Ich schenk dir mein Herz, Geliebte

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Das erste Weihnachten ohne ihre Eltern: Sally ist traurig. Doch inmitten der bittersüßen Vorweihnachtszeit betritt der attraktive Hunter Bedford ihren Laden, und zum Fest der Liebe küsst er sie. Aber wird er bei ihr bleiben?


  • Erscheinungstag 21.11.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728540
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Sally Rogers stand im Schaufenster von Bailey’s General Store und versuchte, es schöner zu gestalten. Schließlich hatte sie eine Idee, und gerade als sie diese umzusetzen begann, wurde sie von einem Kunden angesprochen, der kurz zuvor hereingekommen war.

„Entschuldigen Sie, ich suche den Inhaber.“

Sie blickte über die Schulter und sah sich einem großen, schlanken und seriös wirkenden Mann gegenüber. Dieser war jünger, als sie im ersten Moment gedacht hatte, und blickte sie erwartungsvoll an.

„Warum?“, fragte sie leicht gereizt.

„Weil ich etwas mit ihm besprechen muss.“

„Es tut mir leid, das geht jetzt nicht. Er ist momentan sehr beschäftigt.“ Sie war müde.

Das Kaufhaus bedeutete viel Arbeit, und außerdem haderte sie immer noch mit dem unerwarteten Tod ihrer Eltern. Von einem Tag auf den anderen hatte sie das Geschäft übernommen und war mit den vielen Entscheidungen überfordert, die sie treffen musste.

„Es tut mir leid, Miss, aber ich glaube, darüber entscheiden nicht Sie“, erklärte der Mann streng.

Sally stieg aus dem Schaufenster und strich sich dabei eine lange blonde Strähne hinters Ohr. „Oh doch. Sie kommen außerdem ungelegen. Ich habe jetzt wirklich keine Zeit, mit Ihnen zu reden.“

Sie sind die Inhaberin?“, erkundigte sich der Fremde schockiert.

„Allerdings.“ Sie durchquerte den Raum und hielt dabei Ausschau nach dem Gegenstand, den sie ins Schaufenster stellen wollte.

Zu ihrer Überraschung folgte der Mann ihr. „Was machen Sie da?“

„Nicht dass es Sie etwas angeht, aber ich hole die Trittleiter.“

„Die Trittleiter? Warum?“

Sally lächelte ironisch. Offenbar würde sie ihn nicht so einfach loswerden. „Wenn Sie es unbedingt wissen wollen, ich möchte einige Hemden ins Schaufenster hängen.“ Sie griff nach der Leiter, doch der Fremde nahm sie ihr kurzerhand ab.

„Erlauben Sie mir, sie zu tragen.“

Verärgert blieb sie stehen und funkelte ihn an. „Danke für das Angebot, aber das schaffe ich allein.“

Nun lächelte er. „Hören Sie, ich muss mit Ihnen reden, und da Sie sehr beschäftigt sind, kann ich Ihnen genauso gut helfen.“

Seufzend ging sie vor. Nachdem sie wieder ins Schaufenster geklettert war, nahm sie die Leiter von dem Mann entgegen, stellte sie auf und hängte die Hemden daran. Anschließend ging sie nach draußen, um ihr Werk zu betrachten. Erstaunt stellte sie fest, dass der Typ ihr erneut gefolgt war.

„Sieht gut aus“, stellte er fest. „Seit wann gehört Ihnen das Geschäft?“

„Noch nicht lange, seit dem Tod meiner Eltern.“

Er blickte zu Boden. „Kein Wunder, dass ich falsche Informationen über den Inhaber hatte.“

„Dachten Sie, es wäre Bob Rogers?“, erkundigte Sally sich leise.

„Stimmt. Er war Ihr Dad?“

„Ich habe das Geschäft geerbt, als meine Eltern gestorben sind.“ Als er sie starr ansah, zuckte sie die Schultern. „Es tut mir leid, ich hätte es höflicher formulieren sollen, aber es fällt mir immer noch schwer, anderen Einzelheiten zu erzählen. Meine Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, zusammen mit meiner Tante und meinem Onkel. Seitdem bin ich Inhaberin von Bailey’s General Store.“

„Vielleicht möchten Sie den Vertrag dann nicht weiterführen. Ich schätze, wir können darüber sprechen, aber ich glaube …“

„Hören Sie, ich bin müde und habe keine Ahnung, wovon Sie reden.“ Wieder seufzte sie.

„Ihr Vater hat Ihnen also nicht von meinem geplanten Besuch erzählt?“

Entgeistert wandte Sally sich zu dem Fremden um. Er sah aus, als wäre er einem Hochglanzmagazin entstiegen, und wirkte hier, in der Kleinstadt, seltsam deplatziert. „Woher hätte mein Vater wissen sollen, dass Sie kommen?“

Er verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß und wirkte plötzlich etwas unbehaglich. „Mein Großvater und er haben eine Abmachung getroffen.“

„Ihr Großvater? Wer ist das?“

„Wilbur Hunt, von der Hunt Corporation bei Denver.“ Offenbar erwartete er, dass sie sich beeindruckt zeigte.

„Ich kann mich nicht entsinnen, irgendwelche Briefe oder Dokumente von der Hunt Corporation gefunden zu haben, als ich die Unterlagen meines Vaters durchgegangen bin. Um was für eine Abmachung soll es sich handeln?“

„Ich sollte hier die zweite Monatshälfte für Ihren Vater arbeiten.“

Völlig entgeistert sah sie ihn an. „Sie machen Witze. Das ist lächerlich!“

„Warum?“

„Weil mein Vater genug Hilfe für das Weihnachtsgeschäft hat … hatte.“

„Er wollte mich nicht dafür bezahlen. Mein Großvater wollte das Geschäft kaufen.“ Als Sally ihn unterbrechen wollte, hob er die Hand. „Ihr Vater wollte nichts davon wissen. Doch da Sie so gute Umsätze machen, dachte mein Großvater, ich könnte hier einiges lernen, falls wir beschließen zu expandieren und kleinere Geschäfte in Colorado zu eröffnen.“

„Mein Vater sollte Ihnen also zeigen, wie Sie uns vom Markt drängen können? Das hätte er niemals getan.“

„Nein, die beiden hatten die Abmachung getroffen, dass wir hier in der Nähe kein Geschäft übernehmen oder selbst eins eröffnen.“

„Ich habe, wie gesagt, keine Unterlagen gefunden.“

„Ich glaube, es war eine Vereinbarung auf Treu und Glauben.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Vater eine derartige Abmachung getroffen hat. Er hätte es sicher irgendwo schriftlich festgehalten, und sei es nur für mich. Ich würde Sie hier lediglich arbeiten lassen, wenn Sie eine Konkurrenzklausel unterschreiben.“

„Sally?“, erklang in diesem Moment eine Stimme aus dem Lager.

„Ich komme.“ Sally lächelte den Fremden zerknirscht an. „Ich muss nachsehen, was los ist. Entschuldigen Sie mich bitte.“

Im Lager traf sie ihren Mitarbeiter Billy Johnson an, der sichtlich verwirrt wirkte. „Was gibt’s, Billy?“

„Ich weiß nicht, was ich mit diesen Jeans machen soll, Sally.“

Sie betrachtete die Kartons mit den Hosen. „Du legst sie in der Männerabteilung in die Regale, Billy.“

„Aber es sind auch welche für Frauen dabei.“

Sally lächelte. „Die bringst du in die Damenabteilung. Komm, ich suche sie für dich raus.“

Billy war schon seit mehr als zwanzig Jahren im Geschäft tätig. Er war ein guter Mitarbeiter, doch mit fast siebzig war er manchmal leicht überfordert. Ihr Vater hatte immer gesagt, Billy sei der fleißigste Mensch, dem er je begegnet sei, und könne immer noch schwerere Lasten heben als sie.

Nachdem sie ihm gezeigt hatte, was er tun sollte, kehrte sie in den Geschäftsraum zurück, wo der Fremde nun am Tresen lehnte. „Brauchen Sie noch etwas?“

„Nur mehr Zeit, um mit Ihnen zu reden.“

„Es tut mir leid, aber jetzt in der Vorweihnachtszeit habe ich wirklich alle Hände voll zu tun. In etwas mehr als einer Woche beginnt die Weihnachtsfeier, und da ist immer besonders viel los. Ich muss noch eine Menge organisieren.“

„Was ist unter der Weihnachtsfeier zu verstehen?“, hakte er nach.

Sally lächelte. „Ein Stadtfest. Unsere Eltern haben sie ins Leben gerufen, als wir drei waren, und seitdem hat sie jedes Jahr stattgefunden.“ Sie dachte an all die schönen Zeiten, die sie mit ihrer Cousine Penny verlebt hatte. Dieses Weihnachtsfest würde für sie beide besonders schwer werden.

„Wir?“, hakte der Fremde nach einer kleinen Pause nach. „Haben Sie Geschwister?“

„Nein, ich bin Einzelkind. Ich meinte meine Cousine und mich. Als wir klein waren, wollten wir beide unbedingt den Weihnachtsmann sehen, und so beschlossen unsere Eltern, ihn in unsere Stadt zu holen. Sie haben ihn dann immer abwechselnd gespielt. Und nun kommen viele Menschen von auswärts, um den Weihnachtsmann zu sehen.“

Forschend sah er sie an. „Und wie viel Geld verdienen Sie jetzt damit?“

Sein sarkastischer Tonfall verärgerte sie genauso wie all seine Fragen. „Gar nichts. Wir geben gratis Getränke und Essen aus und verteilen gebrauchte Kleidung und Spielsachen an die Bedürftigen. Natürlich haben wir dann auch einen höheren Umsatz im Geschäft, aber das ist alles. Meine Cousine Penny kümmert sich immer um den Weihnachtsbaum, und ich schmücke ihn. Außerdem backt sie zusammen mit den anderen freiwilligen Helferinnen Kuchen und Kekse. Es ist ein richtiges Weihnachtsfest.“

Erneut wirkte der Mann unbehaglich. „Ich bin beeindruckt. Sie könnten viel Geld einnehmen, wenn Sie etwas für das Essen und die Getränke berechnen würden.“

„Nein danke. Das wäre typisch Groß-, nicht Kleinstadt.“

„Schon möglich. Aber Sie könnten erwägen …“

„Nein. Wir werden nichts ändern“, beharrte sie, während sie seinen Blick erwiderte.

„Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie stur sind?“

Sein Lächeln hätte sie fast für ihn eingenommen. Schnell wandte Sally sich ab, damit er die Tränen in ihren Augen nicht sah. Genau das hatte ihr Vater auch immer liebevoll zu ihr und ihrer Mutter gesagt. Ihr Herz krampfte sich bei der Erinnerung daran zusammen.

„He, ich habe Sie nur aufgezogen, ich wollte Sie nicht zum Weinen bringen.“ Der Mann kam zu ihr und legte ihr die Hand auf den Arm, damit sie sich zu ihm umdrehte.

„Schon gut. Mein Vater hat das nur auch immer gemeint“, erwiderte Sally leise.

„Verdammt! Das tut mir leid. Fast alles hier muss Sie an die beiden erinnern.“

„Ja, das tut es.“ Schnell wischte sie die Tränen weg. Sie wollte nicht daran denken, wie nahe sie diesem Fremden in diesem Augenblick war, wie sehr seine Berührung sie tröstete und wie gut er duftete.

Die Türglocke riss sie aus ihren Gedanken. Schnell wich Sally einen Schritt zurück und riss sich zusammen, bevor sie sich an die hereinkommende Kundin wandte. Mrs. Ellison brauchte Nähgarn für ein Weihnachtsgeschenk, Malbücher für ihre Enkelin, und außerdem empfahl Sally ihr eine neue Gesichtscreme. Als die alte Dame das Geschäft verließ, stand der Fremde immer noch dort.

„Sie sind ein Verkaufstalent“, stellte er fest.

„Danke“, erwiderte Sally kühl, während sie sich fragte, warum er noch blieb. „Kann ich Ihnen noch etwas zeigen, bevor Sie gehen?“

„Essen Sie mit mir zu Mittag?“, fragte er zu ihrer Verblüffung.

Starr blickte sie ihn an. „Nein, ich gehe über Mittag nie weg.“

„Dann zu Abend?“

„Ich habe momentan zu viel zu tun.“

„Aber Sie müssen irgendwann etwas zu sich nehmen. Ich suche mir eine Bleibe und komme gegen sechs Uhr wieder. Bitte. Ich esse nicht gern allein.“

Sally war sich bewusst, dass sie sich nicht mit diesem Mann einlassen sollte. Sofort vermisste sie ihre Eltern und verspürte einen schmerzhaften Stich. Die beiden hätten sie nicht weggehen lassen, ohne sie zumindest zu warnen. Schließlich war dieser Mann ein Fremder, und außerdem kam er aus der Großstadt und hatte ihr bereits zu verstehen gegeben, dass er ganz andere Ansichten als sie hatte.

Doch sie war jetzt allein und musste ihre eigenen Entscheidungen treffen. Nervös nickte sie, weil sie ihm instinktiv vertraute, obwohl sie ihn nicht kannte. „Es gibt hier nur ein gutes Restaurant, das Diamond Back, eine Straße weiter. Wir treffen uns dort um sechs Uhr.“

„Prima. Bis dann.“ Wieder lächelte er, woraufhin sie erschauerte, und verließ dann das Geschäft.

Obwohl sie so viel zu tun hatte, musste sie den ganzen Tag an ihn denken und ebenso an den Grund für seinen Besuch.

Es wäre ihr nicht im Traum eingefallen, jemanden zu schulen, damit er irgendwann das Geschäft übernehmen konnte. Wenn sie sich durch eine Vereinbarung mit einer Konkurrenzklausel absicherte, hätte sie nichts dagegen, ihn in die Abläufe einzuweihen, zumal sie dringend Unterstützung gebrauchen konnte.

Außer Billy hatte sie zwei Aushilfen und konnte so wenigstens mittags etwas essen, wenn nicht zu viel los war. Billy ging oft schon gegen fünf, weil sie abends keine Lieferungen erhielt.

Das Haus ihrer Eltern, das sie ebenfalls geerbt hatte, war sehr schön und lag in der Straße direkt hinter dem Geschäft. So hatte sie einen sehr kurzen Arbeitsweg. Da sie sowohl das Mittag- als auch das Abendessen von zu Hause mitbrachte, war sie immer vor Ort.

An diesem Tag war sie erleichtert gewesen, als sie endlich Pause machen konnte. Sie hatte beschlossen, sich in der Zeit um die Buchhaltung zu kümmern. Ihr Vater hatte sie darin eingewiesen, als sie sechzehn war. Wie oft hatte sie mit ihm über den Büchern gesessen, damit alles auf dem aktuellen Stand und richtig war. Natürlich war ihr klar gewesen, dass sie das Geschäft irgendwann einmal übernehmen würde, doch sie hatte geglaubt, es wäre der Fall, wenn ihre Eltern in den Ruhestand gingen. Die beiden waren viel zu früh aus dem Leben gerissen worden.

Sally saß da und dachte an ihre Verabredung an diesem Abend. Der Fremde war wirklich attraktiv, aber erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie nicht einmal seinen Namen kannte!

Es passierte nicht oft, dass Fremde zufällig nach Bailey kamen, denn die Kleinstadt lag von Bergen umschlossen im Norden von Colorado und war deshalb nicht einfach zu finden.

Also musste der Fremde die Wahrheit über die Vereinbarung zwischen ihrem Dad und Wilbur Hunt gesagt haben. Warum sonst hätte er hierherkommen sollen? Allerdings hatte ihr Vater ihrer Mutter oder ihr gegenüber nie etwas erwähnt. Andererseits hatte auch niemand mit seinem verfrühten Tod gerechnet.

Als der Tag sich dem Ende zuneigte, begann Sally sich zu fragen, ob sie einen Fehler gemacht hatte, und gegen sechs Uhr zerbrach sie sich den Kopf darüber, was sie tun sollte. Einfach nicht zum Restaurant gehen? Natürlich wusste der Mann, wo er sie finden würde, aber vielleicht wäre er so verärgert, dass er nicht mehr erscheinen würde.

Plötzlich tauchte sein attraktives Gesicht vor ihrem geistigen Auge auf, und ihr wurde klar, dass sie sich mit ihm treffen wollte. Es wäre eine nette Abwechslung, sich mit jemandem zu unterhalten, der nicht von hier stammte. Mit jemandem, der die Welt gesehen hatte – oder zumindest mehr als sie.

Schließlich ging sie zu ihrem Haus, dem großen, leeren Haus, in dem sie mit ihren Eltern gewohnt hatte. Sie zog Pulli und Jeans aus und entschied sich für ein Stricktop und einen engen schwarzen Rock, die mehr Stil verrieten. Schließlich schminkte sie sich dezent, was nur selten vorkam.

Um Punkt sechs betrat sie das Diamond-Back-Restaurant, konnte den Mann allerdings nirgends entdecken. Deshalb wandte sie sich an Diane Diamond, die Ehefrau des Inhabers und eine sehr gute Kundin von ihr.

„Hallo, Diane“, begrüßte Sally sie lächelnd.

„Dein Gast erwartet dich an unserem besten Tisch, Sally. Danke, dass du uns neue Gäste bringst.“ Liebevoll erwiderte Diane ihr Lächeln.

Sally seufzte erleichtert, weil Diane keine unangenehmen Fragen gestellt hatte. „Gern geschehen, Diane.“ Dann ging sie in die Richtung, in die Diane deutete. Als sie um die Ecke ging, entdeckte sie den Fremden an einem Tisch.

Sobald sie sich ihm näherte, stand er auf und rückte ihr einen Stuhl zurecht.

„Danke“, sagte sie leise, bevor sie Platz nahm.

Lächelnd setzte er sich ebenfalls wieder. „Sie sehen gut aus, Sally.“

„Woher wissen Sie meinen Namen?“, fragte sie überrascht.

„Das ist einer der Vorzüge einer Kleinstadt, stimmt’s? Die Leute reden gern. Ich habe schon einiges über Sie und Ihre Cousine Penny erfahren.“

„Bitte machen Sie sich nicht über Kleinstädte lustig. Ich mag sie.“

„Es tut mir leid. Ich glaube, ich habe mich Ihnen heute Morgen gar nicht vorgestellt, weil Sie mich so überrascht haben. Ich bin Hunter Bedford.“

„Guten Abend, Mr. Bedford. Es tut mir leid, aber ich glaube, Sie haben die Reise umsonst gemacht.“

Erneut lächelte er und zeigte dabei seine perfekten Zähne. „Das würde ich nicht sagen.“

„Mr. Bedford, ich habe heute erst von dieser Vereinbarung zwischen meinem Vater und Ihrem Großvater erfahren, und wie ich Ihnen bereits sagte, bin ich nicht daran interessiert, Sie ohne die Unterzeichnung einer Konkurrenzklausel zu schulen.“ Auf keinen Fall würde sie sich von ihm drängen lassen.

„Ich verstehe Sie, denn Sie kennen meinen Großvater nicht. Ich habe nach unserem Gespräch heute Morgen mit ihm telefoniert und ihm die Situation geschildert. Er war sehr bestürzt über den Tod Ihres Vaters und lässt Ihnen sein Beileid ausrichten. Außerdem hat er mir erzählt, dass es eine mündliche Vereinbarung war und er kein Problem damit hat, eine Konkurrenzklausel zu unterschreiben. Er möchte unbedingt, dass ich in Bailey bleibe und die Abläufe in Ihrem Geschäft kennenlerne. Und ich denke, Sie könnten für den restlichen Monat etwas Hilfe gebrauchen – umsonst, versteht sich.“

Einen Moment lang dachte Sally über seine Worte nach. Natürlich konnte sie Unterstützung gebrauchen, aber sie wollte nicht verzweifelt wirken. „Wir könnten das hinbekommen“, erwiderte sie deshalb.

Im nächsten Moment erschien die Kellnerin, und Sally bat sie, noch einmal wiederzukommen, weil sie noch nicht dazu gekommen wären, einen Blick in die Speisekarten zu werfen. Nach einem Moment erschien diese wieder, und sie entschieden sich beide für den Hackbraten.

„Kommt sofort“, verkündete die Kellnerin fröhlich und lächelte dabei erneut Mr. Bedford an.

„Der Service hier ist wirklich sehr gut“, bemerkte er, nachdem die Frau gegangen war.

„Das hat wohl mehr mit Ihrem guten Aussehen zu tun als mit der Tatsache, dass Sie ein Fremder sind, Mr. Bedford.“

„Ich fasse das als Kompliment auf, Sally. Und bitte nennen Sie mich Hunter.“

„Na gut, Hunter. Also, was haben wir zu besprechen?“

Mit seinem Lächeln hätte er überall Aufmerksamkeit erregt. „Sie haben mich noch gar nicht ausreden lassen. Vorausgesetzt, wir hätten eine Konkurrenzklausel vereinbart, könnten Sie sich dann vorstellen, mich für Sie arbeiten zu lassen?“

Sally trank einen Schluck Mineralwasser und lächelte dann ebenfalls. „Woher wissen Sie überhaupt von unserem Geschäft? Erzählen Sie.“

„Von unseren Lieferanten. Die Auftragsmenge lässt auf hohe Umsätze schließen, was für ein Geschäft in einer Kleinstadt ungewöhnlich ist.“

„Wir haben einen großen Einzugsbereich, weil es in der Nähe nicht viele Orte gibt.“

„Ja, das ist mir aufgefallen, als ich einen Blick auf die Landkarte geworfen habe. Ich habe sogar einige Geschäfte in der Gegend besucht. Doch Ihres ist bei Weitem das größte und das mit der besten Auswahl. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?“

„Das hat wohl damit zu tun, dass es sich schon lange im Besitz unserer Familie befindet. Mein Urgroßvater hat es 1922 eröffnet, und im Lauf der Jahre wurde es ständig erweitert. Ist das nicht immer so, wenn ein Geschäft gut läuft?“

„Natürlich. Deshalb ist es für unser Unternehmen ja auch so attraktiv. Wir haben fünf Geschäfte in Denver, drei in Colorado Springs und jeweils eins in Pagosa Springs, Fort Collins und Boulder. Und wir möchten expandieren.“

„Warum ziehen Sie keine anderen Staaten in Erwägung?“

„Wir haben mit dem Gedanken gespielt, aber wir haben lieber alles dicht beieinander.“

„Verstehe.“

„Also, wären Sie bereit, mich für den Rest des Monats einzustellen, wenn wir eine Wettbewerbsklausel vereinbaren?“

„Ich weiß nicht. Ich muss darüber nachdenken.“ Forschend blickte Sally ihn an. In seinen blauen Augen lag ein aufrichtiger Ausdruck, und sie stellte fest, dass sie Hunter Bedford zunehmend sympathischer fand.

„Sie müssten mich nicht bezahlen, und ich verspreche Ihnen, nicht zu viele Fragen zu stellen.“

„Was würden Sie überhaupt wissen wollen? Für mich ist das ja auch ganz neu, und ich bin mir nicht sicher, was Sie überhaupt lernen wollen.“

Nun lächelte er ironisch. „Ich weiß es auch nicht genau. Ich müsste es mit meinem Großvater besprechen.“

Im nächsten Moment servierte die Kellnerin das Essen und fragte Hunter, ob er noch etwas wünschte.

„Nein danke, das sieht fantastisch aus.“ Erneut schenkte er ihr sein besonderes Lächeln, woraufhin sie praktisch in die Küche schwebte.

„Sie sollten nicht mit der jungen Frau flirten. Vielleicht kommen Sie ja nicht wieder.“

„Ach nein?“

Prompt verspannte Sally sich. „Noch habe ich mich auf nichts eingelassen.“

„Vielleicht bleibe ich noch ein bisschen, damit ich Sie weich klopfen kann.“

Sie aß ein Stück von ihrem Hackbraten. „Ich glaube nicht, dass Ihr Großvater eine Wettbewerbsklausel unterschreibt. Schließlich ist die Gegend sehr schön, und bestimmt möchte er in der Nähe selbst ein Geschäft eröffnen.“

„Er hat mir versichert, dass er nicht daran interessiert ist, Ihnen Konkurrenz zu machen. Wahrscheinlich ist es nicht leicht für Sie, sich jetzt um alles zu kümmern. Warum sollten Sie also Hilfe ablehnen?“, erkundigte Hunter sich sanft.

Damit hatte er einen wunden Punkt getroffen. Manchmal wachte sie morgens auf und sah sich einem riesigen Berg Arbeit gegenüber. Doch warum sollte ausgerechnet dieser Fremde ihr helfen wollen? Sie versuchte zurzeit, drei Rollen auszufüllen: ihre, die ihrer Mutter und die ihres Vaters. Irgendwann würde sie es schaffen. Nach Weihnachten kam immer die umsatzschwache Zeit.

Aber jetzt?

„Glauben Sie denn, Sie wären eine große Hilfe?“, fragte Sally, denn sie wollte unbedingt mehr über ihn erfahren.

„Ich dachte, Sie könnten in dieser Phase jede Art von Unterstützung gebrauchen, vor allem in der Vorweihnachtszeit. Außerdem habe ich etwas Erfahrung.“

„Sie haben schon in den Unternehmen Ihres Großvaters im Verkauf gearbeitet?“

„Ja. Er ist ein Geschäftsmann der alten Schule und glaubt, man muss das Handwerk von der Pike auf lernen.“

Sally verdrehte die Augen. „Offenbar hat es Ihnen keinen Spaß gemacht, oder?“

„Die meisten Tätigkeiten schon. Verkaufen gehörte auf jeden Fall dazu. Ich mag Menschen.“

„Möchten Sie das Weihnachtsfest nicht gern mit Ihrer Familie verbringen?“

„Mein Großvater erwartet, dass ich bis Heiligabend arbeite. Vielleicht stelle ich sogar fest, dass ich lieber hier bin, als nach Denver zurückzukehren.“

„Ist Ihr Großvater Ihr einziger Verwandter?“

Hunter lächelte matt. „Meine Großmutter lebt nicht mehr, und meine Eltern sind schon eine ganze Weile geschieden. Wahrscheinlich ist meine Mutter Weihnachten gar nicht in Denver.“

Offenbar sprach er nicht gern über seine Familie. „Sicher würde Ihr Großvater es nicht gutheißen, wenn Sie bis Weihnachten hierbleiben würden, Hunter. Ich wette, er möchte die Feiertage mit Ihnen verbringen.“

„Ich würde gern etwas länger bleiben. Was meinen Sie?“

„Ich denke darüber nach, Hunter. Mehr kann ich Ihnen heute Abend nicht versprechen.“ Sie fand seine Gesellschaft angenehmer, als sie erwartet hätte. Doch konnte sie ihn wirklich jeden Tag in ihrem Unternehmen arbeiten lassen?

Seine blauen Augen funkelten. „Okay, dann sehen Sie mich morgen.“

Autor

Judy Christenberry
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