Heiß wie eine Sommernacht

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Eine Frau wie Alyssa hat der aristokratische Großgundbesitzer Lucas Reyes nie zuvor kennengelernt. Ihr leidenschaftliches Temperament bringt sein Blut in Wallung. Hitzig sind ihre Auseinandersetzungen - noch viel heißer jedoch die Versöhnungen: Der feurige Adlige aus Spanien und die ungestüme junge Amerikanerin sind sich nur in einem einig: Eine arrangierte Heirat, wie ihre Großväter es beschlossen haben, kommt für sie nicht in Frage! Doch nach einer Nacht voller Überraschungen muss Lucas erkennen, dass er mehr will als nur eine sinnliche Geliebte. Viel mehr


  • Erscheinungstag 30.06.2008
  • Bandnummer 1824
  • ISBN / Artikelnummer 9783863492823
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Er hieß Lucas Reyes.

Zumindest bevorzugte er diesen Namen. Sein vollständiger Titel lautete „Seine Hoheit Prinz Lucas Carlos Alessandro Reyes Sanchez von Andalusien und Kastilien“. Er war der Erbe eines Throns, der seit Jahrhunderten nicht mehr existierte. Der Urururur… Dios, viel zu viele „Urs“. Um es kurz zu machen – Lucas Reyes stammte von einem König ab, der zu Zeiten der Conquistadores ausgezogen war, um ein weit entferntes Land zu zähmen.

Das Land kannte die Welt heute als die Vereinigten Staaten von Amerika, und in Lucas’ Augen war hier nichts von der Zähmung durch seine Vorfahren zu spüren, zumindest nicht in Texas.

Er fuhr in einem Mietwagen über eine Straße, die die Bezeichnung keineswegs verdiente. Die Sonne strahlte erbarmungslos vom Himmel, weiter hinten am Horizont hingen dunkle Gewitterwolken. Naiverweise glaubte Lucas anfangs, der Regen käme und brächte Erleichterung, doch er irrte sich. Die düsteren Wolken standen am endlos blauen Himmel wie gemalt.

Nichts regte sich in dieser Landschaft. Bis auf den Wagen natürlich. Und selbst der schien damit Schwierigkeiten zu haben.

Fluchend umklammerte Lucas das Lenkrad, unterwegs zu einem Ort namens El Rancho Grande. Sein Großvater hatte den Besuch mit dem Besitzer arrangiert, einem gewissen Aloysius McDonough. Laut dessen E-Mail führte diese Straße direkt dorthin.

Sicher, und Schweine können fliegen, dachte Lucas entnervt.

Denn diese Straße lenkte sie nur weiter durch Niemandsland, und das Einzige, was bisher auch nur annähernd als grande bezeichnet werden konnte, war eine riesige Klapperschlange gewesen.

Ihr Anblick löste prompt einen hysterischen Anfall bei seiner Begleitung aus.

„Eine Python!“, kreischte sie neben ihm auf. „O Gott, Lucas, eine Python!“

Er sparte sich die Mühe, ihr zu erklären, dass die Riesenschlangen nicht in Nordamerika lebten. Für Delia machte das keinen Unterschied, und wenn da ein Alligator am Straßenrand läge. Es bot ihr nur einen weiteren Grund, um sich zu beschweren.

Während der ersten Stunde hatte sie unentwegt gemault, wie öde die Landschaft doch sei und wie unbequem der Wagen.

Zumindest in dem Punkt gab er ihr recht. Nachdem er zu Hause die Landkarte studiert hatte, beauftragte er seine Assistentin, einen Geländewagen mit Allradantrieb zu mieten. Das Mädchen hinter dem Schalter der Mietwagenfirma erklärte allerdings, seine Sekretärin hätte genau dieses Vehikel bestellt, das aussah wie eine verbeulte Sardinendose. Sein Protest führte zu nichts, andere Wagen standen nicht zur Verfügung.

„Morgen bekommen wir vielleicht etwas anderes rein“, sagte das Mädchen mit einem strahlenden Lächeln.

Sollte er noch einen weiteren Tag in dieses unnütze Unternehmen investieren? Auf keinen Fall. Also setzte er seine Unterschrift auf den Mietvertrag für die Sardinendose und hörte sich Delias Gejammer an, dass der Kofferraum nicht genug Platz für das Gepäck böte, das sie gegebenenfalls für eine Übernachtung bräuchte.

„Wir bleiben höchstens ein paar Stunden dort“, erwiderte Lucas ungeduldig.

Was ihren Protest nicht eindämmte. Bis er ihr schließlich zwei Alternativen anbot: Sie könne alles in seinem Flugzeug lassen oder endlich den Mund halten und mitnehmen, was in den Wagen passe.

Delia stieg in den Wagen, aber den Mund hielt sie nicht.

„Wann sind wir endlich da?“, fragte sie gerade zum hundertsten Mal.

Von „bald“ über „nur noch eine Weile“ bis zu „wir sind da, wenn wir da sind“ hatte Lucas ihr alle Antworten gegeben – letztere durch zusammengepresste Zähne gezischt.

„Aber wann denn nun?“

Mitten in Delias Frage gab die Sardinendose einen heulenden Laut von sich und rollte aus.

In der Stille, die folgte, lag etwas höchst Ungutes.

„Lucas, warum halten wir eigentlich? Wieso hast du die Klimaanlage abgestellt? Wann sind wir denn endlich da? Lucas …?“

Abrupt drehte er sich zu Delia. Unter seinem funkelnden Blick sank sie in den Sitz zurück. Allerdings nicht ohne einen letzten Kommentar.

„Ich weiß wirklich nicht, was wir überhaupt hier machen“, schmollte sie.

Immerhin, darin waren sie sich einig. Die Straße, das Auto und jetzt das.

Was, zum Teufel, taten sie hier überhaupt?

Im Grunde keine schwere Frage. Delia saß neben ihm, weil er sie auf ein Wochenende in den Hamptons eingeladen hatte. Als er ihr absagte, bettelte sie so lange, bis er einwilligte, sie mit nach Texas zu nehmen. Und Lucas war hier, weil sein Großvater wollte, dass er sich mit Aloysius McDonough auf einer Ranch mit dem pompösen Namen El Rancho Grande traf.

„Wer ist das?“, hatte Lucas seinen Großvater gefragt. „Ich kenne weder ihn noch seine Ranch.“

Felix’ Antwort lautete nur, dass McDonough Andalusier züchte.

„Und?“ Dahinter musste mehr stecken, denn die Pferde aus der Zucht von El Rancho Reyes gehörten zu den edelsten der Welt. Wenn diese Pferderanch in Texas ebenfalls Andalusier hielt, wüsste Lucas davon.

„Und“, antwortete Felix, „er hat da etwas, von dem ich hoffe, dass es dein Interesse weckt.“

„Einen Hengst?“

Als sein Großvater daraufhin vergnügt gluckste, hob Lucas fragend die Augenbrauen.

„Nein, ein Hengst ist es nicht.“

„Ich soll mir eine Andalusierstute ansehen, auf einer Ranch in Texas, von der ich noch nie gehört habe?“

„Es handelt sich dabei nicht um einen Andalusier.“

Dios, verlor Felix allmählich seinen Verstand?

„Aber wir züchten Andalusier.“

Der alte Mann sah ihn durchdringend an. „Wirke ich etwa senil auf dich, mein Junge? Ich weiß, welche Pferde wir züchten. Man hat mir versichert, dass sie aus der besten Linie stammt; die Abstammung lässt sich weit zurückverfolgen.“

„Solche Stuten findet man in Spanien auch.“

Felix nickte. „Stimmt. Aber keine von ihnen besitzt genügend Intelligenz, Schönheit und Klasse, um unsere Linie zu verbessern.“

Lucas leitete El Rancho Reyes jetzt seit fast zehn Jahren. Die Äußerung überraschte ihn. „Ich weiß nicht, wie du das meinst, Großvater.“

„Ich suche bereits seit Jahren.“

Noch eine geheimnisvolle Bemerkung. Auf der Ranch gab es mehrere großartige Zuchtstuten, erst kürzlich hatte Lucas eine neue erworben. Und dennoch – sein Großvater klang so überzeugt.

Er musterte den alten Mann sehr eingehend. Wirkte Felix senil? Immerhin hatte er gerade seinen fünfundachtzigsten Geburtstag gefeiert.

„Ach Lucas, du bist noch immer so leicht zu durchschauen wie als kleiner Junge, als du mich überzeugen wolltest, dich dein erstes Pferd einreiten zu lassen.“ Lachend legte Felix seinem Enkel einen Arm um die Schultern. „Ich verspreche dir, mi hijo, mit meinem Kopf stimmt alles. Vertrau mir einfach; ich schicke dich schon nicht ohne Grund durch die Weltgeschichte.“

Lucas seufzte. „Du erwartest wirklich von mir, dass ich bis nach Texas fliege, um mir etwas anzusehen, was wir nicht brauchen?“

„Bräuchten wir es nicht, würde ich dich doch nicht hinschicken.“

„Tut mir leid, aber da stimme ich dir nicht zu.“

„Habe ich dich nach deiner Zustimmung gefragt?“

Das beendete die Diskussion. Lucas Reyes ließ sich von niemandem etwas befehlen, aber er liebte seinen Großvater von ganzem Herzen. Der alte Mann hatte ihn aufgezogen und ihm die einzige Geborgenheit geschenkt, die Lucas kannte.

Also zuckte er mit den Schultern und sagte, sí, er werde nach Texas reisen, selbst wenn er eine solche Strafe nicht verdiene.

Darüber hatte Felix laut gelacht – wie über einen köstlichen Witz.

„Ich verspreche dir, was dich in Texas erwartet, ist genau das, was du verdienst …“

Jetzt allerdings, während Lucas auf die leere Straße sah, den endlosen Himmel über und eine schmollende Frau neben sich, dachte er daran, wie falsch sein Großvater lag.

Niemand verdiente das hier.

„Willst du nicht endlich weiterfahren?“

Der Vorwurf in Delias Stimme war nicht zu überhören. Lucas machte sich gar nicht erst die Mühe, darauf zu reagieren. Stattdessen drehte er den Schlüssel im Anlasser, pumpte das Gaspedal …

Nichts.

Mit einem Fluch, der den Straßengangs in Sevilla ein ehrfürchtiges Staunen abgerungen hätte, entriegelte er die Motorhaube und stieg aus.

Die Hitze traf ihn wie ein Schlag, aber er war vorbereitet.

Im Gegensatz zu Delia, deren Kleidung der lächerlichen Vorstellung eines Modedesigners vom Wilden Westen entsprach, hatte er sich für die Realität des texanischen Sommers ausgerüstet.

Er trug Stiefel. Natürlich. Nicht neu und blank geputzt, sondern eingelaufen und bequem. Was sollte ein Mann sonst tragen, wenn er den ganzen Tag durch Pferdeäpfel watete! Stiefel, Jeans und Hemd. Die Jeans ausgewaschen, das Hemd am Hals offen und die Ärmel hochgekrempelt.

„Du meine Güte!“, kam es schrill aus dem Wageninneren. „Schließ endlich die Tür, sonst werde ich hier noch gebraten.“

Lucas schlug die Tür zu, dass der ganze Wagen bebte. Mit entschlossener Miene öffnete er die Haube, sah in den Motorraum, legte sich unter den Wagen und überprüfte den Unterboden. Was seinen Verdacht nur bestätigte.

Dieses traurige Exemplar eines Autos war endgültig hinüber.

Er zog das Handy aus der Tasche, klappte es auf und las die Nachricht auf dem Display – wie befürchtet: „Kein Anbieter“.

Mierda“, murmelte er und hämmerte mit der Faust gegen Delias Fenster.

Sie öffnete die Tür einen winzigen Spalt. „Was?“

„Hast du ein Handy dabei?“

„Wieso?“

Ruhig, Lucas, ganz ruhig, sagte er sich zähneknirschend. „Hast du eins oder nicht?“

Ein theatralischer Seufzer, dann griff sie in ihre Handtasche von der Größe einer Puppentasche.

Das winzige Täschchen war aus weißem Leder. Wie alles, was Delia trug. Der absurde Sombrero, der auf ihrer kunstvoll arrangierten Frisur saß. Die enge Hose. Die Stiefel mit den 10-Zentimeter-Pfennigabsätzen. Sie sah absolut lachhaft aus. Und Lucas erkannte, was ihm schon seit Längerem schwante.

Die Beziehung mit Delia nahm allmählich den üblichen Verlauf. In New York würde er einen Schlussstrich unter die Affäre setzen.

Als hätte sie seine Gedanken gelesen, schleuderte Delia ihm das Handy entgegen. Immerhin stand das ominöse „Kein Anbieter“ nicht auf dem Display. Es bestand also Hoffnung.

Aber ein Empfangsbalken erschien auch nicht.

Lucas hielt das Handy in die Luft, lief um die Motorhaube, weiter die Straße hinauf, ging nach rechts, dann wieder nach links, in die Mitte der Straße …

Und Wunder über Wunder, der erste Balkenstrich blinkte auf.

Jetzt ganz vorsichtig, vielleicht noch ein wenig nach …

„Vorsicht!“

Abrupt hob er den Kopf. Ein Pferd kam auf ihn zugaloppiert, von der Größe eines Brontosaurus, der Reiter hing vornübergebeugt am Hals des Tieres. Lucas hörte das Donnern der Hufe, sah die bebenden Nüstern …

„Verdammt, so gehen Sie doch endlich aus dem Weg!“

Er sprang zurück, stolperte und fiel in den Straßengraben, gerade noch rechtzeitig, um den Hufen des gewaltigen Tieres auszuweichen.

Sofort richtete er sich wieder auf und schrie dem Reiter wütend nach, woraufhin dieser sich umdrehte. Lucas erkannte eine verschlissene Baseballkappe, ein schmutziges T-Shirt, Jeans, Stiefel. Und das schmale Gesicht eines Jungen.

Ein magerer Bursche mit schlaksigen langen Beinen saß auf dem Pferd, weder mit Sattel noch mit Zaumzeug. Galt das hier in diesem Vorraum zur Hölle als Freizeitbeschäftigung? Leute über den Haufen reiten?

Der Bengel lachte, und Lucas schäumte vor Wut. Mit einem intakten Auto würde er dem Lümmel nachjagen und ihm eine Lektion erteilen!

Eine jähe Windbö wirbelte die Staubwolke von Pferd und Reiter auf. Als der Staub sich wieder legte, waren die beiden verschwunden.

„Lucas, geht es dir gut?“

Er drehte sich zum Wagen um. Delia war tatsächlich ausgestiegen. „Sicher, bestens“, knurrte er.

„Dieses schreckliche Tier! Ich dachte ehrlich, es hätte dich zertrampelt.“

Immer noch wütend, klopfte er sich den Staub von der Jeans. „Und da hast du dich natürlich gefragt, wie du allein von hier wegkommst.“

„Du bist heute wirklich übelster Laune. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Und vielleicht tatsächlich überlegt, wie …“ Plötzlich kicherte sie.

„Du findest das also lustig?“

„Nein, aber in deinem Haar …“

Er hob die Hand und zog ein Büschel Wüstengras aus seinen Haaren. „Wie schön, dass ich zu deiner Unterhaltung beitragen kann.“

„Oh. Sei doch nicht brummig. Es ist schließlich nicht meine Schuld, dass …“

„Nein.“ Seine Stimme klang absolut tonlos. „Die Schuld an dieser Situation liegt allein bei mir.“

Delias Miene heiterte sich schnell auf. „Gut, dass du das einsiehst.“

Er holte seinen Hut aus dem Wagen, dann klopfte er sich auf den Schenkel. „Leg deinen Fuß hierher.“

Delia lachte verführerisch. „Lucas, meinst du wirklich, dass das hier ist der passende Moment für …“

„Deinen Fuß“, wiederholte er ungeduldig.

Sinnlich lächelnd lehnte sie sich gegen den Wagen, hob ein Bein und stellte den Fuß auf Lucas’ Schenkel. Mit einer Hand umfasste Lucas ihr Fußgelenk, mit der anderen brach er den Absatz ab.

„He!“ Delia riss ihr Bein zurück. „Was soll das? Weißt du überhaupt, wie viel ich für diese Stiefel bezahlt habe?“

„Nein, aber ich werde es herausfinden, sobald ich meine Kreditkartenabrechnung bekomme.“ Er sah ihr geradewegs in die Augen. „Oder willst du behaupten, du hättest diesen lächerlichen Aufzug mit deinem eigenen Geld bezahlt?“

„Lächerlich!? Dann lass dir von mir gesagt sein …“

Aber Lucas ging vor ihr in die Hocke, packte den anderen Fuß und brach auch den zweiten Absatz an. „So, jetzt kannst du wenigstens laufen.“

„Laufen?“, wiederholte sie schrill. „Wohin denn? In dieser Wildnis laufe ich keinen Schritt, bei der Hitze und den Schlangen und wilden Pferden und verrückten Leuten … Lucas! Lucas, wohin gehst du?“

Er antwortete nicht. Nach einem Moment stapfte Delia hinter ihm her.

„Ich hasse diesen Ort“, murmelte sie dabei. „Nimm mich nie wieder nach Texas mit.“

Den Gefallen tat er ihr nur zu gern. Weder nach Texas noch sonst wohin würde er Delia mehr mitnehmen.

Zwanzig Minuten und tausend Klagen später hörte Lucas das Tuckern eines Motors. Am Horizont tauchte ein roter Pick-up auf.

„Gott sein Dank!“ Mit einem dramatischen Seufzer sank Delia am Straßenrand in den Staub.

Lucas stellte sich mitten auf die Straße. Dieser Truck würde anhalten, auf die eine oder andere Art. Der Gewaltmarsch in der Hitze reichte als Herausforderung, aber wenn er sich noch eine Minute Delias Gejammer anhören musste …

Der Pick-up hielt an, und ein Junge stieg aus. Augenblicklich schoss Lucas’ Blutdruck in die Höhe. War das der Flegel von vorhin?

Nein, dieser Junge hier war rothaarig und massiv gebaut, der andere hingegen dunkelhaarig und schlank.

„Hallo. Hab gehört, Sie könnten vielleicht ein bisschen Hilfe gebrauchen.“

Auf der Tür vom Pick-up stand der Namenszug El Rancho Grande. Wohl eher El Rancho Bankrotto, nach dem zerbeulten Truck zu urteilen!

„Und von wem hast du das gehört?“, fragte Lucas gepresst. „Vielleicht von einem Lümmel auf einem Schlachtross?“

Der junge Mann gluckste vergnügt. „Das ist wirklich komisch, Mister.“

„Alles hier in dieser Gegend ist komisch.“ Lucas’ Stimme hörte sich gefährlich leise an.

„So meinte ich das nicht, ich …“

„Herrgott, Lucas!“, mischte Delia sich ein. „Sei doch nicht so empfindlich. Natürlich brauchen wir Hilfe.“ Sie warf einen angewiderten Blick auf den Truck. „Aber in dieses Ding setze ich mich nicht.“

Der junge Mann starrte Delia an, als wäre sie ein Außerirdischer. Ist sie für ihn wahrscheinlich auch, dachte Lucas.

„Steig in den Pick-up, Delia“, knurrte er.

Doch sie schnaubte nur. „Ich weigere mich, in ein solches …“ Dann schrie sie, weil Lucas sie unsanft hochhob und auf die Sitzbank drückte.

„Also, Lucas, ehrlich …“

„Also, Delia, ehrlich“, fiel er ihr kalt ins Wort. „Sobald wir ein Telefon finden, besorge ich einen Wagen zum Flughafen.“

„Wir fliegen zurück in die Stadt?“

„Du fliegst zurück in die Stadt. Nur du.“

Sie öffnete den Mund, genau wie der Junge, der jetzt hinter das Steuer kletterte. Lucas funkelte beide mit blitzenden Augen an.

„Fahr einfach los“, sagte er zu dem Jungen.

In Delias Blick las er maßlosen Ärger, aber sie sagte keinen Ton. Der Junge auch nicht, stattdessen schluckte er nur und murmelte: „Jawohl, Sir.“

Zwei Stunden später und endlich auf der El Rancho Grande, ging es Lucas etwas besser. Die Wahl des Namens fand er zwar geradezu erbärmlich, aber er saß wohl hier fest, bis der Besitzer endlich auftauchte. Denn Terminabsprachen schienen in diesem Teil von Texas wohl nur zur Belustigung der Ansässigen zu dienen.

Wenigstens war Delia weg. Man musste immer das Positive sehen.

Als Lucas ein Taxi oder einen Limousinenservice bestellen wollte, hatten der junge Bursche und der alte Vormann der Ranch ihn angesehen, als wäre er nicht ganz richtig im Kopf.

„So was gibt es hier nicht“, meinte der Alte ungerührt.

Woraufhin Delia nun mit den Wimpern klimperte und erklärte, dann müsste Lucas also länger mit ihr vorliebnehmen.

Eher hätte er sich mit der riesigen Klapperschlange eingelassen! Leider teilte ihm die Autovermietung, die er natürlich sofort anrief, mit, dass vor morgen Mittag kein anderer Wagen zur Verfügung stand.

Schlimm genug, dass er über Nacht hier festsaß. Da wollte er die Nacht nicht auch noch damit verbringen, sich Delia vom Hals zu halten.

Also bot er dem jungen Burschen eine Summe – bei der dessen Augen zu leuchten begannen –, um Delia zum Flughafen zu fahren und unterwegs noch ihr Gepäck aus dem liegen gebliebenen Auto zu holen.

Lucas verschloss seine Ohren gegenüber Delias Abschiedstirade und sah erleichtert dem davonrumpelnden Truck nach.

Der Vormann stand neben ihm. „Wird bestimmt eine interessante Fahrt für die Lady.“

„Wird bestimmt für beide interessant“, sagte Lucas, und der Alte grinste breit.

Dann kam die Preisfrage: Wo steckte Aloysius McDonough? Der Reaktion des alten Vormannes nach zu urteilen, hätte er genauso gut nach Godzilla fragen können.

„Sie sind hier, um McDonough zu treffen?“

Nein, um mir die blühende Landschaft anzusehen, dachte Lucas ironisch, lächelte aber nur höflich. „Sí, er erwartet mich.“

„Sieh einer an.“ Der Alte spuckte seinen Kautabak auf den staubigen Boden. „Tja, da werden Sie wohl bis heute Abend warten müssen.“

„McDonough kommt heute Abend zurück?“

Der Vormann zuckte die Schultern. „Ich kann Ihnen nur sagen, dass Sie warten müssen. Wir haben hier ein Gästezimmer, wenn Ihre Ansprüche nicht zu hoch sind.“

„Es wird sicher in Ordnung sein.“

Der Alte führte Lucas ins Haus, durch eine Flucht spärlich möblierter, aber sauberer Räume zu einem Zimmer mit einem schmalen Bett und dem Ausblick auf die endlos weite und karge Landschaft.

„Wenn Sie was brauchen, melden Sie sich.“

„Danke, ich komme zurecht. Obwohl, eine Frage hätte ich noch …“ Lucas kniff die Augen zusammen. „Arbeitet noch ein Junge hier?“

Der Vormann schob den Kautabak von einer Wangenseite auf die andere. „Davey haben Sie doch gerade gesehen.“

„Ihn meine ich nicht, sondern einen anderen Burschen. Der einen schwarzen Hengst reitet, ohne Rücksicht auf andere zu nehmen.“

Nein, Davey und er seien die einzigen Helfer auf der Ranch, antwortete der Alte, brach dann plötzlich in bellendes Gelächter aus und schlurfte kopfschüttelnd aus dem Zimmer.

Jetzt, auf der durchhängenden Veranda sitzend, stieß Lucas einen tiefen Seufzer aus. Wer ahnte auch, was in dieser gottverlassenen Gegend als Humor galt? Und was machte das schon? Morgen um diese Zeit wäre er wieder zu Hause, dachte er, davon ausgehend, dass Aloysius McDonough irgendwann auftauchte.

Wo, zum Teufel, steckte der Mann? Und diese Klasse-Stute? Lucas bezweifelte, dass es hier überhaupt Pferde gab. Die Korrale waren leer, die Ställe sahen heruntergekommen aus. Der Wind, der gerade aufkam, reichte vermutlich, um die Ställe …

Er horchte auf. Neben dem Wind hörte er ein anderes Geräusch. Das Wiehern eines Pferdes. Vielleicht kam McDonough ja endlich zurück.

Je eher er mit dem Mann sprach, desto besser. Ein paar höfliche Lügen – eine wunderbare Stute, sicher, aber leider, leider kaufe ich im Moment keine Tiere –, und dann konnte er sich absetzen.

Obwohl es unhöflich war, sich auf dem Besitz eines anderen zu bewegen, ohne den Eigentümer zu kennen, verließ Lucas die Veranda. Aber hatte McDonough etwa genügend Höflichkeit besessen, seinen Gast zur verabredeten Zeit zu empfangen?

Da hörte er das Wiehern wieder. Lucas ging ihm nach und blieb in der Stalltür stehen, um die Stute nicht zu erschrecken.

Das Pferd tänzelte in der Box vor und zurück – aber es war keine Stute, sondern eindeutig ein Hengst.

Ein schwarzer Hengst.

Neugierig machte Lucas einen Schritt nach vorn. Eine Holzbohle knarrte unter seinem Gewicht. Der Hengst schnaubte und warf nervös den Kopf zurück.

„Ganz ruhig, Bebé“, sagte eine leise Stimme.

Baby? Das war wohl die Krönung einer Fehlbenennung! Mit geballten Fäusten ging Lucas in den Stall. Das Pferd witterte ihn und wieherte.

Zu spät, dachte Lucas grimmig. Vor ihm standen der Flegel und das Riesenbiest, die ihn auf der Straße fast totgetrampelt hätten.

Der Junge hatte Lucas noch immer nicht bemerkt. Mit dem Rücken zum Gang streichelte er den Hals des Pferdes und redete beruhigend auf das Tier ein.

„Ein trautes Bild“, sagte Lucas, legte dem Jungen die Hand auf die Schulter und drehte ihn herum.

„He!“, rief sein Gegenüber empört.

„Genau, he.“ Ja, das war der Junge von heute Mittag. Baseballkappe, schmutziges T-Shirt, schmutzige Jeans, schmutzige Stiefel.

Nur – als ihm die Kappe vom Kopf fiel, blieb Lucas vor Erstaunen der Mund offen stehen.

Der Reiter des schwarzen Hengstes war kein Junge.

Sondern eine Frau.

2. KAPITEL

Eine Frau?

Nein, eher eine Teenagergöre. Aber das ließ sich schlecht sagen.

Denn ihr Gesicht war von Erde verschmiert. Ein breiter Schmutzstreifen prangte auf der Wange, ein zweiter verlief quer über ihre Nase. Ein langer pechschwarzer Zopf fiel ihr geflochten über Schulter und Brust.

Lucas’ Blick wanderte an dem Zopf entlang, und er wusste sofort, dass eine erwachsene Frau vor ihm stand. Das schweißnasse T-Shirt klebte fast durchsichtig an ihrer Haut, darunter zeichneten sich mehr als deutlich volle Brüste und harte Knospen ab.

Sein Körper reagierte sofort, was ihn nur noch wütender machte. Erst brachte sie ihn beinahe um, dann lachte sie ihn aus und nun auch noch diese unerwünschte Reaktion auf sie!

Als er hörte, wie sie Luft holte, legte er sofort eine Hand an ihr Kinn, um den Schrei gar nicht erst entschlüpfen zu lassen.

„Tun Sie nichts, was Sie hinterher bereuen könnten.“ Sie starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, und er genoss ihre Furcht. „Sagen Sie nicht, Sie würden mich nicht erkennen, amada.“ Ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen. „Es wäre ein Schlag für mein Ego, wenn unsere Begegnung Sie nicht ebenso beeindruckt hätte wie mich.“

Etwas flackerte in diesen erstaunlich blauen Augen auf.

Auch sie erkannte ihn. Aber dieses Mal lachte er, und sie schwebte in Gefahr – und wusste es. Gut. Eine Frau durfte den Mann ruhig fürchten, den ihr Pferd fast zertrampelt hätte.

Er zog sie zu sich. Was sie ihm nicht leicht machte. In ihrer schlanken femininen Gestalt steckte erstaunliche Kraft. Doch obwohl sie sich sträubte, hatte sie keine Chance gegen ihn. Binnen zwei Sekunden steckte sie eingekesselt zwischen Lucas und der Boxwand.

„Es war ein Unfall.“

„Ah, Sie erinnern sich also an mich.“

„Sie standen mitten auf der Straße …“

„Ist es in Texas verboten, auf der Straße zu stehen?“

„Nein. Aber unbefugtes Betreten von Privatbesitz schon.“

„Die Straße ist kein Privatbesitz. Und überhaupt, wo bleibt die viel gerühmte Gastfreundschaft des Südens? Ich besuche hier jemanden. Das ist doch bestimmt erlaubt in Texas, oder?“

„Na schön, nun kenne ich Ihren Standpunkt. Jetzt tun Sie mir den Gefallen, und gehen Sie aus dem Weg, bevor ich …“

„Bevor Sie was? Sich auf den Rücken dieses Biests schwingen und wieder versuchen, mich totzutrampeln?“

„Das habe ich nicht“, gab sie kühl zurück. „Sonst ständen Sie jetzt nicht mehr hier und würden sich auch nicht zum Narren machen.“

„Was für eine Courage“, meinte er leise.

„Was wollen Sie eigentlich?“

„Was könnte ich schon wollen?“ Er streckte die Hand aus und strich ihr über die Wange. Bei seiner Berührung zuckte sie erschreckt zurück, was ihn ungemein befriedigte. Jetzt stand die Waage wieder im Gleichgewicht. „Nur ein wenig plaudern, was sonst?“

„Wenn Sie glauben, ich wäre allein hier …“

Autor

Sandra Marton
<p>Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
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