Heiße Küsse für die Wüstenrose

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Wie ein geheimnisvoller Prinz aus 1001 Nacht sieht er aus! Magisch fühlt Dani sich von dem Fremden angezogen, dem sie in einem Geschäft auf dem Bazar begegnet. Seit ihrer Rückkehr nach Oman hat sie sich zwar geschworen, Männern aus dem Weg zu gehen. Zu schmerzlich war ihre Scheidung. Doch dieser Mann muss eine Ausnahme sein - oder? Nur seinen Vornamen nennt er ihr. Aber sein erster sinnlicher Kuss ist wie ein Quell in der Wüste für Dani, die nicht mehr an die Liebe geglaubt hat. Zu spät erfährt sie, wer der feurige Quasar ist: der erbittertste Feind ihres Vaters …


  • Erscheinungstag 11.08.2015
  • Bandnummer 1884
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721329
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ein Abstecher in ihre Lieblingsbuchhandlung in Salalah war für Dani jedes Mal wie ein Ausflug in die Märchenwelt von Tausendundeiner Nacht. Ihr Weg führte sie durch den Souk, die engen, gewundenen Gassen entlang, vorbei an Gewürz-Pyramiden, buntem Gemüse, Bergen von Datteln und Feigen. Frauen sah man kaum, das Straßenbild war von bärtigen Männern mit kunstvoll gewickelten Turbanen in langen Dishdashas geprägt – eine Szene wie aus einer anderen, längst vergangenen Zeit.

Und dann der Buchladen … Die hölzerne Doppeltür mit den schweren, schmiedeeisernen Beschlägen ähnelte dem Tor zu einer Burg. Dahinter war es kühl und dämmrig, kaum ein paar Sonnenstrahlen schafften es bis in Innere. Der balsamische Duft von Räucherstäbchen, die in einem antiken Kupfergefäß an der Decke schaukelten, hing in der Luft und vermischte sich mit dem Aroma des Tabaks, den der Ladenbesitzer in einer langen, gebogenen Pfeife schmauchte.

Meist saß er über ein dickes Buch gebeugt in der Ecke, als existiere der Laden ausschließlich zu seinem eigenen Lesevergnügen. Gut möglich, dass es so war, denn es schienen sich kaum Kunden hierherzuverirren. Dani war das egal, sie genoss wie immer die beruhigende Atmosphäre.

Die Bücher stapelten sich auf dem Boden wie das Obst der Händler in den Gassen. Romane, Gedichtsammlungen, Abhandlungen über maritime Navigierkunst, Ratgeberbücher jeder Art: auf Arabisch verfasst und mindestens fünfzig Jahre alt, in Leder gebunden, speckig vom vielen Anfassen, mit vergilbten, fleckigen Seiten. Dani hatte hier schon so manches Juwel entdeckt, und sie betrat den Laden jedes Mal voll prickelnder Vorfreude.

Als sie heute über die hohe Schwelle stieg und die schwere, süßliche Luft einatmete, stellte sie überrascht fest, dass sie nicht der einzige Kunde war. Ihr Blick fiel auf einen großen, breitschultrigen Mann.

Dani versteifte sich. Ihr gefiel es gar nicht, dass ein Fremder die verzauberte Atmosphäre ihres Refugiums der magischen Bücher störte. Auf Männer war sie in letzter Zeit ohnehin nicht gut zu sprechen. Vielleicht mit Ausnahme des Ladenbesitzers, der sanft und freundlich wirkte und ihr immer beachtliche Rabatte einräumte.

Nach kurzem Zögern beschloss sie, an dem Fremden vorbeizuschlüpfen, um den frisch hereingekommenen Bücherstapel mit Gedichtsammlungen zu inspizieren, die der Ladenbesitzer in Muscat aufgetrieben hatte. Fast hätte sie gestern schon zugeschlagen, heute war sie fest entschlossen, den Laden nicht ohne einen der goldgeprägten Bände zu verlassen.

Ihr fiel auf, dass der Eindringling westlich gekleidet war, sehr ungewöhnlich in Salalah. Er trug Jeans und ein weißes Hemd, seine Füße steckten in lässigen Slippern. Im Vorbeigehen warf sie ihm einen misstrauischen Blick zu, den sie sofort bereute, als er aufschaute und sie ansah. Was für unglaublich dunkelblaue Augen! Der Anflug eines Lächelns umspielte seinen breiten, arrogant wirkenden Mund.

Früher hätte Dani ihn wahrscheinlich umwerfend gefunden, als sie noch jung und naiv gewesen war. Diese Art von Dummheit hatte sie natürlich längst überwunden. Sie wappnete sich für den Fall, dass er die Frechheit besaß, sie anzusprechen.

Aber das tat er nicht. Warum sollte er auch? Rasch beugte sie sich über den Bücherstapel, um im nächsten Moment enttäuscht festzustellen, dass der gewünschte Band fehlte. Stirnrunzelnd überflog sie noch einmal sämtliche Titel, auch die der Stapel zur Linken und Rechten. Vielleicht hatte sie das Buch einfach nur übersehen.

Oder er blätterte gerade darin.

Sie spähte über die Schulter und schaute schnell wieder weg, als sie bemerkte, dass der Mann sie fixierte. Ihr Herz fing an heftig zu schlagen. Hatte er sie etwa die ganze Zeit beobachtet? Oder hatte er sich einfach nur im selben Moment umgedreht wie sie?

„Suchen Sie das hier?“ Beim Klang der leisen, samtweichen Stimme erschauerte sie. Reiß dich zusammen, Dani, ermahnte sie sich.

Er hielt ihr das Buch hin, das sie gesucht hatte. Eine in grünes Leder gebundene Ausgabe von „Majnun Layla“ des persischen Dichters Nizami Ganjavi aus dem Jahr 1930.

„Sie sprechen englisch“, platzte Dani ohne nachzudenken heraus. Seit sie vor drei Monaten aus New Jersey zurückgekehrt war, hatte sie niemanden mehr englisch reden gehört.

Er lächelte, runzelte gleichzeitig leicht die Stirn. „Ja, stimmt, das war mir gar nicht bewusst. Vermutlich habe ich zu viel Zeit in den Staaten verbracht. Oder mein Bauchgefühl hat mir verraten, dass Sie englisch sprechen.“

„Ich habe ein paar Jahre in den USA gelebt.“ Er sah wirklich toll aus, strahlend wie ein Filmstar. Doch sie hatte gelernt, ein Buch nicht nach seiner Hülle zu beurteilen. Dani räusperte sich. „Ja, das ist das Buch, das ich gesucht habe.“

„Schade. Ich wollte es gerade kaufen“, erwiderte er, immer noch auf Englisch. Seinem Aussehen nach war er Omani, in seiner westlichen Kleidung wirkte er geradezu exotisch.

„Sie waren zuerst da“, gab sie sich gleichmütig.

„Streng genommen nicht. Sie haben das Buch ja offensichtlich vor mir entdeckt, also waren Sie die Erste.“ Belustigung zeigte sich in seinen ungewöhnlich blauen Augen. „Haben Sie es gelesen?“

„Klar, schon ein paarmal, schließlich ist es ein Klassiker.“

„Worum geht es?“

„Um eine tragische Liebesgeschichte.“ Das müsste er doch eigentlich wissen? Womöglich konnte er gar nicht Arabisch lesen. Er hatte einen seltsamen Akzent. Britisch vielleicht.

„Manchmal denke ich, sämtliche Liebesgeschichten enden tragisch. Kaum jemals ein Happy End, weder in der Literatur noch im wahren Leben.“

„Keine Ahnung. Meine Erfahrungen auf diesem Gebiet sind ziemlich ernüchternd.“ Im selben Moment, als sie das sagte, war sie schockiert über ihre Worte. Was ging diesen Fremden ihre enttäuschte Liebe an!

„Meine ebenfalls“, bestätigte er. „Wahrscheinlich lieben wir deshalb Tragödien, in denen am Ende jeder stirbt, weil uns im Vergleich dazu unser eigenes Unglück weniger schlimm erscheint.“ Die Worte klangen freundlich, kein bisschen spöttisch. „Sind Sie aus diesem Grund nach Salalah zurückgekehrt? Um eine unglückliche Liebe hinter sich zu lassen?“

„Ja.“ Sie schluckte. „Genauer gesagt meinen Mann – Exmann. Den sehe ich hoffentlich nie wieder.“ Solche privaten Details sollte sie einem Fremden eigentlich nicht anvertrauen. Scheidung war im Oman immer noch ein kleiner Skandal.

„Mir geht es ähnlich wie Ihnen.“ Beim Anblick seines warmen Lächelns entspannte Dani sich. „Eigentlich lebe ich in den Staaten. Aber manchmal habe ich das Gefühl, festen Boden unter den Füßen spüren zu müssen. Dann komme ich für ein paar Wochen hierher. Irgendwie ist es tröstlich zu erleben, dass die Uhren hier immer noch langsamer gehen. Alles ist wie früher – beständig, verlässlich.“

„Anfangs fand ich das eher erschreckend. Abgesehen von all den modernen Autos und Smartphones, könnten wir in Salalah genauso gut im Mittelalter leben. Mein Vater und meine Brüder missbilligen es streng, wenn ich das Haus ohne männliche Begleitung verlasse. Was für ein Witz, nachdem ich immerhin die letzten neun Jahre in Amerika verbracht habe.“

„Der Kulturschock kann einen ganz schön aus der Bahn werfen. Ich selbst habe die letzten vier Jahre in Los Angeles gelebt. Schön, mal jemanden zu treffen, der im selben Boot sitzt. Sagen Sie, haben Sie Lust, einen Kaffee mit mir zu trinken?“

Sie erschrak. Im Oman bedeutete eine solche Einladung eine unverhohlene Anmache. „Lieber nicht.“

„Warum nicht? Glauben Sie, Ihr Vater und Ihre Brüder hätten etwas dagegen?“

„Ich weiß, dass sie etwas dagegen hätten.“ Unter ihrer dunkelblauen Abaya klopfte ihr Herz zum Zerspringen. Wenn sie ehrlich war, hatte sie große Lust, seine Einladung auf einen Kaffee anzunehmen. Zum Glück hatte sie sich noch so weit im Griff, diesem Impuls nicht nachzugeben.

„Lassen Sie mich wenigstens das Buch für Sie kaufen.“ Er drehte sich um, ging zum Tresen, hinter dem der Buchhändler saß. Den hatte sie völlig vergessen! Er hatte ihre Unterhaltung wohl nicht mit angehört, jedenfalls ließ er sich nichts anmerken.

Dani wollte protestieren, dem Fremden verbieten, ihr das Buch zu kaufen, doch bis sie sich vom ersten Schreck erholt hatte, wickelte der Ladenbesitzer das Buch bereits ein. Also schwieg sie, um kein Aufsehen zu erregen.

„Danke.“ Ein gezwungenes Lächeln um die Lippen, nahm sie das Päckchen entgegen. „Um mich für Ihr großzügiges Geschenk zu revanchieren, sollte ich Sie auf einen Kaffee einladen.“ Das Buch war nicht billig. Und wenn sie den Kaffee spendierte, dann war es kein Date, oder? Hey, immerhin war sie siebenundzwanzig und keine scheu errötende Jungfrau mehr. Sie durfte einen Kaffee mit einem Gleichgesinnten trinken. Klopfenden Herzens wartete sie auf seine Antwort.

„Das wäre wirklich sehr freundlich von Ihnen.“ An seinem Blick war nun wirklich nichts Anzügliches. Und für sein gutes Aussehen konnte er schließlich nichts, oder? Seine geschliffenen Manieren allerdings könnte eine Frau leicht als Interesse an ihrer Person missinterpretieren, aber so naiv war Dani nicht.

„Okay, abgemacht.“

Sie traten in die gleißende Nachmittagssonne hinaus und spazierten die Straße entlang zu einem modernen Shopping-Center, in dem erst kürzlich ein neues Café eröffnet hatte. Die im westlichen Stil gehaltene Einrichtung empfand Dani als seltsam beruhigend, es minderte das Gefühl, gerade einen schrecklichen Fauxpas zu begehen.

Nachdem sie sich gesetzt hatte, wurde ihr bewusst, dass sie nicht einmal den Namen ihres Begleiters kannte. Mit einem raschen Blick versicherte sie sich, dass niemand in Hörweite war, dann beugte sie sich vor und raunte: „Übrigens, ich heiße Daniyah …“ McKay wollte sie hinzufügen, zögerte dann aber. Aus einem Impuls heraus beschloss sie, den Nachnamen ihres Ex nicht mehr zu benutzen. Hassan, der Familienname ihres Vaters, schien ihr ebenfalls nicht passend. „Nennen Sie mich ruhig Dani.“

„Quasar.“

Auch er unterschlug seinen Nachnamen. Vielleicht war es besser so. Schließlich waren sie nur flüchtige Bekannte, mehr nicht. Im hellen Tageslicht sah er beinahe beängstigend gut aus mit seinem energischen Kinn und dem leicht zerzausten Haar, das ihm eine Aura von Verwegenheit verlieh.

Schnell wandte Dani den Blick ab. Sie brauchte diesen Mann nur anzuschauen, und ihr wurde ganz heiß. „Ich hätte gerne einen Milchkaffee.“

Er bestellte in akzentfreiem Arabisch. „Ich auch. Obwohl … eigentlich sollten wir den Kaffee hier schwarz und mit ein paar Datteln genießen, wie es sich gehört.“

Dani musste lachen. Sie verstanden sich … genau wie zwei Verschwörer. „Schrecklich, oder? Ich könnte für ein Burrito sterben oder für ein meterlanges Baguette.“

„Kehren Sie bald wieder nach Amerika zurück?“

Die Frage überrumpelte sie. „Ich weiß es nicht. Keine Ahnung, was ich tun werde“, gab sie ehrlich zu. Was für eine Erleichterung, sich in Gegenwart dieses Fremden nicht verstellen zu müssen. „Ich bin ziemlich überstürzt abgereist. Im Moment fühle ich mich, als sei ich in eine Art … Flaute geraten.“

„Flaute?“

„Na ja, wie ein Segelschiff, das nicht von der Stelle kommt, weil der Wind ausbleibt.“ Womöglich war Quasar der Wind, auf den sie so sehnsüchtig wartete? Heute war jedenfalls definitiv der aufregendste Tag seit ihrer Ankunft in Salalah vor drei Monaten.

„Sie brauchen also einen Windstoß, um sich wieder auf Spur zu bringen.“

„So ungefähr.“ Das Funkeln in seinen Augen schmeichelte ihr. Er sah sie auf eine Weise an, als fände er sie attraktiv. Schätzte sie das richtig ein? Ihr Ex hatte ihr immer das Gefühl gegeben, hässlich und eine Versagerin zu sein, obwohl sie sich früher durchaus für hübsch gehalten hatte.

Im Moment kam sie sich in ihrem weiten Gewand und den weiten Hosen plump und altbacken vor, doch Quasar schien sie zu gefallen. „Weshalb sind Sie hier?“, fragte sie.

„Um meinen Bruder und seine Familie zu besuchen. Und um ein bisschen Heimatluft zu schnuppern. Zu lange am Stück will ich nicht wegbleiben, schließlich möchte ich meine Wurzeln nicht ganz kappen.“

Sein schiefes Lächeln war einfach entwaffnend! Und der Anblick seines durchtrainierten Körpers weckte längst vergessen geglaubte Gefühle in Dani.

„Dann sollten Sie eine Dishdasha tragen.“ Hm, schwer vorstellbar – Quasar in dem langen weißen traditionellen Gewand mit der geknoteten Schärpe, in dem der obligatorische Krummdolch steckte.

Er hob eine Braue. „Meinen Sie, darin würde ich besser aussehen?“

Er flirtete mit ihr!

„Nein“, erwiderte sie achselzuckend. „Ich trage diesen Sack nur, um meiner Familie nicht noch mehr Schande zu machen. Sie haben meinetwegen schon genug Kummer.“

Neugier flackerte in seinem Blick auf. „Sie sehen gar nicht aus wie eine Skandalnudel.“

„Dann funktioniert meine Tarnung wohl. Ich versuche mich anzupassen und unter dem Radar wegzutauchen.“

„Das wird nicht klappen, dazu sind Sie viel zu hübsch.“ Er sprach leise, sodass der Kellner ihn nicht hören konnte, trotzdem war Dani schockiert.

„Selbst die traditionelle Kleidung erlaubt es Ihnen, Ihr Gesicht zu zeigen“, fuhr Quasar sanft fort. „Das müssten Sie auch verstecken, um wirklich unsichtbar zu sein.“

„Oder ich dürfte gar nicht erst das Haus verlassen. Das würde meinem Vater so passen. Er hat keine Ahnung, dass ich mich hier draußen herumtreibe. Wahrscheinlich wähnt er mich in diesem Moment mit einem Gedichtband in meinem alten Kinderzimmer. Hey, ich bin siebenundzwanzig und geschieden, und ich muss mich aus dem Haus schleichen wie ein unmündiger Teenager.“

Quasar quittierte ihre Bemerkung mit einem Lachen. Bevor er etwas erwidern konnte, kam der Kellner mit ihrer Bestellung. Fasziniert beobachtete Dani, wie Quasar die sinnlichen Lippen an den Rand der Tasse legte, um an seinem Kaffee zu nippen. Sofort wurde ihr wieder ganz heiß.

„Scheint so, als bräuchten Sie dringend eine kräftige Brise, um Ihre Segel zu blähen“, meinte er schließlich.

„Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, was ich brauche. Meine Scheidung ist gerade erst rechtskräftig geworden.“

Er hob die Kaffeetasse wie zum Toast. „Herzlichen Glückwunsch.“

„Ja, wirklich ein Grund zu feiern, obwohl es das eigentlich nicht sein sollte“, erwiderte sie achselzuckend.

„Wir alle machen Fehler. Ich bin einunddreißig und unverheiratet – auch nicht richtig. Jedenfalls behaupten das meine beiden glücklich verheirateten Brüder.“

„Ah, Sie sollen sich also eine Braut suchen und eine Familie gründen?“

„Ganz genau.“

Dani lachte leise in sich hinein. Ganz sicher würden seine Brüder ihn nicht ermutigen, eine geschiedene Frau zu heiraten. Mehr als gute Freunde würden sie nie werden, das fand sie irgendwie beruhigend. Sie konnte ihn also gefahrlos aus der Ferne anschmachten, ohne sich Gedanken über eine eventuelle gemeinsame Zukunft machen zu müssen.

Diese Vorstellung stimmte sie gleichzeitig traurig. Sie war beschädigte Ware, sozusagen eine „Unberührbare“. „Und? Wie gefällt Ihnen die Idee zu heiraten?“

„Überhaupt nicht, um ehrlich zu sein“, bekannte er zerknirscht. „Wäre ich für die Ehe geschaffen, läge ich bestimmt schon längst an der Leine.“

„Sie haben nur noch nicht die Richtige gefunden.“

„Das behaupten alle.“

„Es ist besser, zu warten, glauben Sie mir. Hat man erst die falsche Wahl getroffen, wird es schwer, aus der Nummer wieder herauszukommen.“ Die Frauen liefen ihm bestimmt in Scharen nach. Wie aufs Stichwort setzten sich zwei junge Mädchen an den Tisch neben ihnen und linsten immer wieder kichernd und tuschelnd herüber.

Womöglich tuschelten die beiden über sie? Dani konnte nicht einschätzen, wie weit sich ihr Ehedrama herumgesprochen hatte. Bei ihrer Rückkehr war sie davon ausgegangen, dass niemand sich mehr an sie erinnerte und es sowieso niemanden interessierte, was sie tat. Ein Irrtum. In puncto Klatsch und Tratsch war Salalah das reinste Kaff.

Sie trank von ihrem Kaffee und wechselte das Thema. „Was machen Sie beruflich?“

„Ich beschäftige mich mit allem, was mein Interesse weckt.“ Während er das sagte, nahm er den Blick nicht von ihrem Gesicht. Dani war das nicht gewohnt, es brachte sie durcheinander. „Am liebsten engagiere ich mich in innovativen Projekten. Neuland sozusagen. Das ist die ultimative Herausforderung.“

„Klingt wie Bergsteigen.“

„Da gibt es tatsächlich einige Parallelen“, bemerkte er mit einem humorvollen Zwinkern. „Zurzeit haben es mir dreidimensionale Drucktechniken angetan. Sie werden die industriellen Herstellungsprozesse revolutionieren. Stellen Sie sich vor, Sie könnten ein Paar neuer Schuhe designen und im nächsten Arbeitsschritt fertig ausdrucken, und das alles bei sich zu Hause.“

„Macht bestimmt Spaß.“

„Man setzt diese Technologie sogar ein, um menschliches Gewebe für Operationen wie Hauttransplantationen herzustellen.“

„Cool.“

„Ja, das dachte ich auch. Also habe ich in ein Start-up-Unternehmen investiert und mitgeholfen, die Technologie weiterzuentwickeln. Erst kürzlich habe ich meine Anteile verkauft.“

„Warum? Das klingt doch nach einem faszinierenden Unternehmen.“

„Auf zu neuen Ufern, wie es so schön heißt.“

„Sie sind rastlos“, stellte Dani fest.

„Schon immer gewesen.“

Deshalb war er also noch nicht verheiratet. Offensichtlich langweilte er sich schnell. Dann zog er weiter und suchte ein neues Abenteuer.

„Und was machen Sie?“ Er beugte sich ein Stück vor, dicht genug, sodass sie den Duft seines Aftershaves wahrnehmen konnte. Es vermischte sie mit dem intensiven Aroma des Kaffees – eine reizvolle Mischung.

Warum zerbrach sie sich überhaupt den Kopf darüber, wie er roch? Fand sie ihn etwa als Mann toll? Das wäre zumindest eine Erklärung für das heftige Pochen ihres Herzens und die Hitze, die sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete.

Sie war selbst überrascht, hatte nicht erwartet, dass ihr das noch einmal passieren würde. Dieser Teil von ihr war also doch noch am Leben. Nicht etwa, dass sie das weiterbringen würde.

Seine Augen funkelten belustigt, und einen beunruhigenden Moment lang fragte sie sich, ob er wohl Gedanken lesen konnte. „Ist Ihr Beruf ein Geheimnis? Womöglich sind Sie CIA-Agentin?“

Sie wurde rot. „Ich bin Kunsthistorikerin und habe in Princeton gearbeitet. Mein Fachgebiet ist der Mittlere Osten.“

„Gehe ich recht in der Annahme, dass der Oman dazugehört?“

„Ja. Der Mittlere Osten umfasst ein großes Gebiet und ist die Wiege vieler großer Zivilisationen.“

„Mesopotamien, die Sumerer, die Zikkurats von Ur-Nammu“, zählte er triumphierend auf.

„Bravo, Sie kennen sich aus. Die meisten Menschen denken zuerst an das alte Ägypten.“

„Ich klinge bestimmt wie ein Angeber.“

„Ein bisschen.“ Dani unterdrückte ein Lächeln. Sein Selbstvertrauen grenzte schon an Arroganz, machte ihn aber nicht unsympathisch. „Ich verspreche, es Ihnen nicht vorzuwerfen.“

„Vielen Dank. Sie sollten mal das Museum meines Bruders sehen. Er hat direkt an der historischen Seidenstraße ein Hotel gebaut, Museum inklusive.“

„Das klingt wie ein Albtraum.“

„Es würde Ihnen gefallen, ganz sicher! Er hat es geschafft, eine alte Ruine wiederaufzubauen und in ein Luxushotel zu verwandeln, wobei er sich so gut wie möglich an das Original gehalten hat.“

„Ihre Familie scheint wirklich außergewöhnlich zu sein.“

Er lachte auf. „Gut möglich. Jeder geht seinen Weg, und zwar in ganz verschiedene Richtungen. Übrigens, bei Freilegung des Geländes hat man einige Tontöpfe und kleine Figuren gefunden, die im Museum ausgestellt sind. Vielleicht interessiert Sie das.“

„Oh, ganz bestimmt. Wissen Sie, aus welcher Ära die stammen?“

„Keine Ahnung, sorry. Was halten Sie davon, wenn wir mal zusammen hinfahren? Vielleicht morgen? Es ist nicht weit.“

Keine Chance. Sie konnte unmöglich mit einem fremden Mann irgendwo hinfahren. Zum einen wäre das wirklich leichtsinnig, sie kannte ihn schließlich nicht. Von seinem guten Aussehen und seinen geschliffenen Manieren durfte sie sich nicht blenden lassen. Davon abgesehen, würde ihr Vater es nie erlauben. „Ich kann nicht.“

„Dann vielleicht ein andermal. Erlauben Sie mir, Ihnen meine Telefonnummer zu geben?“

Dani schaute zu den beiden jungen Mädchen am Nebentisch. Die würden bestimmt mitkriegen, wenn er ihr seine Telefonnummer aufschrieb. Andererseits, was sollte schon passieren, wenn sie ihn doch nie anrief?

Mit gemischten Gefühlen beobachtete sie, wie er schwungvoll seine Nummer auf eine blaue Serviette kritzelte. „Ich wohne im Hotel meines Bruders direkt am Meer. Und Sie?“

Sie schluckte. Allmählich wurde ihr das ein bisschen zu persönlich. „In der Nähe.“ Niemand wusste, dass sie hier war, und genau so wollte sie es haben. „Ich muss jetzt wirklich los.“ Schnell ließ sie die Serviette in ihrer Tasche verschwinden.

„Ich begleite Sie nach Hause.“

„O nein, nicht nötig. Bleiben Sie hier und entspannen Sie sich.“ Als sie ein paar Münzen für den Kaffee auf den Tisch legte, schob er diese entrüstet beiseite. Notgedrungen musste sie wohl seine Einladung akzeptieren, um eine Szene zu vermeiden. „Danke für den Kaffee.“

Dani stand auf, er erhob sich ebenfalls. Einen verrückten Moment lang fürchtete sie schon, er würde versuchen, sie zu küssen. Adrenalin schoss durch ihren Körper. „Und vielen Dank noch mal für das Buch.“

„Rufen Sie mich an, bitte. Wegen unseres kleinen Ausflugs. Das macht bestimmt Spaß.“

Wortlos drehte Dani sich um und verließ das Café so schnell sie konnte. Seit Monaten – nein, seit Jahren – hatte sie sich nicht mehr so lebendig gefühlt wie heute. Und das alles wegen eines Mannes, mit dem sie eigentlich nicht mal reden durfte.

Rasch ging sie nach Hause. Ihr Vater würde erst später kommen, aber sie wollte zurück sein, bevor ihre Brüder aus der Schule eintrudelten. Normalerweise bereitete sie ihnen einen Imbiss vor, doch heute blieb ihr keine Zeit mehr dazu. Sie schaffte es gerade noch, ihr neu erstandenes Buch in ihr Schlafzimmer zu bringen und die Serviette mit Quasars Telefonnummer in der Schublade ihrer Wäschekommode zu verstecken, bevor ihr Bruder Khalid durch die Eingangstür ins Haus stürmte.

Sie traf ihn in der Küche, wo er mit enttäuschter Miene den leeren Tisch beäugte. „Ich habe ein Mittagsschläfchen gemacht“, meinte Dani entschuldigend. Wurden die beiden nicht ein bisschen zu abhängig von ihr? Schließlich hatte sie nicht vor, für immer hierzubleiben.

„Hey, du wirst wohl langsam alt, was?“, zog er sie auf.

Was er wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass sie einem fremden Mann erlaubt hatte, ihr ein Buch zu schenken? Wahrscheinlich würde er sie für verrückt erklären.

Nachdem sie sich eine Weile in ihren neuen Gedichtband vertieft hatte, wurde sie durch energisches Türklopfen aufgeschreckt. Ihr Vater und sein tägliches Ritual. Obwohl die Tür offen war, legte er Wert darauf, dass ihn jemand in Empfang nahm. Dani tat ihm den Gefallen, zwang sich zu einem strahlenden Lächeln. „Hallo, Dad.“ Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Wie war dein Tag?“

„Wie immer“, erwiderte er mürrisch. „Zu viele Idioten im Geschäft. Stellen alles Bewährte infrage, nur um Geld zu sparen.“ Ihr Vater war Ingenieur und tat sich schwer mit neuen Technologien und modernen Arbeitsmethoden. Er fragte Dani nicht, wie ihr Tag gewesen war, daran hatte sie sich inzwischen schon gewöhnt.

„Hilf Faizal heute bitte, ein exzellentes Abendessen zu zaubern, Liebes.“ Faizal war ihr Koch. Er kam jeden Abend, um das Dinner zuzubereiten. „Ein guter Freund von mir wird uns beim Essen Gesellschaft leisten.“ Der forschende Blick ihres Vaters verursachte ihr Unbehagen.

„Oh, fein. Ein Kollege?“

„Nein, niemand aus der Firma. Ein Zulieferer, Nuten und Gewindemuttern.“ Kritisch hob er die Brauen. „Zieh dir etwas Nettes an, irgendeine Farbe, die dir besser steht.“

Flüchtig blickte sie an ihrem marineblauen Kaftan herunter. „Was ist daran auszusetzen?“

„Dieses Blau macht dich blass. Eine hellere Farbe würde dich viel attraktiver erscheinen lassen.“

Dani war sprachlos. Es war das erste Mal, dass ihr Vater ihre Kleidung kommentierte. Wollte er sie etwa mit seinem Freund verkuppeln? Sie wollte fragen, wagte es aber nicht.

Bisher hatte sie angenommen, dass er sie als eine Art Paria betrachtete, eine Ausgestoßene, die sowieso nie wieder einen Mann finden würde. Nicht der Mühe wert, Energie darauf zu verschwenden. Vielleicht hatte er es inzwischen satt, sie noch länger unter seinem Dach durchzufüttern, und versuchte, die Verantwortung für sie auf einen anderen abzuwälzen.

Rasch eilte Dani in ihr Zimmer, fest entschlossen, ein Outfit zu wählen, das ihr noch weniger zu Gesicht stand als das blaue.

Quasar hatte sie attraktiv gefunden, so viel stand fest. Unter seinen bewundernden Blicken hatte sie sich begehrt gefühlt wie eine blühende Schönheit. Dieses Gefühl hatte Verlangen in ihr geweckt. Allein bei der Erinnerung daran wurde ihr schon wieder ganz heiß.

Autor

Jennifer Lewis
Jennifer Lewis gehört zu den Menschen, die schon in frühester Kindheit Geschichten erfunden haben. Sie ist eine Tagträumerin und musste als Kind einigen Spott über sich ergehen lassen. Doch sie ist immer noch überzeugt davon, dass es eine konstruktive Tätigkeit ist, in die Luft zu starren und sich Wolkenschlösser auszumalen....
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