konnte und wollte sie sie nicht verurteilen.

„He, wohin willst du?“

Verdammt! Stacey blickte sich um, und da stand Bruce auf der Treppe, wütend wie ein wilder Stier. Sie wirbelte herum.

„Komm sofort zurück – du musst dir das Kleid erst verdienen.“

Trotz ihrer großen Klappe spürte Stacey, wie ihr Herz zu rasen begann. Bruce war ein furchteinflößender Typ, dem niemand Kontra gab – vor allem Frauen nicht. Sie hatte ihn angeblafft, bevor sie ins Bad gerannt war. Vor den Mitarbeitern. Den Gästen. Seinen schrecklichen Handlangern. Nein, das war überhaupt nicht gut.

Ohne lange zu überlegen, lief Stacey los.

Sie hörte Hupen und Schreie. Ihr hoher Absatz verfing sich im Saum des schwarzen Kleids. Kurz fragte sie sich, wie viel dies an Wert verlieren würde, doch dann geriet die glänzende schwarze Motorhaube einer Limousine in ihr Sichtfeld, und Stacey spürte einen schmerzhaften Aufprall.

Ihr Knöchel … Ihr Knie … Aber wie durch ein Wunder schien sie ansonsten unverletzt zu sein. Nachdem sie gestürzt war, rappelte sie sich wieder auf. Erst dann sah sie den Mann.

Er war auf der Fahrerseite aus der Limousine gestiegen und stand nun wie ihr unverhoffter Retter vor ihr, groß und dunkelhaarig.

„Hier“, sagte er nur.

Stacey stolperte weiter und direkt in seine Arme. Sie hatte keine andere Wahl, das sagte ihr ihr Instinkt. Sie nahm die anderen Wagen und das Hupen wahr, genauso wie Bruce, aber vor allem nahm sie die Körperwärme und Kraft des Fremden wahr, der ihr nun die Beifahrertür öffnete und sie auf den Ledersitz verfrachtete, bevor er die Tür schloss und den Lärm ausblendete.

„Fahren Sie“, sagte sie leise. „Bitte.“

„Das ist wohl das Mindeste, was ich tun kann“, erwiderte er, bevor er aufs Gaspedal trat. Als sie einen erschrockenen Laut ausstieß und automatisch nach dem Gurt griff, fuhr er fort: „Schon gut, bei mir sind Sie sicher.“ Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu, bevor er sich weiter vom Casino entfernte.

Ich bin bei keinem Mann sicher, dachte Stacey, blickte allerdings nur starr aus dem Beifahrerfenster. Vielleicht hatte Bruce sich das Kennzeichen gemerkt. Falls ja, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis irgendein korrupter Polizist ihm Namen und Adresse des Halters nannte. Bruce war nicht so leicht abzuschütteln.

„Alles in Ordnung?“, erkundigte sich der Fremde.

Stacey versuchte, sich zu beruhigen, während sie den Blick zum Armaturenbrett schweifen ließ. Sie musste jetzt einige Entscheidungen treffen, und zwar schnell.

Stacey betrachtete seine Hand, die lässig auf dem Lenkrad lag. Seiner Sonnenbräune nach zu urteilen, hatte er den Winter auf Barbados verbracht. Sein dunkler Anzug und sein Aftershave verrieten, dass er beruflich sehr erfolgreich sein musste. Sie richtete sich ein wenig weiter auf und wandte den Kopf, um ihn eingehend zu mustern. Es war lange her, dass sie einem reichen Mann begegnet war, aber noch immer konnte sie gut einschätzen, wie viel jemand auf dem Konto hatte. Und dieser Mann musste eine Menge Geld haben. Sie wettete darauf, dass er aus gutem Hause kam – Stadthaus in Manhattan, Ranch in Montana und Villa auf Barbados.

Das beeindruckte sie allerdings wenig, denn manche Menschen schienen zu glauben, dass ihr Geld ihnen das Recht verlieh, sich schäbig zu verhalten. Jetzt drehte sie den Kopf noch weiter, um den Mann besser betrachten zu können, doch ihr Nacken schmerzte so stark, dass sie zusammenzuckte.

„Schon gut. Versuchen Sie, sich zu entspannen. Ich fahre Sie ins Krankenhaus.“

„Nein“, entgegnete sie. Schließlich hatte sie kein Geld für Untersuchungen und Medikamente. „Setzen Sie mich einfach am Busbahnhof ab.“

„Sicher. Aber zuerst bringe Sie ins St. Barts, da kann mein Arzt Sie untersuchen. Wenn alles in Ordnung ist, setze ich Sie ab, wo Sie wollen.“

Stacey kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Warum dachten Männer immer, sie wüssten alles besser? „Ich will auf keinen Fall ins Krankenhaus. Und ich lasse mich nicht röntgen.“

„Du wusstest noch nie, was du brauchst, Stacey Jackson.“

Sie zuckte zusammen, als wäre sie erneut mit einem Wagen zusammengeprallt. Dann sah sie den Mann unverwandt an. Er hatte die Brauen auf eine Art hochgezogen, die ihr so vertraut war. Und dann fügte sich alles zusammen. Ihr Herz begann, wie wild zu pochen.

Wie in einem Film liefen verschiedene Szenen vor ihrem geistigen Auge ab: Sonnenschein, unbeschwertes Lachen – und dann ein starker Schmerz. Marco Borsatto. Der Junge, in den sie sich hoffnungslos verliebt hatte. Der Junge, von dem sie geglaubt hatte, er würde ihre Gefühle erwidern.

Wie naiv sie doch gewesen war!

„Marco. Oh, wow! Die Welt ist klein.“

Stacey war in die Gegenwart zurückgekehrt. Sie versuchte, von ihm wegzurücken, während ein starker Schmerz von ihr Besitz ergriff.

„Allerdings.“ Marco konzentrierte sich wieder auf den Verkehr. „Ich war mir zuerst nicht sicher, ob du es bist. Aber wer sonst hätte einen derart dramatischen Auftritt hinlegen sollen?“

„Dramatisch? Okay, vielleicht hast du recht. Ich war nie besonders gut darin, das Mauerblümchen zu spielen.“

Stacey betrachtete sein Profil, als er lachte. Wow! Er sah sogar noch besser aus, als sie ihn in Erinnerung hatte. Und schon damals war er der heißeste Typ überhaupt gewesen.

Welch Ironie des Schicksals, dass sie bei ihrer letzten Begegnung ihren ersten großen Abgang zelebriert hatte. An dem Tag hatte er ihr das Herz gebrochen. Marco war der einzige Mensch gewesen, der ihr Kraft gegeben und dem sie vertraut hatte. Und ausgerechnet er hatte sie aus Montauk vertrieben.

„Darf ich sagen, dass das Leben es gut mit dir meint? Du siehst …“ Er musterte sie flüchtig.

Als Stacey an sich hinunterblickte, stellte sie fest, dass das ohnehin freizügige Kleid hochgerutscht war. Und als sie ihn wieder ansah, hatte er erneut die Brauen hochgezogen und verzog unmerklich den Mund. „Mein Leben ist nicht schlecht, danke. Ich komme klar.“ Sie zog das Kleid hinunter, so gut es ging.

„Du hättest den Verkehr auch so stoppen können. Zum Glück ist die Ampel gerade umgesprungen.“

„Normalerweise laufe ich nicht so herum – ich hatte gerade Dienstschluss.“

„Du musst dich mir gegenüber nicht rechtfertigen“, erwiderte Marco in dem ruhigen, beherrschten Tonfall, den sie noch von früher kannte. Jetzt allerdings schwang ein autoritärer Unterton darin mit. „Und keine Angst, ich kümmere mich um alles.“

Ich möchte mich um dich kümmern.

Schnell blickte sie aus dem Beifahrerfenster, weil die Erinnerung an seine Worte so schmerzlich war. Marco war so nett zu ihr gewesen, doch sie hatte ihn abblitzen lassen, denn Mädchen wie sie verkehrten nicht mit den Marcos dieser Welt. Sie war nicht so naiv, an Märchen zu glauben.

„Wie lange ist es her?“, fragte Stacey. „Du warst neunzehn, als ich dich das letzte Mal in Montauk gesehen habe, oder?“

„Ja. Kurz danach bin ich von zu Hause ausgezogen. Und du warst noch auf der Highschool, stimmt’s?“

„Ja, ich war sechzehn. Ich dachte, ich wüsste Bescheid.“

An dem Abend war sie nach Hause gekommen und hatte erfahren, dass ihre Mutter den Wagen verkauft hatte – der einzige Luxus, der ihnen noch verblieben war. Sie hatte gerade ihren Teilzeitjob verloren, weil sie einen Kunden, der sie beleidigt hatte, in seine Schranken gewiesen hatte, und erfahren, dass ihre Mitschülerinnen ihr den Titel Flittchen des Jahres verliehen hatten. Ja, sie war völlig durcheinander gewesen. Und als Marco sie einholte und fragte, ob die Gerüchte stimmten, hatte sie ihm ins Gesicht gelacht.

Natürlich stimmen sie. Glaubst du etwa, du wärst was Besonderes?

Er hatte ihr den Rücken gekehrt, und sie hatte getan, was alle verlassenen Töchter getan hätten: Sie hatte sich auf die Suche nach ihrem Daddy gemacht.

„Wir dachten alle, wir wüssten Bescheid“, erklärte Marco. „Man hört nicht auf seine Eltern und trifft die falschen Entscheidungen. Ist das nicht immer so, wenn man erwachsen wird?“

Stacey verdrehte die Augen. „Redest du von dem Abend, an dem ich von zu Hause weggegangen bin?“

„Nicht direkt. Aber es passt dazu“, meinte er lächelnd.

„Okay, das mit dem Trampen war keine so gute Idee. Aber woher sollte ich wissen, dass meine Mutter alle Leute mit einer Taschenlampe und einem Gewissen mobilisieren würde, um nach mir zu suchen? Ich war ja nur drei Tage weg.“

„Ich weiß. Ich war ja dabei. Taschenlampe. Gewissen. Und mit einem Ticket nach Rio in der Tasche.“

Wieder zuckte sie innerlich zusammen. Es war das schlimmste Wochenende ihres Lebens gewesen, denn sie war von einer Katastrophe in die nächste geschliddert. Ihr verrückter Plan, ihren Dad zu finden, war nach hinten losgegangen, und sie war ohne Geld und völlig desillusioniert wieder nach Hause gekommen.

„Tut mir leid, dass du erst später fliegen konntest. Aber du hast es doch noch nach Rio geschafft, oder?“

Marco schüttelte den Kopf. „In dem Jahr nicht mehr. Aber es war nicht wichtig. Ich wäre überall hingegangen, denn ich wollte einfach nur weg.“

Stacey nickte. Sie wusste genau, was er meinte. „Wenn ich Long Island nie wiedersehe, ist es immer noch zu früh.“

Die nächsten Minuten schwiegen sie, während sie sich dem Stadtrand und somit den exklusiveren Adressen näherten. Schließlich bog Marco auf einen üppig bepflanzten Parkplatz ein. Ein rotes Kreuz und der Schriftzug St. Bartholomew’s Medical Center an dem weißen Gebäude verrieten, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Für einen Moment empfand Stacey ein Gefühl der Ruhe. Regungslos saß sie da.

„Ich glaube nicht, dass es lange dauert“, sagte Marco schließlich. „Und wenn irgendwas passiert ist, keine Angst – ich komme für alles auf.“

„Danke“, brachte sie hervor. „Nett von dir.“ Sie wollte die Tür öffnen.

„Stacey. Warte.“

Stacey schluckte, bevor sie sich langsam umdrehte. Marco hatte sich zurückgelehnt, einen Ellbogen auf der Armstütze, die andere Hand auf dem Knie. Ganz der lockere, charmante Typ mit Geld. Selbstsicher und verlässlich. Damals hatte sie sich in seiner Nähe geborgen gefühlt und die scheinbar niemals endenden Sorgen ihrer Mutter vergessen können.

Ja, damals hatte er sogar ein Herz gehabt. Im Gegensatz zu seinen Freunden hatte sie ihn niemals oberflächlich gefunden. Oder selbstgefällig. Oder überheblich. Im Gegenteil. Irgendwie hatte er ihr das Gefühl vermittelt, dass sie etwas wert war. Doch sie hatte sich getäuscht. Denn sobald er dahintergekommen war, dass sie nicht perfekt war, hatte er sie fallen lassen.

Stacey betrachtete ihn. Er war so wahnsinnig attraktiv. Seine Züge waren markanter als damals, und aus seinen dunklen Augen blickte er sie intensiv an. Sie hatte schon immer eine Schwäche für Männer mit dunklen Augen gehabt, und jetzt wusste sie auch, warum. Aber niemand hatte so ausgesehen wie er – mit dichten langen Wimpern und geschwungenen Brauen, die seine geheimnisvolle Aura verstärkten. Die blauschwarzen Bartstoppeln und das markante Kinn bildeten einen faszinierenden Kontrast zu seinen sinnlichen Lippen.

Sie konnte den Blick nicht abwenden, und plötzlich fiel ihr das Atmen schwer. Jetzt öffnete er die Lippen, und sie nahm nur noch ihren Herzschlag und das erregende Prickeln wahr, das von ihrem ganzen Körper Besitz ergriff.

„Marco …“, flüsterte sie.

Regungslos saß er da, während er ihr Gesicht betrachtete. Sie hatte das Gefühl, dass er sich über sie lustig machte.

„Häng dir mein Jackett um, bevor wir reingehen. Dann fühlst du dich wohler.“

Als er die Tür öffnete, atmete sie aus. Wie konnte sie nur so idiotisch sein! Sie hatte tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, ihn zu küssen. Und – schlimmer noch – sie hatte geglaubt, Marco würde sie ebenfalls küssen. Sie musste sich zusammenreißen, denn in ihrer Situation konnte sie es sich nicht leisten, schwach zu werden.

Nachdem sie beide ausgestiegen waren und Stacey dabei vor Schmerz zusammengezuckt war, legte Marco ihr sein marinefarbenes Jackett um die Schultern und verriegelte den Wagen per Fernbedienung.

„Du hast offenbar etwas aus dir gemacht, Marco“, bemerkte sie. „Das letzte Mal hast du einen zerbeulten Laster gefahren, wenn ich mich recht erinnere. Hast du am Glücksspielautomaten gewonnen?“

Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, bereute sie sie. Sein Vater war ein notorischer Spieler gewesen. Verdammt!

„Ich spiele nicht, Stacey – ich hasse Glücksspiel.“

„Tut mir leid.“ Sie spürte seinen Zorn. „Das hatte ich vergessen.“

„Ich kann es nicht vergessen. Durch die Spielsucht meines Vaters haben wir alles verloren. Alles.

Sie wusste es. Genau das hatte sie beide einst schließlich miteinander verbunden – sein schneller Fall von der Elite Montauks in die Gosse. Aber nicht ganz. Schließlich war er ein Borsatto.

„Wäre es nach mir gegangen, hätte ich alle Casinos in dieser Stadt geschlossen. Und alle anderen auch.“

„Gut, dass das nicht jeder so sieht. Ich habe mir in den letzten zehn Jahren auf die eine oder andere Art meinen Lebensunterhalt mit ihnen verdient.“

„Du hast ein Recht auf deinen Standpunkt“, meinte Marco, als hätte er nie etwas Dümmeres gehört. Dann wandte er sich ab und ging auf das Gebäude zu.

Stacey folgte ihm und musste aufpassen, dass sie mit ihren hohen Absätzen nicht auf dem Kies stolperte. „Nicht alle, die spielen, sind Loser“, verkündete sie scharf.

An dem von Säulen gerahmten Eingang blieb er stehen. „Wahrscheinlich nicht.“ Langsam wandte er sich um und musterte sie von Kopf bis Fuß. Der Ausdruck in seinen Augen bewies ihr, dass Marco sie für völlig unzulänglich befand. „Aber meiner Erfahrung nach gibt es viel mehr Sünder als Heilige.“

„Mehr Flittchen als Madonnen? Willst du mir das sagen? Weil ich so angezogen bin?“

Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich meinte die Gäste, Stacey. Nicht die Mitarbeiter.“

Schon wieder hatte sie voreilige Schlüsse gezogen und nicht die Klappe halten können. Sie warf ihm einen bitterbösen Blick zu, doch Marco hielt ihm ungerührt stand.

„Dann ist das also deine Arbeitskleidung?“

Bevor sie antworten konnte, erschien eine perfekt gestylte Frau in einem ärmellosen Kleid und in hochhackigen Pumps am Eingang und streckte ihm lächelnd die Hand entgegen.

„Mr. Borsatto, wie schön, Sie zu sehen.“

„Danke, Lydia. Ich habe leider keinen Termin, aber ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie für diese Lady einige dringende Untersuchungen in der Radiologie veranlassen könnten.“

Die reizende Lydia musterte sie mit einem Gesichtsausdruck, der Stacey nur allzu vertraut war und besagte: Was macht eine Frau wie sie mit einem Mann wie ihm? Und Sie gehören nicht hierher. In ihrer Jugend hatte sie oft solche Situationen erlebt und bisher immer die Beherrschung verloren.

Doch dann blickte Stacey Marco an, und für einen Moment fühlte sie sich nach Montauk zurückversetzt. In das kleine Café, in dem sie gearbeitet und in dem sich die Jugendlichen getroffen hatten.

„Und ich möchte die bestmögliche Behandlung, Lydia“, erklärte er. „Miss Jackson und ich hatten leider einen kleinen Verkehrsunfall. Aber sie hat sich netterweise bereit erklärt, sich untersuchen zu lassen.“

Bildete Stacey es sich nur ein, oder hatte ein warnender Unterton in seiner Stimme gelegen?

Der kalte, berechnende Ausdruck in Lydias Augen verriet Stacey allerdings, dass es keinen Unterschied machte, was Marco sagte. Sie hatte hier nichts zu suchen. Fröstelnd zog sie sich das Jackett enger um die Schultern. Wenn Bruce Decker sie nicht einschüchtern konnte, würde es dieser aalglatten Prinzessin erst recht nicht gelingen.

„Haben Sie verstanden, Lydia?“, fragte sie ätzend, während sie hoch erhobenen Hauptes an ihr vorbeiging. „Die bestmögliche Behandlung.“

2. KAPITEL

Stacey nahm ein weiteres Hochglanzmagazin und begann, darin zu blättern, während sie ab und zu einen Schluck von ihrem köstlichen italienischen Kaffee trank. Dieses Krankenhaus ist luxuriöser als ein Fünf-Sterne-Hotel, dachte sie. Selbst die überhebliche Lydia hatte alles getan, worum Marco sie gebeten hatte. Und offenbar hatte er viel verlangt. Man hatte sie untersucht und befragt, und nun lag sie in einem privaten Krankenzimmer und wartete auf den Befund.

Als sie aufblickte, sah sie, dass Marco, der die ganze Zeit auf und ab gegangen war, stehen geblieben war und einen Espresso trank. Flankiert von zwei gigantischen Palmen und mit einem expressionistischen Druck im Hintergrund, war er der Inbegriff des Selfmademillionärs und eines Superhelden und hätte ohne Weiteres dieser Zeitschrift entsprungen sein können.

Nun stellte er die Tasse weg und ging in den Flur, um einen Anruf entgegenzunehmen. Unter seinem Hemd und seiner Hose zeichnete sich sein muskulöser Körper ab. Natürlich hielt Marco sich mit Krafttraining fit. Damals hatte er Leichtathletik und Mannschaftssport gemacht. Er war ein Held und doch einer von ihnen gewesen. Alle Mädchen hatten für ihn geschwärmt, und alle Jungen hatten ihn sich zum Freund gewünscht. Jeder hatte ihn geliebt.

Und das war offensichtlich auch heute noch so. Die Krankenschwestern, die ständig hereinkamen und sie geflissentlich ignorierten, richteten alle Fragen an ihn. Das brachte Stacey auf.

„Wo ist Mr. Borsatto?“, wollte nun Lydia wissen, die zum dritten Mal hereinkam.

„Keine Ahnung“, erwiderte Stacey lässig, ohne von ihrer Zeitschrift aufzublicken und den missbilligenden Laut zu beachten, den Lydia daraufhin ausstieß.

Im Moment ging ihr hier jeder auf die Nerven. Die Rückenschmerzen hatten nachgelassen, aber ihr brummte der Schädel, und auf ihrem Oberschenkel zeichnete sich ein dunkler Bluterguss ab. Natürlich konnte niemand etwas dafür, und sie war nur gereizt, weil diese Menschen andere nach ihrem Vermögen beurteilten.

Das wiederum erinnerte sie an ihre eigene desolate finanzielle Situation. Ihre Gehaltsschecks vom Casino waren überfällig, und dieser tolle neue Job in New York fand sich nicht von allein. Sie hatte hier schon genug Zeit vergeudet.

Als sie aufzustehen versuchte, schoss ihr der Schmerz in den Rücken, und ihr Kopf dröhnte noch mehr. Zu allem Überfluss wurde ihr übel, und sie fasste sich an die Stirn und schloss die Augen. Allmählich machte sich bemerkbar, dass sie seit mehr als achtzehn Stunden auf den Beinen war.

Im Flur hörte sie Marcos autoritäre Stimme und das gefürchtete Wort Gehirnerschütterung. Das konnte sie jetzt überhaupt nicht gebrauchen.

„Fertig?“, fragte er, sobald er mit Lydia auf der Schwelle erschien.

Autor

Bella Frances
Im Alter von zwölf Jahren entdeckte Bella Frances ihre Leidenschaft für romantische Geschichten – zwischen Strickmusterbögen und Rezepten in den Zeitschriften ihrer Großmutter. Ganz und gar mitgerissen aber war sie erst, als sie in einem langen, heißen Sommer nach ihrem ersten Abschluss in englischer Literatur die Romane von Mills &...
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