Höchstgebot für die Leidenschaft

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

„Fünfhunderttausend Pfund!“ Alicia ist fassungslos: Für diese astronomische Summe ersteigert Milliardär Graciano Cortéz sie bei einer Benefiz-Auktion. Fünf Tage gehört sie nun ihm – ihrer unvergessenen Jugendliebe! Aber was hat er vor? Das macht der feurige Spanier ihr schnell klar, als er sie auf seine Privatinsel einlädt. Er will Antworten, warum sie ihm damals das Herz gebrochen hat! Und er setzt alles daran, sie am nächtlichen Strand zu verführen! Seine Küsse machen Alicia wehrlos vor Verlangen. Aber niemals darf er ihr größtes Geheimnis erfahren …


  • Erscheinungstag 08.08.2023
  • Bandnummer 2608
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518703
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Es tut mir so leid, ich …“ Die Entschuldigung auf den Lippen von Alicia Griffiths erstarb, als sie hochschaute, noch höher, über einen stattlichen Brustkorb, breite Schultern und einen sonnengebräunten Hals in ein nur allzu vertrautes Gesicht.

Obwohl zehn Jahre vergangen waren, gab es keinen Zweifel, wer vor ihr stand.

Graciano Cortéz.

Der Boden unter ihren Füßen schien nachzugeben. Sie hob eine Hand, hakte den Zeigefinger um ihre zarte Halskette und zog sie hin und her. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.

„Alicia.“ Er war offenkundig überrascht, erholte sich aber deutlich schneller als sie. Langsam ließ er den Blick aus den beinahe schwarzen Augen über sie wandern. Erst zu den hellen Haaren, den weit auseinanderstehenden grünen Augen und den geschwungenen pinkfarbenen Lippen. Anschließend zum Dekolleté, das ihr seidenes Abendkleid entblößte.

Sie war ohnehin schon ein Nervenbündel gewesen. Eine so große Benefizgala hatte sie noch nie organisiert, und sie wollte unbedingt ein kleines Vermögen an Spenden zusammentrommeln. Die Begegnung mit Graciano warf sie völlig aus der Bahn.

„Was machst du denn hier?“, platzte sie heraus. Zugegeben, sie hatte die Gästeliste vorgestern das letzte Mal durchgesehen. Nachdem sämtliche Tickets verkauft worden waren und die üblichen großzügigen Spender zugesagt hatten, spielten die Namen keine große Rolle mehr. Allerdings wäre ihr Gracianos Name definitiv aufgefallen. Er musste ein Nachzügler sein.

„Soweit ich informiert bin, ist dies ein freies Land“, antwortete er ebenso gebieterisch wie spöttisch.

Als sie seine Stimme mit dem spanischen Akzent hörte, krümmte sie instinktiv die Zehen. Alles in ihr krampfte sich zusammen. Dieser Mann glich einem Strudel, der sie in sich hineinzog. Aber noch viel schlimmer: Er war auch der Vater ihrer Tochter. Einem Kind, von dem er nichts wusste, weil er jeden ihrer Versuche, ihn nach jenem grässlichen Morgen in Sevilla zu kontaktieren, abgeblockt hatte.

„Bist du meinetwegen hergekommen?“, fragte sie verdattert. Gütiger Himmel, wusste er etwa doch von Annie? Suchte er die Konfrontation? Wollte er ihr ihre Tochter wegnehmen? Bei der Vorstellung spürte sie, wie ihr sämtliches Blut aus dem Gesicht wich.

„Aus welchem Grund sollte ich dich treffen wollen, Alicia?“

Ihre Augen weiteten sich angesichts seiner unverhohlenen Verachtung. Sie hätte sich freuen sollen, weil er die Wahrheit nicht kannte. Stattdessen wurde sie noch nervöser.

Achtzehn war er bei ihrer letzten Begegnung gewesen – noch ein Teenager, aber mit mehr Entschlossenheit in seinem kleinen Finger, als die meisten Menschen im ganzen Körper besaßen. Er nahm nicht nur einfach so an der Gala teil.

„Sag du es mir“, meinte sie und warf rasch einen Blick über seine Schulter. Sie musste auf die Bühne, aber ihre Füße fühlten sich an wie festgenagelt.

„Es gibt keinen Grund“, sagte er nachdrücklich. „Vor zehn Jahren habe ich geschworen, dass du der letzte Mensch bist, dem ich noch einmal begegnen will. Ich habe meine Meinung nicht geändert.“

Er sagte es dermaßen kalt, dass sie kaum merklich zusammenzuckte. Jener Morgen in Sevilla, die Worte ihres Vaters, seine Vorwürfe an Graciano – die Erinnerungen waren in sie eingebrannt. Wie oft hatte sie davon geträumt? Gewünscht, sie hätte etwas getan oder gesagt, statt sich auf die Seite ihres Vaters zu stellen. Zuzuschauen, wie Graciano beschimpft und fortgejagt wurde. Es spielte keine Rolle, dass sie später versucht hatte, sich zu entschuldigen. Alles zu erklären. Ihm von dem Kind zu erzählen, das sie erwartete. Er hatte Alicia aus seinem Leben verbannt, und sie konnte es ihm nicht verübeln.

„Das ist lange her“, sagte sie leise, obwohl es nicht wirklich stimmte. Annie verlieh der gemeinsamen Vergangenheit nämlich eine höchst aktuelle Bedeutung.

„Ja“, pflichtete er mit einem Schulterzucken bei. „Entschuldige mich, mein Date wartet.“

Bevor Alicia sich bremsen konnte, schaute sie sich um. Eine langbeinige Frau kam aus dem Waschraum. Sie warf sich die roten Locken über eine Schulter und stolzierte auf Graciano zu, als wäre dies nicht der Korridor eines Hotels, sondern ein Laufsteg.

„Graciano …“, begann Alicia mit gerunzelter Stirn.

Was sollte sie sagen? Irgendwann hatte sie ihre Versuche, ihn zu kontaktieren, eingestellt. Sich damit abgefunden, dass er ohnehin nichts mit einem Kind von ihr zu tun haben wollte. Aber jetzt? Er stand direkt vor ihr. Gewiss war es ihre Pflicht, die Chance zu nutzen und ihn aufzuklären.

Und was dann? Einen Prozess um das Sorgerecht riskieren, falls sie sich geirrt hatte? Mit einem derart reichen und mächtigen Mann?

„Ich …“

Vernichtend sah er sie an. Er hatte beide Hände in die Hosentaschen geschoben, doch Alicia spürte eine Anspannung in seinem muskulösen Körper, die seine lässige Haltung Lügen strafte.

„Könntest du mich später auf einen Drink treffen?“, flüsterte sie. Auch wenn sie eine Heidenangst vor der Unterhaltung hatte: Es war richtig, ihm die Wahrheit zu sagen. Sie musste den Graciano von heute wenigstens kennenlernen, damit sie ihren nächsten Schritt planen konnte. Annie war ihre oberste Priorität. Und was schuldete sie diesem Mann? Immerhin hatte er sich geweigert, ihre Anrufe entgegenzunehmen, und schließlich sogar seine Handynummer geändert.

„Nein.“

Mit dieser unverblümten Ablehnung hatte sie nicht gerechnet. Ihr Magen vollführte einen Sturzflug. „Gib mir zehn Minuten.“

„Es ist lange her, dass ich zuletzt glaubte, ich müsse dir irgendetwas geben.“

In den zehn Jahren sind seine Gefühle nicht milder geworden, erkannte sie. Er war noch genauso zornig wie damals.

Kein Wunder. Ihr Vater hatte ihm fast eine halbe Stunde jede nur erdenkliche Beleidigung an den Kopf geworfen. Alicia hatte stumm danebengestanden und sich durch ihr Schweigen mitschuldig gemacht. Sie erinnerte sich an den Ausdruck auf Gracianos Gesicht. Seine Erwartung, dass sie klarstellte, es gehe nicht um einen sexuellen Übergriff, sondern um eine Beziehung.

Sie hatte es nicht fertiggebracht, den Zorn ihres Vaters auf sich zu laden. Ihr Selbsterhaltungstrieb war ihr sogar wichtiger als Graciano gewesen.

Für diesen stolzen Mann, den die Menschen fast sein ganzes Leben lang schlecht behandelt und verlassen hatten, war ihr Verhalten unverzeihlich.

„Bitte“, fügte sie leise hinzu.

Seine Augen verengten sich. Alicias Wirbelsäule kribbelte. Das Zeitfenster schloss sich, denn die rothaarige Frau war inzwischen fast bei ihnen angekommen. Andererseits … Graciano war zu Gast hier, also musste Alicias Assistentin seine Kontaktdetails haben. Es bestand keine Notwendigkeit, etwas zu überstürzen. „Egal“, sagte sie also und schüttelte den Kopf, wobei ihr eine glatte blonde Strähne in die Stirn fiel. Sie hob eine Hand, strich sich die Haare aus dem Gesicht – und bekam eine Gänsehaut, weil Graciano ihrer Geste mit dem Blick folgte. „Es spielt keine Rolle.“

Zustimmend neigte er den Kopf. Bevor sie noch etwas sagen konnte, drehte er sich um, legte einen Arm um die Taille der rothaarigen Frau und führte sie in den Ballsaal. Der Anblick der feiernden Menschen stand in direktem Widerspruch zu Alicias innerem Aufruhr.

Gerade hatte sich die Tür zu ihrer Vergangenheit einen Spalt geöffnet, und sie hatte keine andere Wahl, als hindurchzugehen.

Es gab nicht viel, das Graciano Cortéz überraschen konnte. Nachdem er vor zehn Jahren aus dem Elternhaus von Alicia Griffiths geworfen worden war, hatte er geglaubt, ihr nie wieder zu begegnen. Hatte geglaubt, dass sie keine Macht mehr über ihn besaß und ihn nicht erreichen konnte. Dass sie für ihn gestorben war.

Ein Irrtum, erkannte er, als sie jetzt auf der Bühne stand. Ein Blitz schien durch seinen Körper zu zucken. Derselbe Blitz, der ihn vor zwanzig Minuten auf dem Korridor fast umgeworfen hatte.

Vor einem Jahrzehnt, während dieser kurzen Zeit des Glücks, hatte er es für möglich gehalten, dass sein Leben schön sein konnte. Dass ihn jemand akzeptierte, wie er war – ja, sogar liebte. Jemand hatte ihn dazu gebracht zu lächeln, zu lachen und zu vertrauen. All das in ihm zum Leben erweckt, was er für abgestorben gehalten hatte. Zunächst war er hinter die Schutzmauer geflohen, die er Stein um Stein aufgebaut hatte. Aber Alicia hatte ihn hervorgelockt, jedes Mal ein Stückchen weiter.

Aus dem Grund war jener Morgen ja auch derart furchtbar gewesen.

Voller Bitterkeit dachte er an seinen dummen Fehler.

Du bist wertlos, Bursche, Abschaum von der Straße, und das wirst du auch immer bleiben. Scher dich von meinem Grundstück, bevor ich die Polizei rufe.

Sogar heute noch spannten sich bei der Erinnerung alle Nerven in seinem Körper an. Adrenalin strömte durch seine Adern, während sich auf seiner Zunge ein metallischer Geschmack ausbreitete.

Gleich beim ersten Problem hatte Edward Griffiths, ein Pfarrer, ihn hinausgeworfen. Und Alicia hatte schweigend zugeschaut, statt zuzugeben, dass es sich um einvernehmlichen Sex handelte und sie einander – nein, nicht liebten. Um Liebe war es nicht gegangen. Damals hatte er das zwar geglaubt, aber er war ja auch ein törichter Teenager gewesen, auf der Suche nach etwas, das nicht existierte.

An Hormonen hatte es gelegen, an Lust, Verlangen und dem Reiz der verbotenen Frucht, einer der ältesten Verlockungen der Welt. Er hatte Alicia gewollt, weil er sie nicht haben konnte. Und sie war stumm geblieben, als ihr Vater ihn der Vergewaltigung beschuldigte. War sogar näher an Edward herangerückt, um ihm eine Hand in die Ellenbeuge zu schieben.

Sie hatte Graciano verraten. Von ihr und ihrem Vater hatte er viel gelernt. Seit damals hielt er Menschen auf Distanz, als würde sein Leben davon abhängen.

Mit zusammengebissenen Zähnen beobachtete er sie jetzt und ging die kurze Unterhaltung von eben noch einmal durch. Alicias Lächeln war befangen. Seinetwegen? Er presste die Hand fester auf sein Knie. Regungslos saß er da, als wäre er in Stein gehauen.

„Guten Abend.“ Sie ließ den Blick über die Gäste schweifen.

Hält sie nach mir Ausschau? Natürlich sah sie älter aus. Sie wirkte kultivierter, weiblicher. Nicht so frech wie die Sechzehnjährige, der er, selbst erst achtzehn, wie ein Hündchen gefolgt war. Anders als damals fielen ihr die blonden Locken nicht auf den Rücken. Heute waren sie geglättet und zu einem eleganten Pferdeschwanz gebunden, der bei jeder Kopfbewegung in einer anderen Farbnuance glänzte. Sie war makellos geschminkt. Die Alicia von früher hatte nie Schminke getragen. Ihr Vater hätte es bei seinem kleinen Mädchen nicht geduldet.

Objektiv betrachtet war sie schön. Das war sie immer gewesen. Obwohl Graciano sie hasste, hatte er im Korridor ein vertrautes Verlangen gespürt. Am liebsten hätte er sich vorgebeugt, ihr die lose Strähne aus dem Gesicht gestrichen und die Fingerspitzen über ihre Wangen gleiten lassen. Ihre weichen Lippen erst mit der Hand und dann mit dem Mund erkundet. Innerlich stieß er einen Fluch aus.

Vor zehn Jahren hatten sie einander zuletzt berührt. Seitdem war er mit genügend Frauen zusammen gewesen, um zu wissen, wie er die Bedürfnisse seines Körpers befriedigte. Doch dies war anders.

Er begehrte Alicia nicht einfach.

Es war dunkler als das.

Er fühlte einen überwältigenden Drang, bei ihr zu sein. Ihr in Erinnerung zu rufen, was sie miteinander geteilt hatten. Sie sollte zugeben, dass es ihr etwas bedeutet hatte. Bis zu diesem Moment war ihm nicht bewusst gewesen, wie sehr er diese Bestätigung brauchte.

Alicias Zurückweisung hatte etwas in ihm zerstört. Sie hatte sich verhalten, als würde ihr nichts an ihm liegen. Und plötzlich gab es in seinem Leben nichts Wichtigeres als ihr Geständnis, dass das nicht stimmte.

„Ich möchte Ihnen allen für Ihr Kommen danken.“ Ihre Stimme bebte leicht.

Graciano beugte sich ein Stück vor. Hatte die Begegnung mit ihm sie verunsichert?

„Dies ist das vierte Jahr, in dem ich das Privileg hatte, die McGiven House-Benefizauktion zu organisieren. Und die erste Auktion, bei der ich mitmache.“ Jetzt sprach sie selbstbewusster. Als die Gäste laut klatschten, hob sie beschwichtigend beide Hände.

Charmant und bescheiden wirkte sie. Sicher hat sie das einstudiert, dachte Graciano. Der enthusiastische Applaus bewies, wie beliebt sie war.

„Keine Sorge, ich werde diesen Abend nicht moderieren“, sagte Alicia und lachte leise.

Tausend kleine Pfeile schienen durch Gracianos Haut zu dringen. Alicias Lachen glich einem Atemzug, der auf seinen Körper traf. Der neckte, versprach, provozierte, forderte … genau wie damals.

Könntest du mich später auf einen Drink treffen?

Er war enorm versucht gewesen, einzuwilligen – weshalb er sofort barsch abgelehnt hatte. Unwillkürlich senkte er den Kopf. Das Atmen bereitete ihm Mühe. Als er merkte, dass sein Date ihn fragend ansah, rief er sich zur Ordnung. Er besann sich auf die wichtigen Regeln, die er vor vielen Jahren gelernt hatte: Offenbare nie deine Gefühle. Lass dir nicht in die Karten schauen.

Zeige ihnen nie, dass du verletzt bist.

Lass niemanden deinen Schmerz sehen.

Also richtete er sich auf und verfolgte die Auktion mit äußerer Gelassenheit. Ein Objekt nach dem anderen wurde versteigert und erzielte Preise, die nicht nur für den jeweiligen Wert, sondern auch für den guten Zweck sprachen. McGiven House bot Opfern häuslicher Gewalt eine Zuflucht. Das Projekt lag ihm am Herzen. Er hatte schon mehrere Millionen Euro für Stiftungen wie diese gespendet, und doch erschien es ihm nie ausreichend.

Bis er vergessen konnte, wie es war, hungrig und voller Angst zu Bett zu gehen, konnte er sich nicht sagen, alles Nötige getan zu haben.

Graciano unterhielt sich mit anderen Gästen, wenn es nötig war, während er sich mit jeder Zelle seines Körpers auf den letzten Preis des Abends konzentrierte – Alicia selbst. In seinem Kopf nahm eine Idee Gestalt an.

Eine schlechte Idee, und doch konnte er sie nicht ignorieren.

Alicia legte eine mühelose Anmut und Liebenswürdigkeit an den Tag, als wäre ihr Herz aus purem Gold. Allerdings konnte er nur daran denken, wie leicht es ihr gefallen war, mitzuerleben, dass er einmal mehr verstoßen wurde. Wie ihre Ablehnung ihn bis ins Mark getroffen hatte.

Es war unklug, Entscheidungen von emotionalen Impulsen beeinflussen zu lassen. Trotzdem flammten Rachedurst und der unbedingte Wunsch nach Vergeltung in ihm auf. Vor zehn Jahren hatte Alicia sein Vertrauen zerstört. Obwohl er den Schock überwunden und sich eine mehr als komfortable Existenz aufgebaut hatte, zog sich ihr Verrat durch sein Leben wie ein Haufen giftiger Tentakel. Er wollte – musste – die Dämonen austreiben.

Aus eigenem Antrieb hätte er Alicia nie aufgesucht. Doch nun, da sich ihre Wege kreuzten, beschloss er, seine Chance zu nutzen.

Alicia Griffiths würde ihm gehören. Er würde sie zu dem Geständnis zwingen, dass es grundfalsch gewesen war, ihn wie ein Stück Dreck wegzuwerfen.

„Warum hast du mich doch gleich hierzu überredet?“, fragte Alicia ihre Assistentin leise, während ein Bieterkrieg um das vorletzte Stück der Versteigerung entbrannte.

„Weil du die Selbstlosigkeit in Person bist“, antwortete Connie mit einem Augenzwinkern.

„Ja, schon, aber hinter den Kulissen. Mich selbst zu versteigern, ist doch verrückt.“

„Erstens versteigerst du nicht dich, sondern deine Kompetenz als Eventmanagerin. Zweitens ist es zu spät für einen Rückzieher. Maude Peterson will dich partout für die Hochzeit ihrer Enkelin und hat ihr Scheckheft schon gezückt.“

Alicia zog eine Braue hoch. „Eine Hochzeit, hm?“ Dafür müsste sie ihre Überzeugung ignorieren, dass Und sie lebten glücklich bis an das Ende ihrer Tage nicht existierte. Oder wenigstens so tun.

„Eine sehr teure englische Hochzeit, mit etlichen reichen Gästen, die als Spender für unsere Stiftung infrage kommen.“

„Ich glaube nicht, dass ich bei einer Hochzeit um Spenden werben kann.“

„Nein, aber Maude ist eine Klatschtante. Sie erzählt garantiert jedem Gast von der Stiftung.“

„Stimmt auch wieder.“ Dennoch war Alicia mulmig zumute. Allein die Vorstellung, dass Graciano im Saal saß und sie beobachtete …

Schmetterlinge schwärmten in ihrem Bauch auf, als der Auktionator seinen Hammer hob. Ihr Blick glitt zum Bildschirm hinter ihm. Verdutzt blinzelte sie, als sie sah, welch astronomische Summe für den Erste-Klasse-Trip nach New York – die Spende eines Fußballprofis – geboten wurde. Der Sportler wollte die Gewinner sogar in seinem Haus bekochen. Eine wirklich großzügige Spende. Jeder leistete seinen Beitrag, und nun war Alicia an der Reihe. Außerdem konnte man es kaum mühselig nennen, eine Woche Urlaub zu nehmen, um ein Event für ein Mitglied der High Society zu planen. Das schaffte sie im Schlaf.

„Wir alle kennen Alicia Griffiths durch ihre unermüdliche Arbeit für McGiven House“, sagte der Auktionator jetzt. „Seit sie zu der Stiftung gestoßen ist, hat sie deren Einnahmen mehr als verdreifacht und das Profil geschärft. Dank ihr können wir deutlich mehr Menschen helfen. Vor ihrem Einstieg bei McGiven House war sie als Expertin für Protokollfragen und Eventmanagement für die königliche Familie tätig, und nun stellt sie Ihnen ihre Expertise zur Verfügung. Sie bietet eine Woche ihrer Zeit, um eine Veranstaltung für Sie zu organisieren, sei es nun für eine Firma oder eine Privatperson. Kommen Sie doch bitte zu mir, Alicia.“

Ihre Knie zitterten. Irgendwo da draußen war Graciano. Wie er sie mit verächtlich verzogenem Mund angeblickt hatte … Nervös ging sie auf den Auktionator zu. Zum Glück konnte sie wegen des Scheinwerferlichts kaum jemanden im Publikum erkennen. Der Gedanke, dass sich all die Augenpaare auf sie richteten, behagte ihr kein bisschen.

„Wollen wir die Versteigerung mit zehntausend Pfund beginnen?“, schlug der Auktionator vor.

Was, wenn niemand für mich bietet, schoss es ihr durch den Kopf. Graciano würde Zeuge ihrer Demütigung sein.

„Zehntausend Pfund!“

Sie erkannte Maudes Stimme. Offenbar war der älteren Dame die Hochzeit ihrer Enkelin sehr wichtig. Das Gebot versetzte Alicia einen Stich. Sie spürte die Mischung aus Schmerz und Sehnsucht, die sich immer einstellte, wenn sie die Liebe eines Menschen zu einem Verwandten miterlebte. Wie schön es sein musste, seine Schlachten nicht allein schlagen zu müssen! Alicia hatte das getan – tat es genau genommen noch immer. Es war kein Zuckerschlecken, alleinerziehende Mutter zu sein, selbst die einer wundervollen kleinen Tochter.

„Zehntausend Pfund“, wiederholte der Auktionator. „Höre ich fünfzehn?“

„Fünfzehn!“, rief eine Frau.

„Zwanzig!“, konterte Maude.

„Fünfundzwanzig“, bot ein Herr.

„Dreißig!“ Wieder Maude.

„Fünfunddreißig“, hielt die andere Frau dagegen.

„Fünfzig!“, rief Maude entschlossen.

„Fünfzigtausend Pfund sind geboten für eine Woche von Alicias Zeit“, stellte der Auktionator fest.

Alicia zwang sich, ihr Lächeln beizubehalten, obwohl ihr Herz so heftig schlug, dass ihr das Blut in den Ohren rauschte.

„Fünfzigtausend Pfund zum Ersten.“ Der Auktionator legte eine dramatische Pause ein.

Ohne Grund, fand Alicia. Niemand würde mehr als diese Summe für eine Eventmanagerin zahlen.

„Zum Zweiten.“

Es herrschte völlige Stille. Alicia hoffte inständig, der Auktionator möge das Gebot endlich annehmen, damit sie von der Bühne huschen konnte. Doch als er den Hammer hob, sagte jemand mit spanischem Akzent und einem schroffen Unterton klar und deutlich: „Fünfhunderttausend Pfund.“

Aufgeregtes Gemurmel durchdrang die Stille. Alicia hob eine Hand zu den Lippen. Sie kannte die Stimme. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Verunsichert sah sie den Auktionator an.

Der Mann strahlte. „Nur um sicherzugehen, dass ich mich nicht verhört habe … Fünfhunderttausend Pfund?“

„Ja.“

Stocksteif stand Alicia da, in der Mitte einer Welt, die sich viel zu schnell um ihre Achse zu drehen schien.

„Ein wahrhaft generöses Angebot!“, lobte der Auktionator. „Sind Sie als Bieter registriert, Sir?“

„Jeder, der eine Eintrittskarte zur Gala gekauft hat, ist als Bieter registriert“, murmelte Alicia.

„Dann gilt es.“

Entgeistert starrte sie Richtung Publikum. Überleg es dir noch mal, flehte sie Graciano stumm an, wo auch immer er saß. Doch es war zu spät. Der Auktionator ließ den Hammer niedersausen.

Sie zuckte zusammen.

„Ladies und Gentlemen, was für ein außergewöhnlicher Abend. Falls Sie das Glück hatten, einen Gegenstand oder eine Person zu ersteigern, melden Sie sich bitte innerhalb der nächsten Stunde am Stand der Stiftung, gleich neben der Tür.“

Beklommen wartete Alicia am Stand. Fünfhunderttausend Pfund? Was um alles in der Welt hatte er sich dabei gedacht?

Sie ging auf und ab, während Gäste Kaufverträge unterzeichneten und Schecks einreichten. Wo war Graciano? Vielleicht konnte sie ihn dazu bringen, seine Meinung zu ändern?

Aber wenn sie die Riesensumme für die Stiftung aufgab – es kam ihr vor, als würde jemand eine Schlinge um ihren Hals zuziehen. „Es handelt sich um einen Fehler“, sagte sie zu Connie. „Ich kann nicht … Wir sollten Maude fragen, ob sie noch für mich zahlen würde.“

„Das wird nicht nötig sein.“

Alicia erstarrte. Farbe und Wärme wichen ihr aus dem Gesicht, während die Stimme sie umschlang, einschnürte, schockte. Sie fühlte sich, als hätte ihr Herz einen Stromschlag bekommen. „Connie“, stieß sie mit erstickter Stimme hervor, ohne zu wissen, was ihre Assistentin tun sollte.

„Guten Abend, Sir“, sagte Connie höflich. „Sind Sie der glückliche Gewinner der Dienste von Miss Griffiths?“

„Ja.“

„Wunderbar. Und Ihr Name, Sir?“

Langsam drehte Alicia sich um. Sie wappnete sich, Graciano gegenüberzustehen, der eine unverschämte Summe für eine Woche ihrer Zeit geboten hatte. „Dies ist Graciano Cortéz, Connie“, sagte sie leise, während unzählige Gefühle wie ein außer Kontrolle geratener Zug auf sie einstürmten.

Ihr Gesicht war aschfahl, als sie den Vater ihres Kindes mit einem gehetzten Ausdruck in den Augen ansah. Schnell riss sie sich zusammen und setzte eine kühle Miene auf, aber welche Mühe sie das kostete! Was bildete er sich ein? Vorhin hatte er einen Drink rundweg abgelehnt. Und trotzdem zahlte er eine halbe Million für ihre Fähigkeiten als Eventmanagerin?

„Ach, du kennst den Herrn?“, fragte Connie.

„Nur von früher“, wiegelte Alicia ab, um die Vergangenheit von der Gegenwart abzugrenzen. Sie beachtete seine spöttische Miene nicht.

„Verstehe.“

„Sie planen eine Veranstaltung, die ich organisieren soll?“ Alicia ließ einen geringschätzigen Unterton in ihrer Stimme mitschwingen. Den verdiente er.

„Korrekt.“

„Nun, wenn Sie Connie Ihre Kontaktdetails bestätigen, melde ich mich, sobald die Zahlung eingegangen ist.“

„Ich brauche Sie ab Montag.“

„Montag?“ Alicia starrte ihn an und vergaß vorübergehend, unerschütterlich zu wirken. „Warum so bald?“

„Weil die Veranstaltung am Ende dieses Monats stattfindet.“

„Warum ist sie dann nicht längst vorbereitet?“

„Mir war nicht bewusst, dass ich mit meinen fünfhunderttausend Pfund auch ein Verhör gekauft habe. Kriegen Sie es hin oder nicht?“

Ungläubig sah Alicia ihre Assistentin an.

„Du hast zwei Besprechungen, aber die kann ich eine Woche nach hinten verschieben“, meinte Connie.

Das war nicht die Antwort, die Alicia hören wollte.

„Meine Assistentin mailt Ihnen morgen früh einen Reiseplan, Connie“, erklärte Graciano. „Ich benötige die Dienste von Miss Griffiths für die Dauer von fünf Nächten. Sie nimmt am Montag den ersten Flug nach Spanien.“

„Moment mal.“ Alicia atmete tief ein. Einen Moment lang fühlte sie sich wie mit sechzehn, als all ihre Hoffnungen und Wünsche und Träume um diesen Mann gekreist hatten. Ihr Magen krampfte sich zusammen, weil heute so eine breite Kluft zwischen ihnen lag. Hätte sie mit sechzehn je für möglich gehalten, dass sie einmal derart kalt miteinander sprechen würden? Eine Weile hatte sich Graciano wie ihre zweite Hälfte angefühlt. Ein kindischer Traum. „Eine Woche meiner Zeit bedeutet eine Woche meiner Zeit, nicht … Sie erwarten doch nicht, dass ich mit Ihnen nach Spanien fliege?“

„Ich nehme an, meine fünfhunderttausend Pfund kaufen mir Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit?“

„Ja, schon, aber die kann ich Ihnen genauso gut von meinem Büro aus …“

„Nein“, unterbrach er sie ebenso eisig wie kategorisch. „Die Veranstaltung findet auf meiner Insel statt, und dort soll auch die Planung erfolgen. Sie können unmöglich die nötigen Arrangements treffen, ohne den Ort mit eigenen Augen gesehen zu haben. Wenn Sie mein Geld wollen, akzeptieren Sie meine Bedingung.“

Alicia fiel die Kinnlade herunter.

„Mr. Cortéz“, versuchte Connie zu vermitteln, „für gewöhnlich werden diese Dinge anders …“

„Meine Spende ist nicht gewöhnlich“, entgegnete er mit dem Selbstvertrauen eines Mannes, der völlig recht hatte, und wandte sich wieder Alicia zu. „Das ist der Deal. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.“

Alicia wollte rundweg ablehnen. Eine Woche auf Gracianos Insel? Sie war doch nicht verrückt! Auch nicht dumm. Andererseits hatte sie schon überschlagen, wie vielen Familie man mit seiner halben Million helfen konnte. Ihretwegen durfte die Stiftung diese Spende auf keinen Fall verlieren.

Autor

Clare Connelly
<p>Clare Connelly liebt Liebesromane – von Jane Austen bis E L James. Nachdem sie lange erfolgreich Selfpublisherin war, ging 2017 ihr Traum in Erfüllung, als ihr erstes Buch bei einem Verlag erschien. Seitdem ist sie nicht mehr zu stoppen. Clare liest und schreibt leidenschaftlich gerne, und lebt in einem kleinen...
Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Die verschollen geglaubten Cortéz-Brüder